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2.5.1 Unternehmensrestitution vor der Wiedervereinigung

Bereits vor dem Inkrafttreten des Unternehmensgesetzes (UntG) stellten zahlreiche Alteigentümer einen Antrag auf Rückübertragung ihres Unternehmens. Vor der materiellen Rückübertragung betrieblicher Vermögenswerte mußten die Betriebe zunächst umgewandelt werden. Diese Aufgabe stand im Mittelpunkt der Tätigkeit der neugegründeten THA.226 Anfang April 1990 begannen die

225 Vgl. § 11 PGH-VO. Bislang gab das Musterstatut von 1973 den Inhalt einer Satzung verbindlich vor.

226 Vgl. Fischer, Schröter (1993: 31).

Umwandlungsverfahren. Da sich gleich zu Anfang starke Leistungsdefizite zeigten - die ersten 150 Vorgänge benötigten ca. sechs Wochen227 - erstellte die Anstalt in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Finanzen Richtlinien zur Bewertung von Unternehmen sowie von Grund und Boden. Daraufhin gelang es der THA bis zur Währungsunion 3.600 Betriebe in Kapitalgesellschaften umzuwandeln.

Übrig blieben 4.400 Betriebe, die danach per Gesetz in „Kapitalgesellschaften im Aufbau“ überführt wurden.

Zeitgleich mit dem UntG wurde auch die erste Durchführungsverordnung zum UntG228 verabschiedet. Darin fanden die mit der Reprivatisierung beauftragten staat-lichen Behörden die entsprechende Konkretisierung des Rückgabeverfahrens. Die Unternehmensrückgabe nach dem UntG wurde von den zuständigen Bezirks-verwaltungsbehörden durchgeführt. Sie war gekennzeichnet durch ein relativ un-kompliziertes Verfahren. Wie sich die Rückübertragung gestaltete, ist Inhalt des nächsten Abschnitts.

1. Anspruch auf Rückübertragung von Unternehmen

Restitutionsansprüche konnten nach dem Unternehmensgesetz zunächst nur von DDR-Bürgern erhoben werden. Sie waren ebenso zu 98 % Betroffene der 72er-Maß-nahmen.229 Darüber hinaus konnten Alteigentümer ihren Anspruch ausschließlich mit der Auflage der Geschäftsfortführung geltend machen. Erfolgte eine Restitution nicht oder nur teilweise, blieb die THA Gesellschafterin in der jeweiligen Rechtsform, in der das reprivatisierte Unternehmen wieder tätig wurde. Bei der Antragstellung gab es in der Regel kaum Hindernisse. Alteigentümer, die nicht mehr als Angestellte in der Geschäftsleitung des Betriebes saßen, hatten allerdings teilweise damit Probleme, sich Einblick in die Geschäftsinterna zu verschaffen.230 Im Falle der Restitution ehemaliger PGH waren „ehemalige Genossenschaftsmitglieder“ antragsberechtigt.231 Daß es alle „Ehemaligen“ sein müssen, wurde aber nicht verlangt.232 Hingegen

227 Vgl. Treuhandanstalt (1990: 9).

228 GBl.DDR I 1990, S. 144.

229 Erst am 15. Juni 1990 ist eine Anmeldeverordnung in Kraft getreten, die es allen Deutschen ermöglicht hat, vermögensrechtliche Ansprüche geltend zu machen und erst mit dem Vermö -gensgesetz wurde die Möglichkeit allen Anspruchsberechtigten weltweit eingeräumt (vgl. The-len, 1990, S. 21).

230 Vgl. Freund/Kaufmann/Schmidt (1990: 28 f).

231 § 18 UntG.

232 Vielmehr schieden alle Berechtigten aus, welche die Antragsfrist von 6 Monaten versäumten.

waren alle Antragsteller auf Rückgabe einer Genossenschaft dazu verpflichtet, untereinander Kontakt aufzunehmen und zur Aufnahme des zurückzugebenden Betriebes wieder eine Genossenschaft zu gründen.233

2. Die Übernahmeverhandlungen

Die Modalitäten zur Rückgabe der Unternehmen wurden in den Übernahme-verhandlungen geregelt. Die verhandlungsführenden Akteure waren die THA, die nach dem Gesetz zuständige Bezirksverwaltungsbehörde und der Alteigentümer.234 Dabei wurde der Unternehmer dazu aufgefordert, ein eigenes Fortführungskonzept vorzulegen, d.h. er konnte nach einem Auswahlrecht selektieren, welche Wirtschafts-güter, die zum beanspruchten Teil des ehemaligen VEB gehörten, übernommen werden sollten (§ 5 Abs. 4 Satz 2 der ersten DVO235). Darüber hinaus stellte das Unternehmensgesetz eine Reihe von staatlichen Förderinstrumenten zum Ausgleich für Veränderungen des Unternehmenswertes zur Disposition.236 Zu den verhand-lungsrelevanten Wirtschaftsgütern zählten die Übernahme

• bestehender Lieferverträge,

• bestehender Arbeitsverhältnisse,

• von Altschulden.

