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IDENTIFIKATION BEWERTUNGSRELEVANTER CHARAKTERISTIKA Nachdem im vorangegangenen Kapitel festgestellt wurde, dass lediglich die

Im Dokument EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (Seite 79-166)

zukunftsori-entierten Unternehmensbewertungsverfahren die Anforderungen der entscheidungsorien-tierten Unternehmensbewertung erfüllen und dass sich die APV-Methode unter den zu-kunftsorientierten Bewertungsmethoden insbesondere für die Berücksichtigung einer als relevant erachteten autonomen Finanzierungspolitik eignet, wird in diesem Kapitel unter-sucht, durch welche bewertungsrelevanten Charakteristika sich ehemals gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen auszeichnen.

3.1. Bezugsrahmen zur Identifikation bewertungsrelevanter Charakteristika

Im folgenden Kapitel 3.1 soll zunächst ein Bezugsrahmen zur Identifikation der bewer-tungsrelevanten Charakteristika im Rahmen einer branchenorientierten Unternehmens-bewertung definiert werden. Dabei werden zunächst in 3.1.1 die in der Bewertungsliteratur verfolgten Ansätze skizziert um daran anschließend in 3.1.2 einen Bezugsrahmen zu de-finieren.

3.1.1. Ansätze zur Identifikation bewertungsrelevanter Charakteristika

In einer von der European Business School und Arthur Andersen herausgegebenen Stu-die über Stu-die Bewertung von Immobilienunternehmen werden Stu-die bewertungsrelevanten Charakteristika von Immobilienunternehmen anhand des Werttreibermodells von Rappa-port beschrieben.264 Hierbei werden insbesondere die Definition von spartenspezifischen Cash Flows und Detailbetrachtungszeiträumen, der Einbezug steuerlicher Aspekte sowie die Ermittlung des Diskontierungszinssatzes als spezifisch für Immobilienunternehmen hervorgehoben.265 Dieser Vorgehensweise folgen auch andere Autoren bei der Beschrei-bung der bewertungsrelevanten Besonderheiten von Immobilienunternehmen.266

In einer Arbeit über die Unternehmensbewertung von bauausführenden Unternehmen de-finiert Lohr die bewertungsrelevanten Charakteristika durch die Identifikation von so ge-nannten Werttreibern. Er begründet diese Vorgehensweise damit, dass ein branchenspe-zifisches Bewertungsverfahren diese jeweils spezifischen Werttreiber berücksichtigen muss.267 In seiner Beschreibung der bewertungsrelevanten Besonderheiten der Baubran-che werden die identifizierten Werttreiber dann unter den Aspekten Akquisition und

264 Vgl. Arthur Andersen/European Business School (Immobilien-Gesellschaften), S. 11.

265 Vgl. Arthur Andersen/European Business School (Immobilien-Gesellschaften), S. 12-20.

266 Vgl. Schäfers, W./Haub, C. (Shareholder Value-Analyse), S. 493-528; Schäfers, W./Hörner, C. (Privatisie-rung), S. 535-560; Schäfers, W./Siepmann, A./Stock, A. (Bewertung), S. 375-402.

267 Vgl. Lohr, B. (Bewertung), S. 59.

tragsvergabe, Verhalten der Marktteilnehmer, Bilanzierung, Finanzierung, Personenbezo-genheit und Risiken zusammengefasst.268

Fries wählt in seiner Darstellung der Unternehmensbewertung von Krankenhäusern eine andere Vorgehensweise: Er analysiert nach dem Muster der strategischen Analyse zu-nächst die Rahmenbedingungen der Umwelt und dann die Strukturen des zu bewerten-den Unternehmens. Bei bewerten-den Rahmenbedingungen der Umwelt werbewerten-den steuerliche, recht-liche und politische Faktoren sowie Standortfaktoren hervorgehoben.269 Die Strukturen der Krankenhäuser werden einerseits durch die krankenhausspezifische Rechnungsle-gung und andererseits durch die sich z. T. aus den RahmenbedinRechnungsle-gungen der Umwelt er-gebenden Einflussfaktoren auf die Erlös- und Kostenplanungen erklärt.270 Darüber hinaus werden noch die Besonderheiten der Ermittlung der Diskontierungszinsen von Kranken-häusern diskutiert.271

Unabhängig von der betrachteten Branche und der gewählten Vorgehensweise, kristalli-sieren sich die spezifische Rechnungslegung in der jeweiligen Branche, die Finanzierung und die Besteuerung als wesentliche Aspekte bei der Beschreibung eines branchenorien-tierten Bewertungsmodells heraus.

