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Imperiale und imperialistische Politik

Grundprozesse des gegenwärtigen Kapitalismus und ihre Wirkungen auf die Umwelt

4. Imperiale und imperialistische Politik

Ein weiterer, für den gegenwärtigen neoliberal geprägten Kapitalismus charakte-ristischer Grundprozess ist das Wiedererstarken imperialer und imperialistischer Politik unter Einsatz militärischer Gewalt und Verletzung des Völkerrechts.

4.1. Imperiale Kriege und »neue Kriege«

Das internationale Klima wird vorrangig durch die Außen- und Militärpolitik der Vereinigten Staaten bestimmt. Kriege gelten vor allem den USA, aber auch der NATO und anderen Staaten wieder als taugliche Mittel der Politik. Die Bush-Ad-ministration verfolgt eine ausgeprägt imperiale Politik mit dem Ziel einer Welt-ordnung nach den Interessen der konservativen Eliten an einem US-amerikani-schen Imperium. Eckpunkte der »Nationalen Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten (NSS)« sind der Anspruch auf präventive Kriegsführung, das angemaßte Recht auf atomare Erstschläge, die Sicherung einer absoluten militärischen Über-macht, die jeden potenziellen Widersacher von vornherein chancenlos Über-macht, die Entsendung amerikanischer Streitkräfte in jede beliebige Region der Erde, wenn eine selbstdefinierte Sicherheit der Vereinigten Staaten dies gebietet, und die Ver-weigerung der Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofes für amerikanische Bürger, selbst wenn sie als Militärs unter dem Verdacht des Völkermordes oder anderer Kriegsverbrechen stehen. In der Europäischen Union werden imperiale Interessen im Unterschied zur vorwiegend unilateralen Orientierung der USA eher multilateral und graduell zurückhaltender in Entscheidungen über den Einsatz mi-litärischer Gewalt verfolgt.

Seit 1999 wurden die Weltmilitärausgaben von 687 Milliarden US-Dollar auf rund 1.000 Milliarden im Jahre 2005 erhöht. Neben imperiale Kriege wie die An-griffskriege gegen Jugoslawien, Afghanistan oder den Irak sind immer mehr die so genannten »neuen Kriege« getreten, die überwiegend als innerstaatliche mili-tärische Konflikte im Unterschied zu klassischen Kriegen zwischen Staaten statt-finden (Azzelini, Kanzleiter, 2003; Jean, Rufin 1999; Münkler, 2003). Für diese Kriege sind in erheblichem Maße Entstaatlichung und Privatisierung kriegerischer Gewalt kennzeichnend.

In mehreren Ländern, wie beispielsweise im Kongo und in Angola, entstanden Kriegsökonomien, in denen große Teile der Wirtschaft weitgehend abhängig wur-den von der Verbindung andauernder militärischer Gewalt mit der Ressourcen-ausbeutung und -verarbeitung seitens der Gewaltakteure selbst oder mit deren Kontrolle über die Handelswege von illegalem Waffenhandel, Drogen, Frauen-und Kinderhandel. Kriegsressourcen werden durch Vertreibung Frauen-und Beraubung der Bevölkerung, Erhebung von »Schutzgeldern«, Prostitution, Schmuggel und Piraterie mobilisiert.

Die Regulationsweise der globalen Ökonomie erfährt eine fatale Variation.

Staatliche und zunehmend privatisierte Militärgewalt wird in vielen Ländern ver-stärkt zum Exekutor ökonomischer Interessen. Militärische Gewalt selbst wird zur Ware, die auf globalen Gewaltmärkten verkauft wird. Global agierende Private Military Companies, oft von ehemaligen Generälen der US-Armee geleitet, stel-len beliebigen staatlichen oder privaten Kriegsparteien Kampfeinheiten als Söld-nertruppen zur Verfügung (z.B. in Angola, Sierra Leone, Kenia, Sambia, Ruanda, Zaire und Uganda), übernehmen den Schutz von Niederlassungen transnationaler Konzerne samt der Niederschlagung von Aufständischen und Widerstandsbewe-gungen, bieten Militärberatung und -ausbildung an, stellen Waffen und militäri-sche Infrastruktur zur Verfügung und errichten Militärgefängnisse wie im Militär-stützpunkt Guantanamo Bay.

Es kommt zur Verflechtung der Wirtschaftstätigkeit globaler Gewaltkonzerne, militärischen Unternehmertums, militärischer Gewalt und internationaler organi-sierter Kriminalität und zur Einbindung aller dieser Elemente in globale Wirt-schaftskreisläufe und imperiale Strategien.

