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6.3 Strukturelle Analyse der V3-Peptide

6.3.1 In-silico-Strukturanalyse

Abbildung 34: In-silico-Struktur von P3 a) zu Beginn und b) nach Ende einer 2 ns dauernden MD-Simulation in der Crossed-eye-Darstellung. Das Peptid ist als Stäbchenmodell und Wasserstoffbrückenbindungen sind gestrichelt violett dargestellt. Die Endstruktur ist deutlich schmaler und verdrillter als die Startstruktur.

Die Struktur des Chitobiosyl-V3-Peptids P4 (Abbildung 35) verhielt sich während der Simulation ähnlich wie die von P3. Die Startstruktur hat sich während der Simulation leicht verdrillt. Die Weite hat sich jedoch nur wenig verändert, der loop nimmt während der Simulation nur eine minimal schmalere Konformation ein. Der Abstand der Cα-Atome der Aminosäuren N300 und I322 lag zu Beginn bei 13.8 Å und ist am Ende der Simulation mit 12.2 Å eventuell noch im Rahmen der Standardabweichung. Die Chitobiose zeigte fast über die gesamte Dauer nicht zum Peptid. Lediglich die N-Acetylgruppe des ersten N-Acetylglucosamins (GlcNAc) bildete zwischenzeitlich eine Wasserstoffbrückenbindung zur Carbonylgruppe des Rückgrats von N301 aus. Eine weitere Wasserstoffbrücke bildete sich im Laufe der Simulation zwischen R304 und S02 aus, die sich in der Spitze des loops gegenüber liegen. Dieser Kontakt trägt demnach vermutlich zur minimal schmaleren Struktur des Peptids zum Ende der Simulation bei (Abbildung 35b).

a)

b)

Abbildung 35: In-silico-Struktur von P4 a) zu Beginn und b) nach Ende einer 2 ns dauernden MD-Simulation in der Crossed-eye-Darstellung. Das Peptid ist als Stäbchenmodell und Wasserstoffbrückenbindungen sind gestrichelt violett dargestellt. Die Struktur am Ende der Simulation ist leicht schmaler und verdrillter als die Startstruktur. Die Chitobiose zeigt während der Simulation vom Peptid weg.

Auch das Nonasaccharid-V3-Peptid entwickelte sich von einer anfangs weiten, offenen Struktur zu einer schmaleren Struktur am Ende der MD-Simulation (Abbildung 36). Der Abstand der Cα-Atome der Aminosäuren N300 und I322 betrug zu Beginn 15.4 Å und verringerte sich auf 10.3 Å. Der Verdrillungsgrad ist hingegen geringer als bei den anderen beiden Peptidstrukturen. Vermutlich behindert das sterisch anspruchsvolle Glycan eine stärkere Verdrillung. Das Saccharid bewegt sich im Laufe der Simulation in Richtung Peptid und interagiert mit den Aminosäuren. In der Endstruktur liegt z.B. eine Wasserstoffbrücke zwischen der N-Acetylgruppe des zweiten GlcNAcs und der Seitenkette von N300 vor.

a)

b)

Abbildung 36: In-silico-Struktur des Nonasaccharid-V3-Peptids a) zu Beginn und b) nach Ende einer 2 ns dauernden MD-Simulation in der Crossed-eye-Darstellung. Das Peptid ist als Stäbchenmodell und Wasserstoffbrückenbindungen sind gestrichelt violett dargestellt.

Die endständige Galactose der 1,6-verknüpften Antenne zeigt während der Simulation Wechselwirkungen mit verschiedenen Aminosäuren. Die 1,3-verknüpfte Antenne des Glycans zeigt durchgehend in eine andere Richtung als das Peptid.

Die mittlere quadratische Abweichung (root-mean-square deviation, RMSD) ist ein Maß dafür, wie sehr die Position bestimmter Atome zu einem bestimmten Zeitpunkt der Simulation von einer gegebenen Struktur abweichen. Die RMSD-Werte aller drei V3-Peptide wurden in Bezug auf die jeweilige Startstruktur (frame 0) gegen den Verlauf der MD-Simulation aufgetragen (Abbildung 37a). Eine Stabilisierung des RMSD deutet auf das Erreichen eines Gleichgewichtszustandes hin, welcher für das Rückgrat aller drei Peptide erreicht wird. Der RMSD der Seitenketten des unglycosylierten V3-Peptids schwankt stärker als bei den beiden Glycopeptiden. Möglicherweise hängt das mit der fehlenden Glycosylierung zusammen, die eventuell eine stabilisierende Wirkung auf die Struktur

a)

b)

ausübt. Die stärkste Veränderung im Vergleich zur Startstruktur weist das Chitobiosylpeptid mit etwa 6 Å auf. Vermutlich liegt das an der starken Verdrillung, die das Peptid erfährt (s.

Abbildung 35).

Die Fluktuation des RMSD (root-mean-square fluctuation, RMSF) der einzelnen Aminosäuren (Abbildung 37b) gibt Auskunft über besonders variable Bereiche der Peptide. Die beweglichen Seitenketten zeigen erwartungsgemäß eine etwas höhere Fluktuation als das Peptidrückgrat. Das unglycosylierte und das Nonasaccharid-Peptid weisen sowohl für die Seitenketten als auch für das Rückgrat einen ähnlichen Verlauf auf. Das Chitobiosylpeptid fällt hingegen mit stärkeren Fluktuationen der Aminosäuren N302 und T303 bzw. A317 und T318 auf. Diese vier Aminosäuren wechseln im Verlauf der Simulation sehr häufig zwischen ihren Interaktionspartnern hin und her.