Erstere regelten die staatlich subventionierten Exportverpflichtungen des Unterneh-mens. Dabei handelte es sich entweder um ehemals subventionierte Westexporte oder um RGW-Exporte. Insbesondere bis Ende 1990 lagen noch entsprechende Exportverpflichtungen vor, die im Rahmen der Unternehmensrückgabe nach dem UntG von der THA übernommen und weitersubventioniert wurden.237 Die Übernahme der Arbeitsverträge bestimmte die Anzahl der fortan im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer. Kündigungen im Zuge des Betriebsübergangs waren

233 Dies konnte nach § 5 GenG in schriftlicher Form - also ohne notarielle Beurkundung - gesche-hen. Das auszuarbeitende Statut war von allen Genossen zu unterschreiben und nach Bestellung der Organe (Vorstand und Aufsichtsrat) vom Vorstand mit der Anmeldung nach § 11 GenG bei dem Register einzureichen.

234 Rechtlich legitimiertes Vollzugsorgan für den formalen Eigentumsrückübertragungsakt waren die Regierungsbevollmächtigten der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde.

235 GBl.DDR I 1990, S. 144.

236 Vgl. § 19 Abs. 3 UntG i.V.m. der ersten und zweiten DVO zum Unternehmensgesetz.

237 Gespräch des Verfassers mit Herrn Leppchen, THA-Zentrale Berlin, Abteilung Reprivatisierung, am 7.7.1994.

grundsätzlich möglich.238 Hinsichtlich der Übernahme von Altschulden (Verbindlichkeiten gegenüber dem ehemaligen Staat der DDR, die vor dem 1.7.1990 eingegangen wurden), sah die erste Durchführungsverordnung zum Unternehmensgesetz ermäßigte Zinszahlungen für in Anspruch genommene Kredite vor. Diese sollten entsprechend den Marktbedingungen durch die Staatsbank der DDR gewährleistet werden.239 Eine angemessene Konkretisierung dieses Förderinstruments brachte allerdings erst die Zweite Durchführungsverordnung vom 13. Juni 1990.240 Danach konnten Wertminderungen mit dem zur Rückzahlung des 1972 erhaltenen Ablösebetrags verrechnet werden. Darüber hinaus war eine anteilige Verrechnung mit der Höhe der staatlichen Kapitaleinlage möglich. Ein letztes Förderinstrument war die teilweise oder vollständige Steuerbefreiung des Unternehmens für die ersten zwei Jahre seiner wirtschaftlichen Tätigkeit.241 Sie diente ebenso wie die ermäßigten Zinszahlungen bei bestehenden Altschulden dem

„Ausgleich für Veränderungen des Unternehmenswertes“, denen das Unternehmen seit 1972 erlag.242

3. Rückübertragung bei zeitgleicher Entflechtung

Soweit ein Unternehmen keinem Kombinat angegliedert war, erfolgte die Reprivati-sierung durch die Rückübertragung aller Vermögenswerte. Ansonsten wurde eine Entflechtung, also Herauslösung der Unternehmenseinheit aus dem VEB durch-geführt. Auch das Entflechtungsverfahren, von dem der größte Teil der Reprivati-sierer betroffen war, wurde zu diesem Zeitpunkt schnell und unkonventionell abge-wickelt. Nachdem die o.g. Modalitäten in den Übernahmeverhandlungen geklärt

238 Dabei war die nach der Wiedervereinigung geltende Regelung des § 613 a BGB bzw. des § 16 Abs. 2 VermG, wonach der Reprivatisierer in alle Rechtsverhältnisse - also auch Arbeits verträge - eintritt bzw. eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs unzulässig ist, nicht relevant.

239 § 5 Abs. 9 der Ersten Durchführungsverordnung zum Unternehmensgesetz.

