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Klinische Erscheinungen bei Kobalt-Mangel

Die durch ein Kobalt-Defizit hervorgerufenen Krankheitssymptome beim Wiederkäuer sind recht unspezifisch und in vielen Fällen nicht oder nur sehr schwer von anderen Erkrankungen (z.B. Parasitosen) oder Mangelzuständen (z.B. Kupfer-Mangel) zu unterscheiden (WIESNER, 1970; HUMANN-ZIEHANK und GANTER, 2000). Neben Alter und Leistung der Tiere sind auch Dauer und Ausmaß des Kobalt-Defizits entscheidend für die Ausprägung der Symptomatik (WIESNER, 1970). Junge Tiere reagieren schneller und stärker auf unzureichende Kobalt-Zufuhr als ausgewachsene (CLARK und MILLAR, 1983;

PIATKOWSKI et al., 1990; KENNEDY et al., 1994b; McDOWELL, 2000). Während Trächtigkeit und Laktation treten leichter Mangel-Erscheinungen auf als in Phasen mit geringerer Beanspruchung (WIESNER, 1970).

Auch zwischen den einzelnen Wiederkäuerspezies bestehen Unterschiede bezüglich der Empfindlichkeit gegenüber einem Kobalt-Defizit. Schafe benötigen höhere Kobalt-Gehalte im

Futter als Rinder und reagieren auf niedrige Kobalt-Zufuhr deutlich empfindlicher (POOLE et al., 1972; CLARK und MILLAR, 1983).

Man unterscheidet beim Kobalt-Mangel zwischen schweren Mangel-Zuständen, die in der Regel mit einer starken Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens einhergehen und leichten Mangel-Zuständen, die oftmals als solche gar nicht erkannt werden (LATTEUR, 1962;

SMITH, 1987). Ein subklinischer Krankheitsverlauf kann bei länger andauerndem Mangel leicht in die klinische Erscheinungsform übergehen.

Ein Kobalt-Mangel entwickelt sich sehr langsam. Dabei können nach UNDERWOOD und SUTTLE (1999) vier verschiedene Stadien beschrieben werden:

1. Verarmung 2. Defizit 3. Dysfunktion 4. Erkrankung

Während der Phase der Verarmung wird zunächst das Vitamin B12 aus der Leber verbraucht.

Dieser Zeitraum ist je nach Ausmaß des gespeicherten Cobalamins unterschiedlich lang. Nach Angaben von GRACE et al. (1986) reicht das in der Leber eines Sauglammes deponierte Vitamin B12 lediglich aus, um den Bedarf über einen Zeitraum von etwa 10 Tagen zu decken.

Bei älteren Tieren mit größeren Leberspeichern verlängert sich der Zeitraum. Hierzu bestehen jedoch keine genaueren Angaben. Zum Vergleich soll erwähnt werden, dass sich der Gesamtspeicher an Vitamin B12 in Leber und Muskulatur beim erwachsenen Menschen auf durchschnittlich etwa 3-6 mg beläuft. Diese Menge würde bei ausschließlich vegetarischer Ernährung bei gesunden Menschen für 3-5 Jahre zur Vitaminversorgung des Körpers ausreichen (ZAGALAK, 1982; SCOTT, 1999).

Die sich an die Verarmung anschließende Phase des Defizits ist durch Reduktion der im Blut (Transportpool) zirkulierenden Vitamin B12-Menge gekennzeichnet. Bei verminderter oder sogar fehlender ruminaler Vitamin B12-Produktion (Kapitel 2.4) wird nur noch wenig oder kein Cobalamin mehr absorbiert. Durch reduzierte Leberspeicher kann das Cobalamin-Niveau im Blut nicht mehr aufrecht erhalten werden. Während der sogenannten Phase der Dysfunktion treten die in Kapitel 2.8 dargestellten metabolischen Störungen auf, die im Laufe der Zeit zu klinischen Symptomen führen, wodurch die vierte Phase (Erkrankung) gekennzeichnet ist.

