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Erfolgreicher Einsatz von Spitalclowns in der Kinderonkologie

Im Dokument Schwerpunkt: Lymphome 04 (Seite 60-63)

Jean-Pierre Bourquin1 und Gabi Boegli2

1 Schwerpunkt Onkologie/Hämatologie/Immunologie/SZT/Somatische Gentherapie

2 Pflegedienst und Projektleiterin Spitalclowns

Ein Teil des Behandlungsteams

Seit zwei Jahren gehört Dada zusammen mit Flippa zum Team der Spitalclowns am Kinderspital Zürich. Die bei-den Clowns sind fest angestellt am Kinderspital, sie ste-hen von Montag bis Freitag, von Morgen bis Abend im Spital im Einsatz. Statt nur punktuell und unregelmässig können sie dank der Festanstellung kranke Kinder und Jugendliche über die gesamte, zuweilen monate- oder jah-relange Behandlungsdauer durch alle Höhen und Tiefen begleiten. Durch die hohe Präsenz und Kontinuität hat sich auch eine verlässliche Zusammenarbeit zwischen den medizinischen Behandlungsteams und den Spitalclowns entwickelt. Immer mehr Ärztinnen, Ärzte und Pflege-fachpersonen planen die Spitalclowns bei Behandlungen direkt mit ein, beziehen sie bei Besprechungen zu Stra-tegien und Einsätzen mit ein. Das Clowning-Angebot, gerade bei unangenehmen Interventionen für Kinder, hat sich im Kinderspital fest etabliert. Das zeigt auch die An-zahl Einsätze pro Kind/Familie: Über die Behandlungs-dauer von 18 Monaten besuchten die Spitalclowns ein chronisch krankes Kinder bis zu 100 Mal.

Abb. 1. Spitalclowns Dada und Flippa auf der Visite beim Onkologiepatienten Edwin.

Schweizerische Pädiatrische Onkologie Gruppe Groupe d’Oncologie Pédiatrique Suisse

SPOG

Zur Unterstützung von Kindern mit erheblichen Belastungen

Das Projekt eines systematischen Einsatzes von Spital-clowns wurde durch eine Leiterin Pflegedienst des Kin-derspitals initiiert. Aufgrund vorausgehender Erfah-rungen mit punktuellen und über eine externe Stiftung organisierten Einsätzen von Spitalclowns wurde klar, dass gerade bei chronisch kranken Kindern mit erheblichen Belastungen und langen Behandlungsdauern mehr Kon-tinuität in der Begleitung durch die Spitalclowns ange-bracht ist. Heute lenken die Spitalclowns kranke Kinder bei schmerzhaften oder Angst auslösenden Eingriffen ab, geben ihnen und ihren Angehörigen Mut und sind auch dann zur Stelle, wenn ein Kind spontan nach ihnen ver-langt. Sie bauen vertrauensvolle Beziehungen auf. Gerade bei schmerzvollen Interventionen bieten sie Unterstüt-zung, indem sie die Patientinnen und Patienten ablenken und ihnen beistehen. So kann das medizinische Fachper-sonal die Kinder besser behandeln. Diese wiederum erle-ben die Intervention positiver und lassen sich ein nächstes Mal unbefangener darauf ein.

Erste Auswertungen des Clowning-Angebots verdeut-lichen, dass die Nachfrage gross ist – insbesondere im Onkologie-Zentrum. Aufgrund der hohen emotionalen Belastung, der langwierigen Therapien und Interventio-nen sprechen KrebspatientinInterventio-nen und -patienten beson-ders gut auf die Präsenz der Spitalclowns an. So leisteten die Spitalclowns bis heute die Mehrheit ihrer Einsätze auf der Onkologischen Abteilung (Abb. 2). Diese ver-folgt das Ziel, die Spitalclowns in das Behandlungs-team zu integrieren, um 1) schmerzhafte Interventionen zu begleiten, 2) eine Kontinuität zu schaffen, um die

Angst der Kinder und Familien anzugehen, 3) das Be-handlungsteam in Kommunikation und Ablenkungs-strategien anzuleiten und 4) mit nicht medikamentösen Techniken Alternativen für die Schmerzbehandlung zu schaffen.

Für die gesamte Familie

Nicht nur die Kinder erfreuen sich an den Spitalclowns, auch deren Angehörige schätzen die unbeschwer-ten Momente im oft belasunbeschwer-tenden Spitalalltag. Aus den Rückmeldungen von betroffenen Familien geht hervor, dass dank der kreativen Ablenkung durch die Spital-clowns sich dich Kinder eher auf Interventionen einlas-sen. Die Clowns vermögen zu einer positiven Atmosphäre beizutragen und die Eltern in ihrer Rolle zu stärken. Fol-gende Beispiele zeigen auf, wie die Begleitung der Spital-clowns bei Intervention im Spitalalltag die Kinder prägt:

«Vom Tag an, als Prof. Prof. Flippa uns am Spitalbett be-suchte, ging es mit meiner Sina emotional aufwärts. Flip-pa schenkte ihr ungeteilte Zeit. Sie war lustig, aufmun-ternd, herzhaft und abenteuerlich.»