240 GBl.DDR I 1990, S. 363.

241 In der konkreten Ausgestaltung dieser Maßnahme bedeutete dies für die Unternehmen, daß sie Gewinne bzw. Einkommen ihrer Gesellschafter nicht versteuern mußten. Außer der Freistellung von Körperschafts , Kapitalertrags und Einkommenssteuer konnten sie auch von der Vermö -genssteuer für Rücklagen befreit werden (vgl. § 3 der Ersten Durchführungsverordnung zum Unternehmensges etz).

242 In den wenigen Fällen einer Werterhöhung des Unternehmens hatte der Reprivatisierer dem Staat einen entsprechenden Wertausgleich zu erstatten. Dieser wurde nach einem bestimmten Verfahren als Kapitaleinlage, Rücklage (sog. Zwei-Drittel-Regel), Erhöhung der staatlichen Einlage oder auch als eine mit 3,5 % zu verzinsende Forderung des Staates ausgewiesen (vgl.

Schmidt/Kaufmann, 1992, S. 15).

waren, wurde in der sog. Umwandlungserklärung das Vermögen beziffert und eine eigene Bilanz erstellt. Hierauf folgte bei Bedarf die Herauslösung des entsprechenden Betriebsteils aus dem VEB und zeitgleich die Rückübertragung an den Alteigentümer. Das ganze Übertragungsverfahren bis zum Eintrag ins Handelsregister war formal kaum konkretisiert.243

4. Rückzahlung ausgezahlter Anteile an den Staat

Nach dem UntG erfolgte die Umwandlung auf Antrag ehemaliger Alteigentümer oder im Falle einer PGH auf Antrag ehemaliger Genossenschaftsmitglieder und

„gegen Rückzahlung der 1972 ausgezahlten Anteile an den Staat“.244 Bei Unterneh-mensrestitutionen nach dem UntG lag es im Ermessen der zuständigen Behörde, ob es zu einem Verkauf staatlicher Unternehmensbeteilungen kam: „Privaten Gesell-schaftern kann der staatliche Anteil verkauft werden.“245 Es sind jedoch keine Fälle bekannt, bei denen eine Unternehmensrückgabe aufgrund einer Verweigerung des Verkaufs der staatlichen Anteile seitens der Behörden scheiterte.

Bei ehemaligen PGH entfiel in der Regel die Rückzahlungspflicht, weil im Zuge der 72er-Aktion die Anteile der Genossen nicht vom Staat, sondern - auf Druck des Staates - vor Übertragung des Aktivvermögens auf den VEB aus Mitteln der Genos-senschaft selbst ausgezahlt wurden, weil sie als flüssige Mittel vorhanden waren. Der Staat hatte insoweit nichts bezahlt, konnte demnach auch nicht als Voraussetzung für die Übertragung des ehemaligen Genossenschaftsvermögens die Rückzahlung ausge-zahlter Anteile an sich selbst verlangen.246 Zu Rückzahlungen kam es nur in den Fällen, wo der Staat eine mittelbare Beteilung am Betriebsvermögen hatte. Das war

243 Diese gesellschaftsrechtlich unkomplizierte Form der Entflechtung war deshalb möglich, weil der Staat mit einem Anteil von 99% die Monopolstellung in der Wirtschaft innehielt. Verflochten waren demnach nur staatliche VEB und keine privaten Betriebe. Wurde nun ein Betriebsteil durch Reprivatisierung aus dem VEB herausgelöst, übernahm der Staat bei etwaigen Haftungs-ansprüchen die Gesamtrechtsnachfolge als Eigentümer des VEB (vgl. Horn, 1991, S. 133 ff, S.

141 und S. 171).

244 § 19 Abs. II bzw. § 18 Abs. I UntG.

245 § 19 Abs. II Satz 4 UntG.

246 Eine andere Auffassung des § 18 Absatz I Satz 2 UntG hätte die Rückerstattungsaktion wohl vielfach zum Scheitern verurteilt, weil die ehemaligen Genossen dann praktisch zweimal hätten leisten müssen: Einmal an den Staat und ein weiteres Mal zur Grundausstattung der wieder-erstehenden Genossenschaft, die neben dem zurückzuübertragenden Vermögen weitere Eigen-mittel benötigt hätte. Zu einer solchen Doppelzahlung wären wohl die wenigsten Antragsteller in der Lage gewesen.

dann der Fall, wenn die Genossenschaft zur Auszahlung der Anteile Kredite aufneh-men mußte, die später aus staatlichen Mitteln getilgt wurden. Erfolgte die Rück-zahlung der Anteile vor der Überleitung auf den VEB noch aus vorhandenen eigenen Mitteln der Genossenschaft, so war der Anteil auch nicht an den Staat zurückzu-zahlen. Welche Variante auf die einzelnen PGH zutraf, mußte im Einzelfall ermittelt werden.

Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß bis Oktober 1990 bereits 3.000 Unterneh-mensrückgaben durchgeführt wurden.247 Der zugrundeliegende Verfahrensablauf auf der Rechtsbasis des Unternehmensgesetzes hatte eine Reihe von Vorteilen, die Re-privatisierungen förderten:

1. Verfahrenstechnisch waren die Reprivatisierungsstellen beim Rat der Bezirke zuständig. Bei derselben behördlichen Stelle lagen bereits die Erfassungen der 72er-Zwangsverstaatlichungsmaßnahmen vor. Das Prüfverfahren - also ob es sich beim Antragsteller und Alteigentümer um ein und dieselbe Person handelt - unterlag demnach nicht dem Hindernis langer Verwaltungswege. Benötigte Daten waren bereits vorhanden.248 War der Anspruchsberechtigte identifiziert, konnten die Übernahmeverhandlungen beginnen. Dies war möglich, weil zeitgleich mit dem UntG eine entsprechende Durchführungsverordnung erlassen wurde, in der die einzelnen Verfahrensschritte ihre Konkretisierung erfuhren.249

2. Vertragsinhaltlich bot der hohe Dispositionsspielraum bzgl. der Übernahme von Wirtschaftsgütern250 in Verbindung mit dem Förderinstrumentarium zum Aus-gleich für negative Veränderungen des Unternehmenswertes den Reprivatisierern die Möglichkeit, entsprechende Anpassungen zur Konsolidierung der Eröffnungs-bilanz auszuhandeln. Durch die Fortschreibung der Subventionen auf Export-produkte in RGW-Staaten konnten die Unternehmen mit einer kostendeckenden Produktion zumindest bis zum Ende der laufenden Lieferverträge rechnen. Aller-dings mußte die THA diese Exporte bis zum 31. Dezember 1990 subventionieren.

247 Vgl. Niederleithinger (1991a: 63).

248 Gespräch des Verfassers mit Herrn Leppchen, THA-Zentrale Berlin, Abteilung Reprivatisierung, am 7.7.1994.

249 Das zeitgleiche Fehlen einer entsprechenden Ausgestaltung des Vermögensgesetzes sollte 1991 nicht unwesentlich zum Stillstand der Reprivatisierungen beitragen (vgl. 3.3.1.2 dieser Arbeit).

250 Dies war in mehrerlei Hinsicht möglich. Z.B. unterlagen die Arbeitsverträge der im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmern zu diesem Zeitpunkt nicht den privatrechtlichen Regelungen des BGB. Desweiteren war ein gewisser Handlungsspielraum bzgl. der Größe des aus dem VEB herauszulösenden Unternehmens möglich, weil sich dadurch evtl. entstehende Haftungs-ansprüche einzig gegen den Staat richten würden.

Desweiteren übernahm die THA die Arbeitsverträge jener, die im Zuge der Repri-vatisierungen nicht weiterbeschäftigt wurden.

Das angewandte Verfahren der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden und der THA erwies sich dabei als förderliches Instrumentarium, um die Alteigentümer schnell in den Stand privater Unternehmer zurückzuführen. Die euphorische Stim-mung der Reprivatisierer zu Beginn der Unternehmensrestitutionen wurde durch das überwiegend kooperative Verhalten der Beamten bei den Rückübertragungs-verhandlungen gefördert. Durch diese „konstruktive Umwandlungshaltung der DDR-Regierung“251 war es für die Pionier-Reprivatisierer möglich, in puncto Wettbe-werbsfähigkeit entsprechende staatliche Unterstützungen in Anspruch zu nehmen.

2.5.2 PGH-Umwandlungen vor der Wiedervereinigung

Die PGH-VO vom 8. März 1990 bildete die rechtliche Grundlage für die Umwand-lung. Sie bot die Möglichkeit zu einer gesellschaftlichen Neuorientierung der PGH.

