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Kollegial den Fall besprechen – sich beraten und neue Lösungen

Im Dokument und Anerkennung (Seite 119-122)

sehen

Thema:

Selbst organisierter Austausch unter Kolleginnen und Kollegen als Hilfe bei Schwierigkeiten und Konflikten im Umgang mit Schülerinnen und Schülern

Intention:

Einstieg und Ablauf für die kollegiale Besprechung von schwierigen Situationen im pädago-gischen Alltag kennen und schätzen lernen

Fachbezug:

alle Lehrerinnen und Lehrer Materialien/Medien:

M 10.1 – Kopiervorlage: Vorbesprechung – Zusammenarbeit klären M 10.2 – Kopiervorlage: Ablauf einer kollegialen Besprechung von Fällen M 10.3 – Karteikarten: Der eigene Fall – mit fremdem Blick (1 und 2) Bezug zu anderen Bausteinen:

Bausteine 4, 5, 7, 8, 9 Zeitrahmen:

nach Bedarf Problemfeld:

In einer 7. Klasse fordert die Lehrerin einen unruhigen und seit zehn Minuten störenden Schüler aus der vorletzten Bank auf, sich nach vorne zu setzen. Der Schüler folgt der Auf-forderung, aber als er sich hinsetzt, dreht er sich zu seinen Mitschülern um und sagt grinsend: „Ich möchte aber keinen Sex mit Ihnen haben.“

Als die Kollegin im Lehrerzimmer von dem Vorfall erzählt, lachen ihre Zuhörerinnen am Tisch und kommentieren:

„Also mir würde das nichts ausmachen, ich bleibe einfach cool.“

„Die Schüler wollten dich doch nur aus der Fassung bringen!“

„Das war doch ein Appell an die Klasse, um das eigene Gesicht zu wahren, das musst du doch verstehen!“

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Besonders hilfreich wirken diese Kommentare für die Kollegin nicht. Sie sucht offenbar Rat, aber zur falschen Zeit und unter ungünstigen Bedingungen.

Lehrerinnen und Lehrer arbeiten im Unterricht weitgehend allein auf sich gestellt. Der Arbeitsplatz Schule bietet nicht immer einen zuverlässigen und konzeptionell angelegten Rahmen, um schwierige und verunsichernde Situationen zufriedenstellend zu besprechen.

Ziele:

Die Idee anstoßen, an der eigenen Schule Raum für die kollegiale Besprechung verunsichernder Situationen zu schaffen

Vorhandene Lösungskompetenz durch leicht umsetzbare Besprechungs- und Beratungsregeln erfahren und nutzen

Sich gemeinsam helfen

Worauf man achten sollte

Manchmal fällt es schwer, Schwierigkeiten im Umgang mit Schülerinnen und Schülern zu äußern. Von Lehrerinnen und Lehrern wird erwartet, Störungen erfolgreich zu unterbinden, sich im Unterricht durchzusetzen und Konflikte mit den Jugendlichen pädagogisch ange-messen zu lösen. Obwohl das nicht immer gelingen kann, sehen sich Lehrerinnen und Leh-rer mit einer „Heldenmoral“ (Fritz Oser1) konfrontiert, die sich zählebig hält. Die geschlos-sene Klassenzimmertür nährt die Fantasie, die Kolleginnen und Kollegen würden den Anforderungen besser gerecht. Das kann Verunsicherung und manchmal auch Ängste erzeugen.

Äußerungen wie „Ich habe ja gar nicht gewusst, dass es euch auch so geht!“ oder „Jetzt fühle ich mich nicht mehr so allein“ offenbaren den Wunsch, sich vom Einzelkämpfertum zu befreien. Wenn es schwierig wird, kann es helfen, sich mit anderen zu beraten. Statt Schwierigkeiten als persönliches Problem mit sich herumzutragen, werden sie zu einem pädagogischen Fall für den professionellen Austausch.

Dafür gibt es unter anderem hoch spezialisierte Verfahren2, die zumeist jedoch externe Berater und Moderatoren erfordern – und nicht zuletzt deshalb selten genutzt werden.

Hier wird als realistischer Einstieg ein kollegialer Weg vorgeschlagen. Was sollte man dabei beachten:

Wenn eine Lehrkraft Schwierigkeiten aus ihrem Berufsfeld offenlegt, zeigt sie Mut und Bereitschaft, ihre gewohnten Sicht- und Umgangsweisen zu prüfen.

Die Lehrerin/der Lehrer steht mit ihrem/seinem Anliegen im Mittelpunkt der Bespre-chung. Es geht um die individuelle Konstellation, in die die Lehrkraft verwickelt ist.

