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in Freiburg Forstwissenschaftler, Holzexperten und Marktpsychologen zusammen

Im Dokument BLICK WEIT (Seite 37-40)

Holz ist beliebt – nicht nur, weil der nachwachsende Rohstoff nahezu CO2 -neutral ist. Möbel- und Innenausbau sind ohne Holz kaum denkbar. Vor al-lem Holzböden gelten als attraktiv, aber das ist eine sehr subjektive und emoti-onale Betrachtung. Manchen Menschen gefällt nur astfreie Ware, andere Kunden bevorzugen eine lebhafte Maserung, wieder andere wollen einen gleichmä-ßigen Verlauf der Jahresringe. Daher wird nicht alles Holz, das geschlagen und verarbeitet wird, auch gekauft. Um den nachhaltigen Umgang mit der Ressource Holz zu verbessern, gehen die Forscher daher einen ungewöhnlichen Weg.

„Bis heute ist unklar, welche objektiv messbaren Merkmale einer Holzober-fl äche zu einer positiven Beurteilung – und dadurch zu einer

Kaufentschei-dung – durch den Verbraucher führen“, sagt Gero Becker, der das Institut für Forstbenutzung und Forstliche Arbeits-wissenschaft der Uni Freiburg leitet. Das Team aus Forstwirten und Psychologen entwickelt am Beispiel von Bodendielen aus massivem Fichtenholz ein Verfah-ren, mit dem es die subjektiven Wert-urteile von Nutzern mittels moderner Bildverarbeitung in technische Daten-sätze überführen kann.

Mit diesen Parametern lassen sich später Baumstämme so zusägen, dass man möglichst viele Bretter erhält, de-ren Oberfl ächen den Kundenwünschen entsprechen. „Wir wollen die Zuord-nung von Holz zum späteren Verwen-dungszweck verbessern und damit die Wertschöpfung entlang der Forst-Holz-Kette erhöhen“, sagt Becker.

Ab in die Röhre: Mithilfe eines Computertomografen können die Forscher die inneren Eigenschaften von Baumstämmen ergründen.

Fotos: T. Klink für bdw

Am Monitor verfolgen Franka Brüchert, Lorenz Breinig und Udo Sauter (von links) die Resultate des Röntgenscans.

„Zu Beginn haben wir die 58 Fichten-stämme, aus denen später die Holzdielen gesägt wurden, nach Augenschein in die bei Sägewerken üblichen Qualitäts-stufen ‚gut‘, ‚mittel‘ und ‚schlecht‘ ein-geteilt“, berichten die Projektbearbei-ter. Die Rundhölzer brachte man dann zur ebenfalls in Freiburg angesiedelten Forstlichen Versuchs- und Forschungs-anstalt Baden-Württemberg (FVA).

Dort erstellte ein Team um die Biologin Franka Brüchert von jedem Stamm ei-ne Computertomografi e-Aufnahme. Das Röntgenverfahren ist aus der Medizin bekannt. Es zerlegt die Untersuchungs-objekte gleichsam in einzelne Scheiben und setzt diese zu einem dreidimensio-nalen Bild zusammen.

Die FVA hat 2008 in der von dem Forstwirt Udo Sauter geleiteten Abtei-lung Waldnutzung den weltweit ersten speziell für Baumstämme konstruierten Computertomografen in Betrieb genom-men. „Auf den CT-Aufnahmen der Hölzer erkennen wir nicht nur die Breite der Jahresringe, sondern auch überwach-sene Astansätze, Harzeinschlüsse und Faulstellen, die von außen nicht zu se-hen sind“, erklärt Franka Brüchert.

Nach dem Röntgen in der FVA hat ein Sägewerk im Schwarzwald die 58 Fichtenstämme in 24 Millimeter dicke Bretter zersägt, gehobelt und getrocknet.

Auf diese konventionelle Bearbeitung folgten Hightech-Messverfahren, um die typische Holzoberfl äche zu erfassen.

Die insgesamt 800 nummerierten Die-len wurden auf der Vorder- und Rück-seite jeweils mit einer Laser- und einer optischen Kamera aufgenommen. „Die Laserscans“, sagt Projektmitarbeiter An-dreas Manuel, „dienen der Erkennung des Faserverlaufs und der Maserung, die lichtoptischen Aufnahmen zeigen dagegen vor allem die Farben.“

Im nächsten Schritt teilten die Forst-wissenschaftler die 800 Holzdielen nach

optischer Ähnlichkeit in 15 Gruppen ein und verleimten aus jeder Gruppe je zehn Dielen zu zwei Quadratmeter großen Musterböden. Abschließend fertigten sie mithilfe moderner Bildbearbeitungs-software von den 15 unterschiedlichen Holzböden auch digitale Bilder an.

Dieser technisch orientierten Phase folgte ein zweiter, sozialwissenschaftlich ausgerichteter Projektabschnitt: Die Freiburger Forscher ordneten die Bilder der Musterböden bestimmten Kategorien von Verbrauchervorlieben zu, die sich zuvor in einer marktpsychologischen Untersuchung herauskristallisiert hatten.

PSYCHOLOGISCHE UNTERSTÜTZUNG

„Am Institut für Psychologie beim Fach-bereich Sozialpsychologie und Metho-denlehre holten wir uns Unterstützung für eine mehrstufi ge Untersuchung“, berichtet Gero Becker. In der ersten Runde mussten Verbraucher in einer in-ternetbasierten Befragung angeben, was ihnen zur optischen Beurteilung von Holz alles einfällt. Nach diesem Brain-storming gruppierten die Natur- und Sozialwissenschaftler die genannten Stichworte zu 39 Kriterien, darunter zum

Bild mit Symbolkraft: Das Modell-Herz, das sich Thoralf Niendorf vor die Brust hält, steht für die Nähe zur Anatomie, die Zeichnungen an der Wand für die Nähe zur Öffentlichkeit.

