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Jönköping/S: Erfolgreiche Unterstützung des Strukturwandels durch Gründungsunterstützung/Entrepreneurship

4 Erschließbare Potenziale im Ruhrgebiet durch die Regionalpolitik

4.2 Politiktypenvergleich und Erfahrungen anderer Regionen

4.2.4 Jönköping/S: Erfolgreiche Unterstützung des Strukturwandels durch Gründungsunterstützung/Entrepreneurship

Die Stadt und der dazugehörige Kreis Jönköping liegen in der his-torischen Provinz Småland in Südschweden. Mit rund 720.000 Ein-wohnern ist die Provinz eine bevölkerungsreichsten des Landes.

Durch die strategische Lage zwischen dem 300 km entfernten Stockholm und dem 150 km entfernten Göteborg gilt Jönköping als ein begehrter Logistik- und Messestandort. Jährlich findet die ELIMA Subcontractor statt, Schwedens größte Messe für die Zulie-ferbranche des verarbeitenden Gewerbes. Rund 1.200 Aussteller aus 30 Ländern sind dort vertreten.

Früher war die Stadt Jönköping für ihre Zündholzindustrie weltbe-kannt. Heute genießt die Universität Jönköping einen sehr guten Ruf im Bereich der Gründungsforschung. Schweden hat insgesamt eine lange Tradition im Bereich des Entrepreneurship bzw. dem Gründungsgeschehen. Dazu gehört auch die universitäre Ausbil-dung. Neben der Universität Jönköping sind hier insbesondere die Universität Linköping und die Universität Lund zu nennen.

In der aktuellen regionalen Entwicklungsstrategie wird das Ziel ausgegeben die Region um Jönköping bis 2025 zu einer der füh-renden Wachstumsregionen in Nordeuropa zu machen. Dazu will die Region sich nicht auf bestimmte Wirtschaftszweige festlegen, der Fokus liegt aber klar auf wissensintensiven Unternehmen. Die folgenden zwei Entwicklungsziele für die Region wurden definiert:

 „an international industrial region”;

 “a diverse business community with an emphasis on

knowledge-intensive businesses“ (Europäische Kommission 2013b).

Enge Vernetzung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft Die enge Vernetzung zwischen Universität und Industrie ist im skandinavischen Raum keine Besonderheit. Schweden bezeichnet sich selbst als Land mit einer langen Tradition im Innovationsbe-reich. Als ein Grund wird die dauerhafte und enge Zusammenar-beit zwischen öffentlicher und privater Hand gesehen. Das führte dazu, dass Schweden im Jahr 2009 rund 3,6 Prozent des BIP in Forschung und Entwicklung investiert hat und damit bereits deut-lich über dem europäischen Ziel von 3,0 Prozent für das Jahr 2020 liegt (vgl. Swedish Institute 2011).

Schweden verfügt seit langem über ein umfassendes Netzwerk an Forschungs- und Entwicklungslaboren. Diese werden gemein-schaftlich durch die Industrie und die öffentliche Hand finanziert.

Neben der klassischen universitären Forschung betreiben diese

skandinavischen Raum verfügen selbst sehr große Unternehmen häufig über nur vergleichsweise kleine In-house-abtei-lungen. Ein großer Anteil der Forschung wird an das Forschungs-netzwerk ausgelagert (vgl. Guile/Brooks 1987). Unterstützung er-fährt das Netzwerk unter anderem durch die Knowledge Founda-tion (KK-stiftelsen), welche den Austausch zwischen Hochschulen und Universitäten mit der Industrie stärken soll.

Die Knowledge Foundation wurde 1994 durch die schwedische Regierung gegründet mit dem Ziel die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu erhöhen. Dazu erfolgte eine gezielte Förderung von Forschung und Entwicklung an den Universitäten und Hochschu-len des Landes. Voraussetzung war, dass sich die Industrie finan-ziell an dem neuen Fond beteiligt. Startkapital waren 3,6 Mrd. SEK (rund 380 Mio. Euro). Bis einschließlich 2012 konnten bereits 8,1 Mrd. SEK (850 Mio. Euro) für insgesamt 2.100 Projekte verteilt werden. 7 Mrd. SEK (740 Mio. Euro) befanden sich Ende 2012 noch im Fördertopf. Auch die Universität Jönköping profitierte in den Jahren 2011 und 2012 mit 49 Mio. SEK (5,1 Mio. Euro) von der Förderung (vgl. The Knowledge Foundation 2013).