Die Relevanz der Rechnungslegung wird damit begründet, dass die Jahresabschlüsse ei-nes Unternehmens den Ausgangspunkt für die Planung und deren Analyse bilden.272 Dar-über hinaus werden Gestaltungsspielräume bei der Aufstellung des Jahresabschlusses angeführt, die für den Zweck der Unternehmensbewertung erkannt werden müssen.273 Weiterhin kann angeführt werden, dass sich aus branchenspezifischen Gliederungen von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnungen274 Erkenntnisse über die darin enthaltenen und in einer Branche besonders relevanten Positionen ergeben.

Die Bedeutung der Finanzierung und der spezifischen Finanzierungsformen einer Bran-che werden aus dem Werttreibermodell nach Rappaport begründet.275 Aufgrund des Ein-flusses der Finanzierung auf die gewichteten Kapitalkosten ergibt sich die Notwendigkeit der Diskussion dieses Aspektes.

268 Vgl. Lohr, B. (Bewertung), Kapitel 4.1, S. 118-146.

269 Vgl. Fries, T. (Unternehmensbewertung), Kapitel D I, S. 39-50.

270 Vgl. Fries, T. (Unternehmensbewertung), Kapitel D II, S. 51-68.

271 Vgl. Fries, T. (Unternehmensbewertung), Kapitel D III, S. 69-72.

272 Vgl. Lohr, B. (Bewertung), S. 127; Fries, T. (Unternehmensbewertung), S. 53.

273 Vgl. Fries, T. (Unternehmensbewertung), S. 53.

274 Als Beispiel seien hier Gliederungen nach der Krankenhausbuchführungsverordnung, FormblattVO für die Gliederung des Jahresabschlusses Wohnungsbauunternehmen, genannt.

275 Vgl. Arthur Andersen/European Business School (Immobilien-Gesellschaften), S. 17; Fries, T. (Unterneh-mensbewertung), S. 70.

Der Einbezug der Besteuerung in die Definition eines branchenspezifischen Bewertungs-ansatzes wird mit branchenspezifischen Aspekten der Besteuerung begründet. Diese können einerseits in generell relevanten Regelungen für die Branche bestehen.276 Ande-rerseits können sie aber auch durch steuerliche Spezifika begründet sein, die einem Er-werber nach Realisierung einer Transaktion mit einem Unternehmen dieser Branche nicht mehr zustehen.277

Die beiden zur Beschreibung von branchenorientierten Bewertungsmodellen dargestellten Bezugsrahmen – das Werttreibermodell und die strategische Analyse – scheinen zu-nächst zwei gegensätzliche Ansätze darzustellen. Bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass das von Rappaport vorgeschlagene Werttreibermodell die Aspekte der stra-tegischen Analyse bereits umfasst. Rappaport verknüpft in seinem Modell Porters Wett-bewerbsanalyse278 mit der Unternehmensbewertung, um Unternehmensstrategien im Hinblick auf ihren Einfluss auf den Unternehmenswert zu überprüfen.279 Deshalb soll im Folgenden die Identifikation der bewertungsrelevanten Charakteristika das Werttreiber-modells von Rappaport vor dem Hintergrund der in dieser Arbeit anzuwendenden APV-Methode und dem Kontext von Unternehmensakquisitionen auf seine Anwendbarkeit hin untersucht werden.

3.1.2. Identifikation mittels Werttreibermodellen

Zur Modellierung des Einflusses von Unternehmensstrategien auf den Unternehmenswert wird ein Werttreibermodell vorgestellt, welches vor allem der Komplexitätsreduktion und der Fokussierung auf wenige Einflussparameter dient. Diese auch als Werttreiber be-zeichneten Einflussfaktoren sollen Ansatzpunkte für die Wertbeeinflussung auf operativer Ebene bieten.

Bei dem von Rappaport zu Grunde gelegten Bewertungskalkül handelt es sich um den Entity-Ansatz.280 Bei dieser DCF-Bewertungsmethode wird der Unternehmensgesamtwert durch die Diskontierung erwarteter Cash Flows bei angenommener vollständiger Eigen-kapitalfinanzierung (Free Cash Flow) mit den durchschnittlichen Kapitalkosten (WACC)

276 Vgl. Arthur Andersen/European Business School (Immobilien-Gesellschaften), S. 15.

277 Fries weist auf die Bewertung von Krankenhäusern im Rahmen von Privatisierungstransaktionen hin, die in der Regel zum Entfall von Steuervergünstigungen führen. Vgl. Fries, T. (Unternehmensbewertung), S.

