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2 Kindliche Entwicklung aus der Sicht verschiedener

3.2 Die Phänomene

Da die gewählten Phänomene zur Untersuchung des intuitiven Wissens in keinem direkten Zusammenhang stehen, soll im Folgenden einzeln auf das jeweilige Phänomen näher einge-gangen werden.

3.2.1 Wasser verschiedener Temperaturen

Kindern ist schon früh Wasser verschiedener Temperaturen aus Alltagssituationen bekannt.

Sie erleben Wasser bei der täglichen Hygiene: Beim Zähneputzen, Händewaschen und beson-ders intensiv beim Baden. Hier und in der Küche können auch erste Erfahrungen mit Wasser-dampf und Kondenswasser gesammelt werden. Für den Umgang mit diesen Begriffen ist zu klären, was eigentlich unter „Wasserdampf“ und „Kondenswasser“ zu verstehen ist, sowohl im naturwissenschaftlichen als auch im umgangssprachlichen Sinne.30

Wasserdampf

„Im engeren Sinne Bezeichnung für die Gasphase (Dampf) des Wassers. Der bei Verdunstung und Destillation des Wassers entstehende Wasserdampf ist unsichtbar. Umgangssprachlich ist meist ein Aerosol (Nebel) aus tröpfchenförmigem Wasser gemeint […].“ (Römpp Chemie Lexikon)

Die Definition macht deutlich, dass das, was in der vorliegenden Arbeit und im alltäglichen Sprachgebrauch stets mit „Wasserdampf“ bezeichnet wird, wissenschaftlich gesehen Nebel ist. Dieser „Dampf“ besteht nämlich aus feinst verteiltem flüssigen Wasser. Der echte Dampf, also gasförmiges Wasser, welches sich zum Beispiel als Luftfeuchtigkeit bemerkbar macht, ist unsichtbar. Verwirrender Weise wird aber zum Teil erst oberhalb der kritischen Tempera-tur31 von einem Gas gesprochen, da sich ab dieser Temperatur auch unter Druckerhöhung die Phase nicht mehr verflüssigen lässt. Das bedeutet, die Bezeichnung Gas wird nur auf Materie angewendet, die sich unter den gegebenen Bedingungen nicht verflüssigen lässt. Dampf dage-gen lässt sich kondensieren. Der Begriff Dampf bezeichnet also wissenschaftlich ein Gas, welches durch die Überführung eines Festkörpers oder einer Flüssigkeit in den gasförmigen

30 Bei dieser und den folgenden Darstellungen wird auf das Römpp Chemie Lexikon als Informationsquelle zurückgegriffen.

31 Die kritische Temperatur ist eine stoffspezifische Konstante. Bei dieser bestimmten Temperatur ist die Dichte des Dampfs in einem geschlossenen System ebenso groß wie die Dichte der Flüssigkeit, so dass zwischen Dampf und Flüssigkeit kein Unterschied mehr besteht.

Zustand bei Raumtemperatur entstanden ist und wieder in den flüssigen Zustand übergehen kann.

Doch das, was man sehen kann, ist weder Dampf, noch Gas sondern Nebel. Nebel ist definiert als: „Aerosole, d.h. kolloide Dispersionen von Flüssigkeitströpfchen in Gasen. […]“ (Römpp Chemie Lexikon).

In dem vorliegenden Fall handelt es sich um ein Aerosol aus Wassertröpfchen in der Luft.

Diese Wassertröpfchen haben einen Durchmesser von nur 10µm oder weniger, groß genug, um das Licht abzulenken, bzw. zu streuen, und dadurch weißlich zu erscheinen.32 Nebel ent-steht, wenn mit Wasserdampf gesättigte Luft unter den Kondensationspunkt (in Mehrstoffsy-stemen auch Taupunkt) abgekühlt wird. Für diesen Vorgang sind die Bedingungen in einem halb mit warmem Wasser gefüllten Becher besonders gut, da durch die hohen Außenwände ein Entweichen des Dampfes verlangsamt wird. Die Luft wird mit gasförmigem Wasser gesät-tigt. Gleichzeitig liegt die Umgebungstemperatur deutlich unter der kritischen Temperatur, es bildet sich also der meist gut sichtbare Nebel.

