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Imbi Sooman, Stefan Donecker (Hgg.): The “Baltic frontier” revisited

Im Dokument Nordeuropa Forum 1.2011 (Seite 132-152)

Power structures and cross-cultural interactions in the Baltic Sea re-gion. Proceedings of the International Symposium in Florence, Febru-ary 29th and March 1st, 2008. Vienna: [s.n.] 2009, 309 S.

Austrumu robeža (Ostgrenze) ist der Na-me eines Lokals in Riga, das vor Jahren mit der ironischen Erinnerung an die Sowjetunion zumindest bei ausländischen Touristen beliebt war. Die „Ostgrenze“

dort verlief nicht im Raum, sondern in der Zeit. Ein solches Grenzverständnis ist in dem Band einer Tagung am Europäischen Hochschulinstitut nicht anzutreffen, es hätte aber möglicherweise zur Fokussie-rung der „baltischen Grenze“ beitragen können.

Erklärtes Ziel des Buches ist, Geschichte und Gegenwart des Ostseeraums mithilfe von Frederick Turners bekanntem Fron-tier-Konzept von 1893 zu analysieren.

Auch wenn ein solcher transatlantischer Transfer nicht gänzlich neu ist, so ist er dennoch anspruchsvoll und auch anre-gend. Freilich haben sich nicht alle der vierzehn Autoren an die konzeptionellen Überlegungen der Herausgeber gehalten, sondern nehmen zum Teil nur sehr kurso-risch darauf Bezug.

Stefan Donecker diskutiert in der Einfüh-rung zunächst allgemein die Übertragung von Turners Konzept auf das östliche

Eu-sondere im Mittelalter mit den Kreuzzü-gen in der Ostseeregion. Zweifellos ist die Frontier-Hypothese in diesem Kontext populär, aber doch nicht so allgemein ak-zeptiert, wie hier behauptet wird (Selart 2007, 21; Urban 2001, 45–71). Von open space für die nordwestrussischen Regio-nen zu sprechen, ist nicht zutreffend. Zu-dem läuft eine plakative Verwendung von frontier Gefahr, in die Nähe unkritischer Vorstellungen eines clash of cultures zu geraten (die ausführlichen Diskussionen im „Culture Clash or Compromise“-Projekt, haben die Autoren leider nicht zur Kenntnis genommen), insbesondere wenn Linien vom Livländischen Krieg über die Russophobie des 19. Jahrhunderts bis zur Krise um den „Bronzesoldaten“ in Tallinn 2007 gezogen werden. Doneckers Interes-se gilt freilich der Anwendung auf die Frühe Neuzeit, was mit Blick auf die Nor-dischen Kriege sinnvoll, jedoch ebenfalls nicht völlig neu ist (Selart 2005, 9–30). Er schlägt einen quasi post-imperialen Zugriff auf Turner vor, der sich aus drei Punkten speist: Stereotypen in den Begeg-nungen zwischen West und Ost, Rückwir-kungen der Grenzregionen auf die Zentren

Ko-Herausgeberin Imbi Sooman tendiert dagegen dazu, das Frontier-Konzept abzu-lehnen und durch encounters zu ersetzen.

Stattdessen will sie eher über Regionsbil-dung sprechen, kritisiert dabei aber para-doxerweise „baltisch“ als Bezeichnung für die Region, so dass sich in ihrem Beitrag zur Einleitung der Gegenstand des Buches gleichsam verflüchtigt.

In den folgenden Beiträgen untersucht Linda Kaljundi die performance der Grenze während der Kreuzzüge im Ost-seeraum anhand der Chronik Helmolds von Bosau und bedient sich dabei der Theoreme von Übergangsriten und Limi-nalität. Gewiss ist eine solche Textanalyse sinnvoll, sie kann aber doch nicht verde-cken, dass die Rolle der Apostasie nach dem Lutizenaufstand von 983 in der Be-gründung der Auseinandersetzung mit den Elbslawen längst bekannt ist. Kaljun-dis Argumente hätten sicher an Gewicht gewonnen, wenn sie die bisherige Hel-mold-Forschung einbezogen hätte.

