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ANALYSE BEWERTUNGSRELEVANTER CHARAKTERISTIKA

Im Dokument EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (Seite 166-200)

Im vorangehenden vierten Kapitel wurde bei der Beschreibung der Spezifika der ehemals gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen u. a. die Wechselwirkung zwischen Finan-zierung, Ausschüttung und Besteuerung deutlich, die im Rahmen der Unternehmensbe-wertung zu vielfältigen Besonderheiten führen kann. Zielsetzung dieses Kapitels ist die Analyse der im dritten Kapitel beschriebenen bewertungsrelevanten Charakteristika.

4.1. Definition eines Analysemodells

Um die Spezifika der Wohnungsbauunternehmen zu analysieren, soll auf die Arbitrage-überlegungen von Modigliani/Miller zurückgegriffen werden, deren Arbeiten aus den Jah-ren 1958701 und 1963702 das Fundament der DCF-Methoden im Allgemeinen und der APV-Methode703 im Besonderen bilden. Diese Arbitrageüberlegungen sollen in Folgenden erläutert werden, um in dem folgenden Kapitel auf diesem Fundament die im dritten Ka-pitel dargelegten bewertungsrelevanten Spezifika zu analysieren. Hierzu werden zunächst in Kapitel 4.1.1 die grundlegenden Arbitrageüberlegungen von Modigliani/Miller zur wertung eines fremdfinanzierten Unternehmens dargestellt. In Kapitel 4.1.2 wird die Be-rücksichtigung der Einkommensbesteuerung der Anteilseigner dargestellt, um auf der Grundlage der sich hieraus ergebenden Besonderheiten in Kapitel 4.1.3 eine von Stiglitz vorgeschlagene Erweiterung der Arbitragetechnik von Modigliani/Miller vorzustellen, die vor dem Hintergrund der in Kapitel 4.1.2 dargestellten Einkommensbesteuerung der An-teilseigner eine besondere Relevanz erhält.

4.1.1. Grundlegende Arbitrageüberlegungen von Modigliani/Miller bei einheitlicher Be-steuerung von Zinsen und Dividenden

Im Rahmen ihrer Arbeiten zu Auswirkungen der Kapitalstruktur auf die Kapitalkosten und damit auf den Unternehmenswert gehen Modigliani/Miller von Arbitrageüberlegungen zur Preisbildung am vollkommenen Kapitalmarkt aus. In ihren Überlegungen beweisen sie die Auswirkungen der Kapitalstruktur auf die Kapitalkosten, indem sie zunächst definieren, dass es mindestens zwei annahmegemäß vollständig eigenkapitalfinanzierte

701 Durch Arbitrageüberlegungen beweisen sie, dass in einer Welt ohne Steuern und bei vollkommenem Ka-pitalmarkt eine Änderung der Kapitalstruktur keinen Einfluss auf den Wert des Unternehmens hat, sondern dass dieser durch das operative Geschäft des Unternehmens geprägt wird. Vgl. Modigliani, F./Miller, M. H.

(Cost), S. 261-267.

702 1963 zeigen Modigliani/Miller, dass Kapitalstrukturmaßnahmen bei Anrechenbarkeit der Fremdkapitalzin-sen auf die steuerliche Bemessungsgrundlage den Unternehmensgesamtwert verändern und diese aus der Finanzierung des Unternehmens resultierenden steuerlichen Vorteile des Unternehmens auf der An-teilseignerebene nicht oder nur unvollständig dupliziert werden können. Vgl. Modigliani, F./Miller, M. H.

(Correction), S. 433-443.

