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1.4 Glukokortikoide

1.4.2 In PEGylierte Liposomen verpacktes Prednisolon

Angesichts der Ambivalenz zwischen der herausragenden therapeutischen Potenz der GCs auf der einen Seite und der ausgeprägten unerwünschten Nebenwirkungen ihres hochfrequenten oder -dosierten Einsatzes auf der anderen Seite, folgte als logische Konsequenz eine intensivierte Suche in den letzten Jahrzehnten nach effizienteren Substanzen mit erhaltener Wirksamkeit klassischer GCs bei zugleich verträglicherem Nebenwirkungsprofil (Schäcke et al. 2007; Stahn et al. 2007). Bis heute sind eine Fülle an chemischen Derivaten mit unterschiedlichen Eigenschaften bezüglich Wirkung und Nebenwirkung erforscht worden, von denen allerdings nur wenige klinische Relevanz erlangen konnten. Neben der innovativen Entwicklung selektiver GR-Liganden (Lin et al.

2002; Schäcke et al. 2007) sowie chemischer Modifikationen mit Ligation von Stickstoff-Monoxid (Perretti et al. 2003; Hyun et al. 2004; Doggrell 2005) stellen im Besonderen liposomale

„Verpackungen“ von GCs einen vielversprechenden Ansatz zur Steigerung ihrer Therapieeffizienz dar (Woodle et al. 1994).

Liposomen sind etwa 100 nm durchmessende Vesikel, deren hydrophiler Kern von einer zelltypischen Lipiddoppelschicht ummantelt ist und wasserlösliche Substanzen aufnehmen sowie geschützt in vivo transportieren kann (Drummond et al. 1999; Stahn et al. 2007; Song et al.

2012; Abb. 1-5). Vornehmlich bei hohem Cholesterinanteil in der Lipiddoppelschicht kann eine verlängerte Halbwertszeit in der Zirkulation beziehungsweise ein langsamerer Abbau im Blut sowie eine insgesamt verbesserte Pharmakokinetik des verpackten Arzneimittels realisiert werden (Love et al. 1990; Allen und Hansen 1991; Immordino et al. 2006; Drummond et al. 2008).

Nach ihrer elektronenmikroskopischen Entdeckung im Jahr 1964 (Bangham und Horne 1964) erzielten Liposomen erste therapeutische Erfolge in den 1970ern in der Behandlung von genetisch bedingten Enzymdefekten (Gregoriadis und Ryman 1971; Gregoriadis et al. 1971; Jain et al. 2007), Schwermetallvergiftungen (Rahman et al. 1974) und metastasierenden Krebs-erkrankungen (Gregoriadis et al. 1974). Die frühen Generationen von Liposomen wurden in vivo allerdings aufgrund ihrer Antigenizität rasch vom Retikuloendothelialen System (RES) in Leber und Milz phagozytiert (Patel 1992).

Infolge dessen wurden in der weiteren Entwicklung hydrophile Polyethylenglykol (PEG)-Anker an die Oberfläche der Liposomen assoziiert (Woodle und Lasic 1992; Oku und Namba 1994), die durch eine sterische Barriere die Bindung von Plasmaproteinen wie beispielsweise Komplementkomponenten und damit die Opsonierung verhindern (sog. „stealth“[dtsch.

getarnte] Liposomen) (Immordino et al. 2006). Hierdurch werden Plasma-Halbwertszeiten von bis zu 50 Stunden ermöglicht (Allen und Hansen 1991; Lasic et al. 1991; Papahadjopoulos et al.

1991; Woodle et al. 1994; Teshima et al. 2006; Yang et al. 2007b; Maitani et al. 2012). Ihre Ähnlichkeit mit physiologischen Zellmembranen reduziert zugleich die Immunogenizität der PEGylierten Liposomen im Organismus (Cattel et al. 2004).

Abb. 1-5 Schematische Darstellung eines Liposoms. Das Liposom besteht aus einer Lipiddoppelschicht, die einen hydrophilen Kern umschließt, in dem Medikamente aufgenommen und transportiert werden können.