Außerdem ist stets „Kondenswasser“ am Innenrand des Bechers mit dem warmen Wasser erkennbar. Parallel zur Nebelbildung ist Wasserdampf an den Wänden des Bechers konden-siert33.

Kondensation

„In der Chemie bedeutet Kondensation die Umwandlung von Dämpfen oder Gasen in Flüs-sigkeiten oder feste Stoffe durch Abkühlung, […].“ (Römpp Chemie Lexikon)

Die Kondensation tritt bei Einstoffsystemen am Kondensationspunkt ein. Sie ist ein der Ver-dampfung oder Sublimation entgegengesetzter Vorgang. Beschleunigt oder erleichtert wird die Kondensation durch bereits vorhandene Kondensationskerne (z.B. Staubteilchen oder Io-nen), um die sich die Dämpfe bei ausreichender Konzentration oder Abkühlung in Form klei-ner Tropfen verdichten. Diese kleinen sichtbaren Tropfen bezeichnet man wissenschaftlich als

„Kondensat“, im allgemeinen Sprachgebrauch wird es „Kondenswasser“ genannt.

Die verwendeten Kunststoffbecher sind schlechte Wärmeleiter und so herrschen an den In-nenwänden der Gefäße gute Bedingungen zur Kondensation, da die Gefäßwand gegenüber dem Wasser relativ kalt bleibt. Außerdem befinden sich Staubteilchen auf der Oberfläche, was ebenfalls die Kondensation begünstigt.

32 Dieses Phänomen der Lichtstreuung durch Makromoleküle ist als Tyndall-Effekt bekannt.

33 Vom lateinischen condensare = verdichten

Im Folgenden wird der „Nebel“ weiterhin als „Wasserdampf“ bezeichnet, allerdings unter Berücksichtigung seiner wahren Beschaffenheit. Da der Begriff „Kondenswasser“ nicht ver-wirrend ist, wird auch er anstelle von „Kondensat“ weiterhin verwendet.

3.2.2 Saugfähigkeit

Das Aufnehmen von Wasser mit Hilfe eines saugfähigen Stoffes gehört ebenso zum Alltag der meisten Kinder wie das Wasser selbst. Dabei ist allerdings fraglich, ob Kinder dies häufig selbst tun, oder andere Personen beim Aufnehmen von Wasser beobachten. Vorstellungen darüber, wie dieses Aufnehmen von Wasser oder wässrigen Flüssigkeiten funktioniert, wer-den aber höchstwahrscheinlich nicht thematisiert. Man sagt einfach: „Das saugt das Wasser auf.“ Diese Aussage impliziert einen aktiven Aufnahmeprozess, ähnlich wie wir durch einen Strohhalm Flüssigkeiten ansaugen können. Tatsächlich ist die Aufnahmefähigkeit von Flüs-sigkeiten abhängig von der Struktur des betreffenden festen Stoffes. Es bedarf einer großen benetzbaren Oberfläche, was meistens durch Poren realisiert wird. Man spricht auch von po-rösen Stoffen34. Hohlräume können einerseits durch fädige Strukturen erreicht werden, die ein lockeres Netz bilden, wie zum Beispiel bei Watte und Wolle, oder durch Vertiefungen und Ausstülpungen einer Grundfläche. Wichtig bei saugfähigen Stoffen ist die Bildung kleiner Hohlräume, die ein Aufnehmen von Flüssigkeiten aufgrund von Kapillarkräften35 ermögli-chen. Eine hydrophile Oberfläche unterstützt die Aufnahme einer wässrigen Flüssigkeit und sorgt dafür, dass diese besser am Feststoff anhaften kann. Für diese Untersuchung spielt aller-dings die sicht- und fühlbare Eigenschaft der Porosität (s.o.) die wichtigere Rolle.

