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2. Theorie

2.3 Teamarbeit und Teamleistung im OP

2.3.6 Beurteilung der Teamleistung im OP

beurteilt, also danach welche Ergebnisse sie erzielen, d.h. ob ein Produktionssoll erfüllt, ein Spiel gewonnen oder ein Leben gerettet ist. Die reine Messung dieses „Outcomes“ be-inhaltet jedoch, wie bei der Erfüllung von Aufgaben üblich, oft einen Varianzanteil, der unabhängig von den Teamfaktoren ist. Die Beurteilung der Teamleistung allein anhand des

„Outcomes“ bietet somit wenig Erkenntniswert, wenn man zum Ziel hat, die Leistung eines Teams durch Maßnahmen, wie z.B. Training oder gezielte Verbesserung des Equipments, zu verbessern. Die bloße Frage danach, wie effizient ein Team arbeitet, lässt sich auch nicht damit beantworten, dass es effektiv arbeitet. Die entscheidenden, die Leistung des Teams beeinflussenden Faktoren, bleiben in der Regel unentdeckt, was zur Folge hat, dass der erhoffte Erfolg getroffener Maßnahmen oftmals ausbleibt. Es ist zu vermuten, dass diese Faktoren in Verbindung mit der Zufriedenheit der Mitglieder zu suchen sind, Zu-friedenheit, die sowohl aus positivem Affekt über das gemeinsame Erreichen organisa-tionaler Ziele oder von Teamzielen resultiert, als auch positiv durch Motivationsstrukturen der Organisation beeinflusst werden kann. Diese Zufriedenheit könnte sich in Vertrauen äußern.

McGrath (1986) wie auch Baker & Salas (1997) stellten Anforderungen an die Unter-suchung und Messung von Teamleistung auf, die sich damit zusammenfassen lassen, dass die Messung zu reliablen und validen Ergebnissen führen müsse. Differenziert wird hierbei zwischen methodologischen, konzeptuellen und substanziellen Anforderungen.

Die methodologischen Anforderungen gehen davon aus, dass die Grundlage aller Be-mühungen eine theoretische Fundierung sein müsse, die Verhaltens-, Kognitions- und Ein-stellungsmessung ermöglicht. Damit Daten hoher Qualität zur Prüfung der theoretischen Modelle erzeugt werden können, müssen die Instrumente zur Datenerhebung speziell für die konkrete Situation entwickelt werden. Die Messungen sollten auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt sein.

Die konzeptionellen Anforderungen sind einerseits die Unterscheidung von Gruppen als intakte soziale Systeme und andererseits die Differenzierung zwischen verschiedenen Gruppen- und Aufgabentypen. Als grundlegender Ansatz soll ein systemisches Vorgehen gewählt werden, welches den Schwerpunkt der Betrachtung auf unterschiedliche Aspekte der Teamleistung verteilt.

Die substanziellen Anforderungen beschreiben auf einer abstrakten Ebene, wie die

rele-vanten Phänomene des Untersuchungsgegenstandes erforscht werden können. Teams, die als soziale Systeme in Organisationen wahrgenommen werden, interagieren mit ihrer Um-gebung. Hieraus resultiert, dass Teams in einer Weise betrachtet werden müssen, die er-möglicht, das Teamverhalten auch in Bezug auf die Umwelt des Teams zu verstehen. Die zeitlichen Strukturen vom Team und seiner Umwelt müssen somit im Kontext betrachtet und das Konzept des Gruppenprozesses eingehend untersucht werden.

