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3.6. Compliance

48 3.5.5. Fazit

Letztendlich ließ sich sagen, dass, bis auf den Punkt der Sprachbarriere, die Gründe, aus denen ein Arztwechsel getätigt wird in beiden Patientengruppen die gleichen waren. Sie gliederten sich grob in Gründe, die durch externe Umstände bedingt waren, wie Ortswechsel oder Praxisschließung und in interne Gründe, die im Arzt-Patienten-Verhältnis zu finden waren. Auffällig im Vergleich der Patientengruppen waren an sich also nicht die Gründe, aus welchen der Arzt gewechselt wurde, sondern die unterschiedliche Häufigkeit wie häufig „äußere“ oder „innere“ Argumente eine Rolle spielten.

Abbildung Nr. 5: Gründe für Arztwechsel

49 Aussage fast alle Patienten (20 von 22), auf Seiten der Migranten ließen die Aussagen nur bei zwölf von 22 Patienten eine gute bis sehr gute Compliance vermuten.

„Aber wenn ich dann mit so was auch hingehe und sie der Ansicht ist, dass etwas anderes besser wäre, dann sagt sie das auch. Und dann begründet sie es und dann sage ich "Ok, dann machen wir das.".“ D24 - § 54

„Nun weil wenn du zum Arzt gehst, glaubst du ihm bedingungslos. Ich zum Beispiel, woher soll ich wissen, was und wie. Natürlich gehe ich hin und frage und wie er das empfiehlt, so mache ich das.“ M23 - § 174

Wenn die Teilnehmer zusätzliche Aussagen machten, woraus diese Compliance resultierte, wurde angegeben, dass der Arzt den Patienten überzeuge und deshalb seinem Urteil vertraut werde.

„Also ich möchte schon verstehen, was ich da machen muss oder was ich einnehmen muss oder warum ich es einnehmen muss, ehm, genau den Anspruch habe ich schon, aber das erklärt er mir auch.“ D20 - § 30

„Wir haben uns zusammen beraten und haben so entschieden“ M1 - § 265

Von einem einzelnen Patienten der Gruppe der Migranten wurde die Form der

„Compliance durch den Krankheitsverlauf“ angesprochen. Damit ist gemeint, dass letztendlich nur der dramatische Verlauf der eigenen Erkrankung zur Einsicht führte, dass die Ratschläge des Arztes doch notwendig waren.

„[…] die Ärzte haben gesagt: "Gib das Rauchen auf." Ich hab geraucht! Mir haben 2 Packungen am Tag nicht gereicht. "Ah, geben Sie das Rauchen auf […] Dann wot, als das mit dem Herzen passiert ist, wsö, ich lag fast einen Monat auf der Intensivstation und hab irgendwie unbemerkt mit dem Rauchen aufgehört“ M10 - § 249

3.6.1. Medikamenteneinnahme

Am Beispiel der Medikamenteneinnahme wurde zusätzlich verdeutlicht, wie stark die Patienten die Anweisungen ihres Arztes befolgten. Dort ließen sich noch mal zwei

50 Gruppen der Aussagen unterscheiden, nämlich zum einen die Patienten, die die Medikamente einnahmen, weil sie von deren Notwendigkeit überzeugt waren -,

„Also ich lese die Beipackzettel durch, manchmal wird mir schwindelig davon, aber es nützt mich ja nichts, ich muss sie ja einnehmen“ D11 - § 20

Interviewer: Aber was zum Beispiel die Tabletten betrifft, die nehmen Sie regelmäßig?

M6: Ja. Das ist bei mir (,) das verstehe ich ausgezeichnet, dass es nicht für irgendwen, sondern für mich ist. Ich nachdem, was ich erlebt habe, will ich so was nicht mehr (,)“ M6 - § 233 - 234

zum anderen die Patientengruppe, die Medikamente nahmen, weil sie ihrem Arzt Vertrauen entgegen brachten und der ihnen die Medikamente verschrieben hatte.

„[…] ich hab da so ein, wie soll ich sagen, so ein Urvertrauen halt, der war mir auch sympathisch und da hab ich gespürt, da bewegt sich was zwischen uns und da hab ich dann nicht oder da frage ich dann nicht nach. Erstens verstehe ich den ganzen Zink nicht, der da auf dem Beipackzettel steht und da steht ja so viel drauf“ D12 - § 24

Ausschließlich in der Gruppe der Migranten wurde eine völlig fehlende Compliance in puncto Medikamenteneinnahme beschrieben. Dort gab es zwei Patienten, die keinerlei Medikamente nahmen, bzw. auch fest verordnete Medikation nur als Bedarfsmedikation nach eigenem Ermessen nahmen.

