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Klinisches Mastitisgeschehen in norddeutschen Milchviehbetrieben

In der ersten vorausgehenden Studie wurden Daten von insgesamt 2883 klinischen Mastitiden zusammengetragen. Die Proben stammten aus 12 Milchviehbetrieben, welche ein aktives klinisches Mastitis-Monitoring seit mehreren Jahren durchführten und im Rahmen dessen routinemäßig Milchproben an das Labor der Hochschule Hannover für die zytomikrobiologische Diagnostik schickten. Zudem beprobten diese Betriebe alle auftretenden klinischen Mastitiden. Die teilnehmenden Betriebe wiesen ein professionelles Management im Bereich der Tier- und vor allem der Eutergesundheit auf. Dies könnte die Ergebnisse der Studie beeinflusst haben, da sich Managementmaßnahmen im Bereich der Melk- und Stallhygiene auf das Auftreten unterschiedlicher Mastitiserreger auswirken (Hillerton et al., 1995; Hillerton und Booth, 2018; Leigh, 1999).

Hoch kontagiöse Mastitiserreger, wie Staphylococcus (S.) aureus und Streptococcus (S.) agalactiae, werden vor allem während des Melkvorgangs über das Melkzeug oder die melkenden Hände von Tier zu Tier übertragen. Daher werden diese Erreger als kuhassoziiert bezeichnet (Gomes und Henriques, 2015). Verbessern betroffene Betriebe ihre Melkroutine und verhindern so eine weitere Übertragung, verschiebt sich das Erregerspektrum bei klinischen Mastitiden in Richtung Umwelterreger, wie Streptococcus (S.) uberis und Escherichia (E.) coli, welche in der Umgebung der Tiere vorkommen und außerhalb der Melkzeit auf die Zitzenhaut gelangen (Klaas und Zadoks, 2018). Dies trifft wahrscheinlich auf die Betriebe dieser Studie zu. Der am häufigsten nachgewiesene Mastitiserreger war wie in vergleichbaren Studien S. uberis in 20% aller Fälle (Samson et al., 2016; Verbeke et al., 2014). Nur ein geringer Anteil von 3,7% der Mastitiden wurde durch S. aureus verursacht. Allerdings weisen einige Studien daraufhin, dass S. uberis-Stämme gelegentlich auch kontagiös während des Melkvorgangs übertragen werden können (Smith und Hogan, 1993; Wente et al., 2019). Dies wurde im Rahmen dieser Studie nicht untersucht.

Die klinischen Mastitiden wurden nach ihrem Schweregrad klassifiziert. Fast 90% aller Mastitiden mit S. uberis-Nachweis waren entweder mild oder moderat in ihrem klinischen Erscheinungsbild. Jedoch war S. uberis aufgrund seines insgesamt

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häufigen Auftretens für 27% alle schweren Mastitiden (Mastitisgrad 3) verantwortlich.

Zwar wurden fiebrige Mastitiden prozentual am häufigsten durch coliforme Erreger (31%) verursacht, wie es auch schon in einer Studie aus den USA beschrieben wurde (Oliveira et al., 2013), dennoch weicht der Gesamtanteil der coliformen Erreger in der vorliegenden Studie von den Ergebnissen aus den USA ab, da diese coliforme Erreger unabhängig vom Schweregrad insgesamt am häufigsten nachwiesen. Die Analyse aus Norddeutschland hingegen ergab, dass 75% der durch coliforme Keime verursachten Mastitiden als leicht oder moderat und nur 25% als schwer einzustufen waren.

