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V. „Integration“?

Männliche Ehre

V

jungen Männer an einer Fremdorientierung des Ehrkonzeptes und hier ins-besondere an „namus“, jenen Aspekt der Ehre, der das Geschlechterverhältnis regelt, festhalten, welche in bildungsfernen, traditionell orientierten sowie kulturell verhafteten Familien aufwachsen und aufgrund einer familiären so-zioökonomischen und soziostrukturellen Mangellage, welche sich auch im ei-genen Erwachsenenalter nicht verbessert, zum marginalisierten Teil der Gesell-schaft gehören. Durch die geringen Möglichkeiten an den gesellGesell-schaftlichen Ressourcen zu partizipieren, sich selbst zu verwirklichen und in der Folge eine selbstbewusste Identität auszubilden, internalisieren sie diese Ausgrenzungs-erfahrungen und Randständigkeit, welche zu delinquentem Verhalten sowie zu einem Rückzug in das eigenethnische Milieu und den darin gültigen tradierten Werthaltungen und Normvorstellungen führen kann. Verstärkt durch ein pre-käres Arbeitsverhältnis oder eine eventuelle Arbeitslosigkeit sowie durch die Tätigkeit in gesellschaftlich wenig anerkannten Berufsfeldern aufgrund ih-rer schlechten Schul- und Berufsbildung halten sie am tradierten Habitus der männlichen Ehre fest. Demgegenüber zeigt sich, dass eine gesicherte sozio-ökonomische Lage, ein erhöhtes Bildungsniveau und der erreichte Status im Rahmen der Erwerbstätigkeit eine das Ehrkonzept reflektierende Haltung nach sich ziehen. Ebenso ermöglichen eine gesteigerte Kommunikationsfähigkeit in-nerhalb der Familie, ein gelungener Ablösungsprozess vom Elternhaus sowie geringe Erfahrungen mit Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit, dass die jun-gen Männer ihre eijun-genen Norm- und Werthaltunjun-gen überprüfen und diese neu definieren.

Um Frauen und Männer mit Migrationshintergrund in ihrer Autonomieentwick-lung und bei der Bildung einer stabilen Ich-Identität zu unterstützen, sind unter anderem vermehrt Maßnahmen zur Verbesserung ihrer gesellschafts-, integra-tions-, bildungs- und arbeitsmarkt politischen Situation von Nöten. Die Jugend-arbeit ist herausgefordert, Mädchen und Burschen „Räume“ zur Entwicklung, Entfaltung und Wahrnehmung sowie Realisierung eigener Bedürfnisse zu bie-ten. Um Fördermaßnahmen in diesem Bereich adäquat setzen zu können, bedarf es einer intensiven interkulturellen Auseinandersetzung sowie eines interkultu-rellen Verständnisses, da so eine unvorein genommene, lebensweltorientierte Mädchen- und Burschenarbeit gewährleistet werden kann, welche unter ande-rem die Möglichkeit bietet, tradierte Wert- und Normvorstellungen zu diskutie-ren, zu überprüfen und gegebenenfalls zu modifizieren.

V. „Integration“? VI. Good practice V. „Integration“?

Zur Person: DSA Magª Moni Libisch studierte Soziologie und Afrikanistik an der Universität Wien, Ausbildungen als Diplomsozialarbeiterin und Erlebnispädagogin, Einrichtungsleiter-stellvertreterin bei JUVIVO.15, Schwerpunkte: interkulturelle Mädchen- und Burschenarbeit, Gender Mainstreaming und Diversität.

Kontakt: moni.libisch@juvivo.at

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Frankfurt am Main Literatur:

V. „Integration“? VI. Good practice V. „Integration“?

Kulturlauf

VI

Kerstin Kromer

KULTURAUFLAUF ist ein interkulturelles Projekt. 14 junge Menschen erschaffen in Zusammenarbeit mit Jugend- und SozialarbeiterInnen einen präventiven Ansatz im Gewaltbereich. Gemeinsam arbeiten die Jugendlichen mit verschiedenen so-zialen sowie kulturellen Hintergründen an ein und demselben Thema.

Aus unserer langjährigen Erfahrung in der Arbeit mit Jugendlichen, erleben wir immer wieder, dass unterschiedliche Lebenswelten, Religionen, Werte und Nor-men nicht nur in Schule und Beruf sondern auch im Alltag zu Spannungen und Konflikten führen.

Oft spüren wir vom Culture Factor Y Team eine deutliche Hilflosigkeit im in-terkulturellen Dialog. Dies kann sich in Form von Schlägereien, Mobbing, Aus-grenzung und vielem mehr zeigen. Ängste und gegenseitige Vorurteile werden dadurch zementiert. Dies verstärkt das Bedürfnis zum Rückzug in eine vertraute, kulturelle Umgebung. Vorstrafen sind nicht selten das Ergebnis dieser Konflikte.

Ein Teufelskreis entsteht: nur selten schaffen die Jugendlichen den Ausstieg aus eigener Kraft. Wichtig ist hier, reale oder vermeintliche soziokulturelle und sprachliche Grenzen zu überwinden, gegenseitig voneinander zu lernen und die eigene Perspektive zu erweitern. Dabei werden zugleich Unterschiede respek-tiert, Gemeinsamkeiten entdeckt und neue Handlungskompetenzen erlernt.

Mit Hilfe von multimedialen Methoden haben Jugendliche die Chance sich auf verschiedene Weisen auszudrücken und sich und ihre kulturellen Lebenswelten zu präsentieren.