Stefan Donecker untersucht die frühneu-zeitlichen Baltikumsdiskurse und stellt die Aufsegelung als narratives Element von manifest destiny in der deutschen Historiographie heraus. Er bezieht die Grenzsituation auf externe und interne Antagonisten (d.h. Russen und nicht-deutsche Bauern). Zur Analyse zieht er neben der Carta Marina von Olaus Mag-nus auch zeitgenössische bildliche

Dar-heran. Gerade der Vergleich mit Südame-rika ist nicht uninteressant, und zweifellos ist Doneckers These, bei der frontier han-dele es sich vor allem um eine diskursive Konstruktion, zuzustimmen; allerdings sollte sie gerade für das 16. Jahrhundert historisiert und nicht als zeitlose Gege-benheit überhöht werden.

Holger Berg untersucht die Politik ethni-scher Abgrenzungen in Riga anhand von drei Ältermännern in der Großen Gilde von 1558 bis 1611. Ähnlich wie Donecker bezieht er die Abgrenzung sowohl auf auswärtige Mächte (Russland, Polen-Litauen) wie auf die lokale „undeutsche“

Bevölkerung. Wie Berg allerdings auf die Idee kommt, das Rigaer Herder-Institut sei nach 1945 nach Marburg verlagert worden, bleibt unklar.

René Tebel analysiert mittelalterliche und frühneuzeitliche Karten zur Baltic frontier, er betrachtet neben anderen die Ebstorfer Weltkarte und Portolan-Karten. Dass auf den ptolemäischen Karten der Name „bal-ticum“ nicht auftaucht, kann freilich nicht überraschen. Die Materialien sind interes-sant, allerdings stört die anachronistische Begrifflichkeit: Der Autor spricht von westlichen Karten um 1300 sowie von Pe-ripherie, Brücke, Nachbar etc. Zudem hätte er vielleicht auch auf die 1475 in Lübeck gedruckte Karte in Lucas Brandis’ Rudi-mentum novitiorum eingehen können.

Maureen Perrie befasst sich mit der

balti-biet. Insbesondere geht sie auf Stalins und Sergej Eisensteins Bezugnahmen auf Ivan Groznyj und den Livländischen Krieg während des Zweiten Weltkriegs ein. Ein Frontier-Konzept für Russland mit Blick auf die baltische Region lehnt sie ab, son-dern spricht eher von „borderlands“. Ob Peter der Große allerdings die baltische Region als Puffer gegen Deutschland be-trachtete, erscheint mir zweifelhaft.

Lars Fredrik Stöcker beschreibt ausführ-lich sein Dissertationsprojekt zu transna-tionalen Kontakten im Ostseeraum wäh-rend des Kalten Kriegs. Auch er lehnt den Frontier-Begriff ab; stattdessen beabsich-tigt er in Anknüpfung an die Nordosteu-ropa-Diskussion, die Ost-West-Grenze überschreitende Raumkonstitutionen im Kalten Krieg zu untersuchen, was zwei-fellos einen interessanten Ansatz darstellt.

Katja Wezel untersucht Clashes of Com-memoration zwischen der lettischen und der russischsprachigen Bevölkerung in Lettland und kritisiert das Versagen der lettischen Politik, eine Brücke zur russi-schen Minderheit zu bauen.

Die weiteren Beiträge gehen auf das Grenzproblem nicht weiter ein. Zu er-wähnen ist Marta Grzechniks Beitrag zum 1925 gegründeten polnischen Ost-seeinstitut. Sie stützt sich auf eine Analy-se Analy-seiner Publikationen, dagegen bleiben die Institutsgeschichte und vor allem sei-ne transnationalen Beziehungen, sowohl

tutionen als auch in der ostseeregionalen Politik des Instituts, weitgehend ausge-blendet. Das ist insofern bedauerlich, als gerade in einer beziehungsgeschichtli-chen Betrachtung die Bedeutung des In-stituts gezeigt werden könnte.

Magnus Ilmjärv gibt einen Überblick über die russische Historiographie der letzten Jahre zur sowjetischen Balti-kumspolitik, die nach wie vor überwie-gend patriotisch-apologetisch ist. Aller-dings sieht Ilmjärv durchaus Modifikationen früherer Thesen von fa-schistischen oder aggressiven Tendenzen und innerer Revolutionen in den balti-schen Staaten. Entscheidend ist hier im-mer noch das Problem, die Okkupation der baltischen Staaten beim Namen zu nennen. Imbi Sooman gibt eine chronika-lische Übersicht über den Konflikt um den „Bronzesoldaten“. Freilich hätte sie die Relevanz der angeführten Meinungs-äußerungen aus dem Internet reflektieren können, auch lassen ihre stichpunktarti-gen Schlussfolgerunstichpunktarti-gen einen argumenta-tiven Zusammenhang vermissen.