Von den beschriebenen Ergebnissen sind besonders zwei Punkte von großer Relevanz, da diese entscheidend für die Entwicklung eines strategischen evidenzbasierten Therapiekonzepts in der darauf folgenden zweiten Studie sind: Zum einen ist es in Norddeutschland bei einer schweren Mastitis gleich wahrscheinlich, einen Gram-positiven oder einen Gram-negativen Erreger nachzuweisen. Nur im Fall einer schweren Mastitis mit Störung des Allgemeinbefindens ist eine sofortige parenterale antibiotische Behandlung mit einem Breitbandantibiotikum gerechtfertigt, da die Gefahr eine Bakteriämie besteht (Wenz et al., 2001). Diese Behandlungsempfehlung sollte daher auch in das Therapiekonzept für die zweite Studie aufgenommen werden. Die systemische Behandlung sollte unverzüglich nach Erkennen der schweren Mastitis erfolgen, noch bevor ein on farm-Testergebnis vorliegt. Setzt man in diesen Fällen jedoch trotzdem zusätzlich einen on farm-Test für die Erregerbestimmung ein, kann bei einem Gram-positiven Ergebnis für die intramammäre Therapie auf ein Schmalspektrumantibiotikum zurückgegriffen werden.

Die zweite wichtige Erkenntnis ist, dass Gram-negative Erreger häufiger leichte Mastitiden als schwere Mastitiden zu verursachen scheinen. Von insgesamt 311 erfassten Mastitiden mit coliformen Erregernachweis hatten 76% einen leichten bis moderaten Verlauf. Da bei diesen Mastitiden eine intramammäre antibiotische Behandlung nicht zu einer Erhöhung der bakteriologischen Heilungsrate führt, ergibt sich daraus die Möglichkeit, große Mengen an antibiotischen Dosen einsparen zu können, indem ein on farm-Test für die zeitnahe Erregerbestimmung eingesetzt wird (Kock et al., 2018; Lago et al., 2011a; Mansion-de Vries et al., 2016; Vasquez et al., 2017).

77 4.2 Heilungsraten und Einflussfaktoren

Insgesamt wurden drei unterschiedliche Heilungsraten in der ersten Studie untersucht: die bakteriologische, die zytologische und eine Gesamtheilungsrate, welche sich aus der bakteriologischen und der zytologischen ergibt. Eine bakteriologische Heilung bestand, wenn der Erreger der Viertelgemelksprobe bei Auftreten der Mastitis in den zwei genommenen Kontrollproben nicht mehr nachweisbar war. Zytologisch geheilt galt ein Viertel, wenn die somatische Zellzahl in den Kontrollproben 200.000 Zellen pro ml Milch oder weniger aufwies. Zudem wurde die Rezidivrate für 90 Tage nach Auftreten der Mastitis erfasst. Untersuchte Einflussfaktoren waren der verursachende Erreger, Tage in Milch, die Laktationsnummer und der Mastitisgrad.

Die bakteriologische Heilungsrate war mit 73% insgesamt sehr hoch. Den größten Einfluss darauf hatte der verursachende Erreger. So konnten über 82% der Fälle mit nachgewiesenen coliformen Keimen oder Streptococcus dysgalactiae bakteriologisch geheilt werden, jedoch nur 45% der Mastitiden, die durch S. aureus verursacht wurden. Auch in anderen klinischen Behandlungsstudien konnten keine höheren bakteriologischen Heilungsraten für S. aureus erzielt werden, eher noch geringere (Sol et al., 2000; Swinkels et al., 2013). Im Vergleich zu einer Studie aus den USA waren die Heilungsraten in dieser Studie sowohl für Gram-positive als auch für Gram-negative Erreger tendenziell höher (Oliveira et al., 2013).

Auch hatte der Zeitpunkt in der Laktation, in der die Mastitis auftrat, einen Einfluss auf die bakteriologische Heilung. Traten die Fälle nach 200 Tagen in Milch auf, war ihre bakteriologische Heilungsrate signifikant höher. In der Studie von McDougall et al. (2007) wurden gegenteilige Ergebnisse beschrieben, mit besseren Heilungschancen zu Anfang der Laktation. Andere Studien fanden keinen Zusammenhang zwischen Tagen in Milch und der bakteriologischen Heilungsrate (Sol et al., 2000). McDougall et al. (2007) interpretierte in seiner Studie, dass die Fälle zu Ende der Laktation eventuell schon länger bestanden und daher nicht rechtzeitig erkannt und behandelt wurden. Bei einer funktionierenden Tierbeobachtung wie in der vorliegenden Studie und einer zeitnahen Erkennung klinischer Mastitiden könnte ein Grund für die schlechteren bakteriologischen Heilungsraten zu Beginn der Laktation

