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2 Literaturübersicht

2.6 Interleukin-10

IL-10 wurde erstmals 1989 von MOSMANN et al. beschrieben und ist neben TGF-β und IL-35 eines der stärksten antiinflammatorischen Zytokine mit diversen, pleiotropen Eigenschaften (FIORENTINO et al., 1989; SABAT et al., 2010). Es wird in der Peripherie überwiegend von Monozyten, Makrophagen und T-Helferzellen synthetisiert, kann jedoch in Abhängigkeit von Stimulus, Zeitpunkt und Art des betroffenen Gewebes auch von dendritischen Zellen, B-Zellen, zytotoxischen T-Zellen, Treg, NK-Zellen und Mastzellen sowie von neutrophilen und eosinophilen Granulozyten gebildet werden (MAYNARD et al., 2007; COUPER et al., 2008;

SABAT et al., 2010). Während initial die Auffassung vertreten wurde, dass IL-10 lediglich von Th2-Zellen produziert wird, ist heute bekannt, dass Th1-Zellen ähnlich hohe Mengen an IL-10 bilden (FIORENTINO et al., 1989; DEL PRETE et al., 1993;

JANKOVIV et al., 2007; SARAIVA et al., 2009). Im ZNS wird IL-10 überwiegend von Mikroglia, Astrozyten und Neuronen exprimiert (HULSHOF et al., 2002; LEDEBOER et al., 2002).

Zur Aktivierung der Signalkaskade muss IL-10 in zwei Schritten an den zweiteiligen IL-10-Rezeptor (IL-10R) binden (YOON et al., 2006). Während der IL-10R1 überwiegend von Immunzellen, vor allem von Monozyten und Makrophagen exprimiert wird, ist der IL-10R2 auch ein Anteil anderer Rezeptorkomplexe (z.B. von IL-22, IL-26, IL-28a, IL-28b und IL-29) und wird daher großflächig auf der Membran der meisten körpereigenen Zellen ausgebildet (WOLK et al., 2002; KUNZ et al., 2006; SABAT et al., 2010; ZDANOV, 2010). Zur Aktivierung der IL-10R-Signalkaskade erfolgt initial eine Bindung von IL-10 an die Untereinheit IL-10R1. Eine darauffolgende Konformationsänderung erlaubt im zweiten Schritt die Assoziation des IL-10/IL-10R1-Komplexes mit dem IL-10R2 (YOON et al., 2006). Diese Bindung resultiert in einer Aktivierung der 10R1-assoziierten Januskinase Jak1 und der 10R2-assoziierten Januskinase Tyk2, gefolgt von einer Phosphorylierung des IL-10R1. Nun bindet der Transkriptionsfaktor signal transducer and activator of transcription (STAT) 3 an den phosphorylierten IL-10R1 und wird dadurch selbst phosphoryliert. In Abhängigkeit vom Zelltyp erfolgt in der IL-10-Signalkaskade zum Teil auch eine Phosphorylierung von STAT1- und STAT5-Molekülen. Die phosphorylierten STAT-Moleküle bilden Homo- und Heterodimere, migrieren in den Zellkern, binden an STAT-Bindungselemente und induzieren die Transkription korrespondierender Gene (FINBLOOM et al., 1995; SABAT et al., 2010). Die Interaktion von IL-10 mit seinem Rezeptor ist in Abbildung 2-3 schematisch dargestellt.

Die Aktivierung der IL-10-Signalkaskade hat weitreichende Effekte. Allein in Monozyten werden etwa 1600 Gene aufreguliert und gleichzeitig circa 1300 Gene herunterreguliert (JUNG et al., 2004). IL-10 hemmt beispielsweise die Freisetzung von proinflammatorischen Mediatoren durch Monozyten/Makrophagen. Hierzu zählen unter anderem TNF, IL-1ß, IL-6, IL-8, IL-12, IL-23 sowie der Granulozyten-kolonienstimulierende Faktor (granulocyte colony stimulating factor, G-CSF) und der Granulozyten-Monozyten-kolonienstimulierende Faktor (granulocyte macrophage colony stimulating factor, GM-CSF). Gleichzeitig verstärkt es die Expression antiinflammatorischer Mediatoren, wie die des IL-1-Rezeptor-Antagonisten (IL-1RA) und löslicher TNF-Rezeptoren (FIORENTINO et al., 1994; HART et al., 1996).