Verschiedene Anliegen können zu einem „Fall“ werden: einzelne belastende Situationen, wiederkehrende Ärgernisse, Zuspitzungen ...

In der Fallbesprechung bleibt die vortragende Lehrkraft Experte für die Lösung. Nur sie entscheidet, was in dieser Situation hilfreich ist.

Die Gruppe bietet zusätzliche Sichtweisen an, die dazu beitragen können, eine ange-messene Lösung zu finden. Der Austausch von Perspektiven und Erfahrungen kann auch anderen Gruppenteilnehmern Nutzen bringen.

Ort und Zeit für kollegiale Fallbesprechung müssen sicherstellen, dass sich das Gespräch aus Hektik und Zwängen des Alltags lösen kann. Die Gruppe muss „Spielraum“ zum Nachdenken und Nacherleben haben.

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Die regelmäßige kollegiale Fallbesprechung sollte als schulinterne Weiterbildungs-maßnahme anerkannt werden. Außerdem kann mit der Schulleitung darüber ge-sprochen werden, wie das Zeitfenster für die Besprechungen in den Stundenplan inte-griert werden kann.

Im Vorfeld beraten, wen man aufgrund spezieller Kompetenzen noch dabeihaben soll-te. Gibt es im Kollegium einen kompetenten Moderator, den die Gruppe für ihre Arbeit gewinnen müsste? Sollte sich die Gruppe an einen externen Leiter wenden? Was soll unternommen werden, wenn die Fallarbeit ins Stocken gerät …?

Ein Termin vorab: Einen geregelten Ablauf für die Besprechung finden

Material 10.1 - 10.3, S. 123-125 Um trotz Hektik des Schulalltages und vielfältiger Belastungen zu gewährleisten, dass ein-zelne Fälle effektiv und zufriedenstellend besprochen werden können, sollte man einen geregelten und wiederkehrenden Ablauf vereinbaren (Zeitbedarf etwa eine Stunde):

klären, wie man zusammenarbeiten will; als Grundlage allen Teilnehmern eine Kopie von M 10.1 aushändigen (Seite 123),

festlegen, wie in der Gruppe Fälle eingebracht und von der Gruppe ausgewählt und bearbeitet werden,

dafür den idealtypischen Ablauf für eine Fallbesprechung (M 10.2, S. 124) nutzen und so verändern, dass er den Bedürfnissen der Gruppe entspricht,

die Fallbesprechung mithilfe der angegebenen Methode gestalten (M 10.3, S. 125).

Was schwierig werden kann

Die zeitliche Belastung ist ungewohnt, eine Atmosphäre des Vertrauens und der gegen-seitigen Anerkennung stellt sich erst nach und nach ein. Kollegen, die den Gruppenprozess zu sehr dominieren, können den Lernprozess der Gruppe blockieren. Lehrerinnen und Leh-rer haben die Fehlerbrille auch für ihr eigenes Verhalten und das der Kollegen allzu fest auf der Nase sitzen. Manchmal werden kreative Lösungen auch wohlmeinend durch vermeint-lichen Konsens oder durch Zeitersparnis an der falschen Stelle erstickt. Mitunter können auch Störungen von außen auftreten, zum Beispiel, wenn die Gruppe als ausgrenzend angesehen wird. Darum benötigen alle Teilnehmenden am Anfang Geduld und Zuversicht.

Informationen an Außenstehende helfen, Missverständnissen vorzubeugen.

Anmerkungen

1 Oser, F. (1997): Abschied von der Heldenmoral. In: Vierteljahreszeitschrift für Heilpädagogik und ihre Nebengebiete, H. 2, S. 225-246

2 Siehe zum Beispiel: Brinkmann, R. D. (2002): Intervision. Ein Trainings- und Methodenbuch für die kollegiale Beratung.

Heidelberg

Hendriksen, J. (2002): Intervision. Kollegiale Beratung in sozialer Arbeit und Schule. Weinheim und Basel

Hirblinger, H. (1999): Erfahrungsbildung im Unterricht. Die Dynamik unbewusster Prozesse im unterrichtlichen Beziehungs-feld. Weinheim u. München

Hirblinger, H. (2001): Einführung in die psychoanalytische Pädagogik der Schule. Würzburg Lohmann, G. (2003): Mit Schülern klarkommen. Berlin

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MA TERIALBOGEN M 10.1

Kopiervorlage (M 10.1)

Vorbesprechung – Zusammenarbeit

Im Dokument und Anerkennung (Seite 119-122)