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darin liegen, dass die Tiere möglicherweise durch metabolisch bedingte Erkrankungen zusätzlich belastet waren. Auch der Schweregrad der Mastitis hatte einen Einfluss auf die bakteriologische Heilung. Diese stieg mit zunehmendem Schweregrad an. Die Studie von Oliveira et al. (2013) zeigte in diesem Punkt die gleichen Ergebnisse.

Die zytologischen Heilungsraten und somit auch die Gesamtheilungsraten waren sehr gering in dieser Studie. Die statistische Analyse ergab, dass wiederum der verursachende Erreger den stärksten Einfluss auf die Zielvariablen hatte. Mastitiden mit Nicht-aureus Staphylokokken erreichten die höchste zytologische Heilungsrate mit 38%. Die Laktationsnummer und die Tage in Milch hatten nur in Interaktion mit der Erregergruppe einen signifikanten Einfluss. Dabei hatten jüngere Tiere bei manchen Erregern höhere Heilungschancen sowie Mastitiden zu Beginn der Laktation.

Die durchschnittliche bakteriologische Heilungsrate der erfassten Mastitiden betrug 73%, die zytologische Heilungsrate hingegen lag bei nur 22%. Aus diesen Ergebnissen lässt sich ableiten, dass eine bakteriologische Heilung alleine nicht ausreicht, um die Entzündung im betroffenen Euterviertel innerhalb von drei Wochen auszuheilen und ein entsprechend niedriges Zellzahlniveau zu erreichen. Da eine Senkung der somatischen Zellzahl aus Sicht der Landwirte mitunter eines der wichtigsten Ziele darstellt um somit eine niedrige Tankzellzahl zu erreichen, ist eine Heilung der Entzündung im erkrankten Euterviertel eine Anforderung an eine erfolgreiche Behandlung. Jedoch nicht nur dieser ökonomische Aspekt spricht dafür, ein niedriges Zellzahlniveau anzustreben, sondern auch die wissenschaftliche Erkenntnis, dass für Tiere mit bereits bestehenden erhöhten Zellzahlen die Wahrscheinlichkeit für eine bakteriologische Heilung bei einer erneuten Mastitis sinkt (Linder et al., 2013; Sol et al., 2000; Swinkels et al., 2013). Diese Ergebnisse der ersten Studie der vorliegenden Arbeit bestätigten für die darauffolgenden zweite Studie die Intention, innerhalb des evidenzbasierten Therapiekonzepts die Behandlungsempfehlung mit einem nichtsteroidalen Antiphlogistikum (NSAID) für jede erkrankte Kuh aufzunehmen.

Auch auf die Gesamtheilung, die sich aus bakteriologischer und zytologischer Heilung zusammensetzt, hatte der verursachende Erreger den größten Einfluss

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innerhalb der untersuchten Faktoren. Mastitiden ohne Erregernachweis oder solche, die durch S. uberis verursacht wurden, erreichten die höchsten Gesamtheilungsraten, welche nochmals zu Anfang der Laktation höher als im späteren Laktationsverlauf waren. Vorige Studien belegten, dass besonders Erstfälle junger Tiere eine große Chance auf eine bakteriologische Heilung haben und sich diese nochmals durch eine verlängerte antibiotische Therapie steigern lässt (Krömker et al., 2011; Sol et al., 2000). Diese Studie konnte erstmals zeigen, dass zudem eine erhöhte Chance auf eine Gesamtheilung besteht. Ableitend aus diesen Ergebnissen wurde für die anschließend geplante praktische Studie die Behandlungsempfehlung einer verlängerten Therapie von Erstfällen in der ersten bis dritten Laktation mit Gram-positivem Erregernachweis in das evidenzbasierte Therapiekonzept integriert.