Beispiel „ruhig“, „aufregend“, „warm“,

„wohnlich“ oder „unruhig“.

„In diese Kategorisierung flossen auch Erfahrungen zweier Studien aus Schwe-den ein, in Schwe-denen es um die KunSchwe-denbe- Kundenbe-urteilung von Kiefernholz ging und die zu ähnlichen Ergebnissen kamen wie wir“, berichtet Becker. Dessen Institut und die FVA kooperieren seit Jahren mit zwei re-nommierten schwedischen Forschungs-zentren für Holztechnologie – der Abtei-lung Wood Science and Engineering der Luleå University of Technology sowie dem Holzforschungsinstitut SP Trä in Skellef-teå. Die Baden-Württemberg Stiftung fi-nanziert diese internationale Kooperati-on und das ungewöhnliche Projekt.

Die 39 Kriterien zur Beschreibung von Holzoberflächen legte die Projektgruppe Verbrauchern zur subjektiven Bewertung vor. Andreas Manuel: „Anhand von Be-griffspaaren wie ‚beruhigend – unruhig‘,

‚symmetrisch – asymmetrisch‘, ‚leblos – lebendig‘ oder ‚einfallsreich – einfalls-los‘ wurde auf einer Skala von 0 bis 6 die Relevanz der entsprechenden Begriffs-paare abgefragt.“ Allerdings: Wenn künf-tig Sägewerke per Computertomografie in der Lage sein sollen, Baumstämme

den Kundenpräferenzen entsprechend zu zersägen, um eine gewünschte Holzober-fläche zu erhalten, erscheinen mehr als drei Dutzend Bewertungskriterien we-nig praktikabel. Die Freiburger Forscher haben daher die Zahl der Kriterien auf sieben reduziert. Das war möglich, weil nach dem Urteil der befragten Konsu-menten viele der ursprünglichen Krite-rien offenbar für denselben Inhalt oder dasselbe Oberflächenmuster stehen.

DAS HOLZ SOLL ÄSTE HABEN

Im Januar konnten Besucher der Fach-messe „Domotex“ in Hannover 15 un-terschiedliche Fichtenholz-Musterböden anhand der sieben neuen Kriterien be-urteilen. Das Resultat: Die meisten Teilnehmer der Befragung nehmen das fehlerfreie Holz, das nur aus Jahres-ringmustern besteht, nicht als natürlich wahr. Gerade Holzmerkmale wie helle und dunkle, große und kleine Äste tra-gen dazu bei, dass ein Holzboden als angenehm und natürlich empfunden wird. Ähnliche Umfragen in Baumärk-ten und im Internet sind nun geplant.

Parallel dazu entwickeln die Frei-burger Forstwissenschaftler zusammen

mit ihren schwedischen Kollegen neue Tools für die Einschnittsimulation von Rundholz und für die Schnittholzbe-wertung auf der Basis der Daten aus der Computertomografie. „Damit wird es möglich sein, die Kundenpräferenzen direkt auf das Schnittbild im Stamm zu übertragen und den Einschnitt vorab entsprechend zu optimieren“, erklärt FVA-Experte Lorenz Breinig.

Grundlage der neuen Simulationstools ist die umfangreiche Datenbank mit den Ergebnissen aus der hoch auflösenden Computertomografie. Berücksichtigt wer-den erstmals auch die Erkenntnisse aus den sozialwissenschaftlichen Präferenz-studien und den Kundeninterviews.

Im Sägewerk genügt schon eine ge-ringe Drehung des Baumstamms, um durch die neue Schnittebene den op-tischen Eindruck der Oberflächen zu verändern. „Die Ermittlung des Werts anhand von Verbraucherpräferenzen“, meint Andreas Manuel, „könnte ein Ansatz sein, um mit dem hochwertigen und knappen Rohstoff Holz einen bes-seren wirtschaftlichen Nutzen und zu-gleich eine höhere Attraktivität für die Käufer zu erreichen.“ n Anhand von sieben verschiedenen Kiefernholz-Mustern ermitteln

Gero Becker (links) und Andreas Manuel die Vorlieben der Kunden.

ALS DER HEILIGE BERNHARD von Clair-vaux auf einer Pilgerreise einst nach Wertheim kam, soll er dort die Grün-dung eines Klosters prophezeit haben.

Seine Vision wurde noch zu seinen Lebzeiten wahr: Anno 1151 gründeten fränkische Edelleute in Bronnbach ein Zisterzienserkloster, das bis heute steht.

Potenzial für eine lange Erfolgsge-schichte hat auch eine Vision, die der-zeit Materialforscher hinter den alten Bronnbacher Klostermauern entwickeln.

Seit 1986 gehört der Gebäudekomplex dem Main-Tauber-Kreis. Er beherbergt unter anderem eine Außenstelle des Würzburger Fraunhofer-Instituts für Si-licatforschung (ISC).

Die ISC-Forscher tüfteln – in einem von der Baden-Württemberg Stiftung fi nan-zierten Forschungsprojekt – gemeinsam mit Wissenschaftlern der Institute für Siedlungswasserbau, Wassergüte und Abfallwirtschaft (ISWA) sowie für Arbeits-wissenschaft und Technologiemanage-ment (IAT) der Universität Stuttgart an einem zukunftsträchtigen und nach-haltigen Recyclingverfahren: Sie wollen winzige, mit einer speziellen Oberfl äche beschichtete magnetische Partikel nut-zen, um – verkürzt gesagt – Phosphat aus dem Abwasser zu fi schen. Das klingt einfach, doch der Teufel steckt bekanntlich im Detail.

von Roland Bischoff

Die

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