38.

278 Vgl. Porter, M. (Competitive Advantage), S. 3-190, insbesondere das „Five-Forces”-Modell, S. 3-33. Zu ei-ner Branchenstrukturanalyse der Wohnungswirtschaft anhand des „Five-Forces”-Modells vgl. Buse, C.

(Strategisches Management), S. 84-94.

279 Vgl. Schultze, W. (Methoden), S. 237.

280 Vgl. Drukarczyk, J. (Unternehmenssteuerung), S. 219; Lorson, P. (Bewertung), S. 262.

ermittelt. Zur Ermittlung des Wertes des Eigenkapitals wird von dem Unternehmensge-samtwert der des Fremdkapitals abgezogen.281

Werttreiber

Manage-ment Wertkom-ponenten Zielsetzung

Dauer des Wertwachstums

Umsatz-wachstum Gewinnmarge Steuersatz

Risikoadäquate

Opportunitäts-kosten

Operativ Finanzierung

Investitionen in Anlage- und Umlaufvermögen

Investition Free Cash

Flows

Kapitalsie-rungssatz

Wert der

Fremdfinan-zierung

Unternehmens-wertsteigerung Eigentümer-Rendite

Abbildung 3.1: Werttreibermodell von Rappaport282

Das Werttreibermodell lehnt sich an die in der Vergangenheitsanalyse verbreitete Ermitt-lung von Verhältniszahlen in Abhängigkeit von Umsatzerlösen an.283 Die betriebliche Ge-winnmarge wird dabei als Relation zwischen dem Ergebnis vor Steuern und Zinsen (EBIT) und dem Umsatz verstanden.284 Der Cash-Gewinnsteuersatz entspricht den Ertrag-steuern des Unternehmens bezogen auf das Ergebnis vor Steuern und Zinsen (EBIT) – also bei angenommener vollständiger Eigenkapitalfinanzierung ohne Berücksichtigung der sich aus der Anrechenbarkeit von Zinsaufwendungen auf die steuerliche Bemessungs-grundlage ergebenden Steuervorteile. Bei den Zusatzinvestitionen in das Anlagevmögen wird nicht die Bruttoinvestition, sondern die sich nach Abzug der Abschreibung er-gebende Nettoinvestition berücksichtigt.285 Somit wird die nicht erfolgte Hinzurechnung der Abschreibung im operativen Cash Flow durch die Berücksichtigung der Nettoinvestiti-onen wieder korrigiert.286 Die Zusatzinvestitionen in das Nettoumlaufvermögen stellen alle Erhöhungen und Verminderungen der Vorräte, Forderungen, Rückstellungen und nicht

281 Vgl. hierzu auch Kapitel 3.2.1.1 dieser Arbeit.

282 In Anlehnung an Rappaport, A. (Shareholder Value), S. 68.

283 Vgl. Schultze, W. (Methoden), S. 237.

284 Vgl. Rappaport, A. (Shareholder Value), S. 42.

285 Vgl. Rappaport, A. (Shareholder Value), S. 41.

286 Vgl. Drukarczyk, J. (Unternehmenssteuerung), S. 219.

verzinslichen Verbindlichkeiten dar.287 Der so ermittelte Free Cash Flow ist mit den ge-wichteten Kapitalkosten (WACC) zu diskontieren.288 Ein weiterer Werttreiber in dem so genannten Shareholder Value-Netzwerk ist die erwartete Dauer möglicher Wertsteigerun-gen, indem durch die geplanten Investitionen eine Rendite erzielt wird, die über den Kapi-talkosten liegt.289 Hierbei stellt Rappaport eine Beziehung zwischen der notwendigen Länge der Detailprognosephase und der Dauer der möglichen Wertsteigerungen her, in-dem er darauf hinweist, dass Überrenditen, also über den Kapitalkosten liegende Rendi-ten, nicht langfristig aufrechterhalten werden können, da sie zu zusätzlichem Wettbewerb und damit zu Überkapazitäten und Preiswettbewerb führen.290

Vorteilhaft an dem Werttreibermodell von Rappaport ist, dass der Fokus des Modells auf der operativen Wertschaffung liegt und es bezüglich der Cash Flow-Definitionen bran-chenspezifische Adjustierungen erlaubt.291

