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insbesondere für die Fächer Politik/Sozialkunde, Geschichte, Ethik/Religion und Geographie (Sek I und II)

Im Dokument Schule lehrt/lernt Vielfalt! (Seite 64-68)

Ob hinter verschlossener Tür oder in der Öffentlich-keit, offene Ablehnungen gegenüber gesellschaftli-cher Diversität gibt es überall in Deutschland. Daher ist eine Auseinandersetzung mit Vielfalt bereits in der Schule erforderlich.

Unterschiedliche Biographien und die Pluralisierung der Lebenswelten spiegeln sich auch im Klassenzim-mer wider. Sie bieten die Chance, Schüler*innen zu einem konstruktiven Umgang mit Heterogenität an-zuregen.

Die Webplattform www.zwischentoene.info präsen-tiert zahlreiche Unterrichtsmodule, die Diversität aus unterschiedlichen Perspektiven thematisieren und reflektieren. Die Module werden von verschiedenen Autor*innen verfasst, die Expert*innen in dem be-handelten Thema sind und teilweise auch selbst von Diskriminierungserfahrungen betroffen sind. Sie sind für die Fächer Politik/Sozialkunde, Geschichte, Ethik/Religion und Geographie für die Sekundarstu-fen I und II, und bieten multiperspektivische Zugän-ge. Schwerpunkte bilden Perspektiven von Menschen mit Migrationshintergrund, Muslim*innen sowie an-deren Gruppen mit Diskriminierungserfahrungen.

Die Module greifen aktuelle gesellschaftspolitische Impulse auf und reflektieren ausgewählte Themen vor dem Hintergrund historischer Entwicklungen.

Dadurch sollen lebensweltbezogene Lernprozesse angestoßen und die Urteils- und Handlungskompe-tenzen der Schüler*innen gefördert werden.

Die sexuelle Orientierung gehört zu den Diversitäts-merkmalen, die in den Unterrichtsmodulen von zwi-schentoene.info thematisiert werden. Im Folgenden werden exemplarisch zwei dieser Module vorgestellt.

Unterrichtsmodul „Grenzenlose Liebe?“

Beziehungen in der Migrationsgesellschaft, für den Ethik-unterricht in der 8.–10. Klasse

In dem Unterrichtsmodul „Grenzenlose Liebe? Be-ziehungen in der Migrationsgesellschaft“ setzen sich die Schüler*innen mit eigenen Vorstellungen zum Thema Liebe, besonders im Zusammenhang mit Migration, auseinander. Dabei stehen vor allem folgende Fragen im Mittelpunkt:

(1) Was bedeuten Liebe und Partnerschaft für mich und mein Umfeld?

(2) Was hat Liebe mit dem Thema Migration zu tun?

Auf der Grundlage unterschiedlicher Biografien von Migrant*innen, die als Audio-Dateien zu Verfügung stehen, werden die Schüler*innen an die Themenbe-reiche Liebe, Partnerschaft und Migration in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext herangeführt und befassen sich in diesem Zusammenhang auch mit angrenzenden Fragen, wie etwa dem Umgang mit Homosexualität, Geschlechterrollen und ungleicher Chancenverteilung auf dem Arbeitsmarkt. Die Schü-ler*innen haben darüber hinaus die Aufgabe, migra-tionsspezifische Aspekte wie unterschiedliche Rol-lenvorstellungen oder durch Fremdenfeindlichkeit hervorgerufenen Benachteiligung von den Faktoren abzugrenzen, die keine Verbindung zu Migration haben. Diese Fragen sollen in Bezug auf verschie-dene gesellschaftliche Normvorstellungen diskutiert werden.

Da der Themenkomplex „Liebe und Beziehungen“

die Lebenswelten aller Schüler*innen direkt betrifft,

eröffnet er einen Zugang zu verschiedenen Frage-stellungen, die in Verbindung damit auftreten.

In öffentlichen Debatten um Migration wird oft eine kulturalisierende Perspektive eingenommen und so werden auch Liebe und Beziehungen mit Menschen, die einen Migrationshintergrund ha-ben, „kulturspezifi sch“ bewertet. In diesem Un-terrichtsmodul lernen die Schüler*innen genauer hinzusehen und sich Gedanken über vermeintlich kulturelle Spezifi ka zu machen. Sie erproben in der Bewertung möglicher Konfl ikte, zunächst zu überlegen, ob diese vielleicht nicht vorrangig oder gar nicht etwas mit dem Migrationshintergrund zu tun haben. Ausgehend von persönlichen Erfahrun-gen und Wünschen refl ektieren die Schüler*innen mehrperspektivisch auch ihre eigenen Positionie-rungen, Identitäten und Zugehörigkeiten.