703 Myers knüpft in seiner Arbeit zur APV-Methode an die Überlegungen von Modigliani/Miller an, aber leitet die Wertbeiträge der Finanzierung mit Hilfe der linearen Programmierung ab. Vgl. Meyers, S. C. (Interac-tions), S. 1-25. Die Ergebnisse können jedoch ebenfalls anhand von Arbitrageüberlegungen erzielt wer-den.

men gäbe, die ein konstantes Verhältnis zwischen dem Preis ihrer Anteile und dem von den Anteilseigner erwarteten Gewinn aufweisen.704 Diese Festlegung führt dazu, dass die Anteile der Unternehmen dieser so genannten Risikoklasse miteinander substituierbar sind.705 Um die Auswirkung der Kapitalstruktur festzustellen, werden die finanziellen Ü-berschüsse zweier Anteilseigner verglichen, von denen einer an einem anteilig fremdfi-nanzierten Unternehmen und der andere an einem vollständig eigenkapitalfifremdfi-nanzierten Referenzunternehmen der gleichen Risikoklasse beteiligt ist. In diesen Vergleich der Zah-lungsströme wird der Versuch des Anteilseigners des vollständig eigenkapitalfinanzierten Unternehmens, durch private Kreditaufnahme einen betrags- und risikoäquivalenten Zah-lungsstrom zu dem des Anteilseigners des anteilig fremdfinanzierten Vergleichs-unternehmen zu generieren, mit einbezogen.706 Um die arbitragefreie Bewertung des an-teilig fremdfinanzierten Vergleichsunternehmens zu gewährleisten, kann dieses im Markt-gleichgewicht nur so viel wert sein wie das vollständig eigenkapitalfinanzierte Refe-renzunternehmen abzüglich der privaten Verschuldung.707 Diese von Modigliani/Miller vorgeschlagene Vorgehensweise708 wird für die Analyse der Spezifika der Wohnungsbau-unternehmen im Hinblick auf die Bewertung gewählt.

Im Rahmen dieser Analyse der Spezifika, die, wie im dritten Kapital ausgeführt, nicht nur auf die Kapitalstruktur beschränkt sind, wird stets von einem Anteilseigner eines als Refe-renzunternehmen bezeichneten Unternehmens ausgegangen, welches nicht nur vollstän-dig eigenkapitalfinanziert ist, sondern darüber hinaus nicht über das zu analysierende Spezifikum verfügt.

4.1.2. Berücksichtigung der Einkommensbesteuerung des Bewertungssubjekts

Gegenstand der Arbitrageüberlegungen ist der Vergleich von Einkommenserwartungen der Anteilseigner des zu bewertenden und des zum Vergleich stehenden Unternehmens.

Die Einkommenserwartung der Anteilseigner wird jedoch nicht nur durch Entscheidungen auf Unternehmensebene beeinflusst, sondern auch durch die auf Ebene des Anteilseig-ners durch die Dividendenausschüttungen ausgelösten Einkommensteuern. Im Folgenden soll in Abschnitt 4.1.2.1 diskutiert werden, ob die Einkommensteuern der Anteilseigner in die Bewertung einbezogen werden sollen oder ob diese ggf. ausgeblendet werden kön-nen.

704 Vgl. Modigliani, F./Miller, M. H. (Cost), S. 267.

705 Vgl. Modigliani, F./Miller, M. H. (Cost), S. 266.

706 Vgl. Modigliani, F./Miller, M. H. (Cost), S. 269.

707 Vgl. Modigliani, F./Miller, M. H. (Cost), S. 270.

708 Diese Vorgehensweise wird von Drukarczyk auch als Modigliani/Miller-Technik bezeichnet. Vgl. Drukarc-zyk, J. (Unternehmensbewertung), S. 194.