Neben den vereinfachenden umsatzabhängigen Annahmen zur Prognose der Free Cash Flows292 ist am Ansatz von Rappaport aus bewertungsmethodischer Sicht die unreflek-tierte Anwendung des Entity-Ansatzes zu kritisieren.293 Denn die Anwendung dieses An-satzes setzt eine wertorientierte Finanzierungspolitik und eine residuale Ausschüttungs-politik voraus.294 Sind diese Anwendungsprämissen nicht erfüllt, so führt die Anwendung zur systematischen Ergebnisabweichung von dem zutreffenden Bewertungsergebnis.295 Aus dem Blickwinkel einer Akquisition ist zu kritisieren, dass weder aus Kaufverträgen re-sultierende Auflagen und Restriktionen, welche die geplante Fortführung der Gesellschaft nach der Planung des Erwerbers beeinträchtigen können, noch etwaige Transaktionskos-ten berücksichtigt werden. Die Besteuerung der Unternehmen wird durch einen pauscha-len Cash-Gewinnsteuersatz nur vereinfacht dargestellt. Ferner werden auch evtl. beste-hende Abweichungen zwischen der Handels- und Steuerbilanz und damit von dem Er-gebnis vor Zinsen und Steuern abweichende Steuerbemessungsgrundlagen nicht berück-sichtigt. Darüber hinaus wird nicht gewürdigt, dass auch die Desinvestition von Anlage-vermögen Bestandteil einer Unternehmensstrategie sein können.

287 Vgl. Rappaport, A. (Shareholder Value), S. 43.

288 Vgl. Rappaport, A. (Shareholder Value), S. 44-48.

289 Vgl. Rappaport, A. (Shareholder Value), S. 69.

290 Vgl. Rappaport, A. (Shareholder Value), S. 50. Diese Überlegungen zur begrenzten Dauer einer mögli-chen Überrendite waren bereits Gegenstand der Betrachtung bei den so genannten Übergewinnverfahren oder der Methode der verkürzten Goodwillrentendauer. Vgl. Born, K. (Unternehmensanalyse), S. 29.

291 Vgl. Arthur Andersen/European Business School (Immobilien-Gesellschaften), S. 9.

292 Vgl. Lorson, P. (Bewertung), S. 263.

293 Vgl. Drukarczyk, J. (Unternehmenssteuerung), S. 224.

294 Vgl. Hachmeister, D. (Finanzierung), S. 269.

295 Vgl. Richter, F. (DCF-Methoden), S. 226.

Trotz dieser diskutierten Schwächen des Werttreibermodells von Rappaport stellt es einen systematischen Rahmen für die Analyse von branchenspezifischen Werttreibern dar, die für die jeweilige Branche zu detaillieren sind.296 Hierbei sind die sich aus den umsatzab-hängigen Werttreibern ergebenden Unschärfen unerheblich, da dieses Modell im Folgen-den lediglich Folgen-den Bezugsrahmen für die Detailanalyse bieten soll. Die übrigen Aspekte werden im akquisitionsorientierten Werttreibermodell ergänzt:

Zielsetzung Wertkomponenten Werttreiber Management

In Anlehnung an die APV-Methode resultiert die Unternehmenswertsteigerung und damit die Rendite des Erwerbers aus dem Wert des operativen Geschäftes, dem gegenläufigen Wert der Restriktionen des Kaufvertrages und der Transaktionskosten, weiterhin dem Wert der Steuereffekte aus Fremdfinanzierung, abweichender Handels- und Steuerbilanz, steuerbilanziellen Verlustvorträge und Ausschüttungsbelastungen sowie dem Wert der Fremdfinanzierung. Diese vier Wertkomponenten werden durch den vom Erwerber ver-folgten und im Vergleich zum Verkäufer i. d. R. veränderten Unternehmenszweck beein-flusst. Aus diesem Grund wird in Kapitel 3.2 zunächst der Unternehmenszweck der

296 Vgl. Lorson, P. (Bewertung), S. 263.

nungsbauunternehmen und seine Veränderung durch einen Erwerber dargestellt, daran anschließend werden die vier Wertkomponenten erläutert.