Die weiteren Beiträge befassen sich mit skandinavischer Literatur zum Baltikum, bäuerlicher Bildungspolitik in Livland im 19. Jahrhundert, Sprachenpolitik und Na-tionsbildung zwischen Lettland und der Ukraine sowie Holocaust-Diskursen als Indikator politischer Kultur in Osteuropa.

In Vija Daukštes Beitrag wird allerdings

und Literaturangaben durch eine unsys-tematische Transkription erheblich er-schwert.

Die in Qualität und Fragegestellung recht heterogenen Beiträge lassen kein eindeu-tiges Fazit zu. Der Rückgriff auf Turners frontier scheint nur zu funktionieren, wenn man ganz allgemein von einer Grenzlage der baltischen Region spricht.

An die Stelle plakativer Parolen sollte dann freilich eher die genaue historische und kulturwissenschaftliche Analyse tre-ten. Mit Blick auf die historischen Frastellungen ist eine Historisierung als ge-nuin disziplinäre Leistung nicht überholt und würde zudem auch ein solides Fun-dament für kulturalistische Interpretatio-nen schaffen.

Literaturverweise:

Selart, Anti: „Steinkuhl und Zabolockij.

Ein Kommentar zur Chronik Johann Renners“. In: Olaf Mertelsmann (Hg.):

Estland und Russland. Aspekte der Bezie-hungen beider Länder. Hamburg 2005.

Selart, Anti: Livland und die Rus’ im 13. Jahrhundert. Köln 2007.

Urban, William L.: „The frontier thesis and the Baltic crusade“. In: Alan V. Mur-ray (Hg.): Crusade and conversion on the Baltic frontier, 1150–1500. Aldershot 2001.

Håkon Lunde Saxi: Norwegian and Danish defence policy. A com-parative study of the post-Cold war era. Oslo: Norwegian Institute for Defence Studies 2010 (= Defence and Security Studies; 1/2010), 154 S.

Die vorliegende Studie widmet sich der Verteidigungspolitik Dänemarks und Norwegens nach dem Ende des Kalten Krieges. Damit werden zwei skandinavi-sche Staaten betrachtet, die auf den ersten Blick sehr ähnlich erscheinen. Diese Ein-schätzung teilt der Autor für die Zeit des Kalten Krieges. Mit dem Umbruch in den internationalen Beziehungen seit 1989/90 hingegen gingen beide Staaten unter-schiedliche Wege. Die vorliegende Ana-lyse untersucht die Fragen, inwiefern sich die dänische und die norwegische Vertei-digungspolitik unterscheiden und welche Erklärungsansätze es hierfür gibt. Der Untersuchungszeitraum beginnt 1990 und endet 2008.

Die Untersuchung stützt sich neben der Auswertung von Zeitungsartikeln, Bio-graphien, Erinnerungen und Interviews vor allem auf politische Dokumente. Dies sind im Falle Norwegens die Long Term Plans for the Armed Forces, von denen im Untersuchungszeitraum sechs erschie-nen sind. Darüber hinaus gibt es Berichte von Verteidigungskommissionen und Komitees, die zur Erarbeitung von

Re-eingesetzt wurden. Im untersuchten Zeit-raum wurden in den Jahren 1992, 2000 und 2007 Berichte veröffentlicht.

Anders als in Norwegen sind die wichti-gen Dokumente der dänischen Verteidi-gungspolitik nicht unbedingt parlamenta-rische Dokumente. Es handelt sich eher um zwischen allen Parteien ausgehandelte Defence Agreements, von denen im Un-tersuchungszeitraum fünf publiziert wur-den. Auch in Dänemark wurden Kommis-sionen für die Erarbeitung von Berichten über notwendige große Reformen im Ver-teidigungssektor eingesetzt. Die Berichte dieser Kommissionen erschienen 1989 und 1998, eine etwas kleinere Studie 2003.