In der oberen Hälfte ist ein sterisch-stabilisertes Liposomen mit Verankerungen von Polyethylenglykolresten (PEG-Anker) an der Doppellipidmembran gezeigt, in der unteren Hälfte das konventionelle Pendant. Weitere Modifikationen an der Oberfläche des Liposomens durch kovalente Bindung ausgewählter Liganden wie zum Beispiel spezifischen Antikörpern ermöglichen die gezielte Endozytose des Liposoms durch die Rezeptor-exprimierende Zielzelle. Modifiziert nach Drummond et al. 1999. Die Verwendung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der American Society for Pharmacology and Experimental Therapeutics (Pharmacological Reviews ©1999).

Als Ausdruck der Überlegenheit gegenüber konventionellen Applikationsformen korreliert die längere Halbwertszeit der Liposomen im Blut mit einer gesteigerten therapeutischen Effizienz und im speziellen Fall von verpackten GCs zusätzlich mit ihrer hochkonzentrierten Akkumulation sowohl in fokalen Entzündungsherden (Metselaar et al. 2004; Chono et al. 2005;

Stahn et al. 2007; Avnir et al. 2008) als bemerkenswerterweise auch in soliden Malignomen (Newman et al. 1999; Harrington et al. 2001; Schiffelers et al. 2005; Zalipsky et al. 2007; Zamboni et al. 2007; Drummond et al. 2008; Kluza et al. 2011; Bae und Park 2011). Hier wird für den nachgewiesenen anti-neoplastischen Effekt verpackter GCs in erster Linie die Hemmung der tumorbedingten Angiogenese und der tumorassoziierten Makrophagen (TAM) verant-wortlich gemacht (Pucci et al. 1988; van Rooijen und Sanders 1994; Oussoren und Storm 1999;

Buttgereit und Scheffold 2002; Pollard 2004; Buttgereit et al. 2004; Banciu et al. 2008; Ozbakir et al.

2014).

Darüberhinaus wird angenommen, dass eine gestörte vaskulär-endotheliale Schranken-funktion der Kapillaren im entzündeten oder neoplastischen Zielgewebe eine Art „drug-targeting“ der hierdurch niedriger dosierbaren Liposomen ermöglicht (Matsumura und Maeda 1986; Huang et al. 1992; 1993; Yuan et al. 1994; Nagayasu et al. 1999; Maeda et al. 2000; Moghimi et al. 2001; Peer et al. 2007; Fang et al. 2011). So erwiesen sich liposomale GCs als überaus wirksam

in der Behandung der rheumatoiden Arthritis (Metselaar et al. 2003; Ulmansky et al. 2012;

Kapoor et al. 2014) und der Experimentellen Autoimmunen Enzephalomyelitis (EAE), einem weit verbreiteten Tiermodell für Multiple Sklerose (Schmidt et al. 2003; Linker et al. 2008;

Schweingruber et al. 2011).

Als eine der ersten Nachweise der gesteigerten in-vivo-Aktivität liposomal verpackter Krebsmedikamente gelang es im Bereich der onkologisch orientierten Forschung, eine signifikante Verlängerung des Überlebens von Mäusen mit akuter Leukämie zu erzielen, die mit dem liposomal verpackten Zytostatikum Cytosin-Arabinosid behandelt wurden (Kobayashi et al. 1975; Mayhew et al. 1976). Dies hatte eine Phase intensiver Forschung zur Behandlung von Krebspatienten vor allem mit liposomalen Amphotericin B (Lopez-Berestein et al. 1985) und Doxorubicin (Gabizon et al. 1989) zur Folge und führte zu den ersten klinischen Studien mit liposomalen Medikamenten (Allen und Cullis 2013).