Businessinkubatoren als Teil der universitären Ausbildung Die Förderung und der enge Vernetzung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft nützen natürlich auch den Studierenden. Die La-bore und Forschungseinrichtungen sind direkt an den Universitä-ten untergebracht. Hinzu kommen vielfach Businessinkubatoren.

So bieten die Universitäten neben der reinen Lehre Businessparks mit Laboren und einem gut gepflegten Alumninetzwerk. Den Stu-dierenden bieten sich damit sehr gute Möglichkeiten bereits „paral-lel zu ihrem Studium an Produktprototypen zu arbeiten, eine inno-vative Dienstleistung zu entwickeln oder bereits ein Unternehmen zu gründen“(Bendig et al. 2013, S. 37).

Zuständig für die Gründungsforschung und mitverantwortlich für den guten Ruf der Universität Jönköping ist das Centre for Entrepreneu-rship and Spatial Economics (CEnSE). Ziel des CEnSE ist sowohl die Grundlagenforschung sowie die Entwicklung innovativer An-sätze im Bereich der Gründungsforschung. Der Anwendungsbezug der Forschungen auch für politische Entscheidungsträger genießt dabei einen hohen Stellenwert. Gleichzeitig versteht sich das CEnSE aber wie häufig im skandinavischen Raum zu beobachten auch als Wissens- und Vernetzungsplattform zwischen öffentlicher Hand, Nichtregierungsorganisationen und der Industrie.

Unterstützung für ihre Gründungsidee erhalten die Studierenden der Universität Jönköping im Science Park. Dieser Businessinku-bator befindet sich direkt an der Universität. Er beherbergt derzeit über 500 Personen in mehr als 100 Unternehmen. Neben den

ver-lichkeiten zum Netzwerken bietet der Science Park auch professio-nelle Unterstützung bei der Entwicklung von Business Modellen oder Produktkonzepten. Über einen Zeitraum von ein bis drei Jah-ren können sich Unternehmen und Gründer für monatlich 1.900 SEK (rund 200 Euro) coachen lassen.

Um Innovationen und Gründungen in der Region aber noch stärker in der Fläche zu fördern, ist im Kreis Jönköping ein ganzes Sci-ence Park System entstanden. Der Kreis verfügt neben der Stadt Jönköping über zwölf weitere Gemeinden, die alle jeweils über ei-nen Ableger des Businessinkubators, sog. Wachstumsareei-nen (till-växtarenor), verfügen. Neben der Universität wird die Initiative durch die Kreisverwaltung, der zuständigen IHK und dem landes-weit aktiven Verband schwedischer Unternehmen (Svenskt Nä-ringsliv) unterstützt. Die geplante Ausweitung des Systems auf weitere Kreise in Schweden verdeutlicht den Erfolg des Science Park Systems (vgl. Europäische Kommission 2015).

Jönköping setzt aber nicht nur auf Gründungen, sondern möchte jungen Unternehmen mit vielversprechender Wachstumsperspek-tive die Möglichkeit geben mehr Kapazitäten in die Weiterentwick-lung ihrer Firma zu stecken, bspw. durch die EntwickWeiterentwick-lung neuer Businessmodelle, durch neue Organisationsformen, dem Schlie-ßen neuer Partnerschaften oder natürlich der Entwicklung neuer Produkte. Für externe Beratungsleistungen können kleine und mittlere Unternehmen einen Innovationsgutschein (innovation vou-cher) erhalten. Dieser bietet eine Förderung von 100.000 SEK (rund 10.000 Euro) und wird durch das County Administrative Board, ähnlich einer Kreisverwaltung, vergeben. Jönköping war Modellregion für die Innovationsgutscheine, die seit 2013 jetzt auch landesweit durch VINNOVA, Schwedens Innovationsnetz-werk, vergeben werden.

Gründungsförderung an der Universität:

Mehrwert für die Region?