Das Umwandlungsverfahren hatte schrittweise zu erfolgen. Zum Kernstück einer Umwandlung gehörte zunächst die Umwandlungserklärung, die von der Mitglieder-versammlung beschlossen werden mußte. Daraufhin erfolgte die tatsächliche Umwandlung in eine GmbH, eG oder in seltenen Fällen auch in eine andere Rechts-form. Im folgenden werden die einzelnen Verfahrensschritte dargestellt.

1. Die Mitgliederversammlung

Die Umwandlung in eine neue Rechtsform hatte auf Beschluß der Mitgliederver-sammlung zu erfolgen.252 Damit entschieden alle Mitglieder grundsätzlich gleich-berechtigt auf der Basis des „Ein-Mann-eine-Stimme-Prinzips“ über die künftige gesellschaftsrechtliche Ausrichtung und Ausgestaltung. Die Entscheidung über die Umwandlung in eine andere Rechtsform erfolgte mit dem Inkrafttreten der PGH-VO in vielen PGH sehr schnell. Bis zur Jahresmitte 1990 hatte bereits ein Drittel der ehe-maligen PGH einen Beschluß hinsichtlich der zukünftigen gesellschaftsrechtlichen Ausrichtung ihres Unternehmens gefaßt. Und bei etwa einem weiteren Drittel der Betriebe fand die notwendige Mitgliederversammlung noch vor der

251 Gespräch des Verfassers mit Herrn Leppchen, THA-Zentrale Berlin, Abteilung Reprivatisierung, am 7.7.1994.

252 Vgl. § 4 Abs. 3 PGH-VO.

einigung im Oktober 1990 statt.253 Das heißt, daß bereits zu Beginn erster Reform-schritte in der ehemaligen DDR der größte Teil der Betriebe (ca. zwei Drittel) ihren Willen zur Unternehmensfortführung unter der Bedingung tiefgreifender Verände-rungen bekundeten, obwohl bis dato keine Umwandlungsfrist und somit nicht die Notwendigkeit einer schnellen Umwandlung bestand.254

In aller Regel drängte die Geschäftsleitung frühzeitig darauf, sich Klarheit über die Einstellung der Mitglieder hinsichtlich der zukünftigen Organisationsstruktur des Unternehmens zu verschaffen. Denn unter Umständen konnte auch die Position des Managements in Frage gestellt werden.255 Im Hinblick auf die Verteilung der umge-wandelten PGH entsprechend der von ihnen gewählten Rechtsform zeigte sich bereits in dieser reformerischen Frühphase, daß der GmbH und der eG die größte Bedeutung zukam.256

Die Umwandlungsentscheidungen unterlagen keiner staatlichen Beeinflußung. In vielen Fällen wurden aber westliche Berater hinzugezogen, die zumindest indirekt Einfluß auf die Beschlüsse nahmen.257 Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, daß der PGH-Vorstand maßgeblichen Einfluß auf den Entscheidungsprozeß der Mitgliederversammlung hatte. Er war dasjenige Organ, das den innerbetrieblichen Informationsfluß im Unternehmen lenken konnte. Diese Annahme bestätigt sich dadurch, daß „die Vorstandsmeinung von der Mitgliederversammlung weitgehend übernommen wurde.“258

253 Vgl. Sander (1994: 126).

254 Erst das PrHBG vom März 1991 setzte im Rahmen des Artikel 8, § 9a eine Umwandlungsfrist bis zum 31.12.1992 fest.

255 Vgl. Sander (1994: 127).

256 Ca. 80 % der PGH entschieden sich für die Umwandlung in eine GmbH und ca. 16 % für die Umwandlung in eine eG. Sonstige gesellschaftsrechtlichen Mischformen, wie die GmbH &

Co.KG und die GmbH & Still erwiesen sich mit einem Anteil von ca. 4 % als wenig relevant.

257 Der Einfluß westdeutscher Berater kam bei der Entscheidung der künftigen Rechtsform des Unternehmens insofern zum tragen, als daß in den Beratungen immer wieder betont wurde, daß die eG in den Altbundesländern nicht gewinnorientiert arbeite, daß die eG - die als Vollgenos-senschaft nicht funktioniere - in Westdeutschla nd nicht verbreitet sei usw. Durch einen Besuch in einer westdeutschen Genossenschaft verschafften sich ostdeutsche Mitglieder einer PGH in aller Regel jedoch keinen eigenen Eindruck über diese Empfehlungen (vgl. Sander, 1994, S. 127).

