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Im neuen Institutsgebäude zeigen Stuttgarter Fraunhofer- Fraunhofer-Forscher wie die Büro- und Arbeitswelt in Zukunft aussehen

Im Dokument BLICK WEIT (Seite 30-33)

kann. Gerne sehen sie sich dort auch selbst ein bisschen als Versuchskaninchen.

„Wenn Sie durch das Haus gehen, haben Sie bei jedem Umdrehen einen anderen Blick“, sagt IAO-Institutsleiter Dieter Spath. Die Räumlichkeiten sind auf äußerste Flexibilität ausgerichtet.

„Wir wissen ja heute nicht, was wir morgen hier forschen werden“, erklärt Spath. Und so kommt man zum Kern des Konzepts hinter dem ZVE: Die Men-schen ergründen nicht nur die Zukunft der Arbeit, sie leben schon darin und testen die eigenen Forschungsergebnisse aus. Das ZVE selbst ist ein erster Meilen-stein. „Wir zeigen damit, wie moderne Gebäude und Arbeitswelten unter

nach-haltigen Bedingungen realisiert werden können“, sagt Wilhelm Bauer, der stell-vertretende Leiter des IAO. Oft stehe der Begriff Nachhaltigkeit in der Bevölke-rung für Verzicht und Einschränkung.

Das ZVE zeige, dass das nicht so ist.

FAST WIE IM 3D-KINO

Schon in der Planungsphase beteiligten sich die künftigen Nutzer des ZVE am Erstellen von Architekturentwürfen und Gebäudekonzepten. Ein wichtiges Werk-zeug waren dabei „immersive 3D-Pro-jektionssysteme“, die ähnlich wie im 3D-Kino das direkte Erleben von dreidi-Einfach eintauchen: Im

Immersive Engineering Lab lassen sich drei-dimensionale Simula-tionen von Gebäuden realitätsnah darstellen und erkunden.

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mensionalen Szenarien ermöglichen – etwa Fabriken, Stadtlandschaften oder das Innere von Gebäuden. Die 3D-Pla-nungsdaten für ihren Neubau haben die Forscher des IAO in ihrem sechswändi-gen 3D-Projektionsraum, der „Cave“, er-lebbar gemacht und in der Bauplanung eingesetzt. „So konnten wir sicherstel-len, dass die Installationen in Decken und Wänden – Heizung, Wasser, Elek-trik – nicht miteinander kollidieren“, erklärt die für das Gebäude zuständige Projektleiterin Vanessa Borkmann.

Eine Art Cave befi ndet sich auch im Inneren des ZVE. „Man könnte sagen,

der Rest des Gebäudes ist darum herum gebaut“, sagt Manfred Dangelmaier, Lei-ter des IAO-Geschäftsfelds Engineering-Systeme. Nur ist diese Cave kein Würfel mehr, mit Rundumkino auf sechs Sei-ten. „Davon ist man wieder abgekom-men“, sagt Dangelmaier. Es hat sich ge-zeigt, dass ein System aus lediglich vier Wänden, die in den Besprechungsraum integriert sind, sinnvoller ist. Wer jetzt diesen Raum, das „Immersive Enginee-ring Lab (IE-Lab)“, betritt, schlüpft mit den Schuhen in übergroße Schlappen, zieht eine 3D-Brille auf und kann in vir-tuelle Welten eindringen. Acht der elf

Projektoren werfen von hinten das Bild auf spezielle Rückprojektionsscheiben, die anderen drei bilden es von oben auf den Fußboden ab. Dadurch fühlt sich der Benutzer ganz von der Datenwelt umgeben. Infrarotkameras bestimmen Ausrichtung und Position der Brille – damit die Visualisierungscomputer eine perspektivisch korrekte und maßstabs-getreue Darstellung ermitteln können.

In Echtzeit modelliert der Rechner neue Bildsequenzen. So kann der vir-tuelle Begeher einer neuen Immobilie durch die Hallen schweifen, die Treppen hinauf steigen und die Umgebung von

Den Himmel anknipsen: Der Virtual Sky, ein Decken-bildschirm aus Tausenden Leuchtdioden, taucht den zentralen Konferenzraum in ein besonderes Licht.