Die vorliegende Studie ist eine verglei-chende historische Arbeit, stellt aber den Anspruch, Militärgeschichte und außen-politische Analyse zu verbinden. Leider wird zu Beginn der Arbeit die Methode des Vergleichs nicht weiter eingeführt. Es wird auch keine Begriffsklärung des Un-tersuchungsgegenstandes vorgenommen.

Im Falle der vorliegenden Untersuchung

digungspolitik und Sicherheitspolitik.

Diese Begriffe werden in der Arbeit ne-beneinander gestellt, ohne vorher vonein-ander abgegrenzt zu werden.

Zu Recht weist der Autor auf die bisher lückenhafte Publikationslage in engli-scher Sprache zum Vergleich däniengli-scher und norwegischer Verteidigungspolitik nach dem Ende des Kalten Krieges hin.

Er verweist auf Peter Viggo Jakobsen, der 2006 eine vergleichende Studie zu den Ansätzen der nordeuropäischen Staaten in Friedenseinsätzen vorgelegt hat, die aber nicht speziell auf die Gründe für die Un-terschiede zwischen den einzelnen Staa-ten eingeht. Andere vorliegende Studien, entweder in norwegischer oder dänischer Sprache verfasst, ziehen einen Vergleich zu einem nicht-skandinavischen Land oder beschränken sich nur auf die Analy-se eines Staates. Insofern füllt der vorlie-gende Band die Lücke in zweierlei Hin-sicht: Er wendet sich, in englischer Sprache verfasst, an einen breiten Leser-kreis, und er vergleicht die Verteidi-gungspolitik zweier skandinavischer Staa-ten miteinander.

In der Einleitung zeichnet der Autor die inner-skandinavische Debatte um die be-stehenden Unterschiede in der Verteidi-gungspolitik nach. Es werden dabei vor allem zwei Erklärungsfaktoren herange-zogen, die Kultur und die geopolitische

zwei Faktoren hält der Autor für unzuläs-sig und erarbeitet zusätzlich zwei weitere Vergleichskategorien, anhand derer die Unterschiede zwischen den Staaten erklärt werden sollen. Um den weiten Begriff Kultur auf den Untersuchungsgegenstand zu fokussieren, differenziert er diesen in den eng gefassten und organisationsbezo-genen Begriff militärische Kultur und ei-nen etwas weiteren Begriff strategische Kultur (S. 9).

Die Kategorie geopolitische Lage behält der Autor bei. Um zusätzlich noch unter-suchen zu können, wie sich welche Ak-teure im Verteidigungssektor verhalten und wie dort Entscheidungen getroffen werden bzw. Reformen durchgesetzt wer-den, führt der Autor die Kategorie Füh-rungsstil (leadership) ein (S. 10).

Die ersten drei Kapitel sind chronolo-gisch aufgebaut. Das erste Kapitel bietet eine Einführung in die dänische und die norwegische Sicherheits- und Verteidi-gungspolitik von 1720 bis zum Ende des Kalten Krieges. Hierbei werden die lang-fristigen Grundzüge skizziert und es wird speziell auf die Streitkräfte während des Kalten Krieges eingegangen.

Die nächsten beiden Kapitel behandeln die militärischen Operationen und Streit-kräftereformen der Jahre 1990 bis 2008.

Während sich das zweite Kapitel dem

dem Balkan widmet, werden im dritten Kapitel der Irakkrieg und der Krieg in Afghanistan untersucht.

In den Kapiteln vier bis sieben werden dann die vier Vergleichskategorien abge-handelt. Anhand der Analyse werden die Unterschiede erklärt und der zentralen Frage nachgegangen, warum sich die Ver-teidigungspolitik in den beiden Staaten während des Untersuchungszeitraums so unterschiedlich entwickelt hat.

Als einen der Gründe nennt der Autor die unterschiedliche geopolitische Lage Dä-nemarks und Norwegens. Dass Norwegen auch nach dem Ende des Kalten Krieges an der territorialen Verteidigung festhielt, sei der unmittelbaren Nachbarschaft zu Russland geschuldet, welches nach wie vor als Bedrohung wahrgenommen wor-den sei. Dänemark hingegen habe keine militärischen Angriffe zu befürchten ge-habt und deshalb die Reform der Streit-kräfte und die Neuausrichtung seiner Ver-teidigungspolitik vorantreiben können, so dass sich der dänische Fokus auf militäri-sche Einsätze jenseits der eigenen Lan-desgrenzen verschob.

