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2 LITERATURÜBERSICHT

2.4 IgA-Nephropathie des Menschen

Die IgA-Nephropathie des Menschen (IgAN) ist durch IgA-Ablagerungen im Bereich der glomerulären Mesangien definiert, welche von einer mesangioproliferativen Glomerulonephritis begleitet werden. In Ländern, in denen Nierenbiopsien ein gängiges diagnostisches Verfahren sind, stellt sie die häufigste Form primärer Glomerulonephritiden dar (BARRATT u. FEEHALLY 2005). Das klinische Erscheinungsbild der IgAN ist sehr variabel und spiegelt in Bezug auf den zeitlichen Verlauf und den Schweregrad die Ausprägung der histopathologischen Schädigungen wider. So resultiert die IgAN bei 15 % bis 20 % aller betroffenen Patienten in einer chronischen Niereninsuffuzienz, die sich

typischerweise langsam über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren entwickelt und im Endstadium eine Nierentransplantation nötig macht (D'AMICO 2004).

2.4.1 Ätiologie der primären IgAN

Die Ätiologie der IgAN ist bis heute zu großen Teilen unklar. Es scheint eine Assoziation des Ausbruches dieser Erkrankung mit vorangegangenen Pharyngitiden, Gastroenteritiden und Pneumonien zu existieren, was einen kausalen Zusammenhang mit verschiedenen Infektionserregern vermuten lässt. Diskutiert werden sowohl virale (z.B. Cytomegalievirus, Adenovirus, Herpes simplex-Virus etc.) als auch bakterielle Erreger (z.B. Staphylococcus aureus, Haemophilus parainfluenza etc.). Die Seren betroffener Patienten weisen häufig entsprechende positive Antikörpertiter auf, eine klare kausale Verbindung der IgAN insbesondere zu Virusinfektionen ist jedoch inkonstant und wird kontrovers diskutiert (ZHOU et al. 2009). Regelmäßigere Übereinstimmungen finden sich bezüglich des Nachweises sowohl serologischer als auch glomerulärer bakterieller Antigene und der Ausbildung der IgAN. So konnte gezeigt werden, dass bei etwa 70 % aller Patienten gleichzeitig glomeruläre Ablagerungen von Staphylococcus aureus-Antigen und IgA vorliegen (KOYAMA et al.

2004).

Ähnlich wie bei dem WMS werden bezüglich der Ätiologie der IgAN auch diätetische Auslöser diskutiert. In erster Linie ist auch hier eine Unverträglichkeit des bereits zuvor erwähnten getreideassoziierten Proteins Gliadin zu nennen. So werden Anti-Gliadin-Antikörper gelegentlich bei IgAN-Patienten nachgewiesen, was für einen gewissen ätiologischen Einfluß der Glutenintoleranz, Zöliakie, bei der IgAN sprechen könnte (ZHOU et al. 2009).

Die IgAN des Menschen weist ein gehäuftes Auftreten innerhalb verschiedener ethnologischer Bevölkerungsgruppen auf, weshalb von einer genetischen Komponente bezüglich ihrer Ätiologie auszugehen ist. Es wird vermutet, dass ein autosomal dominanter Erbgang mit unvollständiger Ausprägung vorliegt. Ein einzelnes verantwortliches Gen konnte jedoch nicht identifiziert werden, so dass von einem komplexen, polygenen Geschehen auszugehen ist (ZHOU et al. 2009).

2.4.2 Pathogenese der primären IgAN

Die pathophysiologischen Mechanismen der IgAN sind ebenfalls bis zum heutigen Tag nicht vollständig geklärt. Es handelt sich um extrem komplexe Abläufe, die zu großen Teilen spekulativ sind. Die im Folgenden beschriebenen Prozesse stellen die Zusammenfassung vorliegender Studien durch ZHOU et al. (2009) dar und sind der Versuch einer plausiblen und wahrscheinlichen Erklärung der pathogenetischen Prozesse der IgAN.