3.2. Unternehmenszweck der Wohnungsbauunternehmen

Unternehmen – so auch Wohnungsbauunternehmen – begründen ihre Existenz durch die Verfolgung eines Unternehmenszweckes. Als Unternehmenszweck wird dabei die Funk-tion des Unternehmens aus Sicht ihrer Umwelt verstanden. Da die Unternehmen gleich-zeitig auch relative autonome Gebilde sind, verfügen sie über Handlungsfreiheiten, die es der Geschäftsführung ermöglichen Unternehmensziele zu setzen.297

Hinsichtlich des Unternehmenszweckes sind zwei grundsätzliche Ausprägungen möglich:

Unternehmen können entweder die Bedarfsdeckung in den Vordergrund ihrer Tätigkeit rücken und sich somit gemeinnützig verhalten oder aber die Gewinnerzielung und Wert-steigerung zur Maxime ihres Handels machen und sich damit erwerbswirtschaftlich ver-halten.298 Aus diesen unterschiedlichen Unternehmensverfassungen resultieren dann un-terschiedliche Unternehmensziel und -strategien, die dann in den einer Unternehmens-bewertung zu Grunde zu legenden Unternehmensplanungen abgebildet werden.

Insofern sind vor einer Diskussion der Struktur der verfügbaren Cash Flows und ihrer Werttreiber zunächst der Unternehmenszweck und die sich daraus ergebenden Unter-nehmensziele zu beleuchten, welche – neben anderen Interessengruppen – maßgeblich durch den Anteilseigner beeinflusst werden. Hierzu wird zunächst der häufig verfolgte Un-ternehmenszweck der ehemals gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen bei An-teilseignerschaft der öffentlichen Hand beleuchtet, um daran anschließend mögliche Un-terschiede im Vergleich zu dem von einem Erwerber verfolgen Unternehmenszweck zu diskutieren.

3.2.1. Öffentliche Hand als Anteilseigner

Während der Unternehmenszweck der bis dahin gemeinnützigen Wohnungsbauunter-nehmen im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG)299, in den Voraussetzungen zur

297 Vgl. Zettel, W. (Organisation), S. 12.

298 Vgl. Bea, F. X./Haas, J. (Strategisches Management), S. 73.

299 Die Entwicklung der Wohnungsgemeinnützigkeit verlief in drei wesentlichen Phasen: Die Ursprünge der Wohnungsgemeinnützigkeit liegen in der mit der industriellen Revolution beginnenden Phase der privat initiierten Wohnungsgemeinnützigkeit. Vgl. Kruschwitz, H. (Wohnungsnot), S. 1749; Jenkis, H. W. (Woh-nungswirtschaftspolitik), S. 25. Hieran schloss sich zum Ende des Ersten Weltkrieges die Phase der nicht kodifizierten, aber aus einem neuen Aufgabenverständnis resultierenden, staatlich geförderten Woh-nungsgemeinnützigkeit an. Vgl. Kruschwitz, H. (Wohnungsnot), S. 1749; Jenkis, H. W. (Wohnungswirt-schaftspolitik), S. 25. Mit dem 1940 in Kraft getretenen WGG, wurden die Gemeinnützigkeit und die staat-liche Intervention in den Wohnungsmarkt dann kodifiziert. Vgl. Jenkis, H. W. (Entwicklung), S. XXII. Diese Phase dauerte bis 1990 an, als das WGG aufgehoben wurde. Vgl. Schwarz, M. E. (Wohnungswirtschaft), S. 53.

Erlangung der Wohnungsgemeinnützigkeit kodifiziert war,300 haben die Wohnungsbauun-ternehmen seit dem Entfall des WGG im Jahr 1990 unterschiedliche Wege eingeschla-gen. Dennoch ist anzumerken, dass die öffentliche Hand als Anteilseigner in nicht weni-gen Fällen - trotz der Aufhebung des WGG – beschlossen hat, weiterhin wohnungsge-meinnützige Ziele zu verfolgen.301 In diesen Fällen bestehen dann die Auflagen des WGG in den Satzungen beziehungsweise den Gesellschaftsverträgen fort.302

Die seinerzeit prägenden Voraussetzungen zur Erlangung der Wohnungsgemeinnützig-keit haben vor allem in der Zweckbindung der Mittel, der Einhaltung des Kostendeckungs-prinzips, dem Ausschüttungsverzicht der Anteilseigner sowie der Einschränkung bei der Rechtsformwahl bestanden.