Im Rahmen der ersten Studie dieser Doktorarbeit wurden auftretende klinische Rezidive innerhalb der folgenden 90 Tage nach Auftreten der Mastitis untersucht. Für 19% der klinischen Mastitiden wurde ein zweiter Fall dokumentiert. Dies deckt sich mit den Ergebnissen von Oliveira et al. (2013), wonach 21% aller Fälle eine rezidivierende Mastitis aufwiesen. Mastitiden, die durch S. uberis verursacht wurden, zeigten ein höheres Risiko, rezidivierende intramammäre Infektionen zu entwickeln. Zu diesem Befund kamen auch Wente et al. (2020), wonach S. uberis häufiger zu Rezidiven neigt, es sich jedoch in den meisten Fällen um Neuinfektionen und nicht um wieder aufflammende persistierende Infektionen handelt. Diese Ergebnisse unterstützen die Hypothese, dass eine frühere Infektion des Euters keinen immunologischen Schutz gegen nachfolgende Infektionen bietet, sondern das Eutergewebe für weitere Infektionen anfälliger macht. Umso wichtiger erscheint es, die tierindividuellen Eigenschaften für die Behandlungsentscheidung mit einzubeziehen, um therapieunwürdige, chronisch euterkranke Tiere ausfindig zu machen und so gezielt antibiotische Dosen einzusparen.

Die unterschiedlichen Therapiekonzepte wurden in den statistischen Modellen berücksichtigt, waren jedoch in keinem Modell signifikant mit den Zielvariablen assoziiert. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass tierindividuelle und mikrobielle Einflussfaktoren einen größeren Einfluss auf die Heilung haben als die verabreichte Behandlung. Insgesamt wurden hohe bakteriologische Heilungsraten mit den

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bestehenden Behandlungsprotokollen erzielt, jedoch nur geringe zytologische Heilungsraten. Daher sollte sich in modernen Therapiekonzepten vermehrt auf die entzündungshemmende Behandlung konzentriert werden.

4.3 Evidenzbasiertes Therapiekonzept

Insgesamt acht Milcherzeugerbetriebe sollten in der zweiten Studie der vorliegenden Doktorarbeit ein wissenschaftlich fundiertes Therapiekonzept für klinische Mastitiden in ihren Betriebsablauf integrieren und erproben. Um die Effekte auf die Eutergesundheit bewerten zu können wurden Viertelgemelksproben nach Erkennen einer klinischen Mastitis sowie Kontrollproben nach zwei und nach drei Wochen gezogen. Dies stellte einen enormen zusätzlichen Aufwand für die Landwirte dar, welcher für die Datenerhebung und somit die Auswertung des Versuchs nötig war, im Betriebsalltag mit einem evidenzbasierten Konzept jedoch nicht notwendig wäre.

Für drei Betriebe war es in der zweiten Studie nicht möglich, diese zusätzliche Arbeit zu leisten, weshalb die Daten dieser Betriebe nicht vollständig vorlagen und so nicht in die Auswertung mit einbezogen werden konnten. Zwei dieser Betriebe hatten Melkroboter, wodurch sich die Probennahme nochmals zeitintensiver darstellte. Im Folgenden bezieht sich der Text daher auf die fünf Betriebe, deren Daten in die statistische Auswertung einflossen.