Bei Leistungsbeurteilungsverfahren handelt es sich um methodische Hilfsmittel, die auf der Basis einer strukturierten Beobachtung eine Leistungserfassung ermöglichen. Dies ist zur Beurteilung der Teamleistung im OP deshalb notwendig, weil geeignete Außen-kriterien bislang fehlen. Der „Outcome“ kann nicht allein als Kriterium zur Beurteilung der Leistung eines OP-Teams herangezogen werden. Allein die Frage, was Kriterien eines guten „Outcomes“ sind, ist bislang nicht zu klären. Da umgekehrt nicht jeder Fehler in der medizinischen Versorgung zwangsläufig zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung des Patienten führen muss, kann ebenso der Umkehrschluss gelten, dass Patienten auch bei Operationen, die optimal verlaufen, gesundheitliche Schäden davontragen können. Es ist eine unüberschaubare Anzahl latenter Moderatorvariablen am Operationsprozess beteiligt, die sich, im Rahmen des rekursiven Prozesses, der Beobachtung entziehen und in einem ausgesprochen hohen Ausmaße variieren. Hierbei handelt es sich z.B. um spezifische physische Eigenschaften des Patienten (unerkannte Erkrankungen wie z.B. Allergien, usw.), potentielle Einflüsse von außerhalb (z.B. resistente Krankheitserreger oder unbe-kannte Wechselwirkungen von Medikamenten) oder unerwartet hohes Operationsaufkom-men im Katastrophenfall oder bei Epidemien. Derzeit fehlt es aus wissenschaftlicher Sicht noch an einem konkreten Bezugssystem, das es ermöglicht, die Teamleistung im OP direkt mit der Güte eines, ebenfalls noch näher zu definierenden, „Outcomes“ in Relation zu setzen. Bislang existieren lediglich Leistungsbeurteilungsverfahren, die eine Einschätzung über die Beobachtung a priori als positiv festgelegter Verhaltensbeispiele ermöglichen. Die Ergebnisse empirischer Untersuchungen der Gruppenleistung konnten bislang Nachweise erbringen, dass Variablen wie die Führung von Gruppen, die Gruppengröße und Gruppen-zusammensetzung, sowie Kohäsion, Kommunikation und Koordination jeweils Einfluss auf die Gruppenleistung ausüben (Goodman, 1987). Von Brannick & Prince (1997) wer-den speziell für die Luftfahrt Variablen benannt, die eine deutliche Ähnlichkeit zu wer-denen von Goodman (1987) aufweisen: Anpassungsfähigkeit, Entscheidungsfindung, Feedback, Führung, Kommunikation und ein gemeinsames Situationsverständnis (team situation

awareness). Beim derzeitigen Stand der Forschung ist jedoch festzustellen, dass die genannten Konzepte sowohl hinsichtlich ihrer Erklärungsfunktion als auch deren konzep-tionellen Güte mit wachsender Komplexität der Arbeitsprozesse stark abnehmen. An-forderung an die Forschung sollte deshalb sein, die Konzepte stärker voneinander abzu-grenzen und neue Faktoren aufzudecken, welche die Teamleistung beeinflussen.

Die Informationssammlung über das Leistungsverhalten wird, über einen festgelegten Zeitraum hinweg, formalisiert vorgenommen und sollte getrennt von der Beurteilung der gesammelten Informationen durchgeführt werden. Die Beurteilung erfolgt standardisiert entlang a priori festgelegter Dimensionen. Nach Schuler (1991) wird zwischen verschie-denen Verfahren zur Leistungsbeurteilung anhand der Darstellungsform der resultierenden Leistungsurteile differenziert. Demnach unterscheidet man zwischen: der freien Eindrucks-schilderung, Einstufungsverfahren, Auswahl- und Kennzeichnungsverfahren, Rangord-nungsverfahren und Zielsetzungsverfahren.

Im klinisch-medizinischen Bereich gibt es, im Gegensatz zur Luftfahrt, keine Verpflich-tung zur LeisVerpflich-tungsbewerVerpflich-tung von Mitarbeitern. Die Datenbeschaffung zur Validierung von Trainingsmethoden stellt deshalb ein logistisches Problem dar (Pizzi et al., 2001).