Aufgrund der Zweckbindung der Mittel waren die Wohnungsbauunternehmen verpflichtet, die Mittel nur entsprechend ihres nach § 6 WGG definierten Unternehmenszweckes ein-zusetzen.303 Hierzu zählte neben der Bewirtschaftung und Verwaltung von Wohnungen, vor allem nach § 6 WGGDV i. V. m. § 6 Abs. 1 und 3 WGG, die nur in Ausnahmefällen aussetzbare Verpflichtung zum ständigen Bau von Kleinwohnungen, um die Deckung des Wohnungsbedarfs zu gewährleisten.304 Aus dieser Bauverpflichtung resultiert auch die Namensgebung Wohnungsbauunternehmen im Gegensatz zu einem freien Wohnungs-unternehmen, für das keine Baupflicht bestand.305

Ein weiteres Prinzip war das von den Wohnungsbauunternehmen geforderte gemeinnüt-zige Preisverhalten nach dem Grundsatz der Kostendeckung.306 Gemäß § 13 Abs. 1 WGGDV i. V. m. § 7 WGG durften die gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen ledig-lich ein Entgelt verlangen, das zur Deckung der Aufwendungen für die Bewirtschaftung, zur Deckung der Kosten der Führung des Unternehmens sowie zur Bildung von ange-messenen Rücklagen erforderlich war.307 Somit konnten zusätzlich zu den zu deckenden Kosten auch eine angemessene Eigenkapitalverzinsung und Wagniszuschläge berück-sichtigt werden.308 Damit war die Mietpreisgestaltung eingeschränkt und einem

300 Vgl. Lütke, F. (Wohnungswirtschaft), S. 284.

301 Vgl. Schwarz, M. E. (Wohnungswirtschaft), S. 59.

302 Vgl. Schwarz, M. E. (Wohnungswirtschaft), S. 68. Eine Analyse der Satzungen der 98 im VdW Bayern zu-sammengefassten Wohnungsbauunternehmen hat ergeben, dass von den analysierten 98 ehemals ge-meinnützigen Wohnungsbauunternehmen 64 Gesellschaften (65%) eine an gege-meinnützigen Zielen i. S.

des WGG orientierte Satzung auch nach Abschaffung des WGG beibehalten haben. Vgl. Dietrich, P.

(Wohnungsunternehmen), S. LXVIII.

303 Vgl. Buse, C. (Strategisches Management), S. 25; Jenkis, H. W. (Ursprung), S. 13; Lütke, F. (Wohnungs-wirtschaft), S. 254.

304 Vgl. Lütke, F. (Wohnungswirtschaft), S. 253.

305 Vgl. Brecht, J. (Wohnungsbaugesellschaften), S. 1669.

306 Vgl. Weimar, H. P. (Gewinn), S. 720.

307 Vgl. Blaas, W./Brezina, B. (Ökonomie), S. 148.

308 Vgl. Gardemann, H.-F. (Kostendeckungsprinzip), S. 941.

entierten Preismechanismus entzogen.309 Das Kostendeckungsprinzip war aber nicht nur auf die Mietpreispolitik, sondern gemäß § 14 WGGDV i. V. m. § 7 WGG auch auf die Be-messung der Verkaufspreise von Eigenheimen anzusetzen.310

Durch das Kostendeckungsprinzip war also nicht die Gewinnerzielung, sondern lediglich die dem erwerbswirtschaftlichen Prinzip zu Grunde liegende Gewinnmaximierung ausge-schlossen.311 Gleichwohl war nach § 9 Abs. 1 a WGG die Ausschüttung und damit auch die Eigenkapitalverzinsung der Anteilseigner auf 4% des Nominalkapitals beschränkt. Der die Ausschüttungsgrenze übertreffende Bilanzgewinn war zu thesaurieren.312

Wesentlich aus Sicht der Unternehmensbewertung ist darüber hinaus noch die nach § 2 WGG bestehende Beschränkung der Rechtsformwahl auf juristische Personen.313 Diese Einschränkung wurde damit begründet, dass bei Körperschaften, im Gegensatz zu Ein-zelpersonen und Personengesellschaften, die Gewinnerzielung auf Grund der Trennung von Gesellschafts- und Privatvermögen besser überwacht werden kann.314 Unter den möglichen juristischen Personen wurde keine weitere Einschränkung vorgenommen, wenngleich empirisch betrachtet Wohnungsbaugenossenschaften, GmbHs und Aktienge-sellschaften die dominierenden Rechtsformen sind, während alle weiteren möglichen Rechtsformen der juristischen Personen keine Bedeutung erlangten.315

Aber nicht nur die Entscheidung der Anteilseigner für den Fortbestand des gemeinnützi-gen Geschäftszweckes, der vor allem durch die gemeinnützi-genannten Prinzipien geprägt wurde, be-stimmt die derzeitige Aktivität der Wohnungsbauunternehmen. Darüber hinaus wirken zahlreiche geschäftspolitische Entscheidungen, die noch während der Gemeinnützigkeit nach dem WGG getroffen wurden, aufgrund der Langfristigkeit der Verträge nach. Als Kompensation für die durch die Gemeinnützigkeit auferlegten Restriktionen wurden die

309 Vgl. Schwarz, M. E. (Wohnungswirtschaft), S. 53. Dieser Eingriff in die Wirtschaftsordnung wird mit der nach dem Zweiten Weltkrieg vorherrschenden Wohnungsnot begründet. Vgl. Brecht, J. (Wohnungsunter-nehmen), S. 1764.