Zu Anfang des Versuchs wurden die konventionellen Therapiekonzepte erfasst, Behandlungen dokumentiert sowie die erzielten Heilungsraten erhoben. Dazu beprobten die Betriebe jede klinische Mastitis, behandelten wie gewohnt und dokumentierten den Einsatz an Antibiotika und NSAIDs und zogen jeweils zwei Kontrollproben. Mit dem Start der on farm-Testphase wurden die Betriebe besucht um das evidenzbasierte Therapiekonzept und den neuen on farm-Test mastDecide® zu erklären. Dabei wurde auch die Handhabung des Tests erprobt. In der darauffolgenden Testphase von zwei Jahren erprobten die Betriebe den on farm-Test und integrierten das neue Therapiekonzept in ihre Arbeitsstrukturen. Über diesen Zeitraum wurden die Betriebe intensiv betreut und regelmäßig besucht um auftretende Schwierigkeiten bei der Umsetzung zu besprechen. Die Effekte des evidenzbasierten Therapiekonzepts

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sollten nach Ablauf der on farm-Testphase mit denen der konventionellen Behandlungsphase zu Anfang verglichen werden.

Nach Abschluss des praktischen Versuchs wurden nachträglich drei Behandlungsgruppen definiert und statistisch analysiert. Eine Gruppe bestand dabei aus allen Mastitisfällen vor Einführung des on farm-Tests, welche nach den bestehenden konventionellen Behandlungsprotokollen behandelt wurden. Die Mastitiden während der on farm-Testphase wurden nochmals unterteilt basierend auf der Behandlungsentscheidung der Landwirte: einmal in die evidenzbasierte Behandlungsgruppe, in der die Mastitiden korrekt nach der Empfehlung des Therapiekonzepts behandelt wurden. Zum anderen in die modifizierte Behandlungsgruppe, welche die restlichen Mastitisfälle während der Testphase umfasste, bei denen die Landwirte von den Empfehlungen abweichend behandelt hatten. Dies ermöglichte es, eine Aussage über die Auswirkungen auf den Antibiotikagebrauch und die Heilungsraten zu treffen, welche bei Einhaltung aller Vorgaben eintraten.

Diese Studie war zwar positiv kontrolliert, jedoch nicht randomisiert, da ansonsten ein realitätsnaher Umsetzungsprozess nicht möglich gewesen wäre. Der dadurch entstandene unvermeidliche Zeiteffekt aufgrund der verschiedenen aufeinander folgenden Behandlungsphasen kann nicht aus den Ergebnissen herausgerechnet werden. Da jedoch die Ergebnisse früherer randomisierter Studien bereits vorlagen (Kock et al., 2018; Lago et al., 2011a; Lago et al., 2011b; Mansion-de Vries et al., 2016; Vasquez et al., 2017), war das gewählte Studiendesign der vorliegenden Arbeit der nächste notwendige Schritt, um ein evidenzbasiertes Therapiekonzept in den Alltag von Milchviehbetrieben zu integrieren.

In dieser Studie führten die Landwirte nach einer Schulung den on farm-Test selbstständig durch und werteten zudem die Testergebnisse aus. Dies wurde und sollte auch nicht kontrolliert oder beaufsichtigt werden, da dies die Ergebnisse verfälscht hätte und es nicht mehr der reellen Alltagssituation auf den Betrieben entsprochen hätte. Natürlich ist es so auch möglich, dass Testergebnisse falsch interpretiert wurden und Tiere daraus folgend nicht die korrekte Therapie erhalten

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haben. Insbesondere eine unsauber gezogene Gemelksprobe kann das Testergebnis verfälschen, zum Beispiel durch eine Kontamination mit Gram-positiven Kokken. Somit würden mehr Tests ein Gram-positives Ergebnis ausweisen, mehr Tiere würden unnötig behandelt werden und weniger Antibiotika könnte eingespart werden. Die Heilung der Tiere würde jedoch dadurch nicht beeinträchtigt werden. Die diagnostische Sicherheit von mastDecide® wurde von Leimbach und Krömker bestätigt (2018), welche eine Sensitivität für Gram-positive Erreger von 93,2% beschreiben. Es ist somit nicht auszuschließen, dass alle Gram-positiven Erreger während der on farm-Testphase durch den Schnelltest richtig erkannt und dementsprechend behandelt wurden, auch bei korrekter Durchführung des Tests.

