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Kommunikation zwischen Krebsbetroffenen und Angehörigen: eine Literaturanalyse

Im Dokument Schwerpunkt: Lymphome 04 (Seite 54-57)

Kristin Mosler, Verena Biehl, Dr. Jörg Haslbeck

Resultate – Kommunikation und psychische, soziale sowie physische Lebensqualität

Die Mehrheit der 18 Artikel (72%) wurde zwischen 2010 und 2019 publiziert und über die Hälfte stammt aus den USA (61%). In den Studien, die den Artikel zugrunde liegen, wurden sowohl quantitative (45%), qualitative (20%) als auch mixed-methods (30%) Designs verwen-det, deren Befunde nachfolgend bezogen auf die Bereiche der psychischen, sozialen und physischen Lebensqualität gebündelt werden.

Zur psychischen Lebensqualität gehören Gefühle wie Angst, Verhaltens- und Emotionskontrolle sowie kognitive Funktionen und die psychische Gesundheit [8, 9]. Die-se Aspekte können bspw. durch vermeidende Kommu-nikationsstrategien wie das Nichtkommunizieren über Abb. 1. PRISMA-Flowchart der Literatursuche und -auswahl.

IdentifikationAuswahlEinschlussScreening

Eingeschlossene Artikel (n = 18)

Ausgeschlossene Artikel (n = 39) Kommunikation mit Fachpersonen (n = 21) Keine zwischenmenschliche

Kommunikation (n = 10) Keine Kommunikation mit

Angehörigen (n = 4) Keine Krebserkrankung (n = 4)

Ausgeschlossene Artikel (n = 16) Kein Volltext (n = 2) Kommunikation mit Fachpersonen (n = 5) Keine zwischenmenschliche

Kommunikation (n = 4) Ungeeignete wissenschaftliche

Qualität (n = 4) Andere Erkrankungen (n = 1) Durch systematische Literaturrecherche

identifizierte Artikel (n = 141) Pubmed (n = 47)

Cinahl (n = 40) PsychINFO (n = 8)

Medline (n= 46)

Screening Volltext (n = 34) Screening Titel & Abstract

(n = 73)

Artikel nach Entfernung Dubletten (n = 73)

Einschlusskriterien Ausschlusskriterien Artikel in Deutsch, Englisch

Ähnliche kulturelle Settings wie die Schweiz Kommunikation zwischen Angehörigen und Krebserkrankten

Interpersonale, verbale Kommunikation Krebserkrankungen

Artikel aus Journals mit Peer-Review Alle Publikationsjahre

Anderssprachige Artikel Andere kulturelle Settings

Kommunikation zwischen Fachpersonen und Krebserkrankten/Angehörigen

Mediale Kommunikation Andere Erkrankungen Artikel aus anderen Quellen

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die Krebserkrankung negativ beeinträchtigt werden. Zu den vermeidenden Kommunikationsstrategien gehört das

«protective buffering», wenn Krebsbetroffene oder An-gehörige ihre Ängste und Sorgen bezüglich der Krebs-erkrankung verschweigen, um ihr jeweiliges Gegenüber zu schützen. Dieses De-Thematisieren von Gefühlen kann sich für die Person, welche nicht über ihre negativen Emotionen spricht, als belastend erweisen [10]. Speziell bei den pflegenden Angehörigen können sich vermeiden-de Kommunikationsstrategien negativ auf die psychische Lebensqualität auswirken [11], da sich ohne offene Kom-munikation Leid und Stress aufgrund der Krebserkran-kung erhöhen können und so die psychische Gesundheit der Angehörigen beeinträchtigt werden kann [12]. Ferner kann konfliktreiche Kommunikation konsequenzenreich für die psychische Lebensqualität sein [11]. Hohe Kon-fliktlevel in von Krebs betroffenen Familien werden mit Depressionen assoziiert [13], hingegen wird eine offene Kommunikation mit geringem Konfliktpotenzial mit weniger Depressionssymptomen in Verbindung gebracht [14]. Da auch Forschungsergebnisse ohne Nachweis ei-nes Zusammenhangs zwischen der Kommunikation von Krebsbetroffenen bzw. Angehörigen und Depressionen existieren [12], scheint es in der Literatur zu diesem Zeit-punkt noch keinen eindeutigen Konsens zum hier im Mittelpunkt stehenden Thema zu geben.

Die soziale Lebensqualität umfasst u.a. die Anzahl und Qua-lität sozialer Kontakte [9], die durch zwischenmenschliche Beziehungen und soziale Netzwerke geprägt werden [8].

Auch hier kann der Konfliktlevel zwischen Krebsbetroffe-nen und Angehörigen mit der sozialen Lebensqualität in betroffenen Familien zusammenhängen und sich negativ auf eben diese auswirken [12, 15]. Hier scheint eine Rolle zu spielen, ob Krebsbetroffene und Angehörige ähnliche oder diskrepante Kommunikationsmuster nutzen – wenn alle Beteiligten offen und empathisch kommunizieren, kann sich dies positiv auf die Bewältigung der

Krebs-erkrankung, Zufriedenheit in der Familie und den Um-gang mit Angstgefühlen auswirken. Je diskrepanter die Kommunikationsmuster in den von Krebs betroffenen Familien sind, umso drastischer sind die Auswirkungen auf die Zufriedenheit im Allgemeinen und schlussendlich die soziale Lebensqualität [16].