Basierend auf der Annahme von Gemeinsamkeiten zwischen den Arbeitssettings in der Luftfahrt und im OP, wurden Methoden zur Leistungsbewertung aus der Luftfahrt in der medizinischen Anwendung getestet und evaluiert (Gaba, Howard & Fish, 1994, Fletcher et al. 2003 und Human Factors Gruppe, 1997). Im folgenden werden die drei gängigsten Verfahren kurz vergleichend vorgestellt. Alle derzeit bekannten Verfahren basieren auf der Methode der „behavioural markers“ (Flin & Martin, 1998). Hierunter werden Verhaltens-merkmale verstanden, deren Beobachtung als Indikatoren für erfolgskritisches Verhalten im Sinne positiver Beispiele für sicheres Handelns gewertet wird. Die „behavioural markers“ werden als Indikatoren zur Beurteilung der Interaktionsprozesse im Team ein-gesetzt, die als bedeutsam bei der Erzeugung und Aufrechterhaltung eines geteilten aktuel-len Situationsbewusstseins angesehen werden. Dieses aktuelle Situationsverständnis, das durch die Teammitglieder geteilt wird, gilt als Voraussetzung für sicheres Teamhandeln.

Der Ansatz der „behavioural markers“ wurde im Rahmen des CRM der Luftfahrt ent-wickelt (vgl. Abschnitt 2.2). Diese Methode wurde inzwischen zur Beurteilung der Lei-stung von Mitgliedern von OP-Teams, vorwiegend für Anästhesisten, modifiziert.

Gaba, Howard & Fish (1994) bieten z.B. Simulatortrainingskurse unter dem Namen

„Anesthesia Crisis Resource Management“ (ACRM) an. Diese Kurse basieren auf den Prinzipien des CRM und stellen eine Modifikation des Konzeptes der LOS-Checklist (Line Operations Safety Checklist) aus der Luftfahrt dar. Neben medizinisch-technischen Aspekten wird auch das kommunikations- und koordinationsspezifische Verhalten von Anästhesisten in kritischen Situation unter Leistungsaspekten ermittelt. Allerdings werden beim ACRM nur Anästhesisten beurteilt und trainiert, weshalb Gaba et al. (2001) ihre Maßnahmen auch als Crewtrainings bezeichnen. Eine Crew ist demzufolge definiert als ein Team, dass aus mehreren Vertretern einer Disziplin besteht. Bei dieser Methode wird also die Gesamtleistung einer Crew bewertet, wofür ein Beobachtungsinstrument unter Ver-wendung fünfstufiger Ordinalskalen benutzt wird.

Eine zweite Bewertungsmethode baut auf dem vom CRM bekannten „Behavioural-Marker-System“ NOTECHS (Non-Technical Skills) auf. Dieses System wird Anaesthetists’

Non-Technical Skills (ANTS) genannt und zur Bewertung der nichttechnischen Fähig-keiten von Anästhesisten verwendet (vgl. Fletcher et al., 2003).

Am Kantonsspital Basel wurde mit KOMSTAT (Kommunikationsstatus) ein Beobach-tungsinstrument zur Bewertung der Leistung kompletter OP-Teams während realer Operationen entwickelt. KOMSTAT wurde in Zusammenarbeit mit der SWISSAIR von der ORCL (Operating room checklist) abgeleitet, die ihrerseits auf LOS-Checklist Items basiert (vgl. Helmreich, Schaefer & Sexton, 1995). KOMSTAT besteht aus 15 Team-Leistungs-Indikatoren (TLI), die während einer Operation bewertet werden (Human Factors Gruppe, 1997). Die TLI sind in drei Gruppen unterteilt (vgl. Tabelle 2.1). Die Beurteilung erfolgt auf einer vierstufigen Ordinalskala. Eine ausführliche Beschreibung der TLI findet sich im KOMSTAT- Observation- Manual (Human Factors Gruppe, 1997).

Tab. 2.1: Teamleistungsindikatoren des Beobachtungsinstruments KOMSTAT – Vers. 2.0 nach Dimensionen (nach Human Factors Gruppe, 1997)

Dimensionen Teamleistungsindikatoren

Teambelange Teambildung

Briefing Teampflege Teamführung Teaching

Entscheidungsfindung und Kommunikation Entscheiden

Mitteilung und Fragen Quittieren

Persistenz Rückmeldung

Management der Arbeitssituation Arbeitsverteilung

Hilfeleistung Antizipation Prioritäten

Aufmerksamkeit und Übersicht