• Keine Ergebnisse gefunden

Kaiserinnen in den Medien

Im Dokument Die Kaiserin (Seite 158-200)

Das vorangehende Kapitel hat nicht nur das Krönungsritual als solches und die verschie-denen Akteure bei dessen Gestaltung thematisiert, sondern die Kaiserinnenkrönungen zugleich als ein Element der Präsenzöffentlichkeit1 des Heiligen Römischen Reiches dar-gestellt. Sie waren einer der Momente, in denen das Reich über den Vollzug des Rituals durch die verschiedenen Anwesenden fürstlichen und adligen Ranges hergestellt und dargestellt wurde2. Freilich waren die eigentlichen Krönungsfeierlichkeiten in der Kirche ebenso wie das Krönungsmahl nur wenigen Beteiligten fürstlichen und reichsgräflichen Standes sowie deren Hofstaaten direkt zugänglich. Dem Krönungszug wohnten jedoch offenbar jeweils erhebliche Mengen von Zuschauerinnen und Zuschauern verschiedener sozialer Schichten bei, und durch Salutschüsse wurde die Gesamtheit der in Stadt und Umland Wohnenden zumindest akustisch vom Vollzug des Rituals in Kenntnis gesetzt.

Hinzu kamen Festlichkeiten, die die Krönungen umrahmten: So wurden 1612 der Auf-enthalt des Kaiserpaares und die Krönungen abgeschlossen mit einem Ringelrennen auf dem Frankfurter Römer und einem abendlichen Fackeltanz, den das Kaiserpaar eröffnete.

Nach der Krönung Maria Annas in Regensburg 1637 ließ der spanische Botschafter ein Freudenfeuer entzünden und Wein und Speisen an die Bevölkerung verteilen3. Breit kom-muniziert wurde zudem ein Ballett vor der höfischen Öffentlichkeit, an dem die Hofda-men der Kaiserin und der Königin beteiligt waren. Freudenfeste aus Anlass der Krönung Ferdinands III. 1636 fanden in Rom, Mailand und Madrid statt. Da der kaiserliche Hof sich von Ende 1652 bis Mitte 1654 dauerhaft in Regensburg aufhielt, sind dort eine ganze Anzahl höfischer Festlichkeiten in dieser Zeit nachweisbar, die allerdings keinen direk-ten Bezug zu den Krönungen aufwiesen4; Ähnliches gilt für den Aufenthalt des Hofes

1 Rudolph, Reich als Ereignis, 422 und oft; Völkel, Druckgraphik, 191; Bauer, Strukturwandel, 589; Carl, Kaiser, 25. Die langwierige und differenzierte Diskussion zum Begriff „Öffentlichkeit/

en“ in historischer Sicht kann hier nicht im Einzelnen beschrieben werden, zumal im Folgenden ein vorrangig medienhistorischer Zugriff praktiziert wird.

2 Carl, Kaiser, 14f.

3 Zu 1612 siehe die Krönungsbeschreibungen nach der Übersicht im Anhang, zu 1637 z.B. Lünig, Theatrum ceremoniale, Bd.1, 1151, und den Bericht des brandenburgischen Gesandten in GSTA PK, I.HA GR, Rep. 12, Nr. 234, fol. 157r, 27.12.1636/6.01.1637. Zum Ballett vor allem HAB Wol-fenbüttel, 82 Blankenburg, fol. 45r–47r, sowie Sommer-Mathis, Krönungsfestlichkeiten, 260f.;

die Beschreibung bei Keller, Hofdamen, 244f.

4 Böhm, Theatralia, 213–239; Sommer-Mathis, Krönungsfestlichkeiten, 268–273, 276–278.

in Augsburg 1689/90. Für die Krönung der Kaiserin 1742 vermeldete das Diarium5 eine abendliche Illumination am Quartier des Nuntius, beim bayerischen Botschafter und an den Residenzen der Fürstäbte von Fulda und von Kempten in Frankfurt sowie am fol-genden Tag ein Dank- und Freudenfest in der Stadt und den umliefol-genden Dörfern mit Dankgebet.