258 Gespräch des Verfassers mit Herrn Raithel, Vorstandsmitglied der ehemaligen Strickmaschinen-PGH in Tirpersdorf, am 14.11.1996 und SfH/Ifo Strickmaschinen-PGH-Befragung, Juni 1992 in: Sander (1994:

130).

2. Die Umwandlungserklärung

Nach der PGH-VO war die Mitgliederversammlung nur beschlußfähig, wenn drei Viertel aller Genossenschaftsmitglieder anwesend waren. Für den eigentlichen Umwandlungsbeschluß war eine Zweidrittelmehrheit der Anwesenden erforderlich.

Der Beschluß war dann zu unterzeichnen und die Unterschriften mußten notariell beglaubigt werden. Erst mit der notariellen Beglaubigung wurde die Umwandlungs-erklärung rechtswirksam.

Die Grundanforderung an die Umwandlungserklärung war deren Vollständigkeit.

Dazu mußten folgende Punkte in ihr enthalten sein:

• Die genaue Festlegung der Rechtsform und die Bezeichnung des neuen Unter-nehmens,

• die Übertragung des unteilbaren Fonds auf die neue Gesellschaftsform und

• der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung des neuen Unternehmens.

3. Die Umwandlung

Wie in Kapitel 2.4.6 erörtert, war der Zweck der PGH-VO die Schaffung von Möglichkeiten zur Umwandlung von PGH in eine andere Rechtsform. Konkrete Ausführungen zur Umwandlungsform enthielt die Verordnung allerdings nicht. So entbrannte zunächst die Diskussion um mögliche Umwandlungsformen. Diskutiert wurden drei Varianten: Die formwechselnde259, die übertragende verschmelzende260 und die übertragende errichtende Umwandlung.261 Nach der herrschenden Meinung erwies sich nur eine einzige Umwandlungsform als zulässig, bei der ein neues Unter-nehmen in einer frei zu wählenden Rechtsform errichtet wird und gleichzeitig eine Vermögensübertragung stattfindet: Die „übertragende errichtende Umwandlung“.262 Bei dieser Umwandlungsform fällt die Errichtung des neuen Unternehmens und die Übertragung des Vermögens zusammen (vgl. Tabelle 8).

259 Bei der formwechselnden Umwandlung erfolgt keine Vermögensübertragung, sondern nur ein Wechsel der Rechtsform. Die Identität des Unternehmens besteht fort.

260 Bei der übertragenden verschmelzenden Umwandlung geht das Vermögen eines Unternehmens auf ein anderes bereits vorhandenes über.

261 Bei der übertragenden errichtenden Umwandlung geht das Vermögen eines Unternehmens auf ein zuvor neu errichtetes Unternehmen über.

262 Zur Diskussion alternativer Umwandlungsformen vgl. z.B. Ifo Informations- und Beratungs-leitfaden (1992: 54 ff) und Ifo Schnelldienst (1994).

Tabelle 8: Umwandlungsformen

formwechselnde übertragende

Umwandlung Umwandlung

keine Vermögens- Vermögenswechsel

übertragung, nur von einem Unterneh-

Wechsel der Rechtsform men auf ein anderes

errichtende verschmelzende

Umwandlung Umwandlung

zuvor Errichtun g anderes Unternehmen eines neuen Unter- bereits vorhanden nehmens

Quelle: Ifo Institut für Wirtschaftsforschung (nach Klunzinger).

In der Praxis fielen die einzelnen Umwandlungsvorgänge aber häufig zeitlich aus-einander. Die PGH blieben also zunächst rechtlich noch bestehen, und zwar bis zur Eintragung des „neuen“ Unternehmens in das Handels- oder Genossenschaftsregister (vgl. Tabelle 9).

Tabelle 9: Umwandlung einer PGH263

Umwandlungsschritte Rechtswirksamkeit Rechtsfolgen

1. Mitgliederversammlung beschließt Vorgrün- PGH

Umwandlungserklärung rechtswirksam mit Datum dungsge-

be-mit der notariellen Beglaubigung sellschaft steht

a) Beschluß zur Errichtung einer GmbH noch

b) Übertragung des unteilbaren Fonds auf PGH

die GmbH

c) Gesellschaftsvertrag rechtswirksam mit Datum

der notariellen Beurkundung Errichtung

der GmbH

2. Anmeldung der GmbH zum (Vorgesell-

Handelsregister schaft)

3. Formelle und materielle Prüfung PGH

durch das Registergericht

4. Eintragung der GmbH in das die GmbH existiert als Ende

Handelsregister juristische Person der

PGH