Das humane IgA wird in zwei Subklassen unterteilt, das IgA1 und IgA2. Beide Klassen kommen sowohl in monomerer als auch polymerer (Verbindung von zwei oder mehr monomerischen IgA über J Ketten) Form vor. IgA1 ist im Gegensatz zu IgA2 ausgeprägt glykosyliert und besteht zu ungefähr 8 % aus Kohlenhydraten.

Zudem unterscheidet man in der Darmschleimhaut gebildetes, mukosales IgA von primär im Knochenmark gebildetem, systemischem IgA. Bei dem von mukosalen Plasmazellen gebildeten IgA handelt es sich fast ausschließlich um polymeres, bei dem systemischen IgA fast ausschließlich um monomeres IgA1 und IgA2. Die Produktion mukosalen IgA wird maßgeblich durch die Sekretion des Zytokins TGF-ß durch spezielle T-Zellen (γδ T-Zellen) reguliert. Normalerweise existiert eine komplexe Verbindung der immunologischen Prozesse

zwischen der Darmschleimhaut und den anderen immunologischen Kompartimenten des Körpers, die einen informativen Austausch und somit die Ausbildung einer oralen Toleranz ermöglicht. Mukosale Antigen spezifische T-Zellen wandern hierfür in Milz, Lymphknoten und tonsillares Gewebe ein und unterdrücken dort eine mögliche systemische Immunantwort gegen entsprechende mukosale Antigene. Auf diese Weise wird eine systemische Reaktion gegen nutritive Antigene und Antigene bakterieller Darmkommensalen verhindert.

Es wird vermutet, dass dieser Informationsaustausch zwischen mukosalem und systemischem Immunsystem bei an IgAN erkrankten, genetisch prädisponierten Patienten gestört ist. Infolge einer gestörten mukosalen Permeabilität und Immunität könnte es zu einer abnormalen Einwanderung von mukosal aktivierten CD4-Zellen in das Knochenmark kommen, welche dort lokalisierte naive B-Zellen zu einem IgA-Klassenwechsel stimulieren. Parallel wird bei IgAN-Patienten eine deutliche Proliferation zirkulierender, normalerweise schleimhautspezifischer γδ T-Zellen mit resultierenden erhöhten TGF-ß-Spiegeln beschrieben, welche ihrerseits einen IgA-Klassenwechsel von B-Zellen des Knochenmarks stimulieren können (TOYABE et al. 2001). Dies könnte zu einer Proliferation von Plasmazellen, die polymeres IgA1 (pIgA1) sezernieren, und somit zu erhöhten Spiegeln von zirkulierendem, überwiegend aberrant glykosyliertem pIgA1 führen. Infolge der gestörten Glykosylation neigen zirkulierende pIgA1 zur Selbstaggregation und fungieren ihrerseits als so genannte Neoantigene, wodurch es zu der Entstehung von zirkulierenden Makromolekülen mit herabgesetzter Clearance kommt. Diese Makromoleküle können die glomerulären Endothelien und Basalmembranen durchdringen und werden über spezielle IgA-Bindungsrezeptoren von Mesangiumszellen phagozytiert. Verschiedene Faktoren wie eine reduzierte anionische elektrostatische Ladung, die Molekülgröße und eine erhöhte Affinität der mesangialen IgA-Rezeptoren für aberrant glykosyliertes pIgA1 unterstützen diesen

Prozess. Die Mesangiumszellen werden aktiviert und reagieren mit einer vermehrten Produktion mesangialer Matrix und zellulärer Proliferation. Durch die Aktivierung des Komplementsystems auf dem alternativen- und/oder dem Lektinweg (seltener auch dem klassischem Weg) und der Freisetzung leukotaktischer Faktoren kommt es zu der Ausbildung einer Glomerulonephritis mit Schädigung der glomerulären Basalmembranen und einer daraus resultierenden gestörten glomerulären Permeabilität. Im weiteren zeitlichen Verlauf können sekundäre Alterationen wie tubuläre Atrophie und interstitielle, fibrosierende Nephritiden beobachtet werden (BARRATT et al. 2007).

Für eine ausführlichere Beschreibung diskutierter pathophysiologischer Prozesse der IgAN sei auf die angegebenen Literaturstellen verwiesen.