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Individualismus- Kollektivismus als Wertedimensionen der

2. Theorie

2.5 Kulturvergleichende Forschung

2.5.3 Individualismus- Kollektivismus als Wertedimensionen der

Bestandteile von Kultur und sind direkt beobachtbar.

Diese drei Ebenen beeinflussen sich jeweils reziprok. Die Grundannahmen als stabilster aber auch am schwierigsten zu beobachtender Anteil von Kultur beziehen sich im Modell von Schein (1990) auf die Ausprägung fundamentaler Werte.

Durch faktorenanalytische Auswertung konnte Hofstede (1980) diese 40 Länder anhand von vier Dimensionen klassifizieren:

• Machtdistanz

• Unsicherheitsvermeidung

• Maskulinität – Femininität

• Individualismus – Kollektivismus.

Unter „Machtdistanz“ wird das Ausmaß der Akzeptanz des ungleichen Machtverhältnisses zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter verstanden. Unterschieden wird zwischen eher hierarchischen und eher egalitären Gesellschaften. Die Dimension „Unsicherheitsvermei-dung“ bezeichnet den Grad, in dem unstrukturierte oder widersprüchliche Situationen toleriert werden. Die Differenzierung erfolgt zwischen eher rigiden und eher flexiblen Ge-sellschaften. „Maskulinität – Femininität“ gibt an, inwieweit geschlechtsstereotype Rollen-zuschreibungen in einer Gesellschaft existieren. Als eher maskulin zu kategorisierende Kulturen werden solche verstanden, die sich durch eine stärkere Differenzierung hinsicht-lich Geschlechterrollen auszeichnen, wohingegen eher feminin zu kategorisierende Kul-turen ihre Orientierung auf soziale Beziehungen und die Fürsorge gegenüber Schwächeren ausrichten.

Die für die vorliegende Arbeit zentrale Dimension ist die Differenzierung hinsichtlich in-dividualistischer und kollektivistischer Kulturen. Hofstede (1990) beschreibt diese wie folgt:

„Individualismus als der eine extreme Pol einer kontinuierlichen Dimension, mit Kollektivis-mus als dem anderen Pol, meint die Bevorzugung eines relativ lose zusammengehaltenen sozia-len Netzwerkes, in dem Individuen zunächst einmal nur für sich selbst und ihre nächsten Familienangehörigen sorgen, im Unterschied zum Kollektivismus, der für die Bevorzugung eines eng gekoppelten Netzwerkes steht, in dem Individuen emotional in Großfamilien, Clans oder anderen Mitgliedsgruppen integriert sind, die ihnen im Austausch für unbedingte Loyalität Schutz und meist lebenslange Fürsorge gewähren“ (Hofstede, 1990, S. 11-12).

Eine asiatische Forschergruppe (Chinese Culture Connection, 1987) wurde durch die Er-gebnisse von Hofstede (1990) zur Konzeption einer Untersuchung motiviert, bei der die sozialen Werte von Studierenden aus 23 Ländern, in ähnlicher Weise, wie Hofstede (1980) vorgegangen ist, analysiert wurden. Es zeigte sich trotz veränderter Stichprobe, anderer

Instrumente und dem späteren Untersuchungszeitpunkt eine außergewöhnliche Überein-stimmung beider Studien. Die Chinese Culture Connection (1987) ermittelte ebenfalls vier Dimensionen, wobei drei davon große konzeptionelle Ähnlichkeit mit Hofstedes Dimensi-onen „Machtdistanz“, „Maskulinität – Feniminität“, und „Individualismus – Kollektivis-mus“aufweisen. Anstelle der Dimension „Unsicherheitsvermeidung“ fanden die asiati-schen Forscher die Dimension „Confucian work dynamism“. Diese Dimension beschreibt das Ausmaß an Hingabe hinsichtlich Arbeitsethik und Respekt für Tradition.

Aufgrund des hohen Grades an Übereinstimmung zwischen den Befunden beider Unter-suchungen können die von Hofstede (1980) vorgeschlagenen Merkmale zur Unterschei-dung von Kulturen als geeignet angenommen werden. Zahlreiche Autoren überprüften und erweiterten Hofstedes Dimensionen (vgl. z.B. Hofstede & Bond, 1988; Kim, Park &

Suzuki, 1990). Am häufigsten fand seither wohl die Dimension Individualismus – Kollektivismus Beachtung. Unter Berücksichtigung der Annahme, dass Kulturen die Men-schen, die in ihnen sozialisiert werden, beeinflussen, stellt sich die Frage, worin sich die Mitglieder von individualistischen im Vergleich zu denen kollektivistischer Kulturen unterscheiden.

Individualistische Kulturen befinden sich vorwiegend in Nordamerika und Westeuropa.