Trotzdem war die damit erreichbare Öffentlichkeit natürlich räumlich wie zahlenmäßig sehr begrenzt, wie das typisch war für die höfische Gesellschaft, in der Kommunikation über Herrschaft zunächst einmal unter den bei Hof Anwesenden über Präsenzmedien wie Feste und Zeremoniell stattfand6. Um freilich „das Reich“ schlechthin, das heißt sowohl die Reichsstände selbst, die „Glieder des Reiches“, wie dessen Bevölkerung in einem um-fassenderen Sinne zu erreichen, musste die Krönung der Kaiserin den Weg in die Medien finden, musste das Ereignis in eine Erzählung verwandelt werden7, die dann medial ver-mittelt werden konnte. Und dabei musste es sich um Medien handeln, die eben nicht nur in persönlicher Anwesenheit wahrgenommen werden konnten, wie Gesten, Stoffe, Farben oder das Geläut der Glocken und der Schall der Salutschüsse, sondern um solche, die über die Distanz rezipierbar waren8.

Medien und Medialität sind seit einigen Jahren ein recht intensiv beforschtes Thema und wurden auch in Hinblick auf die Geschichte des Heiligen Römischen Reiches the-matisiert9. Dabei wird der Medienbegriff selbst immer wieder diskutiert, und es gibt so-wohl Zugänge, die einen weiten Begriff nutzen und damit alle Kommunikationsmittel bezeichnen, die der Speicherung und Übertragung von Informationen zwischen Sender und Empfänger dienen, so dass unterschiedliche Phänomene wie Sprache, Geld, Kleider, Wände, Sachen und menschliche Körper Medien sein können10. Dass ein weiterer Me-dienbegriff gerade bei der Untersuchung von höfischer Präsenzkommunikation und Ri-tualen nutzbringend sein kann, hat sich in der Darstellung der Krönung bereits gezeigt, wurden doch etwa Kleidung, Ausstattungsgegenstände oder Bewegungen im Raum gezielt 5 Vollständiges Diarium, 19.

6 Bauer, Strukturwandel, 585f.; Weißbrich/Carl, Medienereignis, 87.

7 Rudolph, Reich als Ereignis, 332f.; Tschopp, Medien <19>; Nünning, Medienereignis, 193f.

8 Bauer, Strukturwandel, 586; Ders., Höfische Öffentlichkeit, 30, 55.

9 Lanzinner/Strohmeyer, Reichstag; Haug-Moritz, Reich; Arndt/Körber, Mediensystem;

Arndt, Herrschaftskontrolle; Rudolph, Reich als Ereignis; Rosseaux, Kommunikationsraum;

Bauer, Höfische Gesellschaft; Ders., Strukturwandel; Baumann, Reichsgerichte als mediales Er-eignis; Carl, Kaiser; Schnettger, Kaiser und Reich, 244–249; zu älteren Forschungen siehe auch Bellingradt, Flugpublizistik und Öffentlichkeit, 18f.; Burkhardt/Werkstetter, Medien.

10 Zum Problem der Eingrenzung siehe Würgler, Medien, 2f., 65–67; Müller, Medialität, 53f.;

Behringer/Havelka/Reinholdt, Konstruktionen, 11f.; Tschopp, Medien, <1>–<3>; Messerli, Intermedialität, 16–19.

Kaiserinnen in den Medien 159

zur performativen Kommunikation von Hierarchien und Strukturen genutzt. Geht es je-doch um die Darstellung von medialer Kommunikation über die Entfernung, dann ist ein engerer Medienbegriff sinnvoll, um nicht Gefahr zu laufen, Kommunikation und Medien am Ende gleichzusetzen. Deshalb geht es in den folgenden Ausführungen primär um die Relevanz von Druckmedien.

Auf den Stellenwert von Druckmedialität für die Kommunikation zwischen den euro-päischen Fürstenhöfen allgemein hat vor einigen Jahren Volker Bauer dezidiert aufmerk-sam gemacht11. Dabei zielte seine Argumentation in erster Linie auf Bücher einerseits, auf Zeitungen andererseits ab. Zu bedenken bleibt, dass Medialität als Faktor politischer wie gesellschaftlicher Ereignisse und Entscheidungen nicht nur mediale Vermittlung schlecht-hin bezeichnet, sondern auch und gerade den Umstand, dass die Wahl einer Medienform konstitutiv für die Wahrnehmung einer Mitteilung, eines Inhaltes war12. Es gilt also, die gesamte Breite von gedrucktem Material einzubeziehen, so wie das Harriet Rudolph in ihrer Studie zu den Kaisereinzügen13 als politische Aufführungen des Heiligen Römischen Reiches bis ins beginnende 17. Jahrhundert getan hat.