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Außerdem hemmt IL-10 die Antigenpräsentation durch eine verminderte Expression von MHC-Klasse-II-Komplexen und ihren Kostimulatoren (z.B. CD86) und verhindert die Etablierung einer Th1- und Th17-Immunantwort durch Hemmung der IL-12- und IL-23-Synthese (DE WAAL MALEFYT et al., 1991; D`ANDREA et al., 1993; CREERY et al., 1996; SCHÜTZE et al., 2005). Darüber hinaus verstärkt IL-10 die Phagozytose durch eine Steigerung der Expression von Oberflächenrezeptoren und hemmt gleichzeitig die Abtötung phagozytierter Mikroorganismen (ROILIDES et al., 1998;

BUCHWALD et al., 1999; SABAT et al., 2010).

Abbildung 2-3: Interaktion von IL-10 mit dem IL-10R-Komplex.

IL-10 bindet an die Untereinheit IL-10R1 und verändert dessen Konformation, sodass eine Bindungsstelle für den IL-10R2 entsteht, der daraufhin über IL-10 an den IL-10R1 bindet. Durch eine Aktivierung und Phosphorylierung von Jak1 und Tyk2 und der konsekutiven Phosphorylierung des IL-10R1 und der STAT3-Transkriptionsfaktoren bilden sich Homo- und Heterodimere, die im Nukleus an STAT binding elements binden und die Transkription korrespondierender Gene induzieren. Je nach Zelltyp werden zum Teil auch STAT1- und STAT5-Moleküle aktiviert.

Jak1= Janus Kinase 1; Tyk2= Tyrosin Kinase 2; STAT= signal transducer and activator of transcription, P = Phosphorylierung.

Modifiziert nach SABAT et al., 2010.

IL-10 hat jedoch nicht nur Einfluss auf die Funktion von Monozyten/Makrophagen, sondern auch auf die von T-Zellen, B-Zellen, Mastzellen und NK-Zellen sowie von neutrophilen und eosinophilen Granulozyten. Einerseits hemmt IL-10 die Proliferation von CD4+-T-Zellen und unterdrückt andererseits die Synthese von IL-2 und IFN-γ durch Th1- und IL-4 und IL-5 durch Th2-Zellen (DEL PRETE et al., 1993). Eine direkte Hemmung der IL-17-Synthese durch Th17-Zellen erfolgt hingegen nicht und es liegt auch kein direkter Einfluss auf CD8+-T-Zellen vor (GROUX et al., 1998;

NAUNDORF et al., 2009). In vitro bewirkt IL-10 außerdem die Differenzierung CD4+ -T-Zellen zu Treg vom Typ I (Tr1-Zellen). Diese sezernieren IL-10 und hemmen antigenspezifische Effektor-T-Zellen (GROUX et al., 1997). Die Funktion neutrophiler Granulozyten beeinträchtigt IL-10 indem es die Produktion und Sekretion von TNF, IL-1β, diversen Chemokinen und Zyklooxygenase-2 hemmt und somit die Infiltration neutrophiler Granulozyten in entzündetes Gewebe unterbindet und die Synthese von Prostaglandin E2 unterdrückt (KASAMA et al., 1994; NIIRO et al., 1997). Eine ähnliche Wirkung übt es auch auf eosinophile Granulozyten und Mastzellen aus, indem es die Synthese proinflammatorischer Mediatoren hemmt und die Differenzierung von Vorläuferzellen zu Mastzellen zusammen mit IL-4 unterdrückt (TAKANASKI et al., 1994; SPEIRAN et al., 2009). Allerdings erfüllt IL-10 nicht nur inhibitorische Funktionen, da es der Apoptose von B-Zellen entgegenwirkt, ihre Differenzierung und Expression von MHC-Klasse-II-Molekülen fördert und einen Isotypen-Klassenwechsel induziert (MALISAN et al., 1996; BURDIN et al., 1997).

Weiterhin stimuliert es die zytotoxische Aktivität von NK-Zellen und fördert ihre durch IL-2 induzierte Expression von IFN-γ, GM-CSF und TNF (CARSON et al., 1995). Die vielfältigen, pleiotropen Wirkungen von IL-10 werden in Tabelle 2-1 zusammengefasst dargestellt.