4.1.2.1. Nachsteuer- vs. Vorsteuerbetrachtung

Im Hinblick auf die Diskussion um die Relevanz der Kapitalstruktur unter Berücksichtigung von Ertragsteuern709 weist Miller darauf hin, dass nicht nur die Ertragsteuern auf Unter-nehmensebene, sondern auch die Einkommensteuern des Anteilseigners berücksichtigt werden müssten, da dieser seine Einkommenssituation nach Einkommensteuern be-trachtet.710 Dieser Sichtweise schließen sich weite Teile der deutschsprachigen Literatur zur Unternehmensbewertung und auch zur wertorientierten Steuerung an.711 Diese Be-rücksichtigung der Einkommensteuern wird mit der Eigentümerorientierung der Bewertung und der Verfügbarkeitsäquivalenz begründet.712

In der aktuellen Unternehmensbewertungsliteratur findet derzeitig eine erneute Diskussion um die Einbeziehung der Einkommensteuer statt. Die unterschiedlichen Positionen sollen im Folgenden zusammengefasst werden:

Richter diskutiert, ob die sich an einem Kapitalmarkt bildenden Gleichgewichtspreise nicht bereits implizit die Nachsteuerüberlegungen des Grenznachfragers berücksichtigen. Um eine doppelte Berücksichtigung von Ertragsteuern im Diskontierungszins zu vermeiden, wird von einer zusätzlichen Berücksichtigung von Ertragsteuern abgesehen.713

Laas weist darauf hin, dass Vor- und Nachsteuerbetrachtung sich unter engen Vorausset-zungen entsprechen können. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass aus dem Bewertungs-objekt nicht nur einkommensbesteuerte Dividendenzuflüsse, sondern ebenso nicht be-steuerte Kursgewinne resultieren. Wird der Anteil zu versteuernder Dividenden und steu-erfreier Kursgewinne identisch im Kapitalisierungszins berücksichtigt, so entsprechen sich Vor- und Nachsteuerbetrachtung.714 Hieraus wird gefolgert, dass – insoweit nicht konkrete

709 Während Modigliani/Miller 1958 im Hinblick auf die Berücksichtigung von Ertragsteuern zu der Schlussfol-gerung kommen, dass diese keine Auswirkung auf den Unternehmensgesamtwert haben – vgl. Modigliani, F./Miller, M. H. (Cost), S. 272 –, weisen sie 1963 diese Schlussfolgerung als nicht zutreffend zurück. Vgl.

Modigliani, F./Miller, M. H. (Correction), S. 433.

710 Vgl. Miller, M. H. (Debt), S. 267. Miller argumentiert für die Berücksichtigung der Einkommensteuern ge-gen eine optimale Kapitalstruktur auf Grund der mit der Verschuldung zunehmenden Insolvenzrisiken der Anteilseigner und deren daraus resultierenden steigenden Renditeforderungen für das von ihnen einge-setzte Eigenkapital, da er Insolvenzkosten zwar für existent, aber dennoch im Vergleich zu den Er-tragsteuervorteilen für zu gering hält, als dass sich daraus eine optimale Kapitalstruktur begründen ließe.

Vgl. Miller, M. H. (Debt), S. 262.

711 Vgl. u. a. Crommen, M. (Finanzierung), S. 77-82; Dinsthul, V. (Unternehmensbewertung), S. 58; Hach-meister, D. (Discounted Cash Flow), S. 131; Hötzel, O./Beckmann, K. (Unternehmensteuerreform), S.

696-701; Husmann, S./Kruschwitz, L./Löffler, A. (Unternehmensbewertung), S. 24-42; Krolle, S./Knollmann, J. (Einkommensteuersatz); S. 77-82; Lobe, S. (Steuervorteil), S. 645-652; Moser, U. (Dis-counted Cash-flow), S. 117-123; Richter, F. (Konzeption), S. 31; Ring, S./Castedello, M./Schlumberg, E.

(Steuersenkungsgesetz), S. 356-361; Schmidtbauer, R. (Kapitalisierungszinssatz), S. 1251-1257;

Schmidtbauer, R. (Steuern), S. 1251-1257; Schüler, A. (Halbeinkünfteverfahren), S. 1531-1536; Schwetz-ler, B. (Besteuerung), S. 695-705; Streitferdt, F. (Verlustvorträge), S. 669-693.