Nicht fern der westlichen Welt und gesondert von ihr, sondern durch direkte Beteiligung von Unternehmen führender NATO-Länder und über illegale Geld-wäsche mit der legalen Ökonomie verbunden, vollziehen sich Rückfälle in die Barbarei, die in Völkermord, Kriegsverbrechen, systematischen Massenvergewal-tigungen und dem Einsatz von Kindersoldaten zum Ausdruck kommen.

Die mit Kriegen verbundenen Entzivilisierungsprozesse stehen in Wechselwir-kung mit inneren Gestalten der Entzivilisierung. Die Missachtung des Völker-rechts korrespondiert mit der Aushöhlung der bürgerlichen Werte- und Rechtsord-nung und humanistischer Moralnormen im Inneren der OECD-Welt. Mit imperialer Außen- und Sicherheitspolitik gehen Ausländerfeindlichkeit, Gewalt gegen die »Anderen«, Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus einher.

4.2. Kriege, Rüstung und Umwelt

Rüstung und Kriege sind immer auch Krieg gegen die Umwelt. Es fällt jedoch auf, dass in der Friedens- und in der Umweltforschung in der Regel der Zu-sammenhang zwischen Krieg und Umwelt zwar vielseitig beleuchtet wird. Je-doch sind die Auswirkungen des Krieges auf die Umwelt verhältnismäßig selten Gegenstand der Untersuchungen. Im Vordergrund steht mehr, dass ökonomische

und machtpolitische Interessen an Rohstoffen zu Kriegsursachen und Zielen im-perialistischer Politik werden, dass die Ausbeutung von Naturressourcen die Fi-nanzierung der Kriege von Warlords in vielen Ländern ermöglicht und zu einer Grundlage der so genannten »neuen Kriege« geworden ist, dass Kämpfe und die Beherrschung von Ressourcen häufig zu Abspaltung von Regionen und dabei zu bewaffneten Konflikten führen und dass Missbrauch der Ressourcenbeherr-schung durch bevorzugte Oberschichten bewaffnete Aufstände und Rebellionen der Ausgebeuteten provozieren. (Le Billon, 1999: 29ff.). Aber selbst in der re-nommierten Reihe der jährlichen »Friedensgutachten« der führenden deutschen Friedensforschungsinstitute sind Angaben über ökologische Folgen von Kriegen nur selten zu finden.

Tatsächlich werden jedoch der Natur durch die Rüstung riesige Mengen an Ressourcen – oft strategisch besonders wertvolle knappe Ressourcen – für zerstö-rerische Zwecke entzogen. Der Zugriff auf Rohstoffressourcen gilt als Legitima-tion imperialer Herrschaftsansprüche, militärischer Präsenz der USA und ihrer Verbündeten in vielen Regionen der Erde und selbst von Kriegen.

Rüstungsausgaben verschlingen weltweit rund eine Billion Dollar, die für Um-welt und Entwicklung eingesetzt werden könnten. Mobilisiert für die dezentrale Ausschöpfung erneuerbarer Energien könnte beispielsweise die Versorgung mit gesundem Wasser gesichert und Millionen Kindern das Leben gerettet werden.

Von vornherein könnte anstelle des zerstörerischen Weges einer fossilistischen Energiewirtschaft eine alternative Energiepolitik gefördert werden.

Nach offiziellen Angaben hatten die USA bereits bis 2004 für die in Afghani-stan und im Irak geführten Kriege 280,9 Milliarden US-Dollar ausgegeben. In die-ser Zahl sind die beanspruchten Mittel aus dem normalen Budget des Pentagon und die Militärausgaben anderer an diesen Kriegen beteiligter Staaten nicht ent-halten. Der Preis einer Windkraftanlage liegt nach Expertenschätzungen bei etwa 1000 US-Dollar pro Kilowatt-Leistung. 280,9 Milliarden US-Dollar würden the-oretisch den Bau von Windkraftanlagen ermöglichen, die 280 Gigawatt Strom produzieren könnten – genug, um rund 400 Atomkraftwerke abzuschalten (http://www.freace.de/artikel/200406/11064a.html) oder Millionen Menschen de-zentral mit Strom zu versorgen.

Im zweiten Golfkrieg wurden allein die direkten Verluste durch Ölbrände in Kuweit auf 50 bis 100 Milliarden Dollar geschätzt (Hornig, Kopp, Otto, Schinke, Span, 2005). Die Auswirkungen der brennenden Ölquellen auf Landwirtschaft, Viehzucht und Fischfang sind dabei nicht berücksichtigt. Unbestreitbar wurde aber durch 1,8 Millionen Tonnen ausgetretenes Öl ein Ölteppich verursacht, der das Meer, wertvolle Korallenbänke, Seegrasteppiche und damit den Lebensraum von etwa 300 Fischarten und von Meeresschildkröten sowie 400 Kilometer der Küsten erheblich geschädigt hat (ebenda).