Insgesamt werden die Schüler*innen durch dieses Modul dazu angeregt, über Liebe und Beziehungen in ihrer Komplexität nachzudenken und dafür sen-sibilisiert, interkulturelle Begegnungen refl ektiert zu betrachten.

Unterrichtsmodul „Chance zur Veränderung?“

Geschlechterrollen in der Migration, für den Geschichts-unterricht in der 9.–12. Klasse

In dem Unterrichtsmodul „Chance zur Verände-rung? Geschlechterrollen in der Migration“ geht es sowohl um Konfl ikte als auch um neue Handlungs-möglichkeiten, die durch Migration entstehen und sich oft anschaulich im Umgang mit Geschlechter-verhältnissen zeigen. Im Fokus des Moduls steht insbesondere die Art und Weise, wie Migrant*in-nen ihre eigene Geschlechtszugehörigkeit erleben und im Zuge von Migration neu bewerten müssen.

Wie in vielen historischen Erzählungen ist auch in der Migrationsgeschichte die Perspektive des Männlichen dominant. Dies zeigt sich beispiels-weise an dem „Gastarbeiter“ als Sinnbild deutscher Migrationspolitik nach 1945. In dem Modul soll ge-zeigt werden, dass im Hinblick auf Geschlechter-rollen durch Migration zum einen neue Freiräume geschaffen werden können, es zum anderen aber auch zu Irritationen und Missverständnissen im Zuge interkultureller Begegnungen kommen kann.

Ausgewählt sind hier die Geschichten zweier Frau-en, die diese Spannungen auf unterschiedliche Wei-se erleben und darüber berichten.

Indem die individuellen Motivationen der Migrie-renden sowie deren Handlungsmöglichkeiten the-matisiert werden, kann das geschichtsdidaktische Prinzip der Personifizierung zur Geltung kommen.

Ein solcher akteurszentrierter Ansatz folgt dem kulturwissenschaftlichen Konzept der agency 1 und lässt die historischen Akteurinnen als eigenständi-ge historische Subjekte erscheinen.

Die Audioquellen aus dem „Migration-Audio- Archiv“ 2 eröffnen weibliche Perspektiven auf das Thema Migration. Die Selbstzeugnisse zeichnen sich durch eine biografische Erzählstruktur und die besonders facettenhafte Thematisierung von Migration aus. Das Anhören der Lebenserzählun-gen, ein aufmerksames Zuhören und eine Ausein-andersetzung mit der jeweiligen Erzählweise kann im Zentrum des Unterrichts stehen. Im Zuge eines Geschichtsunterrichts, der die Förderung von nar-rativer Kompetenz sowie handlungs- und produk-tionsorientierte Verfahren berücksichtigt, kann durch die Arbeit mit den Audioerzählungen zu-gleich eine produktive Aneignung der Migrations-geschichten angebahnt werden: Die Schüler*innen können die Analyse des Herstellungsverfahrens der Quellen zum Ausgangspunkt für eine Produk-tion von eigenen historischen NarraProduk-tionen zum Thema Migration nutzen. Die im Migration-Audio- Archiv entstanden Quellen wurden in einem

offe-nen Interviewverfahren aufgezeichnet, geschnitten und gekürzt sowie technisch hochwertig bearbeitet.

Das Modul bietet facettenreiche Optionen einer Re-flexion der weiblichen Sichtweise und ermöglicht dadurch einen mehrperspektivischen Zugang zu der Thematik.

1 Das Konzept der agency verweist auf die Handlungsfähigkeit von Individuen.

Während gewöhnliche Menschen in historischen Zusammenhängen häufig nicht beachtet oder passiv dargestellt werden, betont eine Konzentration auf ihre agency ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten und -spielräume und stellt sie als aktiv an der Geschichte Beteiligte dar.

2 Das Migration-Audio-Archiv (https://migration-audio-archiv.de/) ist eine Sammlung von Migrationsgeschichten, in denen Menschen verschiedener Herkunft von ihren Migrationserfahrungen erzählen.

Autor*in

Dr. Imke Rath ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Georg-Eckert-Instituts, Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung in Braunschweig.

Dort betreut sie seit Januar 2019 die Webplattform zwischentoene.info.

Sie studierte Sprachen und Kulturen Autronesiens, Islamwissenschaft und Ethnologie an der Universität Hamburg, wo sie im Jahr 2015 im Fach Geschichte promoviert wurde.

Im Dokument Schule lehrt/lernt Vielfalt! (Seite 64-68)