Selbst wenn hier „nur“ auf gedrucktes Material fokussiert wird, muss angesichts sukzes-sive zunehmender Druckproduktion in der Frühen Neuzeit das Feld aber noch weiter ein-gegrenzt werden. Dies gilt umso mehr, als Vorarbeiten weitgehend fehlen: Die angespro-chene Studie von Harriet Rudolph beinhaltet zwar nutzbares Material, und mit den Dar-stellungen von Maria Goloubeva und Jutta Schumann14 existieren zwei Untersuchungen, die das mediale Bild Kaiser Leopolds I. in großer Breite darstellen. Vor allem Gemälde, Druckgraphik und Medaillen, aber auch Feste und gedruckte Schriften als Mittel kaiser-licher Propaganda15 thematisierten einige ältere Studien für Kaiser des 16. Jahrhunderts.

Und zuletzt ist – nicht nur im Zusammenhang mit dem Jubiläumsjahr 2017 – die me-diale Präsenz und die Medienpolitik von Kaiserin Maria Theresia zumindest exemplarisch untersucht worden16. Für keine der Kaiserinnen des hier untersuchten Zeitraumes aber gibt es Vergleichbares; auch die Gemahlinnen Leopolds I. erscheinen in den genannten Darstellungen allenfalls marginal.

11 Bauer, Höfische Öffentlichkeit; Ders., Strukturwandel; allgemein auch Duindam, Dynasties, 275f.

12 Würgler, Medien, 68; Behringer/Havelka/Reinholdt, Konstruktionen, 16, 18 13 Rudolph, Reich als Ereignis.

14 Goloubeva, Glorification; Schumann, Die andere Sonne. Beide Studien sind stark von Peter Burkes Untersuchung über Ludwig XIV. beeinflusst, vernachlässigen aber die Kaiserinnen weitge-hend. Ein eher oberflächlicher Überblick auch bei Rouven Pons (Pons, Herrschaftsrepräsentation, 227–290), in dem ebenfalls die Kaiserinnen keine Rolle spielen.

15 Altfahrt, Maximilian II.; Vocelka, Rudolph II.

16 Telesko/Hertel/Linsboth, Panegyrik; auch Telesko/Linsboth/Hertel, Maria Theresia.

Vor dem Hintergrund dieser Forschungslage soll nun im Folgenden nach der media-len Präsenz von Kaiserinnen im 17. und 18. Jahrhundert gefragt werden sowie danach, ob die Medialisierung gerade der Krönung Bestandteil einer Darstellung von Kaisertum und Reich innerhalb des Heiligen Römischen Reiches war. Dazu gilt es zunächst, den Umfang der Präsenz von Kaiserinnen in Druckmedien abzuschätzen und deren mediale Differen-zierung abzubilden. Diese Medienpräsenz wird dann für die Kaiserinnenkrönung genauer zu untersuchen sein. Schließlich sollen neben den Krönungen exemplarisch weitere Me-dienereignisse behandelt werden, die im Zusammenhang mit Kaiserinnen standen, um auf diese Weise die inhaltliche wie formale Auffächerung medialer Präsentationen diffe-renzierter beschreiben zu können. Zugleich wird dabei der Frage nachgegangen, welches Bild dort vom Verhältnis Kaiserin und Reich gezeichnet wurde: Wurde das Reich hier überhaupt thematisiert oder überwog die schlicht zeittypische Huldigungsattitüde in Hin-blick auf die Kaiserin als Fürstin?

Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick

Die Landschaft gedruckter Medien der Frühen Neuzeit war spätestens seit der Reforma-tion, die bekanntlich einen enormen Schub in deren Entwicklung und Differenzierung bewirkte, in sich stark gegliedert. Zwar stehen gewöhnlich bislang Buchpublikationen im Zentrum des Interesses17, aber die Vielfalt von Flugschriften18 bis hin zu den für den deutschsprachigen Raum sehr typischen illustrierten Flugblättern oder Einblattdrucken19 hat in der Forschung erhebliche Aufmerksamkeit gefunden. Kaiserinnen wurden in al-len Formen von Druckwerken thematisiert: Es gab juristische Abhandlungen zur recht-lichen Stellung der Kaiserin im Reich ebenso wie biographische Darstellungen, Krönungs-beschreibungen unterschiedlichen Umfanges, Festgedichte anlässlich von Eheschließung oder Krönung ebenso wie huldigende Texte aus Anlass von Geburten im Kaiserhaus oder Trauerpredigten auf verstorbene Kaiserinnen. Auch in Chronikwerken und Zeitungen fan-den Kaiserinnen Erwähnung, und es existieren zumindest noch einige Dutzend illustrierte Einblattdrucke sowie zahlreiche Porträtstiche, allegorische Darstellungen oder Abbildun-17 Tschopp, Medien, <10>–<11>; zur Geschichte des Buchdruckes: Giesecke, Buchdruck; Würgler,

Medien, 100–102.

18 Zur Begrifflichkeit Bellingradt, Flugpublizistik und Öffentlichkeit, 10–13, zur Forschung ebd.

11–19; Rosseaux, Flugschriften, 104–108; Leonhard, Medienwissenschaft, 790–792.

19 Schilling, Bildpublizistik; Harms/Schilling, Das illustrierte Flugblatt; Leonhard, Medienwis-senschaft, 810–812; Tschopp, Medien, <11>–<12>. Hierzu liegen auch gedruckte Materialsamm-lungen vor, siehe Harms/Schilling, Deutsche illustrierte Flugblätter; Paas, Broadsheet, und an-dere.

Eigenständige Publikationen 161

gen von Festen, die Kaiserinnen allein, mit ihrem Gemahl oder innerhalb größerer Festge-sellschaften zeigen. Für die drei wichtigsten Kategorien von Druckmedien – eigenständige Publikationen, zu denen Bücher, Flugschriften und Flugblätter gerechnet werden, sowie Chronikwerke und Zeitungen – soll hier zunächst ein Überblick versucht werden. Bild-liche Darstellungen werden dabei erst im folgenden Abschnitt zu den Krönungen berück-sichtigt; eine umfassendere Untersuchung der bildlichen Darstellungen von Kaiserinnen im Zeitraum zwischen etwa 1550 und etwa 1740 wird Marion Romberg vorlegen. Ihre Recherchen sind in einer Datenbank zugänglich20, in der über 1.000 Einzeldarstellungen nachgewiesen werden.

Eigenständige Publikationen

Bei einem Versuch, sich einen Überblick über die Zahl und den Umfang der auf eine Kaiserin bezogenen Publikationen zu verschaffen, ist zunächst auf generelle Probleme der Überlieferung und Recherche zu verweisen. Gerade Flugblätter und oft auch Druckschrif-ten kleineren Formates sind in Bibliothekskatalogen sehr unterschiedlich vollständig ver-zeichnet. Die Existenz der in ständiger Erweiterung befindlichen Verzeichnisse deutsch-sprachiger Drucke (VD) des 16., 17. bzw. 18. Jahrhunderts als retrospektive Nationalbiblio-graphien ist zweifellos sehr hilfreich, ebenso wie Suchmöglichkeiten im Ngram-Viewer oder über Worldcat. Aber der Katalog VD 17 etwa zielt eben „nur“ auf deutschsprachige Drucke und alle im historischen deutschen Sprachgebiet gedruckten und verlegten Werke;

der Katalog VD 16 erfasst keine Einblattdrucke, und der VD 18 wird erst seit 2009 intensiv bearbeitet21. Schon ein Abgleich mit dem Katalog der Österreichischen Nationalbiblio-thek22 zeigt, dass im Bereich der historischen Habsburgermonarchie erschienene Texte in deutscher Sprache in den VD-Katalogen keineswegs vollständig aufgenommen sind und dass es eine durchaus nennenswerte Zahl von Publikationen zu Kaiserinnen in anderen Sprachen gegeben hat. Durch Archivrecherchen im Rahmen des Forschungsvorhabens wurde sichtbar, dass insbesondere kleine Flugschriften, wie sie sich immer wieder in den Akten finden lassen, nicht unbedingt in den VD-Katalogen erscheinen23. Auf das Problem 20 Siehe https://kaiserinnen.oeaw.ac.at/?page_id=142 [30.12.2020].