310 Vgl. Brecht, J. (Wohnungsunternehmen), S. 1776.

311 Vgl. Gardemann, H.-F. (Kostendeckungsprinzip), S. 942.

312 Vgl. Buse, C. (Strategisches Management), S. 25; Kersten, G./Schulz, G. (Mitglieder), S. 194-195; Lüt-ke, F. (Wohnungswirtschaft), S. 249; Schwarz, M. E. (Wohnungswirtschaft), S. 53. Die aus dem Grundsatz der Kostendeckung resultierenden Kostenmieten ermöglichten den gemeinnützigen Wohnungsbau-unternehmen z. T. die Thesaurierung beträchtlicher Überschüsse. Vgl. Harloe, M. (Home), S. 463.

313 Vgl. Brecht, J. (Wohnungsunternehmen), S. 1767-1768.

314 Vgl. Gemeinnützigkeitsverordnung von 1930, zitiert nach Dyong, H. (2 bis 6 WGG), § 2 WGG, Rz. 2, S.

16.

315 Zu den in Tabelle 1.1 als Sonstige ausgewiesenen Wohnungsbaugesellschaften zählen insbesondere Körperschaften des öffentlichen Rechtes, Stiftungen und Vereine. Vgl. Jenkis, H. W. (Entwicklung), S.

XXIII.

Wohnungsbauunternehmen in besonderem Maße bei der Vergabe von langfristigen För-derungen begünstigt.316

Einerseits wurde den gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen ein privilegierter Status bei der Wohnungsbauförderung gewährt,317 indem sie bei der Zuweisung öffentlicher Dar-lehen und Zuschüsse gegenüber anderen, erwerbswirtschaftlichen Unternehmen be-vorzugt wurden.318 Aus diesem Grund beruht die Finanzierung der Wohnungsbauunter-nehmen häufig auf in Anspruch genommenen Objektförderungen, wenngleich nicht im-mer, da es auch gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen gab, die keine Fördermittel in Anspruch genommen haben.319 Je nach vereinbartem Förderprogramm können die hier-aus resultierenden Miet- und Belegungsbindungen sowie geförderten Darlehen und Zu-schüsse langfristig nach der Gewährung nachwirken. So unterliegen öffentlich geförderte Wohnungen nach §§ 15-17 WoBindG einer Zweckbindung von 30-60 Jahren.320

Andererseits wurden Wohnungsbauunternehmen aber auch bei ihren Bauaktivitäten auf-grund der Verpflichtung der Gemeinden nach § 89 Abs. 2 S. 1 II. WoBauG begünstigt, nicht nur eigenes vorhandenes Bauland, sondern auch eigenes beschafftes Bauland zu angemessenen Preisen als Baugründstück oder als Erbbaurecht überlassen.321 Aufgrund einer nach § 33 Abs. 2 II. WoBauG geforderten Laufzeit von im Regelfall 99 Jahren be-stehen diese Erbbaurechte auch nach Aufhebung der Wohnungsgemeinnützigkeit.322 Zusammenfassend hat die öffentliche Hand als häufiger Anteilseigner der Wohnungsbau-unternehmen in vielen Fällen für diese Unternehmen trotz des Entfalls des WGG im Rah-men der Satzung bzw. des Gesellschaftsvertrages einen gemeinnützigen UnternehRah-mens- Unternehmens-zweck bestimmt. Darüber hinaus wirken aufgrund der langen Vertragslaufzeiten aber auch Miet- und Belegungsbindungen sowie Darlehen, Zuschüsse und Erbbaurechte trotz Beendigung der Gemeinnützigkeit nach.