Nachdem das evidenzbasierte Therapiekonzept und die Kriterien der Therapiewürdigkeit den Betrieben vorgestellt wurden, stieg auch die Anzahl an dokumentierten unheilbaren Kühen. Dafür kann es unterschiedliche Gründe geben, zum Beispiel dass die einzelnen Mastitisfälle nun genauer dokumentiert wurden und so mehr Tiere mit ihrer dritten Mastitis erkannt wurden. Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Schulung über therapieunwürdige Tiere die Wahrnehmung der Tierhalter verändert hat und sie so mehr Interesse daran hatten, diese Tiere ausfindig zu machen um weniger Antibiotika zu verwenden.

Die Zugehörigkeit zu einer der drei Behandlungsgruppen hat in den statistischen Modellen keinen signifikanten Einfluss auf eine der Heilungsraten oder auf die Rezidivrate gezeigt. Daraus lässt sich ableiten, dass alle drei Behandlungskonzepte mit unterschiedlichem Arbeitsaufwand und unterschiedlichem Therapieaufwand zum selben Ergebnis geführt haben. Insgesamt betrachtet waren die erzielten bakteriologischen Heilungsraten vergleichsweise hoch. Eine Erklärung dafür könnten die zwei an häufigsten nachgewiesenen Erreger sein, S. uberis (19.4%) und E. coli (7.8%), welche beide mit hohen Heilungsraten einhergehen (Samson et al., 2016; Suojala et al., 2010). Diese Mastitiserreger wurden auch in weiteren aktuellen Studien aus Deutschland mit am häufigsten nachgewiesen (Mansion-de Vries et al., 2016; Ziesch et al., 2017). Diese Erregerverteilung und die erzielten Heilungsraten entsprachen auch den Ergebnissen der ersten Publikation aus der vorausgegangenen Arbeit.

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Einige Studien konnten zeigen, dass mit Hilfe eines on farm-Tests und einer erregerbezogenen Behandlung die gleichen Heilungsraten erbracht werden können wie im Vergleich zu einer antibiotischen Behandlung aller Mastitiden (Lago et al., 2011a; Vasquez et al., 2017). Hierbei konnte der Antibiotikaverbrauch halbiert werden (Lago et al., 2011a) bzw. um 70% reduziert werden (Vasquez et al., 2017). Jedoch wurden nur Mastitiden Grad 1 und 2 in diesen Studien ausgewertet, welche, falls überhaupt, nur eine lokale Therapie benötigen. Folglich wurden in den klinischen Versuchen nur antibiotische Euterinjektoren eingespart. In den Studien von Mansion-de Vries et al. (2016) und Kock et al. (2018) wurMansion-den zusätzliche tierindividuelle Faktoren in deren Therapiekonzepte aufgenommen. Dadurch wurden therapieunwürdige Tiere, welche entweder die dritte Mastitis in der Laktation aufwiesen oder mehrmals über 700.000 somatische Zellen pro ml Milch in der Milchkontrolle aufwiesen, nicht mehr lokal mit antibiotischen Euterinjektoren behandelt, unabhängig des verursachenden Mastitiserregers. Zudem wurden in beiden Studien auch schwere Mastitiden analysiert und berücksichtigt. Es konnte beide Male gezeigt werden, dass antibiotische Dosen eingespart wurden und die erzielten Heilungsraten der Versuchsgruppe denen der Vergleichsgruppe entsprachen. Bei Kock et al. konnten 35% der intramammär verabreichten Dosen eingespart werden, die Anzahl an parenteral eingesetzten antibiotischen Dosen entsprach der der Vergleichsgruppe. In der Studie von Mansion-de Vries et al. wurde der Anteil der intramammär applizierten Dosen um 60% verringert. Doch auch hier unterschied sich die Menge an parenteralen Dosen zwischen den Behandlungsgruppen nicht. Folgten die Landwirte im vorliegenden Versuch der Behandlungsempfehlung des evidenzbasierten Therapiekonzepts, setzten sie 73%

weniger an antibiotischen Euterinjektoren ein als im Vergleich zu ihrer konventionellen Behandlung. Zudem wurden 65% weniger systemische Antibiotikadosen parenteral appliziert. Auch in der Behandlungsgruppe, in der die Landwirte von den Empfehlungen abwichen, wurden über 60% weniger intramammäre und über 60%

weniger parenterale antibiotische Dosen verabreicht. Im Vergleich zu allen vorigen Studien sind somit die Antibiotikaeinsparungen in der vorliegenden Studie als außerordentlich groß zu bewerten. Zusätzlich konnten das erste Mal überhaupt sowohl