712 Vgl. Dinsthul, V. (Unternehmensbewertung), S. 58.

713 Vgl. Richter, F. (Steuerparadoxon), S. 326.

714 Vgl. Laas, T. (Steuern), S. 13.

Gründe dagegen sprechen – der Anteil von Dividenden und Kursgewinnen identisch im Kapitalisierungszinsfuß berücksichtigt werden sollte und folglich auf eine Berücksichtigung der Einkommensteuer verzichtet werden kann.715

Gegen die Sichtweise von Richter ist einzuwenden, dass sich zwar die Kapitalmarktren-dite sehr wohl unter Berücksichtigung der Einkommensteuern der Anteilseigner bilden, aber ein Anteilseigner deshalb bei einer Mittelanlage am Kapitalmarkt dennoch nicht von der Einkommensbesteuerung freigestellt wird.

Auch Laas weist darauf hin, dass die Identität von Vor- und Nachsteuerbetrachtung nur unter engen Voraussetzungen gilt und, insoweit diese nicht gegeben sind, von einer Nachsteuerbetrachtung auszugehen ist. 716

Deshalb wird im Folgenden von einer Nachsteuerbetrachtung ausgegangen. Ergänzend kann aber auch argumentiert werden, dass eine Diskussion der Unternehmensbewertung im Rahmen einer Nachsteuerbetrachtung dem Bewertungssubjekt, welches eine Vorsteu-erbetrachtung vorzieht, die Möglichkeit eröffnet, durch Nullsetzung der Steuersätze die Vorsteuerbetrachtung in den Gleichungssystemen der Nachsteuerbetrachtung durchzu-führen. Somit ist die Berücksichtigung von Einkommensteuer die umfassendere Darstel-lung, in die beide Sichtweisen einfließen, während eine Darstellung ohne Berücksichti-gung der Einkommensteuern eine nachträgliche Einbeziehung von Einkommensteuern nicht mehr möglich macht.

4.1.2.2. Diskussion des relevanten Steuersubjektes

Nachdem vorangehend eine Entscheidung für die Einbeziehung der Einkommensteuern in die weitere Betrachtung getroffen wurde, soll in diesem Abschnitt diskutiert werden, welches Besteuerungssubjekt und damit welche Besteuerungsgrundlagen berücksichtigt werden.

Häufig wird in der Literatur die natürliche Person als Bewertungssubjekt unterstellt.717 Diese Annahme erscheint jedoch im Hinblick auf die aus dem Erwerb einer Wohnungs-baugesellschaft resultierenden Transaktionsvolumina auf den ersten Blick nicht nachvoll-ziehbar. Vielmehr wird in der Regel eine Zweckgesellschaft in der Rechtsform einer

715 Vgl. Laas, T. (Steuern), S. 14.

716 Vgl. Laas, T. (Steuern), S. 13.

717 Vgl. u. a. Crommen, M. (Finanzierung), S. 77-82; Dinsthul, V. (Unternehmensbewertung), S. 58; Hach-meister, D. (Discounted Cash Flow), S. 131; Hötzel, O./Beckmann, K. (Unternehmenssteuerreform), S.

696-701; Husmann, S./Kruschwitz, L./Löffler, A. (Unternehmensbewertung), S. 24-42; Krolle, S./Knollmann, J. (Einkommensteuersatz); S. 77-82; Lobe, S. (Steuervorteil), S. 645-652; Moser, U. (Dis-counted Cash-flow), S. 117-123; Richter, F. (Konzeption), S. 31; Ring, S./Castedello, M./Schlumberg, E.

(Steuersenkungsgesetz), S. 356-361; Schmidtbauer, R. (Kapitalisierungszinssatz), S. 1251-1257;

pitalgesellschaft Erwerber der Anteile sein, um eine entsprechende Haftungsbegrenzung zu erlangen.

Werden die Anteile einer Wohnungsbaugesellschaft in dem Vermögen einer inländischen Kapitalgesellschaft gehalten, so unterliegen die Beteiligungserträge dieser Anteile grund-sätzlich der Gewerbe- und Körperschaftsteuerpflicht.