316 Die staatliche Intervention in den Wohnungsmarkt durch Förderung des Wohnungsbau resultierte einer-seits aus der erneuten Verschlechterung der Wohnraumsituation am Ende des Ersten Weltkrieges und anderseits aus der bedingten Abkehr von dem vormalig liberalen Ordnungssystem durch die „Verfassung des Deutschen Reichs“ vom 11. August 1919 („Weimarer Reichsverfassung“), Vgl. Kruschwitz, H. (Woh-nungsnot), S. 1749; Jenkis, H. W. (Wohnungswirtschaftspolitik), S. 25. Aufgrund eines veränderten Aufga-benverständnisses förderte die öffentliche Hand zunehmend die Verbesserung der Wohnraumsituation durch die Vergabe von öffentlichen Mitteln und anderen Vergünstigungen. Vgl. Lüt-ke, F. (Wohnungswirtschaft), S. 284.

317 Vgl. Jenkis, H. W. (Ursprung), S. 220; Blaas, W./Brezina, B. (Ökonomie), S. 149; Pohl, W. (Gemeinden), S. 689; Schwarz, M. E. (Wohnungswirtschaft), S. 58.

318 Vgl. Blaas, W./Branzina, B. (Ökonomie), S. 149; Kujath, H. J. (Wohnungsversorgung) S. 129; Pohl, W.

(Gemeinden), S. 689; Schwender, H. W. (Wohnungsbaumittel), S. 1671.

319 Vgl. Schulz, G. (Wohnungswirtschaft), S. 74.

320 Vgl. Murfeld, E. (Grundstücks- und Wohnungswirtschaft), S. 567.

321 Vgl. Pohl, W. (Gemeinden), S. 688; Murfeld, E. (Grundstücks- und Wohnungswirtschaft), S. 105.

322 Vgl. Kloberg, H. (Erbbaurecht), S. 565; Simon, J. (Erbbaurecht), S. 81.

3.2.2. Veränderungspotential für Erwerber

Aus Sicht eines Erwerbers bietet insbesondere eine durch den derzeitigen Anteilseigner beschlossene gemeinnützige Unternehmenssatzung Anknüpfungspunkte für Wertsteige-rungspotentiale, da er im Gegensatz zu dem Veräußerer einen erwerbswirtschaftlichen Unternehmenszweck unterstellen wird.

Aus der Änderung des Unternehmenszweckes ergibt sich, dass die Zweckbindung der Mittel, das Prinzips der Kostendeckung und der Ausschüttungsrestriktion aufgegeben werden können.323 Durch eine Aufhebung der Zweckbindung der Mittel sind unterschiedli-che zusätzliunterschiedli-che Optionen zur nachhaltigen Steigerung der Ertragskraft möglich, die in dem gemeinnützig geprägten Geschäftszweck nicht möglich waren. In diesem Zusam-menhang kann dann auch eine Wertsteigerung durch systematische Zukäufe und Ver-käufe von Wohnungen erreicht werden.324 Durch diese auch als „buy-hold-sell“-Strategie bezeichnete Vorgehensweise können neue Ertragspotentiale erschlossen werden.325 Die auch als „buy-hold-sell“-Strategie bezeichnete Vorgehensweise setzt zunächst bei Erwerb der Bestandsobjekte an. Bei der Akquisition von Wohnungsbeständen haben sich Kriterien herausgebildet, die auf eine erfolgreiche Bewirtschaftung und einen erfolgreichen Vertrieb von Wohnungen schließen lassen, die je nach Investorenpräferenz

Aus der Änderung des Unternehmenszweckes ergibt sich, dass die Zweckbindung der Mittel, das Prinzips der Kostendeckung und der Ausschüttungsrestriktion aufgegeben werden können.323 Durch eine Aufhebung der Zweckbindung der Mittel sind unterschiedli-che zusätzliunterschiedli-che Optionen zur nachhaltigen Steigerung der Ertragskraft möglich, die in dem gemeinnützig geprägten Geschäftszweck nicht möglich waren. In diesem Zusam-menhang kann dann auch eine Wertsteigerung durch systematische Zukäufe und Ver-käufe von Wohnungen erreicht werden.324 Durch diese auch als „buy-hold-sell“-Strategie bezeichnete Vorgehensweise können neue Ertragspotentiale erschlossen werden.325 Die auch als „buy-hold-sell“-Strategie bezeichnete Vorgehensweise setzt zunächst bei Erwerb der Bestandsobjekte an. Bei der Akquisition von Wohnungsbeständen haben sich Kriterien herausgebildet, die auf eine erfolgreiche Bewirtschaftung und einen erfolgreichen Vertrieb von Wohnungen schließen lassen, die je nach Investorenpräferenz

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