Das Zentrum für virtuelles Engi-neering besticht nicht nur durch seine Architektur, sondern auch durch nachhaltige Technologien.

In den Büros des ZVE findet man für jeden Anlass den richtigen Platz. Ihre persönlichen Utensilien führen die Mitarbeiter in weißen Boxen mit sich.

Headroom Consult ©Fraunhofer IAOC. Richters, ©Fraunhofer IAO,IUNStudio, ASPLAN

der Dachterrasse aus erkunden. Geht er in die Hocke, kann er sich ein Büro aus der Froschperspektive ansehen. Künftig werden sich Bauherren, Beschäftigte und Bewoh-ner virtuell und interaktiv über ein Ge-bäude informieren können. Nachbarn können erkunden, wie sich ein neues Gebäude in die Umgebung einfügt. Im Projekt „Virtual City Scapes“ lassen sich ganze Stadtquartiere in Originalgröße nachbilden. „Meine These ist, dass in Zukunft alle Daten für ein Gebäude und seine Umgebung vorhanden sein werden. Man muss sie nur fi nden und zusammenführen“, sagt Fraunhofer-Forscher Roland Blach. Er möchte auch Umweltdaten mit der Gebäudeplanung verknüpfen. Das könnte so weit gehen, dass man ein virtuelles Fenster öffnet und daraufhin einen realistischen Ein-druck vom Lärmpegel draußen erhält.

Die Forscher versprechen sich vom virtuellen Engineering mit dem IE-Lab ein effi zienteres Planen und Bauen. Die Methode der „Virtual Architecture“ ist aber auch ein Baustein im eigenen Nach-haltigkeitskonzept des ZVE. Die Rech-nercluster für die Bildproduktion und die elf großen Bildprojektoren produzieren reichlich Wärme. Sie wird abgeführt und heizt das Wasserreservoir eines Sprink-lertanks im Keller auf. Die Wassertanks sind zudem mit der Geothermie-Anlage des Gebäudes verbunden. Im Sommer wird Überschusswärme an das Erdreich abgeführt, im Winter gelangt die Erd-wärme aus elf bis zu 170 Meter tiefen Bohrungen ins Gebäude zurück.

Wärmetauscher stellen eine Verbin-dung zu Heiz- und Kühlschlangen in Wänden und Decken her. „Das funk-tioniert ähnlich wie eine

Fußbodenhei-zung“, sagt Vanessa Borkmann. Im Winter steht diese sogenannte Betonkernakti-vierung von Wänden und Decken für eine kontinuierliche Heizung zur Verfü-gung. Höherer Wärmebedarf wird über das Fernwärmenetz der benachbarten Universität Stuttgart gedeckt. Im Som-mer kühlen die aktivierten Betonwände die Räume. Auch das erfolgt komplett über Geothermie in Verbindung mit der umschaltbaren Wärmepumpe. Im Ver-gleich zur vollständigen Nutzung von Fernwärme oder -kälte lassen sich so die jährlichen Kosten etwa halbieren, der CO2-Ausstoß sinkt um rund 75 Prozent.

Ein anderes Beispiel zeigt, dass auch kleine Details weitreichende Folgen in Sachen Nachhaltigkeit haben können.

Auf einer Baumesse stieß Borkmann auf einen Hersteller, der in Beton-decken Kunststoff-Kugeln einbettet. Die

Über einen Multi-touch-Planungstisch lässt sich etwa die Visualisierung einer Fabrik auf einem großen Monitor dar-stellen. Änderungen der Gestaltung wer-den direkt in das 3D-Layout übertragen.

Links: Im 3D Interaction Lab realisieren Virtual-Reality-Experten Displays, die jedem Nutzer eine eigene, perspektivisch korrekte Sicht auf Produkte oder Forschungsobjekte ermöglichen.

Rechts: Anhand einer Pro-jektion von Linienmustern lassen sich die teilweise überlappenden Bilder der elf Projektoren millimeter-genau justieren.

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