Darüber hinaus sei in Norwegen der Wunsch nach Kontinuität bestimmend gewesen, so dass Entscheidungsstruktu-ren träge gewesen seien und die Verwal-tung schwerfällig agiert habe. Es seien

In Dänemark hingegen sei die Bereit-schaft hoch, Entscheidungen zu treffen und einen Wandel einzuleiten, und es sei der Wunsch nach einer Neuorientierung in der Verteidigungspolitik über Partei-grenzen hinweg vorhanden gewesen.

Auch die strategische Kultur in Norwe-gen trug Saxi zufolge dazu bei, dass sich nach dem Ende des Kalten Krieges zu-nächst nicht viel änderte. Die Rolle der Streitkräfte wurde kaum angepasst, der Schwerpunkt lag nach wie vor auf der Landesverteidigung. Dies habe auch zur Folge gehabt, dass die Option, die eige-nen Streitkräfte für militärische Operatio-nen außerhalb des eigeOperatio-nen Territoriums einzusetzen, sehr umstritten gewesen sei.

In Dänemark hingegen habe man das ei-gene Militär als Instrument der Außenpo-litik anerkannt und die Unterstützung so-wohl in der Politik als auch in der Bevölkerung für Einsätze außerhalb der Landesgrenzen sei rasch angestiegen und seitdem auf einem konstant hohen Niveau geblieben.

Am Ende der Zusammenfassung nennt der Autor einige Anknüpfungspunkte für zukünftige Forschung. Er weist vor allem auf den Mangel an Studien hin, die die unterschiedlichen strategischen Kulturen skandinavischer Staaten untersuchten. Als weiteres Forschungsfeld biete sich die Analyse der personellen Strukturen und

weist Saxi auf die Notwendigkeit hin, militärgeschichtliche mit außenpoliti-schen Analysen zu verbinden, um durch die Zusammenarbeit beider Disziplinen der aktuellen Tendenz der „Militarisie-rung von Außenpolitik“ gerecht zu wer-den (S. 126). Mit der vorliegenwer-den Studie hat der Autor einen Beitrag geleistet, die-se Lücke zu schließen.

Anna-Lena Pohl (Berlin)

Christian Wichmann Matthiesen (Hg.): Feste Fehmarnbeltquerung: Re-gionale Entwicklungsperspektiven. Odense: Syddansk Universitetsforlag 2011, 437 S.

Nach vielen Jahren zäher Verhandlung mit der deutschen Bundesregierung traf die dänische Regierung 2008 die Ent-scheidung, alleine die Verantwortung für die Finanzierung des Baus einer festen Querung über den Fehmarnbelt zu über-nehmen. Aufgrund des geringen Interes-ses auf der Bundesebene wurde die deut-sche Seite im Staatsvertrag vom 3. September 2008 lediglich dazu ver-pflichtet die Hinterlandanbindung auszu-bauen. Im Gegensatz dazu hatten sich die norddeutschen Bundesländer Schleswig-Holstein und Hamburg vehement für eine Realisierung dieses Großprojektes einge-setzt.

Unter diesen neuen Rahmenbedingungen haben sich die regionalen Akteure in der Fehmarnbeltregion das Ziel gesetzt, aus den bereits gemachten Erfahrungen beim Bau der Querungen über den Großen Belt und den Öresund zu lernen und sich so gut wie möglich vorzubereiten, um nach der Eröffnung der festen Querung so schnell wie möglich von diesen profitie-ren zu können.

Generell wird die feste Fehmarnbeltque-rung zum einen als die direkte Verbindung

der deutschen Insel Fehmarn und der däni-schen Insel Lolland und zum anderen als Teil eines überregionalen Transportkorri-dors, dem sogenannten Scandinavian Link, der ab 2020 die skandinavische Halbinsel über den Öresund und den Fehmarnbelt mit Kontinentaleuropa verbindet, gesehen.

In diesem Zusammenhang wurde am 28.