21 http://www.vd17.de/datenbankinformation/inhalt; https://b-u-b.de/digitalisierung-vd18/

[30.12.2020].

22 Neben dieser Bibliothek wurden auch die Kataloge der Bibliotheken in Berlin, Dresden, Erfurt-Gotha, Göttingen, Halle und München einzeln durchsucht, um die Angaben insbes. des VD 18 zu ergänzen.

23 Siehe z. B. Augustin, Euterpe epigrammatica, überliefert in BayHStA, Geheimes Hausarchiv, Kor-respondenzakten 151/2; Beschreibung des prächtigsten Fürgangs [1717], überliefert in HHStA,

Fami-der Quellenverluste bei Flugschriften und Flugblättern ist in Fami-der Literatur bereits verschie-dentlich hingewiesen worden24. Hinzu kommt, dass die Verschlagwortung in Hinblick auf die Kaiserinnen (und wohl auf Frauen allgemein) oft zu wünschen übriglässt – immer wieder finden sich Fälle, in denen zwar die Namen der Kaiser, nicht aber die ihrer Gemah-linnen in die Verschlagwortung aufgenommen wurden, obwohl beide im Text oder Bild erscheinen25.

Für die folgenden Tabellen, denen zunächst ausschließlich eigenständige Druckschrif-ten zugrunde liegen, stellte sich zudem die Frage, ab wann man einer Druckschrift einen Bezug zur Kaiserin zuschreiben sollte. Als weitgehend operables Kriterium wurde schließ-lich der Textbezug herangezogen – spielten eine oder mehrere Kaiserinnen als Person eine Rolle im Text, oder erschienen sie nur im Titel oder als Widmungsträgerinnen? Deshalb wurden Libretti, die etwa aus Anlass von Geburtstagen oder Eheschließungen entstanden, ebenso ausgeschlossen wie Werke, die lediglich eine Widmungszuschrift an eine Kaiserin beinhalten. Werke mit gleichem Titel, aber unterschiedlichem Druckort, sowie Überset-zungen ein- und desselben Titels wurden jeweils als eigenständige Publikation gezählt.

Angesichts der angesprochenen Probleme bei Zuweisung und Recherche ist also vorab zu betonen, dass die Zahlen allenfalls Größenordnungen, eine Vorstellung von Medientypen und inhaltlichen Schwerpunkten vermitteln, aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben können.

Zustande gekommen ist ein Sample von 445 eigenständigen Druckschriften mit Bezug zu einer oder mehreren Kaiserinnen, die zwischen einer und 1030 Seiten umfassen und zwischen 1521 und 1765 erschienen sind26. Darunter befinden sich 44 Einblattdrucke (9,9 Prozent), 253 (oder 56,8 Prozent) stellen Flugschriften mit zwei bis zu 32 Seiten Umfang dar, nur 57 (oder 13,3 Prozent) sind über 100 Seiten stark. Gedruckt wurden die

Publika-lienakten 18, Konv. 1, fol. 82r; Philips, Augustissimae Coronationi, überliefert etwa auch im NLAW, 15 Alt Nr. 69, fol. 133r–136v. Zu diesem Problem siehe auch Rudolph, Reich als Ereignis, 337.

24 Siehe etwa Schumann, Die andere Sonne, 48f.

25 Z. B. in der Österreichischen Nationalbibliothek der Nachweis für Quattro Relationi [1637].

Siehe auch die Verschlagwortung eines Doppelporträts von Leopold I. und Margarita Teresa von Spanien im Porträtindex: http://www.portraitindex.de/documents/obj/oai:baa.onb.at:4829986 [24.01.2021] oder für eines von Ferdinand III. und seiner Gemahlin Maria Anna http://www.port-raitindex.de/documents/obj/oai:baa.onb.at:4824212 [30.12.2020]. Ähnlich http://portraits.hab.de/

werk/5611/ [24.01.2021] wo ein Doppelporträt nur auf Leopold I. bezogen verschlagwortet ist.