„Interviewer: Wenn Sie merken, dass es Ihnen schlecht geht, dann nehmen Sie sie (?) M17: Ja. Ja, ja, ja, ja, ja.

Interviewer: Und wie empfiehlt das die Ärztin?

M17: Sie empfiehlt, man solle sie ständig nehmen. Sie merkt, dass ich lange mir keine Tabletten habe verschreiben lassen, wenn ich zu ihr komme, wenn es mir wieder ganz schlecht geht, sagt sie "Sie nehmen die Tabletten wieder nicht, tuda-syuda, oj, muss man, Frau M17, muss man doch nehmen, muss man regelmäßig nehmen"...

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Interviewer: Wenn man so hört, haben sie doch irgendwelches Gefühl, auf Grund dessen Sie so machen (?)

M17: Ich(,) Weil, verstehst du, wenn ich die Nebenwirkungen lese(,) Wot ich nur deswegen. Nicht, weil sie es mir nicht richtig verschreibt, sie verschreibt es richtig und alles. Sondern, wenn ich die Nebenwirkungen lese, dann möchte ich diese Tabletten nicht mehr nehmen.“ M17 - § 127 - 132

3.6.2. Verhaltensänderung

Mangelhafte Compliance wurde hauptsächlich in Bezug auf Vorschläge zur Verhaltensänderung berichtet. Insbesondere Diabetespatienten gaben zu, dass sie da die Ratschläge des Arztes nicht immer befolgen würden.

„Gut, das mit dem, mit dem Diabetes das ist nicht immer machbar, man (.) tut auch mal in Anführungsstrichen ein bisschen "sündigen" mit Kuchen, wie es sich halt ergibt, aber normal die Regel tu ich mich schon halten.“ D5 - § 20

„M6: […] aber ich bin sündig, alle sind sündig. Manchmal habe ich Lust auf etwas Süßes (.) Manchmal schlage ich übermäßig zu. Es verdreht sich im Inneren wie bei einem Süchtigen, vot, du möchtest etwas Süßes (,)

Interviewer: Das ist das Hauptproblem, dass Sie etwas Süßes möchten?

M6: Nu, am Gewicht muss man (,) "abnehmen". Ich vergesse schon das russische. Du musst abnehmen, ich verstehe das ausgezeichnet, dass alles überflüssig ist, ich muss 30 kg abnehmen. Aber (,) wie man sagt, der Magen nimmt das nicht an, das Gehirn versteht es, aber der Magen möchte es nicht.“ M6 - § 228 - 230

Auch eine grundlegende Skepsis gegenüber den Ratschlägen des Arztes konnte sowohl bei den Deutschen, als auch bei den Migranten erfasst werden.

„Ehm, man, man kann sich das anhören, vom Arzt, man muss das aber selber ausprobieren, ja. (..)“ D9 - § 30

„Wir sind selber gute Ärzte.“ M11 - § 308

52 3.6.3. Fazit

Zusammenfassend blieb festzuhalten, dass in beiden Patientengruppen der Anteil der Patienten mit guter Compliance gegenüber den Patienten mit mangelhafter Compliance überwog. Jedoch war dieser Anteil bei den Deutschen höher als bei den Migranten.

Abbildung 6: Compliance

Fehlende Compliance war zum einen auf mangelnde Disziplin im Bereich der Verhaltensänderungen oder zum anderen auf eine Skepsis gegenüber den ärztlichen Ratschlägen zurückzuführen. Dieser Mangel an Compliance war auch in beiden Patientengruppen zu finden, bei den Migranten aber stärker ausgeprägt. Während bei den Deutschen nur jedem zehnten Patienten mangelnde Compliance bescheinigt werden konnte, war es bei den Migranten fast die Hälfte der Patienten, die den Ratschlägen ihrer Ärzte skeptisch gegenüber standen. Die ausgeprägteste Form dieser fehlenden Compliance, die Zuwiderhandlung gegen ärztliche Verordnungen auf Grund von Ängsten vor den Nebenwirkungen von Medikamenten wurde ausschließlich in der Gruppe der Migranten beschrieben.

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Migranten:

Deutsche:

gut mangelhaft

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