«…Dada kam mit seiner Maus Mathilda zur Blasen- und Rektalmanometrie. Dada sang mit unserem 2.5 Jahre al-ten Sohn, lenkte ihn mit einem Bilderbuch ab, gab ihm aber auch Zeit zu beobachten, was mit ihm geschieht, lenkte wieder mit Seifenblasen und der Maus ab. ... Es brauchte weder Dormikum noch Lachgas. Am Abend meinte unser Sohn, dass er am nächsten Tag wieder zu Clown Dada wolle. Zusammen mit seinem Bruder spielt er nun oft Clown Dada.»

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Häufigkeit der Spitalclown-Einsätze pro Fachbereich

Häufigkeit der Spitalclown-Einsätze pro Fachbereich Abb. 2.

Häufigste Einsatzorte der Spitalclowns am Kinderspital.

Auswertungen zwischen Ok-tober 2018 – Februar 2020 ergaben 2881 Einsätze bei 855 Kindern. Die Einsätze werden durch das Behand-lungsteam beantragt und die Arbeit der Spitalclowns wird im

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«…Bei schon vorbelasteten Kindern können die Clowns über ihre „Aussenrolle“ eine Stärkung fürs Kind sein:

sie können es symbolisch „verteidigen“, ihm beistehen und gleichzeitig den Fokus der Aufmerksamkeit von der Angst bzw. Schmerzen (sowohl des Kindes als auch häufig der Eltern) ablenken. Sie triangulieren die Bezie-hung bzw. die Interaktion zwischen Behandlungsteam, das etwas „Unangenehmes“ am Kind machen muss, und dem Kind sowie der Familie – was oft zu einer spontanen Entspannung führt. Meine Erfahrungen sind durchwegs sehr positiv, dass die Präsenz der Clowns gewisse Abläufe ermöglichen, die z.T. zu einem Abbruch führen würden oder mit stundelangen Vorbereitungen und vermehrter Medikamentengabe verbunden wären.»

Aufgrund der herausragenden Erfahrungen in den letzten Jahren hat das Kinderspital entschieden, die Spitalclowns über das Pilotprojekt hinaus unbefristet zu beschäftigen.

Unterdessen ist aus dem Clown-Duo ein Trio geworden.

Seit August 2020 unterstützt Dr. Prof. Knopf das kleine Team. Die Spitalclowns werden vollständig mittels Spen-den finanziert. Nur dank der grosszügigen Unterstützung der Spenderinnen und Spender kann das Angebot der Spi-talclowns nachhaltig erweitert werden.

Forschung zu Spitalclowns liefert vielversprechende Erkenntnisse

Der Einsatz von Clowns im Gesundheitswesen etabliert sich nun rasch zu einem neuen Standard in der Pädiatrie.

Weltweit sind heute über 175 Organisationen zu finden, welche Spitalclowns unterstützen [1], in Europa, Israel, USA, Canada, Lateinamerika, Südafrika und Japan. Spi-talclowns haben häufig eine spezialisierte Ausbildung im medizinischen Bereich. In Israel wurde das erste akade-mische Bachelor Programm in «Medical Clowning» an der Universität Haifa etabliert. Umgekehrt werden an medizinischen Fakultäten Kurse durch Spitalclowns an-geboten, um über diese alternativen Therapiemöglichkei-ten zu informieren. In den letzTherapiemöglichkei-ten zehn Jahren wurden einige Studien durchgeführt, welche die Bedeutung der Einsätze von Spitalclowns unterstützen. In einer rando-misierten Studie mit 77 Familien wurde eine Reduktion der präoperativen Angst bestätigt, auch bei Eltern [2], dies bestätigte frühere Beobachtungen [3]. Eine andere randomisierte Studie deutet darauf hin, dass der Einsatz von Spitalclowns dieselbe Wirkung wie eine Prämedika-tion mit Midazolam vor der Anästhesie hat [4]. Auch bei dem Einsetzen von intravenösen Kathetern konnte eine beruhigende Wirkung der Spitalclowns dokumentiert werden [5]. Desweiteren prägen Spitalclowns die positive Atmosphäre im interdisziplinären Behandlungsteam. Mit Ablenkung können auch radiologische Untersuchungen häufiger ohne Narkose stattfinden.