Eine schematische Darstellung über die Zeit der einzelnen Phasen ist in der Abbildung 13 wiedergegeben, wobei es jedoch große individuelle Unterschiede gibt.

Abbildung 13: Zeitliche Abfolge unterschiedlicher Phasen bei der Entstehung eines klinischen Kobalt-Mangels (nach UNDERWOOD und SUTTLE, 1999) Die klinisch manifeste Form des Kobalt-Mangels wird häufig auch als „Enzootischer Marasmus“ bezeichnet. Charakteristisch hierfür ist ein starker Rückgang der Futteraufnahme (SMITH, 1987; PIATKOWSKI et al., 1990; UNDERWOOD und SUTTLE, 1999).

Gleichzeitig entwickeln die betroffenen Tiere einen abnormen Appetit auf Erde, Holz, Baumrinde und zum Teil auch verschmutzte Einstreu (WIESNER, 1970; PIATKOWSKI et al., 1990). Bei Weidehaltung werden Pflanzen wie Seggen, Binsen, Heidekraut oder ähnliches bevorzugt aufgenommen, während gute Futterpflanzen gemieden werden (WIESNER, 1970;

SCHUH und BRANDEIS, 1977). Weiterhin belecken oder benagen die Tiere erreichbare Gegenstände (WIESNER, 1970), weshalb in einigen Regionen Kobalt-Mangel auch als

„Lecksucht“ bzw. „licking disease“ bezeichnet wird (RUSSEL und DUNCAN, 1956).

Mit der verminderten oder sogar fehlenden Futteraufnahme geht ein starker Gewichtsverlust einher, der zum einen durch die verminderte Futteraufnahme und zum anderen auch dadurch hervorgerufen wird, dass die im Pansen gebildete Propionsäure nicht mehr ausreichend zu Glucose verstoffwechselt werden kann (Kap. 2.7.1). Vor allem bei wachsenden Tieren führt die Abmagerung schnell zum Tod (SMITH, 1987; PIATKOWSKI et al., 1990;

UNDERWOOD und SUTTLE, 1999).

Darüber hinaus sind erkrankte Tiere häufig apathisch, sondern sich von der Herde ab (McDOWELL, 1992) und können auf Grund von Muskelschwäche einen schwankenden, stolpernden Gang zeigen (LATTEUR, 1962). Neben derber und schuppiger Haut weisen Rinder ein langes und struppiges Fell auf, bei Schafen ist die Wolle stumpf und verfilzt (LATTEUR, 1962; WIESNER, 1970; McDOWELL, 1992). Die Veränderungen am Haarkleid sind beim Schaf stärker ausgeprägt als beim Rind. SUTTLE (1988) macht hierfür den wegen

Verarmung Defizit Dysfunktion Erkrankung

hoher Methionin-Konzentrationen in der Wolle erhöhten Methionin-Bedarf der Schafe verantwortlich, welcher im Falle eines Kobalt-Mangels durch verminderte Aktivität der Methionin-Synthase (Kap. 2.7.2.) nicht gedeckt werden kann.

Während Anämie beim Menschen das Leitsymptom bei Vitamin B12-Mangel darstellt, werden ähnliche Veränderungen des Blutbildes beim Wiederkäuer nur selten beobachtet. Meist zeigen nur Jungtiere blasse Schleimhäute (SMITH, 1987; PIATKOWSKI et al., 1990).

Viel häufiger als ein ausgeprägter Kobalt-Mangel mit der bisher beschriebenen Symptomatik sind mildere Verläufe der Erkrankung. Oftmals werden die unspezifischen, zum Teil nur schwer erkennbaren Symptome nicht beachtet. Eine Verbindung zu Kobalt-Mangel wird nur in seltenen Fällen hergestellt (LATTEUR, 1962).

Ein milder Kobalt-Mangel ist zunächst mit einer schlechten Futterverwertung verbunden.