Ihre Mitglieder zeichnen sich durch das Bestreben nach einem hohen Grad an persönlicher Freiheit aus. Der Individualismus ist gekennzeichnet von einer hohen Gewichtung persön-licher Interessen, der Wertschätzung von Unabhängigkeit und persönpersön-licher Entwicklung und Leistung. Werte wie Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung sind mit einer durchweg positiven Konnotation versehen. Das Leben ist geprägt durch das Streben nach Hedonismus und Selbstverwirklichung (Triandis, 1988). Das eigene Selbst wird eher als unabhängige Einheit betrachtet, wobei die Demonstration seiner Individualität nach außen durch die Gesellschaft als positiv bewertet wird. Nach einer Arbeitsdefinition von Triandis (1995) ist Individualismus ein aus lose verbundenen Individuen bestehendes soziales Mus-ter, dessen Mitglieder sich selbst als unabhängig ansehen. Sie sind vorrangig motiviert durch ihre persönlichen Vorlieben, Bedürfnisse, Rechte und Verträge, die sie geschlossen haben. Ihre persönlichen Ziele sind gegenüber denen anderer priorisiert. Rationale Analy-sen von Vorteilen und Nachteilen der Verbindung mit anderen werden nachdrücklich be-tont.

Kollektivistische Kulturen sind vornehmlich in Asien und Südamerika zu finden. Der

Kol-lektivismus ist gekennzeichnet durch eine stärkere Gewichtung von Gruppen- und Ge-sellschaftsinteressen. Die Wertschätzung gegenseitiger Abhängigkeit, emotionaler Nähe und gemeinsamer Leistung und Kooperation steht im Vordergrund. Das Individuum erlebt sich selbst als Bestandteil einer Gruppe, deren Handlungen durch soziale Werte und Er-wartungen gesteuert sind. Das Verhalten des Individuums wird stark vom jeweiligen Kon-text, in dem es sich befindet, bestimmt. Kollektivismus ist dementsprechend nach Triandis (1995) als soziales Muster zu verstehen, das aus eng verbundenen Individuen besteht. Sie verstehen sich selbst als Teil eines oder mehrerer Kollektive (z.B. Familie oder Kollegi-um). Vorrangig motiviert sind sie durch die Normen und Pflichten dieser Kollektive. Den Zielen der Kollektive wird gegenüber persönlichen Zielen Priorität eingeräumt und die Verbundenheit mit den Mitgliedern dieser Kollektive nachdrücklich betont.

Obwohl eine Vielzahl von Untersuchungen belegt, dass sich Mitglieder von individualis-tischen und kollektivisindividualis-tischen Kulturen hinsichtlich verschiedener psychologischer Dimen-sionen unterscheiden (vgl. z.B. Fiske et al. 1998), ist an diesem Konstrukt Kritik geübt worden. Hauptkritikpunkt ist hierbei, dass die bipolare Dimension zu unspezifisch sei, um Kulturen zu beschreiben.

Das eindimensionale Konstrukt wurde deshalb zu einem multidimensionalen dadurch er-weitert, dass zwischen kulturellen und individuellen Ebenen unterschieden wird. Auf die-sen Ebenen sind Ausprägungsformen vom Situationskontext und den jeweiligen Ziel-gruppen –z.B. Eltern, Partner, Freunde oder Arbeitskollegen– abhängig (vgl. z.B. Hui, 1988; Kim, 1994). Auf der Individuellen Ebene ist diese Dimension insbesondere für Per-sönlichkeitseigenschaften und das Selbstkonzept von Bedeutung. Triandis (1995) differen-ziert zwischen dem Ideozentrismus als individualistische Persönlichkeitsausprägung und Allozentrismus als kollektivistische Persönlichkeitsausprägung. Der Allozentrismus ist durch enge Beziehungen des Individuums zur jeweiligen Zielgruppe, die Repräsentationen sozialer Kontexte, soziale Rollen und Gruppenmitgliedschaften geprägt. Entsprechend dem Ideozentrismus betrachtet sich das Individuum eher als getrennt und verschieden von ande-ren Menschen. Im Wesentlichen definiert es sich durch seine einzigartigen Eigenschaften, die an spezielle Fähigkeiten und persönliche Einstellungen geknüpft sind.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass auf die Gruppe hin orientierte Gesellschaften, wie die ostasiatischen (bspw. die chinesische Gesellschaft), als kollektivistisch zu bezeichnen

sind. Die nordamerikanisch und westeuropäisch beeinflussten Gesellschaften, wie z.B. die Deutschlands, gelten als stärker individualistisch orientiert. Um die Frage nach der kultur-spezifischen Auswirkungen auf das Denken, Fühlen und Handeln des Individuums an-gemessen beantworten zu können, wird im nachfolgenden Abschnitt zunächst ein Erklä-rungsansatz der historischen Entwicklung beider Kulturkreise beschrieben. Dieser mündet schließlich in eine kulturspezifische Differenzierung hinsichtlich der Bedingtheit verschie-dener kognitiver Prozesse.