Neben den aufgeführten Instituten und Fördermöglichkeiten bietet die Provinz Småland noch viele weitere Organisationen, um Grün-dern bei ihrem Unternehmen zu unterstützen. Hierzu gehören bspw. die ALMI Företagspartner, Nyföretagarcentrum, uvm. Die internationale Vernetzung der Universität Jönköping und des CEnSE sorgen für eine sehr gute Reputation im Bereich der Grün-dungsforschung. Eine deutliche höhere Zahl an Gründungen lässt sich daraus aber nicht pauschal ableiten.

Im Jahr 2009 lag der Anteil der Gründer an der Bevölkerung in der Provinz Småland bei 9 Prozent. Im landesweiten Durchschnitt wa-ren es 10 Prozent (vgl. Småland-Blekinge – South Sweden 2011) . Sicherlich handelt es sich bei der Provinz Småland um eine aus deutscher Sicht eher ländlich geprägte Region, die nicht zu

ver-gleichen ist mit den Regionen um Stockholm oder Göteborg. Ver-glichen mit anderen Regionen Schwedens stellt Småland aber si-cherlich keine Ausnahme dar. Auffällig ist auch, dass der Anteil der FuE-Ausgaben sowie die Patentintensität deutlich unterhalb des Landesdurchschnitts liegen. Der Anteil der FuE-Ausgaben aller Unternehmen in Småland an der regionalen Bruttowertschöpfung lag 2009 bei 1,2 Prozent. In Schweden waren insgesamt 2,7 Pro-zent. Patentanmeldungen je 1.000 Einwohner gab es 0,36. Der Landesdurchschnitt liegt bei 0,6 (ebd.).

Rückschlüsse für Deutschland und das Ruhrgebiet

Die Verbindung aus universitärer Entrepreneurshipausbildung mit direktem Anschluss an ein so weitreichendes und umfängliches Angebot eines Businessinkubators wie in Jönköping ist in Deutsch-land schwer zu finden. Auch wenn sich aus den Daten nicht pau-schal eine überdurchschnittlich hohe Gründungsdynamik in der Region attestieren lässt, stellt sich die Frage, ob die Zahl der Gründungen ohne die Angebote nicht deutlich geringer wäre.

Mit 9 Prozent im Jahr 2009 lag die Zahl der Gründungen in Småland zwar unterhalb des schwedischen Landesdurchschnitts, verglichen mit 1,7 Prozent in Deutschland war die Quote aber äu-ßerst hoch. Zwar gibt es sicherlich Unterschiede zwischen den Wirtschaftssystemen in Schweden und in Deutschland, die bei ei-nem einfachen Datenvergleich berücksichtigt werden sollten. Eine noch stärkere Verankerung der Gründungsforschung und

-förderung in der universitären Ausbildung, kann aber auch in Deutschland dazu beitragen, das Gründungsgeschehen weiter zu erhöhen.

Im Ruhrgebiet gibt es bereits eine Vielzahl an Innovations- und Gründerzentren. Das Beispiel Jönköping zeigt aber, wie engma-schig das System der Gründungsförderung sein muss, um Erfolge zu erzielen. Neben der Motivation der Studierenden sich bereits während des Studiums selbständig zu machen, bestehen viele weitere Angebote für potenzielle Gründer: ein durch die Privatwirt-schaft und die öffentliche Hand finanzierten FuE-Fonds,

Businessinkubatoren, die direkt an der Universität angebunden sind, ein weit verzweigtes System von Inkubatoren, um die Innova-tionen auch in der Fläche zu fördern, weitere Unterstützungsleis-tungen auch nach der Gründung, um bspw. Businessmodelle wei-ter zu entwickeln, u. v. m. Wichtig für den Erfolg ist, dass die ein-zelnen Leistungen dabei aufeinander aufbauen bzw. sich gegen-seitig ergänzen.