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die intramammär als auch systemisch verabreichten Antibiotika reduziert werden ohne die Heilungsraten negativ zu beeinflussen.

Ein weiterer Aspekt, der den Einsatz an antimikrobiellen Wirkstoffen reduziert hat, ist die Einhaltung der Empfehlungen des Beipackzettels der Hersteller. In der alltäglichen Praxis neigen Tierärzte und Landwirte dazu die Behandlung zu verlängern, wenn die Tiere nach der Standardtherapiedauer noch Flocken in der Milch aufweisen, eine klinische Heilung also noch nicht eingetreten ist (Falkenberg et al., 2019; Swinkels et al., 2015). Mit der Einführung des Behandlungskonzeptes wurde eine verlängerte Therapie nur für die erste klinische Mastitis in der ersten, zweiten oder dritten Laktation bei Gram-positivem Testergebnis empfohlen (Krömker et al., 2010; Swinkels et al., 2014). Diese Empfehlung wurde von den Landwirten angenommen und umgesetzt.

Die Information der Landwirte über wissenschaftliche Studien zur verlängerten Therapie hat somit dazu beigetragen, Antibiotika zu sparen.

Das evidenzbasierte Therapiekonzept sieht für jedes Tier mit klinischer Mastitis eine Behandlung mit einem NSAID vor. Im Vergleich zur konventionellen Behandlung wurde die Menge an verabreichten NSAIDs verdoppelt. Auch in den Fällen, in denen die Betriebe von der Behandlungsempfehlung abwichen, wurden etwa 22% mehr NSAID-Dosen gegeben als in der konventionelle Behandlungsgruppe. Sowohl der entzündungshemmende als auch der schmerzlindernde Aspekt der NSAID-Gabe wird als wesentlicher Bestandteil des evidenzbasierten Behandlungskonzeptes zur Sicherung des Tierschutzes gesehen. Darüber hinaus hat die Gabe eines NSAIDs positive Auswirkungen auf die klinische Heilung, die bakteriologische Heilung und die Milchproduktion gezeigt (Krömker et al., 2011; Mansion-de Vries et al., 2016;

McDougall et al., 2009). Die Autoren dieser Studien vermuteten, dass die Verabreichung eines NSAIDs möglicherweise Gewebeschäden im Euter verhindern und so die Infektionsdauer verkürzen könnte.

Dennoch war der häufigste Grund, warum Landwirte vom evidenzbasierten Konzept abwichen, das Unterlassen der NSAID-Behandlung (28,4%). Während der Testphase wurde häufiger von der gegebenen Behandlungsempfehlung abgewichen (506 Fälle) als korrekt behandelt (403 Fälle). Daher wurden für die statistische

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Auswertung die Mastitiden basierend auf der Behandlungsentscheidung der Betriebe in zwei Behandlungsgruppen unterteilt. Dass die Gabe eines NSAIDs das häufigste Hindernis war, konform nach dem evidenzbasierten Konzept zu behandeln, war unerwartet. Dieses Ergebnis könnte darauf hindeuten, dass die Landwirte die Wirkung

Auswertung die Mastitiden basierend auf der Behandlungsentscheidung der Betriebe in zwei Behandlungsgruppen unterteilt. Dass die Gabe eines NSAIDs das häufigste Hindernis war, konform nach dem evidenzbasierten Konzept zu behandeln, war unerwartet. Dieses Ergebnis könnte darauf hindeuten, dass die Landwirte die Wirkung