26 Umfangsangaben konnten für 430 der 445 Texte ermittelt werden. Der erste Text ist eine Huldi-gungsschrift anlässlich der Hochzeit Karls V. mit Isabella von Portugal, der letzte ein literarischer Text über die höfische Liebe zwischen Kaiserin Claudia Felicitas und einem Grafen Arco. Die Nachweise zu allen ausgewerteten Drucken siehe unter https://kaiserinnen.oeaw.ac.at/?page_

id=63&lang=en#tppubs [30.12.2020].

Eigenständige Publikationen 163

tionen27 in 72 unterschiedlichen Orten, wobei es aber nur 13 Orte waren, die mit fünf oder mehr Publikationen in Erscheinung traten.

Tabelle 3: Die wichtigsten Druckorte

Druckorte Anzahl der erschienenen Werke

Wien 89

München 28

Augsburg 25

Nürnberg 22

Frankfurt am Main 18

Prag 16

Regensburg 13

Helmstedt 9

Leipzig 9

Innsbruck 7

Braunschweig 5

Brünn 5

Graz 5

Die meisten dieser Druckorte befanden sich innerhalb der Grenzen des Heiligen Römi-schen Reiches, und mit Wien, Prag, Innsbruck, Brünn und Graz lag ein erheblicher Teil, in dem noch dazu etwa ein Drittel der verortbaren Publikationen erschien, innerhalb des habsburgischen Herrschaftsbereiches. Die Druckzentren des Reiches, also Augsburg, Nürnberg, Frankfurt am Main und Leipzig, waren Produktionsorte von mindestens einem Fünftel der Texte28, wobei anzunehmen ist, dass ein erheblicher Teil der ohne Ortsangabe entstandenen Flugpublizistik ebenfalls aus Augsburg oder Nürnberg stammte. München ist aufgrund der Publikationen zu Kaiserin Maria Amalia ab 1722 relativ stark vertreten; in Helmstedt kamen etliche akademische Huldigungsreden und -gedichte aus Anlass der bei-den braunschweigischen Hochzeiten von 1699 und 1708 zum Druck. Braunschweig spielte als Druckort nach 1711 eine Rolle, als die Wolfenbütteler Linie des Hauses mit Elisabeth Christine die Kaiserin stellte. Allerdings waren die Druckorte insgesamt natürlich wesent-lich weiter gestreut: Neben 41 Orten innerhalb des Heiligen Römischen Reiches traten noch zehn in den habsburgischen Ländern (und damit ja ebenfalls in Verbindung zum Reich, nur ein Werk wurde in Pressburg/Bratislava und damit im historischen Ungarn ge-27 Ermittelbar waren die Druckorte für 362 der 445 in die Statistik aufgenommenen Werke; 83

er-schienen ohne Angabe von Ort und Verlag.

28 Siehe dazu auch Rudolph, Reich als Ereignis, 339f.; für Leopold I. Goloubeva, Glorification, 61f.

druckt) in Erscheinung, aber auch 21 Orte außerhalb der Grenzen des Reiches – vor allem in Italien und in Spanien sowie Paris. Selbst wenn Wien als wichtigster Publikationsort auszuweisen ist, war die Streuung doch insgesamt recht breit, und wie unten zu zeigen sein wird, differierte sie deutlich je nach den Anlässen der Publikationen.

Denn der überwiegende Teil der Texte erschien in Verbindung mit konkreten Ereignis-sen, in die die einzelnen Kaiserinnen involviert waren. Vorrangig handelte es sich um bio-graphisch-dynastische Höhepunkte im Leben einer Fürstin, anlässlich derer eine aktuelle Berichterstattung stattfand:

