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1 Einleitung

1.5 Klassifikation der sporadischen CJK in verschiedene Subtypen

Der Verlauf der Symptomatik ist interindividuell zum Teil sehr unterschiedlich. Es gibt schnellere und langsamere Verläufe, initial zeigen manche Patienten vor allem Demenz, manche Sehstörungen und manche Bewegungsstörungen. Ebenfalls findet sich interindividuelle Variabilität in Bezug auf die additive Diagnostik bei der CJK (wie Liquordiagnostik, EEG, cMRT, neuropathologische Untersuchung) (Zou und Gambetti 2013).

Historisch wurden die CJK-Fälle aufgrund der unterschiedlichen klinischen Erscheinungsbilder sowie neuropathologischen Funde in verschiedene Formen klassifiziert (Parchi et al. 1999a; Meyer et al. 1954;

Brownell und Oppenheimer 1965). So wurde schon in der Zeit der Entdeckung der CJK von verschiedenen Ärzten über unterschiedlich verlaufende „eigenartige“ Erkrankungen berichtet: Creutzfeldt (1920) und Jakob (1920) berichten z. B. über eine Verlaufsform mit frühen extrapyramidalmotorischen Symptomen, während Heidenhain (1929) eine Form mit frühen Sehstörungen und occipitalen Kopfschmerzen nach einem Prodromalstadium beschreibt. Auch über neuropathologische Unterschiede zwischen den verschiedenen Formen wurde damals schon berichtet (Bergener und Gerhard 1967). Diese Unterschiede führten initial zu einer unterschiedlichen Namensgebung der verschiedenen Verlaufsformen der sCJK, z. B. „Heidenhain-Variante“ (Kropp et al. 1999, vergleiche Tab. 5).

Später fand man heraus, dass diese Unterschiede in Symptomatik und Diagnostik mitunter auf einem genetischen Polymorphismus des Prionproteingens (PRNP) am Codon 129 basieren sowie auf den verschiedenen Ausprägungsformen des pathologischen Prionproteins (PrPSc Typ 1 und 2 →Kapitel 1.2.2) (Parchi et al. 1996).

Polymorphismus am Codon 129

Das Codon 129 des PRNP zeigt einen Polymorphismus kodierend für die Aminosäuren Methionin (M) oder Valin (V) (Owen 1994), was aufgrund der Diploidie des menschlichen Chromosomensatzes folgende Kombinationsmöglichkeiten ergibt: Homozygotie für Methionin oder Valin (MM oder VV) sowie Heterozygotie (MV) bei Kombination beider Basen (Cali et al. 2006). Dieser Polymorphismus ist in der Normalbevölkerung unterschiedlich verteilt. Auffällig ist, dass das Verteilungsmuster bei CJK-Patienten von der normalen Verteilung abweicht; so findet sich bei CJK-Patienten überdurchschnittlich häufig eine MM-Homozygotie. Scheinbar haben also Menschen mit einem MM-Genotyp am Codon 129 ein erhöhtes Risiko an einer sporadischen CJK zu erkranken (→Abb. 4). Im Hinblick auf eine vCJK scheint diese Basenpaarung sogar ein absoluter Risikofaktor zu sein, da bisher alle getesteten vCJK-Patienten diese aufwiesen. (Alperovitch et al. 1999; Palmer et al. 1991; Krasnianski et al. 2004).

Abbildung 4: Häufigkeitsverteilung des Polymorphismus‘ am Codon 129 (nach Parchi et al. 1999a; Alperovitch et al. 1999; Krasnianski et al. 2004). Der Vollständigkeit halber ist hier die Häufigkeitsverteilung des Codon 129-Polymorphismus‘ bei vCJK-Patienten mit aufgeführt.

sCJK-Subtypen

Aus der Kombination der verschiedenen Genotypen an Codon 129 mit den zwei Prionprotein-Typen ergeben sich 6 mögliche Kombinationen (MM ½, VV ½, und MV ½). Wie diesbezüglich die Häufigkeiten verteilt sind, ist in →Abb. 5 zusammengefasst. Zum Beispiel findet sich das PrPSc Typ 2 häufig bei Valin-homozygoten Patienten, während das PrPSc Typ 1 überwiegend bei Methionin-homozygoten anzutreffen ist, wobei letztere molekulargenetische Form (also MM1) den insgesamt deutlich größten Anteil ausmacht (Parchi et al. 1999b).

MM 37%

51% MV 12% VV

Normalbevölkerung

71% MM 13% MV

16% VV

sporadische CJK

MM neue Variante CJK

100%

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Abbildung 5: Häufigkeitsverteilung der Prionprotein-Typen in Bezug auf das Codon 129 (nach Parchi et al.