IL-10 wirkt jedoch nicht nur auf das Immunsystem sondern erfüllt auch neuroprotektive Funktionen im ZNS. Durch eine Hemmung mikroglialer, proinflammatorischer Mediatoren bewirkt IL-10 eine reduzierte Aktivierung von Astrozyten und eine reduzierte Aktivität des Transkriptionsfaktors nuclear factor 'kappa-light-chain-enhancer' of activated B-cells (NF-κB), wodurch die neurotoxische, intrasynaptische Akkumulation von Glutamat verhindert wird (BALASINGAM und

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YONG, 1996; KIM et al., 2011). Weiterhin exprimieren einige neuronale Subpopulationen IL-10-Rezeptoren, deren Aktivierung über die STAT3-Signalkaskade dem Zelltod entgegenwirkt (BOYD et al., 2003). Erst kürzlich konnte außerdem gezeigt werden, dass IL-10 die Schädigung des ZNS nach temporärer Hypoxie in vivo reduziert und Neuronen und Astrozyten vor einem Ischämie-induzierten Zelltod in vitro bewahrt. Ursächlich liegt vermutlich eine Modulation des Ischämie-induzierten, intrazellulären Ca2+-Einstroms zu Grunde (TUKHOVSKAYA et al., 2014).

Tabelle 2-1: Übersicht über die Wirkungen von IL-10

Zielzelltyp: vermittelte Wirkung:

Monozyten/ Makrophagen Freisetzung proinflammatorischer Mediatoren ↓ (z.B. TNF, IL-1β, IL-6, IL-8, IL-12, IL-23, G-CSF, GM-CSF)

Freisetzung antiinflammatorischer Mediatoren ↑

(z.B. IL-1RA, sTNFR)

Antigenpräsentation ↓

Th1- und Th17-Immunantwort ↓

Phagozytose ↑

T-Zellen Proliferation von CD4+ -T-Zellen ↓

Synthese von IL-2, IFN-γ, IL-4, IL-5 ↓

Differenzierung von CD4+-T-Zellen zu Tr1 ↑

B-Zellen Apoptose ↓

Expression von MHC-II-Molekülen ↑

Isotypen-Klassenwechsel ↑

Neutrophile Granulozyten Freisetzung proinflammatorischer Mediatoren↓

(z.B. TNF, IL-1β, COX-2)

Synthese von Prostaglandin E2 ↓

Infiltration in entzündetes Gewebe ↓

Eosinophile Granulozyten Freisetzung proinflammatorischer Mediatoren↓

(z.B. Eikosanoide, IL-1α, IL-12)

Mastzellen Differenzierung von Vorläuferzellen zu Mastzellen ↓ NK-Zellen zytotoxische Aktivität ↑

Expression proinflammatorischer Zytokine ↑

(z.B. IFN-γ, GM-CSF, TNF)

↑ = Erhöhung, ↓ = Reduktion, TNF = Tumornekrosefaktor, IL = Interleukin, G-CSF = granulocyte colony stimulating factor, GM-CSF = granulocyte macrophage colony stimulating factor, RA = Rezeptorantagonist; sTNFR = soluble TNF receptors, IFN-γ = Interferon-γ, Tr1 = regulatorische T-Zellen vom Typ I, MHC-II = major histocompatibility complex class II, COX-2 = Cyclooxygenase-2, NK-Zellen = Natürliche Killerzellen.

Literatur zu Tabelle 2-1: DE WAAL MALEFYT et al., 1991; D´ANDREA et al., 1993; FIORENTINO et al., 1994; KASAMA et al., 1994; TAKANASKI et al., 1994; CARSON et al., 1995; CREERY et al., 1996; HART et al., 1996; MALISAN et al., 1996; BURDIN et al., 1997; GROUX et al., 1997; NIIRO et al., 1997; GROUX et al., 1998; ROILIDES et al., 1998; BUCHWALD et al., 1999; SCHÜTZE et al., 2005; HOGAN et al., 2008; NAUNDORF et al., 2009; SPEIRAN et al., 2009; SABAT et al., 2010.

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