3.3 Die Bedeutung von Kenntnissen über Stoffeigenschaften für das Lernen chemi-scher Inhalte

Wenn in dieser Arbeit von „Stoffeigenschaften“ gesprochen wird, so meint dies Eigenschaf-ten und VerhalEigenschaf-ten von Stoffen im weitesEigenschaf-ten Sinne. Der Blick ist nicht auf klassische Stoffei-genschaften wie Farbe, Geruch, Viskosität oder Dichte beschränkt. Phänomene wie das

34 Porosität: Bezeichnung für die Eigenschaft eines Werkstücks oder Überzugs, mit Poren versehen, durchlässig zu sein. […] Während Porosität in Beschichtungen, Elektroisolierfolien oder in Oberflächen von Metallen u.a.

Werkstoffen oft als Materialfehler angesehen wird, erlangen viele andere Feststoffe durch die mit der Porosi-tät verbundenen Eigenschaften – stark vergrößerte Oberfläche, Erscheinungen der KapillariPorosi-tät, Transportphä-nomene etc. – erst ihr technisches Interesse […] (Römpp Chemie Lexikon).

35 Kapillarität: Sammelbegriff für alle physikalischen Erscheinungen, die infolge der Grenzflächenspannung von Flüssigkeiten an engen Hohlräumen von Festkörpern, d.h. in Kapillaren, Spalten und bei Porosität auftreten (Römpp Chemie Lexikon).

dampfen bei erhöhter Temperatur und die Fähigkeit eines Materials, Wasser zu adsorbieren, werden ebenfalls als Eigenschaften von Stoffen bezeichnet.

Doch warum sollen die Fähigkeiten, solche Eigenschaften wahrzunehmen und einzuordnen aus chemiedidaktischer Sicht relevant sein?

Betrachtet man die Chemie als „Lehre von den Stoffen, von ihrem Aufbau, ihren Eigenschaf-ten und von den Umsetzungen, die andere Stoffe aus ihnen entstehen lassen“ (Pauling 1973, S. 1), so ist es selbstverständlich, eine gute Beobachtungsgabe in Bezug auf Stoffeigenschaf-ten als Voraussetzung für das Lernen chemischer Inhalte zu betrachStoffeigenschaf-ten. Es geht aus dieser Sicht nicht nur darum, chemische Reaktionen kennen und verstehen zu lernen, sondern auch darum, die Besonderheiten im Verhalten von Stoffen unter verschiedenen Bedingungen erklä-ren zu können. Von diesem Standpunkt aus lässt sich ein konsistentes Bild der Materie und aller Stoffe ausbilden. Und nur wer in der Lage ist, Stoffe gut zu beschreiben, zu betrachten und Schlussfolgerungen daraus zu ziehen, wird anhand der Veränderungen der Eigenschaften eines Stoffes auf eine chemische Reaktion schließen können. Zudem wurde bereits in Kapitel 1 darauf hingewiesen, dass Vorkenntnisse und das Lehren von diesen ausgehend maßgeblich zum Lernerfolg beitragen. Krist fasst sogar zusammen, dass das Vorwissen neben der intel-lektuellen Leistungsfähigkeit die wichtigste Determinante der Schulleistung ist (Krist 1999, S. 193). Und nur wenn man dieses Vorwissen einschätzen kann, ist eine Belehrung des Schü-lers von „seinem Standpunkte aus“ (Diesterweg 1832, S. IV) möglich.

Aus diesem Grund ist eine Erforschung der Kenntnisse von Kindern zu naturwissenschaftli-chen Themen ein wichtiges Untersuchungsfeld der Chemiedidaktik.