Beim Aufbau bzw. beim Übertrag solch eines Ausbildungs- und Fördersystems auf das Ruhrgebiet ist zu berücksichtigen, dass die Forschung auch bei großen schwedischen Unternehmen häufig

und einem Auslagern der Forschung an externe Institutionen ein Mehrwert, auch in finanzieller und wirtschaftlicher Hinsicht, erreicht werden kann. Insgesamt scheinen die Entwicklungen bei den Un-ternehmen, wie auch die angeführten Beispiele von Jönköping o-der dem High Tech Campus Eindhoven zeigen, mittel- bis langfris-tig allerdings in diese Richtung zu laufen.

Ein Ökosystem für Gründerinnen und Gründer, wie es in Schwe-den bereits stärker etabliert ist, beschreibt ein Netzwerk von Unter-stützungsinstitutionen, anderen Gründerinnen und Gründern so-wie Risikokapitalgebern, die in engem Austausch miteinander ste-hen. Im Zusammenspiel mit zahlreichen neuen und kostengünsti-gen Möglichkeiten für Gründerinnen und Gründer durch digitale Tools und digitale Servicebausteine für Geschäftsmodelle sind Gründungen unter diesen Voraussetzungen einfacher, risikoärmer und vor allem schneller durchzuführen. In diesem Zuge verändert sich der eigentliche Prozess des Gründens aufgrund einer zuneh-menden Standardisierung der einzelnen Arbeitspakete an deren Ende ein erfolgreich funktionierendes Unternehmen oder Produkt steht.

Zukünftig wird es – insbesondere in digitalbasierten Unterneh-men - stärker darauf ankomUnterneh-men, existierende Geschäftsmodelle aufzutrennen und einzelne Pakete/Tools/Logiken auf andere Märkte sowie Produkte zu übertragen. Diese Entwicklung, die un-ter dem Schlagwort „Industrialisierung von Start-ups“ bekannt ist, kann durch entsprechende ganzheitliche Unterstützungsangebote, eine enge Vernetzung der für eine Gründung notwendigen Akteure und eine offene und fehlertolerante Gründungskultur eine Chance für strukturschwache Regionen wie das Ruhrgebiet sein.

Folgende Rückschlüsse hinsichtlich der Gründungsförderung las-sen sich aus den Erfahrungen dieser Region für das Ruhrgebiet ziehen:

Schaffung einer Gründungskultur durch eine stärkere Sichtbar- und Erlebbarkeit von Gründungen, die bereits in den Phasen der Ausbildung und Hochschulbildung einen fes-ten Anteil an den Ausbildungsinhalfes-ten haben. Dabei sollte un-ternehmerisches Handeln und der damit verbundene gesell-schaftliche Mehrwert durch innovative Denkansätze und nutz-bringende Ideen im Vordergrund stehen. Dabei können Ent-repreneurship-Hubs Aktivitäten rund um das Thema Grün-dung, Karriere und Wissenstransfer zu einer höheren Prä-senz des Themas führen.

Angebote zur frühzeitigen Erprobung von Gründungs-ideen und deren konkrete Umsetzung helfen, frühzeitig für die Thematik zu sensibilisieren und den Blick für etwaige Ge-schäftsideen zu schärfen. Im Rahmen von Businessplan-Wettbewerben können im geschützten Raum von Hochschu-len und Ausbildungsinstitutionen Gründungen im kleinen Stil parallel zur Ausbildung durchgespielt werden.

Umfassende Betreuung innerhalb eines Inkubatoren-sys-tems schafft ein Ökosystem an unterstützenden und befreun-deten Akteuren und Institutionen, die gegenseitig voneinan-der lernen und darüber hinaus Gründungen erleichtern. Hier-bei kommt es darauf an, schnelle Unterstützung finanzieller und beratender Art für Gründerinnen und Gründer bereitzu-stellen.

Die Industrialisierung und Automatisierung von Grün-dungen in der Digitalwirtschaft sollte stärker berücksichtigt werden. Entscheidend für die öffentliche Gründungsförderung ist dabei insbesondere der Aspekt, dass Geschwindigkeit und geringe Transaktionskosten für eine Gründung in der Digital-wirtschaft entscheidende Erfolgsfaktoren sind. Hier sollte da-her stärker anhand von „Full-Service-Paketen“ für potenzielle Gründerinnen und Gründer unterstützt werden sowie als neutraler Wegweiser und Qualitätssicherer.

5 Ansatzpunkte einer zukunftsorientierten Politik