Tabelle 4: Zuordnungen der Einzelpublikationen

Anlass Zahl der Druckwerke Prozent

Hochzeit 119 26,4

Niederkunft 52 11,5

Gedächtnisschrift 118 26,2

Krönung Reich 52 11,5

Krönungen Böhmen bzw. Ungarn 40 8,9

Sonstiges 71 15,7

Gesamt 45229 100

Sowohl hinsichtlich des Umfanges wie aufgrund des konkreten Ereignisbezuges, der Akzi-denzialität, handelte es sich damit im Wesentlichen um Flugpublizistik – die in den Biblio-thekskatalogen oft verwendete Charakterisierung als „Gelegenheitsschrift“ kommt hier nicht zur Anwendung, bleibt sie doch nahezu inhaltslos, da es ja gerade als Charakteristikum der Flugpublizistik gelten muss, dass sie anlassbezogen, als Bestandteil einer aktuellen Bericht-erstattung in Druckmedien, erschien. Dabei vertieften Flugschriften in ihrer ausführlicheren Berichterstattung gewöhnlich aktuelle Meldungen, die aus Zeitungen und gegebenenfalls Flugblättern schon bekannt waren und konnten kommentierende Elemente beinhalten30. Oft verbanden sie Unterhaltung und Information; politische Streitschriften oder Pamphlete spielen dagegen im Sample der Druckschriften mit Bezug zu Kaiserinnen keine Rolle.

Die Einordnung der überwiegenden Mehrzahl der ermittelten Schriften in eine aktuelle Berichterstattung bzw. anlassbezogene Produktion verdeutlicht auch ein Diagramm zur zeitlichen Verteilung der Erscheinungsjahre.

29 Die Gesamtzahl liegt wegen einiger Doppelzuweisungen geringfügig höher als die Zahl der Publi-kationen insgesamt.

30 Arndt, Herrschaftskontrolle, 77; Bellingradt, Flugpublizistik und Öffentlichkeit, 17; Ross-eaux, Flugschriften, 106f.; Mauelshagen, Hof, 101; zur Unterhaltung auch Schumann, Die an-dere Sonne, 231f.

Eigenständige Publikationen 165

Diagramm 1: Erscheinungsjahre von Druckwerken mit Bezug zur Kaiserin

Die quantitativen Höhepunkte der Druckproduktion weisen sehr deutlich jeweils be-stimmte Ereignisse aus, die mit Kaiserinnen im Zusammenhang standen: Nach der Zahl der Publikationen war die Krönung Annas von Tirol 1612 ein Medienereignis in Bezug auf eine Kaiserin31 – auf die mediale Struktur der Berichterstattung wird unten noch ein-zugehen sein –, ebenso wie die Krönung von 1690. In geringerem Maße gilt dies für die Eheschließungen der Jahre 162232 (Ferdinand II. und Eleonora Gonzaga) und 1666/67 (Leopold I. und Margarita Teresa von Spanien33). 1673 und 1676/77 fielen jeweils der Tod einer Kaiserin und die Wiederverheiratung Leopolds I. in ein Jahr, so dass hier zwei Ereignisse gemeinsam die höheren Publikationszahlen begründeten. Die Hochzeit von Amalie Wilhelmine von Braunschweig mit dem ältesten Kaisersohn Joseph I. 1699 war dagegen mit einer Vielzahl von Berichten über den Einzug der Braut, die Hochzeitsfeier-lichkeiten sowie Huldigungsschriften aus diesem Anlass ein publizistischer Höhepunkt34, der in seiner Bedeutung die Hochzeit Karls III. von Spanien 1708 deutlich überstrahlte.

Die quantitativen Höhepunkte der Druckproduktion weisen sehr deutlich jeweils be-stimmte Ereignisse aus, die mit Kaiserinnen im Zusammenhang standen: Nach der Zahl der Publikationen war die Krönung Annas von Tirol 1612 ein Medienereignis in Bezug auf eine Kaiserin31 – auf die mediale Struktur der Berichterstattung wird unten noch ein-zugehen sein –, ebenso wie die Krönung von 1690. In geringerem Maße gilt dies für die Eheschließungen der Jahre 162232 (Ferdinand II. und Eleonora Gonzaga) und 1666/67 (Leopold I. und Margarita Teresa von Spanien33). 1673 und 1676/77 fielen jeweils der Tod einer Kaiserin und die Wiederverheiratung Leopolds I. in ein Jahr, so dass hier zwei Ereignisse gemeinsam die höheren Publikationszahlen begründeten. Die Hochzeit von Amalie Wilhelmine von Braunschweig mit dem ältesten Kaisersohn Joseph I. 1699 war dagegen mit einer Vielzahl von Berichten über den Einzug der Braut, die Hochzeitsfeier-lichkeiten sowie Huldigungsschriften aus diesem Anlass ein publizistischer Höhepunkt34, der in seiner Bedeutung die Hochzeit Karls III. von Spanien 1708 deutlich überstrahlte.

Im Dokument Die Kaiserin (Seite 158-200)