Das Kinderspital Zürich will nun erste Forschungsarbei-ten initiieren, um die Methodik und Techniken der Spi-talclowns sowie deren Wirksamkeit wissenschaftlich zu untersuchen. Dadurch erhofft man sich, das Spitalclown-Angebot in Zukunft noch stärker auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten sowie deren Familien abstim-men zu können.

Spitalclowns gewinnen an Bedeutung

Zusammenfassend erfährt das Angebot der Spitalclowns weltweit immer mehr Beachtung und etabliert sich in pädiatrischen Institutionen. Das Kinderspital Zürich hat als Vorreiterin in der Schweiz Spitalclowns fest angestellt.

Deren Tätigkeit kommt besonders dort zu tragen, wo chronisch kranke Patientinnen und Patienten über län-gere Behandlungsdauer Interventionen über sich ergehen lassen müssen. So besteht am Kinderspital Zürich die grösste Nachfrage nach den Spitalclowns in der Onkologi-schen Abteilung. Hier arbeitet das medizinische Behand-lungsteam, zu dem auch Psychologinnen und Psycholo-gen zählen, eng mit den Spitalclowns zusammen – zum Wohle der kranken Kinder. Die Zusammenarbeit soll in Zukunft verstärkt werden, um individualisierte Lösungen für die jungen Patientinnen und Patienten zu ermögli-chen. Zudem werden erste Schritte in der Erforschung des Spitalclownings am Kinderspital unternommen, um zu belegen, wie wertvoll diese einmalige Verbindung von Medizin und Kunst ist.

Referenzen

1. EFHCO (2020, September 18). European federation of healthcare clown organizations: Search results. Abgerufen 18. September 2020, von http://www.efhco.eu/search-organizations.

2. Dionigi A, Sangiorgi D, & Flangini R. Clown intervention to re-duce preoperative anxiety in children and parents: A randomized controlled trial. J Health Psychol 19: 369-380, 2014.

3. Costa Fernandes S, & Arriaga P. The effects of clown intervention on worries and emotional responses in children undergoing surgery.

J Health Psychol 15: 405-415, 2010.

4. Golan G, Tighe P, Dobija N, Perel A, & Keidan I. Clowns for the prevention of preoperative anxiety in children: a randomized con-trolled trial. Paediatr Anesth 19: 262-266, 2009.

5. Wolyniez I, Rimon A, Scolnik D, et al. The effect of a medical clown on pain during intravenous access in the pediatric emergency department a randomized prospective pilot study. Clin Pediatr 52:

1168-1172, 2013.

Korrespondenz:

Prof. Dr. med. Jean-Pierre Bourquin Gabi Boegli

Universitäts-Kinderspital Zürich Steinwiesstrasse 75, 8032 Zürich jean-pierre.bourquin@kispi.uzh.ch gabi.boegli@kispi.uzh.ch

SGPO

Im folgenden Beitrag aus der psychoonkologisch - psycho-therapeutischen Praxistätigkeit sollen exemplarisch an-hand zweier Fallbeispiele verschiedene psychosoziale Di-mensionen sichtbar gemacht werden. Selbstverständlich trifft hier vieles nicht nur auf Lymphom PatientInnen zu, sondern kann auch auf andere Tumorentitäten übertragen werden.

Der Fall Liviero* Stefan Mamié

Ich möchte Ihnen Herrn Liviero vorstellen, Jg. 1990, mit Morbus Hodgkin Lymphom, Stadium II B, ED 11/2016, kein Knochenmarksbefall. Er durchlief eine Therapie mit je zwei volldosierten BEACOPPesc (12/2016 - 01/2017) und ABVD-Zyklen (01/2017 - 03/2017) sowie eine kon-solidierende Radiotherapie zervikal rechts bis oberes Me-diastinum mit 15 x 2 Gy.

Der Patient wurde mir von der Onkologin bereits um den ersten Therapiezyklus zugewiesen wegen ausgepräg-ter affektiver Unruhe, innerer Anspannung, Freudlosig-keit und InteresselosigFreudlosig-keit. Herr Liviero erlebte seinen Zustand als unerträglich, so dass er darüber nachdachte, sich das Leben zu nehmen. Von einer Ausführung konnte sich der Patient zu diesem Zeitpunkt aber aus Rücksicht gegenüber den Eltern und seiner Schwester glaubhaft dis-tanzieren. Es bestand eine ausgeprägte Progredienzangst, die der Patient mit dem etwa drei Jahre früheren Krebs-sterben zweier Tanten, welchen er nahe gestanden war, in Zusammenhang brachte. Herr Liviero hatte Biologie studiert und befand sich im Doktorat. Er hatte bis zur Diagnose bereits in einer Wohngemeinschaft gelebt. Die Erkrankung bewog ihn, den Wohnsitz wieder zurück zu seinen Eltern zu verlegen, zu denen ein sehr gutes Ver-hältnis bestand.

Psychoonkologische Aspekte in der Begleitung

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