Nach Angaben der Weltbank kosten »typische Bürgerkriege« die betroffenen Länder 15 Prozent ihres Wirtschaftspotenzials, und die Armut nimmt um 30

Pro-zent zu. Erst recht führt die vollständige Auflösung und Zerrüttung der Wirtschaft in den häufig mehr als ein oder zwei Jahrzehnte andauernden »neuen Kriegen« zu schwersten Schäden der Umwelt.

4.3. Alternative Politik: Friedenspolitik

Der Globalisierung unter imperialen Vorzeichen, in der militärische Gewalt zum Instrumentarium der neuen neoliberalen Weltordnung wird, muss eine friedliche Gestaltung des Globalisierungsprozesses entgegengesetzt werden. Emanzipatori-sche Alternativen sind uneingeschränkt dem Frieden und internationaler Solida-rität verpflichtet. Dies ist ein weiterer Grundnenner eines alternativen Entwick-lungsweges.

Sicherheit kann unter den Bedingungen fortgeschrittener und erdumspannender wechselseitiger Abhängigkeit nur gemeinsame Sicherheit sein. Das erfordert, die Sicherheit anderer Länder und Regionen als Bedingung der eigenen Sicherheit an-zusehen. Sicherheit ist nur als komplexe Sicherheit zu erlangen. Militärische Si-cherheit muss mit sozialer SiSi-cherheit, mit Schutz vor Hunger und Umweltkatas-trophen einhergehen. Friedenspolitik wird nur im Verein mit Schritten zur Überwindung der empörenden Ungerechtigkeit in der Verteilung der Lebenschan-cen zwischen den verschiedenen Erdregionen erfolgreich sein. Sie erfordert soli-darische Entwicklungspolitik unter Einsatz erheblich größerer Ressourcen als bis-her. Denn Kriege entspringen aus dem Kampf um Macht, Märkte und höchste Profite, aus der Verknappung und ungerechten Aneignung von Naturressourcen.

Sie resultieren aus Armut und Unterentwicklung, aus dem Zerfall von Staaten, aus ethnischen und religiösen Konflikten sowie aus Umweltkonflikten wie Kämpfen um Wasser. Armut in großen Teilen der Erde, Missachtung fremder Kulturen und Religionen durch die Arroganz imperialer Mächte und deren Anspruch auf die Na-turressourcen anderer Länder sind der Nährboden des internationalen Terrorismus.

Zu einer friedensstiftenden Sicherheitspolitik gehören daher:

• universelle Verwirklichung der Menschenrechte als Maß für eine alternative Gestaltung des Globalisierungsprozesses: Schritte zu einer gerechten Welt- und Weltwirtschaftsordnung, in der Armut, Hunger, leicht heilbare Erkrankungen von Hunderten Millionen Menschen und ihr Leben in Slums, patriarchale Herrschaft, Analphabetismus und extreme Unterbeschäftigung solidarisch überwunden werden.

Eine Demokratisierung und Reformierung der Vereinten Nationen und internationa-ler Wirtschaftsorganisationen sind dafür wichtige institutionelle Bedingungen.

• Globale Gerechtigkeit wird nur zu erreichen sein, wenn die Stagnation im Ab-rüstungsprozess überwunden, wenn die Entwicklung neuer Massenvernichtungs-waffen gestoppt wird und A-, B- und C-Waffen geächtet werden. Kaum weniger wichtig sind die Einschränkung und das Verbot des Exports von Kleinwaffen, die das militärische Hauptarsenal in den »neuen Kriegen« bilden. Statt der Rüstung muss eine humanorientierte Entwicklung in den armen Regionen der Erde finan-ziert werden.

• Frieden ist nur bei strikter Einhaltung und Durchsetzung des Völkerrechts zu erreichen, nur wenn die internationale Gerichtsbarkeit gestärkt und respektiert wird, nur im Dialog der Kulturen und Zivilisationen. Dringlich sind zivile Kon-fliktvorbeugung und -bearbeitung anstelle der untauglichen Versuche zur Lösung von Konflikten durch Krieg.

• Multilaterale imperiale Politik, die sich mit dem Ausbau weltweit einsetzba-rer Militärmacht der Europäischen Union abzeichnet, ist keine taugliche Alterna-tive zur unilateralen imperialen Politik der USA. Stabilität und Sicherheit würden durch die demokratische Weiterentwicklung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion zu einer europäischen Friedens-, Sozial- und Umweltunion ge-winnen. Ein anderes friedliches Europa könnte zu einem Zentrum für globale Abrüstung und Entwicklung werden.

5. Entdemokratisierung, Missachtung der Menschenrechte und Umwelt