Bei der physischen Lebensqualität handelt es sich um so-matische Wahrnehmungen, Krankheitssymptome und Mobilitätseinschränkungen [8, 9]. Hier findet sich in der Literatur z. B. bei krebserkrankten Kindern ein Zusam-menhang zwischen empfundenem Schmerz und der Kom-munikationsweise der Eltern zu invasiven Behandlungen:

abwertende Kommunikation kann zu mehr Schmerzen führen und die Reaktion auf die Behandlung beeinflussen, zudem fühlen sie sich in ihren Bedürfnissen nicht ernst genommen [17]. Demgegenüber gibt es Hinweise, dass sich eine offene Kommunikation in Familien mit einer an Krebs erkrankten Person positiv auf deren physische Lebensqualität und das Schmerzempfinden auswirkt, von der nicht zuletzt auch die Angehörigen profitieren [18].

Gleichwohl gilt es bezogen auf die Auswirkungen von offener Kommunikation auf die physische Lebensquali-tät weitere Faktoren wie die jeweilige Krebsart, das Alter, Geschlecht, die kulturelle Herkunft sowie die Rolle in der Familie zu berücksichtigen [10].

Ein Fazit

Die Befunde aus der aktuellen Literatur verdeutlichen die Relevanz von Kommunikation bei Krebs für die Le-bensqualität von Krebsbetroffenen und Angehörigen.

Zwar existiert hierzu weiterer Forschungsbedarf zu Ein-flussfaktoren wie etwa Geschlecht, Alter, Kultur oder Er-krankung in Zusammenhang mit Kommunikation und Krebs, um zielgerichtete Interventionen entwickeln zu können. Gleichwohl zeigen die vorliegenden Erkennt-nisse, wie wichtig es zur Unterstützung von Krebsbetrof-fenen und Angehörigen ist, in Angebote zur Förderung Tab. 1. Ein- und Ausschlusskriterien der Literaturanalyse.

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von Kommunikationskompetenzen zu investieren. Für Fachpersonen im Schweizer Gesundheitswesen existiert diesbezüglich bereits das von der Krebsliga Schweiz an-gebotene Communication Skills Training, das Kompeten-zen für eine einfühlsame Kommunikation in schwierigen Situationen bei Krebs vermittelt [19, 20]. International gibt es zudem Trainingsangebote, mit denen die Kom-munikations- und Selbstmanagementkompetenzen von chronisch Erkrankten für einen effektiven Austausch mit Fachpersonen im Gesundheits- und Sozialwesen gefördert werden [21, 22]. Zu Krebs sind im angloamerikanischen Raum erste Kommunikationsangebote geprüft worden, um betroffene Familienmitglieder zu unterstützen, über die Krebsdiagnose, ihre Situation und Beziehung reden zu können [5, 23]. Zu prüfen wäre, inwieweit solche Ansätze auch in der Schweiz einen Mehrwert für die Gesundheit und Lebensqualität von Krebsbetroffenen und deren An-gehörigen haben könnten, denn bislang existiert hierzu eine Angebotslücke.

Literatur

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21. Universitätsklinikum Freiburg. KOKOS-Die Patientenschulung für Kommunikationskompetenzen in Arztgesprächen [Internet]

Freiburg [cited 2020 Sept 28]. Available from: http://www.imbi.

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23. Porter LS, Fish L, Steinhauser K. Themes Addressed by Couples With Advanced Cancer During a Communication Skills Training Intervention. J Pain Symptom Manage 56: 252–258, 2018.

Autorinnen und Autor:

Kristin Mosler, BSc, absolvierte bei der Krebsliga Schweiz 2019/2020 ein Praktikum im Rahmen ihres Bache-lors Prävention & Gesundheitsförderung an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW.

Verena Biel, MA, ist als Dozentin im Bachelorstudien-gang Gesundheitsförderung und Prävention an der Zür-cher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW tätig.

Dr. Jörg Haslbeck, MSc, leitet bei der Krebsliga Schweiz in Bern die Abteilung Nachsorge.

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The ever increasing prices of cancer medicines across Europe and beyond have become a subject of increasing concern for health policy makers and payers posing severe threats to pa-tient care and outcomes. In September, the European Can-cer Leagues published a new definition of «fair price» for cancer medicines. The paper concludes that a «fair price»

is justifiable, predictable and cost-effective within the aims and priorities of the healthcare systems and the available budget. It also includes a series of recommendations setting out how the EU and national governments should work to-gether by urgently responding to the soaring cost of cancer treatments and how the pharmaceutical industry should mitigate this public health threat.

All European countries are affected. The ageing popula-tions and an increasing need for healthcare services com-bined with an increase in the societal cost of providing care cause budgetary and affordability constraints for most health systems. However, the experienced growth of the health systems’ expenditure on cancer medicines cannot be justified by the rising incidence of cancer alone.

«In addition to the ethical and economic dimension there are also technical and organisational challenges in justifying a «fair» price. We believe that the efforts of multiple stake-holders and a stronger collaboration across Europe in this area are highly needed» says contributing author Dimitri Kohler, who is representing the Swiss Cancer League in the ECL Task Force and on its steering committee.

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