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3.4. Inanspruchnahmeverhalten

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Interviewer: Gibt es überhaupt Vertrauen zu Ärzten?

M21: Oj (seufzt gedehnt) Ich will sie ihnen nicht Unrecht tun, aber ich sage „schlechte Erfahrung“ und (.) Ich zweifele irgendwie, ich zweifele. Ich will sie nicht beleidigen. Sie sind vielleicht. Sie sind wirklich, sie lernen und ich weiß, wie man hier Prüfungen ablegt, alles. Aber sie sind irgendwie kaltblutig (!) Kaltblutig (!) Du fühlst nicht, dass du für sie

„wichtig“ bist.

Interviewer: Fehlt ihnen die Menschlichkeit? Oder was meinen Sie mit kaltblutig?

M21: Ich würde es nicht so sagen. Sie sind ja freundlich und alles, ja. Aber irgendetwas fehlt bei ihnen trotzdem. Irgendwas fehlt.“ M21 - § 85 - 88

3.3.5. Fazit

Zusammenfassend konnte gesagt werden, dass die Hauptschwierigkeit im Arzt-Patientenkontakt bei Patienten mit Migrationshintergrund in der sprachlichen Barriere lag. Präziser ausgedrückt war es die Fähigkeit des Patienten, dem Arzt die eigenen Probleme zu schildern. Der umgekehrte Fall, dass Patienten ihren Arzt nicht verstehen würden, wurde in den Interviews nicht genannt. In beiden Patientengruppen wurde angegeben, dass in diesem Fall immer die Möglichkeit zur Nachfrage gegeben sei. Die weiteren Problemfälle, wie die mangelnde Bereitschaft des Arztes, die vom Patient gewünschten Mittel zu verschreiben oder der Zeitdruck in der Konsultation, waren in den Aussagen beider Patientengruppen anzutreffen und konnten deshalb nicht als Unterscheidungsmerkmal herangezogen werden. Den Mangel an persönlicher Zuwendung und Beziehung zum Arzt erwähnten jedoch nur Teilnehmer aus der Migrantengruppe, in der deutschen Gruppe wurde die Beziehung in den allermeisten Fällen als komplikationslos beschrieben.

41 3.4.1. Häufigkeit der Arztbesuche

Die getätigten Aussagen zur Häufigkeit des Arztbesuches wurden in konkrete Zahlen umgerechnet. Wenn ein Patient beispielsweise angab, jedes Quartal einmal seinen Arzt aufzusuchen entsprach das einer Anzahl von vier Arztkontakten/Jahr. Diese Daten wurden dann rein quantitativ ausgewertet und so ergab sich als durchschnittlicher Wert sowohl bei den Migranten, als auch bei den Deutschen eine Häufigkeit von sieben Arztkonsultationen pro Jahr. Dabei reichten die Aussagen von

„Alle drei Jahre, fünf Jahre. Drei bis fünf Jahre“ D17 - § 34

bis hin zu

„Ich geh alle 14 Tage ins Labor“ D2 - § 28

was in etwa 25 Kontakten im Jahr entsprechen würde.

3.4.2. Anlass der Arztbesuche

Genau so vielfältig wie die einzelnen Konsultationshäufigkeiten waren auch die Anlässe für einen Arztbesuch.

„Interviewer: Aufgrund welcher Beschwerden gehen Sie gewöhnlich zu Ihrem Arzt?

M7: Oh, wegen allem. (lacht) Zum einen gehe gewöhnlich zu den Kontrollen, vot, ich gebe Blut für die Kontrolle ab alle drei Monate“ M7 - § 285 - 286

Die häufigsten genannten Gründe wurden im obigen Zitat genannt. Da die Patienten alle chronisch erkrankt waren, waren dies Kontrolluntersuchungen, vorwiegend der Gerinnungsparameter, Blutdruckwerte oder Blutzuckerwerte. Diese Kontrollen waren oft kombiniert in Programmen, wie dem DMP (Disease Management Programm) und fanden einmal pro Quartal statt.

42 Zusätzliche häufig genannte Anlässe waren akute Erkrankungen wie Erkältungen, wobei da die Toleranzgrenze des einzelnen Patienten – wie bei der Anzahl der Arztbesuche pro Jahr – sehr weit gestreut war.

„[…] bei Erkältung, sofort, weil das kann noch schlimmer werden, das kann Komplikationen geben, das darf man nicht verschleppen, ich muss auf mich aufpassen“

M7 - § 326

„Also, was an mir liegt muss man sich persönlich auch mit den Gegebenheiten arrangieren und muss von sich aus auch wirklich, ehm, Ärzte objektiv wahrnehmen und wirklich mit Krankheit da hingehen und nicht mit leichten Alltagsbeschwerden“ D13 - § 46

Da die persönliche Schwelle, ab wann ein Arzt aufgesucht wurde – wie schon erwähnt – weit gestreut war, gab es in beiden Patientengruppen auch Aussagen von Patienten, die immer erst im letzten Moment zu ihrem Hausarzt gingen. Im direkten Vergleich beider Gruppen fand dieses Verhalten allerdings bei den Migranten öfter Erwähnung.

„Aber so, gehe ich sehr selten hin, bis es zum Äußersten kommt, bis ich nicht hinfalle, bis ich die Hände hochhebe (sich ergeben) (lacht) dann geh ich hin“ M25 - § 37

Des Weiteren war in beiden Gruppen das Verschreiben von Medikamenten als ein zusätzlicher Grund genannt warum Patienten ihren Hausarzt aufsuchen.

„[…] da brauchte ich in dem Sinn keinen Hausarzt, es sei denn zum Medikamenten schreiben“ D12 - § 20

Der Punkt, an dem sich die Ausführungen der Patienten betreffend der Anlässe für Arztbesuche am stärksten unterschieden, war die Möglichkeit der Überweisung durch den Hausarzt zu Fachärzten. Aussagen dazu wurden in der Gruppe der Deutschen nur von einem Patienten getätigt, in der Gruppe der Migranten indessen sprachen sechs Patienten die Möglichkeit an, sich von dem Hausarzt auch direkt überweisen zu lassen und ihn nur als eine Art Durchgangsstation zu nutzen.

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„Interviewer: Aha, ich habe ein wenig den Eindruck, dass der Hausarzt irgendwie eher der Orientierung dient. Nicht so, dass er tatsächlich, wie ein Arzt, der dich behandelt, der dir etwas verschreiben kann, dich irgendwo hin weiter überweisen kann

M8: Ja. Also: Er ist für mich nicht die letzte Instanz. Nicht unbedingt.

Interviewer: Znatschit, das ist eher so eine Transit-Station (?), dass du weiter kannst,

M8: Nu ich denke, dass es so in etwa auch gedacht ist. Scheinbar haben die das so erdacht.“ M8 - § 343 - 346

3.4.3. Fazit

Zusammengenommen zeigte sich beim Thema der Inanspruchnahme des Hausarztes eine breite Streuung der Aussagen. Nicht nur was die Häufigkeit der Arztkonsultationen anging, sondern auch welche Schwere einer Erkrankung vorliegen musste, damit die Patienten ihren Arzt aufsuchten. Im Schnitt sahen die Patienten beider Gruppen ihre Ärzte in etwa gleich oft im Jahr, in der Gruppe der Migranten wurde aber öfter angegeben, erst im äußersten Notfall zum Arzt zu gehen. Die häufigsten genannten Anlässe für Arztbesuche waren Kontrolluntersuchungen und die Verschreibung von Medikamenten.

Die gezielte Frage nach Überweisungen zum Facharzt wurde bei den Migranten wiederholt erwähnt.