Trotz bedarfsdeckender Energie- und Proteinversorgung weisen die Tiere ein vermindertes Wachstum oder einen Rückgang der Milchleistung auf ( LATTEUR, 1962; SMITH, 1987;

PIATKOWSKI et al., 1990; CLARK, 1998). Bei jungen Tieren tritt oftmals ein Wachstumsstop ein. Der Körperbau wirkt unproportioniert, wobei der Kopf unverhältnismäßig groß erscheint (WIESNER, 1970).

Hinzu kommt, dass die betroffenen Rinder und Schafe durch Schwächung des Immunsystems eine höhere Anfälligkeit gegenüber Parasitenbefall (MacPHERSON et al., 1987; FERGUSON et al., 1989; SUTTLE und JONES, 1989) und Infektionskrankheiten (LATTEUR, 1962;

SUTTLE und JONES, 1989; PATERSON und MacPHERSON, 1990a) aufweisen.

Als weiterer Symptomkomplex können Fertilitätsstörungen auftreten. Hierbei sind beide Geschlechter gleichermaßen betroffen. Durch einen Kobalt-Mangel wird beim männlichen Tier die Spermatogenese beeinträchtigt (LATTEUR , 1962). Bei weiblichen Tieren ist vor allem die Implantation des Embryos gestört, während das Zyklusgeschehen weitestgehend unbeeinflusst bleibt (LATTEUR, 1962; LOTTHAMMER, 1999). Weiterhin sind häufig Aborte, Totgeburten und die Geburt lebensschwacher Feten zu beobachten (LATTEUR, 1962; BOSTEDT und DEDIÉ, 1996; LOTTHAMMER, 1999). Lämmer von Muttern mit subklinischem Kobalt-Mangel zeigen oftmals verminderte pre- und postnatale Überlebensfähigkeit (FISHER und MacPHERSON, 1992). Überlebende Tiere weisen ein deutlich vermindertes Wachstumauf(MARSTON, 1952) und haben im Vergleich zu Tieren, deren Mütter während der Trächtigkeit ausreichend mit Kobalt versorgt waren, eine deutlich reduzierte Saugfrequenz (FISHER und MacPHERSON, 1992).

Ein bisher nur beim Schaf und gelegentlich bei Ziegen beobachtetes Krankheitsbild bei Kobalt-Mangel stellt die sogenannte „White liver disease“ dar. Betroffen sind auch hier wieder vor allem Jungtiere im Alter von 2 bis 6 Monaten (SMITH, 1987). Neben starkem Gewichtsverlust und Apathie fällt meist auch ein Ikterus auf (BOSTEDT und DEDIÉ, 1996).

Die Leber erkrankter Tiere ist vergrößert, auffallend blass und von brüchiger Konsistenz (KENNEDY et al., 1994a; BOSTEDT und DEDIÉ, 1996). Neben einer fettigen Infiltration,

die auf die centrolobulären Bereiche begrenzt ist, liegt eine Proliferation von Gallengangsepithel und mesenchymalen Zellen in den Venen vor. Weiterhin erfolgt die Ablagerung von Lipofuszin in den Hepatozyten (SUTTLE, 1988; KENNEDY et al., 1994a).

Gelegentlich treten auch Photosensitivität und neurologische Symptome wie Ataxie, Tremor und tonische Krämpfe auf (SMITH, 1987; BOSTEDT und DEDIÉ, 1996), was mit den Leberfunktionsstörungen begründet wird (SUTTLE, 1988).

Über die Pathomechanismen dieser Erkrankung liegen bisher nur geringe Kenntnisse vor.

Lange Zeit wurden dieser Symptomatik neben Kobalt-Mangel auch Mykotoxine (RICHARDS und HARRISON, 1981) und niedrige Molybdän-Gehalte in der Ration (ULVUND und PESTALOZZI, 1990) als auslösende Faktoren zugeschrieben. In letzter Zeit wird dem Kobalt-Mangel als alleinige Ursache eine große Bedeutung beigemessen (BOSTEDT und DEDIÉ, 1996; UNDERWOOD und SUTTLE, 1999).