1999a; Alperovitch et al. 1999)

Die im Diagramm angegebenen relativen Werte nennen den Anteil an allen sCJK-Patienten mit Prionprotein Typ 1 (in blau dargestellt) bzw. 2 (in grün dargestellt); gerundete Werte. Es sind auch Patienten eingeschlossen, die beide Prionproteintypen aufweisen (siehe dazu Kapitel A - 1.5 im Anhang)

CJK-Patienten mit verschiedenen molekularen Subtypen zeigen unterschiedliche Verteilungsmuster der Signalalterationen im cMRT (Meissner et al. 2009a): Während sich zum Beispiel bei den Subtypen MV2, VV2 und MM1 häufig Hyperintensitäten der Basalganglien nachweisen lassen, finden sich bei VV1-, MV1- und MM2-Patienten vermehrt corticale cMRT-Hyperintensitäten.

In Zusammenschau der Besonderheiten des klinischen Verlaufs, der neuro-histopathologischen Befunde sowie der Befunde aus apparativer Diagnostik ergibt sich das in →Tab. 5 dargestellte Bild.

Historisch und aufgrund histopathologischer Merkmale werden die Subtypen MM1 und MV1 meist als ein Subtyp zusammengefasst, daher auch in dieser Arbeit. Ebenso gleichen sich Symptomatik und die Befunde additiver Diagnostik (EEG, cMRT und Liquordiagnostik). Demgegenüber wird aufgrund der Unterschiedlichkeit in Klinik und additiver Diagnostik der MM2-Typ in zwei Formen unterteilt, nämlich MM2c für cortical und MM2t für thalamisch, auf Basis der Verteilungsmuster der neuropathologischen Veränderungen. Auch die weiteren diagnostischen Parameter und die klinische Symptomatik unterscheiden sich deutlich (Kropp et al. 1999; Alperovitch et al. 1999; Cali et al. 2006; Parchi et al. 1999a;

Zerr et al. 2000b).

MM2 14%

31% MV VV 55%

MM 95%

MV 4%

VV1 1%

PrP Typ 2

29% aller sCJK-Patienten MM1

VV2 MV2

MV1 PrP Typ 1

⇒ 71% aller sCJK-Patienten

Subtyp (% Fälle**)

Alter *

in Jahren symptomatische

Besonderheiten Liquor neuropathologischen Besonderheiten EEG cMRT Historische Klassifikation

65 (31-82) Demenz, corticale Sehstörungen,

Myoklonien, kurze Krankheitsdauer

14-3-3 +++

Tau +++

Ausgeprägte spongiforme Schädigung mit kleinen Vakuolen corticostriatal-thalamisch und cerebellär

mit Betonung des occipitalen Cortex, PrP–

Ablagerungen vom synaptischen Typ

Spongiforme Veränderungen mit kleinen und mittleren Vakuolen vor allem im subcorticalen Grau

und mitunter in den tiefen Rindenschichten, Neocortex eher selten betroffen cerebelläre Atrophie, plaqueartige sowie perineuronale

PrP-Ablagerungen

64 (53-76) Ataxie, Demenz, extrapyramidale Bewegungsstörung, lange Krankheitsdauer

14-3-3 (+) Tau (+)

corticale und subcorticale Pathologie mit plaqueartigen PrP-Ablagerungen und,

Amyloid-(≫Kuru≪-) Plaques v. a. im Cerebellum

AV +++ Striatum,

52 (36-71) Insomnie, Dysautonomie zu Beginn, später Ataxie

und kognitive Beeinträchtigung

14-3-3 norm.

Tau normal Atrophie des Thalamus und des Nucleus olivaris, Spongiose kann fehlen oder fokal ausgeprägt sein

AV

(2%) 64 (49-77) progrediente Demenz für

mehrere Monate 14-3-3 (+)

(+) Thalamus nicht etabliert 16 (9-36)

(1%) VV1

44 (19-55) Demenz zu Beginn, später Ataxie und extrapyramidalmotorische

Störungen

14-3-3 ++

Tau ++

Spongiose mit mittleren Vakuolen, Gliose und Nervenzellverlust. Stark betroffen sind Cortex > BG

unter Aussparung des Hirnstamms und des Cerebellums

AV +++ Cortex

+ Striatum nicht etabliert 21 (17-42)

Tabelle 5: Phänotypische Charakteristika der sCJK-Subtypen (nach Zou und Gambetti 2013; DGN Leitlinie Creutzfeldt-Jakob-Krankheit 2012; Schelzke und Zerr 2010; Zerr et al. 2009; Gmitterová et al. 2009;

Meissner et al. 2009a; Meissner et al. 2009b; Heinemann et al. 2007a; Krasnianski et al. 2004; Zerr et al. 2000b; Parchi et al. 1999a; Brownell und Oppenheimer 1965; Zerr und Bäh 2008; Meissner et al. 2005;

Senske 2015)

**Anteil an allen sCJK-Fällen, *medianes Alter bei Symptombeginn in Jahren mit (min-max), # mediane Krankheitsdauer in Monaten (min-max) , sFI = sporadic fatal insomnia, AV = Allgemeinveränderungen, PSWC = periodic sharp wave complexes, +++ sehr stark erhöht/sehr häufig, ++ stark erhöht/häufig, + erhöht/häufig, (+) kaum/erhöht selten, norm. = normal