Januar 2011 in Lübeck die Studie Feste Fehmarnbeltquerung: Regionale Entwick-lungsperspektiven in Dänisch, Deutsch und Englisch der Öffentlichkeit vorgestellt. He-rausgegeben wurde sie von der Aktienge-sellschaft Femern A/S, die für die Planung und Umsetzung der festen Querung über den Fehmarnbelt zuständig ist. Die wissen-schaftliche Federführung oblag dem re-nommierten dänischen Geographen Christi-an WichmChristi-ann Matthiesen von der Universität Kopenhagen. Darüber hinaus wurde eine Vielzahl schwedischer, däni-scher und deutdäni-scher Wissenschaftler und Experten in das Projekt miteingebunden.

Die Studie richtet sich vorwiegend an regi-onale Entscheidungsträger, liefert einen ersten recht breit angelegten Überblick über den Status quo in der Region und wirft durch verschiedene Entwicklungsszenarien einen Blick in ihre künftige Entwicklung.

In der vorangestellten Zusammenfassung legt Matthiesen diesem Buch eine variab-le Konzeption der Fehmarnbeltregion zugrunde, die dem Untersuchungsge-genstand angepasst wird, im Kern aber von den Kooperationspartnern in der STRING-Kooperation und dem nordwest-lichen Teil Mecklenburg-Vorpommerns umrissen wird.

Desweiteren geben Aulin, Rokicki und Schilling in Kapitel 2 eine umfassende Datengrundlage über den aktuellen Stand in der Region im Hinblick auf Bevölke-rungsstruktur, demographische Entwick-lung, Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Stu-dierende. Im dritten Kapitel erfassen die gleichen Autoren mit Unterstützung von Rydén, Toft, Tranos und Vedby den aktu-ellen Stand innerhalb der Region im Hin-blick auf den Themenbereich Infrastruk-tur, Verkehr und Logistik. Hier werden Hamburg und die Öresundregion als wichtige Zentren für den Bereich Logistik hervorgehoben und Synergieeffekte auf-gezeigt, die durch eine leichtere Zugäng-lichkeit für die gesamte Region entstehen.

Im vierten Abschnitt liefert Matthiesen die theoretische Grundlage der Studie im Rekurs auf die Central Place-Theorie, den Global City-Ansatz und Social Space-Theorien. Städte werden demnach als Servicezentren, im Hinblick auf ihre Rolle in der internationalen Arbeitsteilung

den räumlichen Strömen bzw. ihre inter-nationale Vernetzung (Spaces of Flow) betrachtet. In diesem globalen Kontext empfiehlt er in erster Linie die Öresund-region und Hamburg enger miteinander zu verknüpfen, um so die Grundlage für eine gut verknüpfte nordeuropäische Städtegruppe, die im zweiten Schritt auch Stockholm und Berlin einbinden soll, zu schaffen. Eine solche Gruppe könne in der europäischen Städtehierarchie aufrü-cken und so „zu Entwicklung, Wachstum und Wohlstand beitragen“ (S. 145).

In Anknüpfung an frühere Veröffentli-chungen des Kieler Instituts für Regional-forschung und der Syddansk Universitet geben Bröcker, Hermann und Krozhene-vych in Kapitel 5 einen Überblick über die wichtigsten Vorteile und Einflussfak-toren auf einen grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt und erfassen die aktuelle Situation in der Fehmarnbeltregion im Vergleich zur dänisch-deutschen Land-grenze, zur Öresundregion und zur nie-derländisch-deutschen Grenze. Im An-schluss daran entwickeln sie in Kapitel 6 Pendlerszenarien für 2020. Dabei wird der derzeitige status quo und der Bau der festen Fehmarnbeltquerung mit verschie-denen Intensitäten der Integrationsan-strengungen gegenübergestellt.

Wirtschaftliche Zusammenarbeitspotentia-le loten Hermann und Matthiesen in

Kapi-der Benennung von Kooperationsmög-lichkeiten in den Bereichen Life Scien-ce/Gesundheit, Ernährungswirtschaft, IT

Kapi-der Benennung von Kooperationsmög-lichkeiten in den Bereichen Life Scien-ce/Gesundheit, Ernährungswirtschaft, IT

Im Dokument Nordeuropa Forum 1.2011 (Seite 132-152)