Abbildung 37: Auftragung der RMSD- und RMSF-Werte der Seitenketten sowie der Rückgrate der drei verschiedenen V3-Peptide (unglycosyliert, mit Chitobiose bzw. Nonasaccharid). a) Zeitlicher Verlauf des RMSD über die Dauer der MD-Simulationen. Die Stabilisierung des RMSD spricht für das Erreichen eines Gleichgewichtszustands. Das Chitobiosylpeptid verändert seine Konformation im Laufe der Simulation stärker als die anderen beiden Peptide b) Auftragung der Fluktuation des RMSD (RMSF) gegen die einzelnen Aminosäuren; das statt der PND eingefügte PS-Motiv ist mit 01 und 02 nummeriert. Das Chitobiosylpeptid weist variablere Bereiche auf als die beiden anderen Peptide.

0 1 2 3 4 5 6 7 8

0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600

RMSD]

frame Seitenkette

Unglycosyliert Chitobiose Nonasaccharid

0 1 2 3 4 5 6 7 8

0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600

RMSD [Å]

frame Rückgrat

Unglycosyliert Chitobiose Nonasaccharid

0 1 2 3 4 5 6

296 299 302 305 02 318 321 324 327 330

RMSF [Å]

Aminosäure-Position

Seitenkette Unglycosyliert Chitobiose Nonasaccharid

0 1 2 3 4 5 6

296 299 302 305 02 318 321 324 327 330

RMSF [Å]

Aminosäure-Position

Rückgrat Unglycosyliert

Chitobiose Nonasaccharid

a)

b)

Um die MD-Simulationen noch genauer auszuwerten, wurden 18 zufällig gewählte Abstände im unglycosylierten Peptid und 21 in den beiden glycosylierten Peptiden von gegenüber liegenden Aminosäuren und/oder Kohlenhydraten ausgewählt. Bei den Abständen handelte es sich um Schweratom-Abstände - vornehmlich zwischen den jeweiligen Cα-Atomen - deren Verlauf gegen die Zeit der Simulation aufgetragen wurde. Aminosäuren und Kohlenhydrate deren Schweratom-Abstände unter 10 Å lagen wurden auf sämtliche Protonenabstände untersucht. Bei mehreren Protonen pro Schweratom (z.B. geminale Hβ) wurde zunächst nur jeweils eines der Protonen auf mögliche Kontakte zu anderen Protonen analysiert. Da im NOESY-Spektrum Abstände bis ca. 5 Å detektiert werden können, wurden alle Protonenabstände ausgewählt, die bei maximal 5 Å lagen und somit möglicherweise experimentell bestätigt werden können. Protonen mit uneindeutigen oder stark schwankenden Abständen wurden genauer untersucht, indem die Abstände aller Protonen einer Aminosäure mit sämtlichen Protonen der anderen ausgewertet wurden. Abbildung 38 zeigt beispielhaft einige der Protonenabstände über den zeitlichen Verlauf der Simulation, welche die meiste Zeit kleiner oder gleich 5 Å waren. Der Kontakt zwischen T303 und G319 des Nonasaccharid-Peptids bestand allerdings nur die ersten 1.5 ns. Ansonsten hielten sich die verschiedenen Kontakte recht stabil über die Dauer der Simulation.

Aus der Vielzahl der betrachteten Abstände ergaben sich am Ende nur wenige, die maximal 5 Å groß waren. Alle der auf diese Weise gefundenen Kontakte sind in Tabelle 3 aufgelistet.

Tabelle 3: Aminosäuren der drei verschiedenen V3-Peptide mit Protonenabständen der MD-Simulation, die kleiner als 5 Å sind. Grau hinterlegt sind gleiche Aminosäure-Kontakte.

Unglycosyliertes V3-Peptid P3 Chitobiosyl-V3-Peptid P4 Nonasaccharid-V3-Peptid

C296 – C330 C296 – C330 C296 – C330

R298 – Q327 R298 – Q327 R298 – Q327

P299 – I325 P299 – I325 P299 – I325

C296 – H329 C296 – H329 -

- - T303 – G321

R304 – A317 - -

Die gefundenen Kontakte liegen vor allem im Stem-Bereich und in der Spitze des loops. Der Kontakt zwischen P299 und I325 konnte für das Peptid P3 mittels NOESY-NMR bestätigt werden. Für das Glycopeptid P4 wurde im NOESY-Spektrum jedoch kein entsprechendes Kreuzsignal gefunden. Der Kontakt der disulfidverbrückten Cysteine C296 und C330 konnte sowohl für P3 als auch für P4 durch NOESY-NMR bestätigt werden. Für die anderen in silico gefundenen Kontakte konnten keine entsprechenden Kreuzsignale im NMR bestätigt

werden. Ein Grund hierfür könnte eine teilweise Überlagerung der entsprechenden Bereiche der Peptidspektren bzw. eine verminderte Intensitäten im Bereich der α-Protonen durch die Wasserunterdrückung sein. Alternativ könnte das fehlende Kreuzsignal ein Indiz sein, dass die berechneten Strukturen noch nicht vollständig den wahren Peptidkonformationen entsprechen bzw. nur eine der möglichen Konformationen darstellen. Vom V3-Loop ist bekannt, dass er verschiedene Konformationen einnehmen kann (s. Abschnitt 3.5.2).

Abbildung 38: Zeitliche Verläufe von ausgewählten Protonenabständen des unglycosylierten, des Chitobiosyl- und des Nonasaccharid-Peptids über jeweils 2 ns dauernde MD-Simulationen. Gezeigt sind Kontakte mit maximal 5 Å Abstand.

Außerdem fällt auf, dass die glycosylierten Peptide weniger Kontakte aufweisen als das unglycosylierte Peptid. Daraus lässt sich schließen, dass die Kohlenhydrate einen Einfluss auf die peptidische Struktur ausüben.