Vor einer wegweisenden humanen Studie zu liposomalen Doxorubicin (Gabizon et al. 1994) konnte für liposomales Vincristin in zwei unterschiedlichen Tiermodellen mit ALL bereits eine deutliche Steigerung der Therapieeffizienz im Vergleich mit freiem Vincristin gezeigt werden (Mayer et al. 1990, 1993; Boman et al. 1994). Heute haben in der klinischen Krebs-therapie langzirkulierende Liposomen mit Doxorubicin, Vincristin und Paclitaxel bereits einen wesentlichen Stellenwert in verschiedenen, überwiegend Zweit- oder Drittlinien-Therapieregimes maligner meist hämatopoietischer Neoplasien inne (Visani et al. 2005; Pulini et al. 2007; Rodriguez et al. 2009; Zhang et al. 2009; Fan et al. 2011; Barenholz 2012; Allen und Cullis 2013; Pathak et al. 2014). Zahlreiche weitere liposomal verpackte Substanzen, wie unter anderem Daunorubicin, Irinotecan und Oxaliplatin, waren oder sind Gegenstand vielversprechender experimenteller und klinischer Therapiestudien (Schiffelers et al. 2005;

OʼBrien 2008; Perche und Torchilin 2013).

Neueste Hoffnung wird auf hochspezifische Konjugate wie Antikörper oder Peptide gesetzt, die an Liposomen assoziiert noch selektiver zu einer Akkumulation im Zielgewebe beitragen, indem sie sich gezielt oder auch pH-abhängig an molekulare Marker von Tumorzellen oder benachbarten Endothelzellen des Tumormikromilieus binden (Stuart et al. 2000; Moreira et al.

2001; Allen et al. 2005; Yang et al. 2007a; Laginha et al. 2008; ElBayoumi und Torchilin 2009; Chuang et al. 2010; Kamaly et al. 2012). So konnten zum Beispiel Tuscano et al. (2010) in einem Mausmodell zur Behandlung des B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphoms zeigen, dass die Konjugation von PEGylierten Doxorubicin-Liposomen an einen Antikörper gegen das lymphozytenspezifische CD22-Protein auf den Lymphomzellen zu einer gesteigerten Akkumulation von Doxorubicin im Lymphomgewebe und zu einem verlängerten Überleben im Vergleich zum Einsatz unkonjugierter Doxorubicin-Liposomen führen kann. Die klinische Wirksamkeit dieses Ansatzes der sogenannten Immunoliposomen hängt allerdings im besonderen Maße von der Wahl des Konjugates und seiner Immunogenizität sowie Zielspezifität ab (Allen 2002), was die nötige Erforschung neuer spezifischer Oberflächen-marker der malignen Zielzelle sowie optimierter anti-neoplastischer Arzneimittel für eine effektive Therapie bekräftigt (Fonseca et al. 2005; Kirpotin et al. 2006; Perche und Torchilin 2013).

Liposomale GCs sind bisher fast ausschließlich in der Behandlung autoimmuner Erkrankungen und solider Tumoren in meist präklinischen Tiermodellen getestet worden (Metselaar et al. 2003; Schiffelers et al. 2005; Asgeirsdóttir et al. 2008; Rauchhaus et al. 2009; Hegeman et al. 2011; Bartneck et al. 2014). Mao et al. konnten 2013 allerdings in vitro nachweisen, dass die liposomale Verpackung von Dex sowie eine anschließende Konjugation an den spezifisch gegen das CD74-Epitop auf B-Zellen gerichteten Antikörper Milatuzumab zu einer gesteigerten Zielzellspezifität und zu verbesserten Effekten auf eine CD74-exprimierende B-CLL führt. Die Autoren konstatierten unter anderem, dass die direkte Erreichbarkeit einer Vielzahl der hämatologischen Malignomzellen im Blutstrom durch das zielgerichtete Immunoliposom einen Behandlungsvorteil gegenüber soliden Tumoren nahelege (Mao et al.

2013).

Erkenntnisse zur Wirksamkeit von liposomalen GCs in der Therapie hämatologischer Neoplasien der T-Zellreihe -ein wesentlicher Bestandteil dieser Arbeit- sind allerdings bisher nicht gewonnen beziehungsweise nicht publiziert worden.