Im Rahmen der Gewerbesteuerermittlung können Dividenden von einer nicht steuerbe-freiten inländischen Kapitalgesellschaft i. S. § 2 Abs. 2 GewStG nach § 9 Abs. 2a GewStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags gekürzt werden, wenn die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens ein Zehntel des Grund- oder Stammkapitals beträgt.

Somit entfällt unter diesen Voraussetzungen eine Gewerbebesteuerung.

Weiterhin sind die Beteiligungserträge an in- und ausländischen Gesellschaften nach § 8b Abs. 1 KStG von der Körperschaftsbesteuerung freigestellt. Allerdings gelten von diesen Beteiligungserträgen 5% als Betriebsausgaben, die nach § 8b Abs. 1 KStG nicht abzugs-fähig sind. Wird dabei unterstellt, dass die inländische Kapitalgesellschaft ausschließlich zum Zweck der Beteiligung an der Wohnungsbaugesellschaft gegründet wurde, so resul-tieren aufgrund der Freistellung nach § 8b Abs. 1 KStG keine Betriebseinnahmen daraus und die fünfprozentige Nichtabzugsfähigkeit der Betriebsausgaben ist damit im Hinblick auf die Besteuerung irrelevant und die Kapitalgesellschaft de facto von der Körper-schaftsteuer befreit.

Da eine ausschließlich zum Halten von Beteiligungen gegründete Kapitalgesellschaft bei einem Anteil von mehr als 10% de facto - unter Vernachlässigung der fünfprozentigen Be-triebsausgabenkürzung nach § 8b Abs. 1 KStG – von der Gewerbe- und Körper-schaftsbesteuerung befreit ist, stellt sich die Frage, ob in dieser Konstellation die Besteue-rung einer Kapitalgesellschaft als Anteilseigner zu berücksichtigen ist. Da das Manage-ment der Beteiligungsgesellschaft sich gegenüber den Anteilseignern der Kapitalgesell-schaft verantworten muss, sollten Entscheidungen der GesellKapitalgesell-schaft ebenfalls aus Sicht der Anteilseigner als natürliche Personen getroffen werden.718 Folglich kann die steuerli-che Situation der einkommensteuerpflichtigen inländissteuerli-chen Anteilseigner direkt berück-sichtigt werden. Insofern ist die Annahme der natürlichen Person als Bewertungssubjekt unter Berücksichtigung der Besteuerung von Beteiligungserträgen aus Wohnungsbauun-ternehmen nicht abwegig und soll deshalb auch dieser Arbeit unterstellt werden. Gleich-zeitig können sich im Einzelfall aufgrund alternativer Erwerbsstrukturen, die z. T. auch grenzüberschreitend sein können, andere steuerliche Implikationen für die ggf. auch

Schmidtbauer, R. (Steuern), S. 1251-1257; Schüler, A. (Halbeinkünfteverfahren), S. 1531-1536; Schwetz-ler, B. (Besteuerung), S. 695-705; Streitferdt, F. (Verlustvorträge), S. 669-693.

ländischen Anteilseigner ergeben. Die Berücksichtigung dieser Umstände würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen.

Bei der Besteuerung der natürlichen Personen wird das Halbeinkünfteverfahren unter-stellt, nach dem Dividendenerträge auf Ebene der Anteilseigner gemäß

§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG einer hälftigen Einkommensbesteuerung unterworfen sind, wäh-rend die andere Hälfte nach § 3 Nr. 40 d EStG von der Einkommensteuer befreit ist. Wer-den zum Erwerb der Anteile Darlehen aufgenommen, so sind die daraus resultierenWer-den Zinsaufwendungen nach § 3 c Abs. 2 EStG ebenfalls nur hälftig abzugsfähig, insofern sie im Zusammenhang mit hälftig besteuertem Einkommen stehen. Werden die Mittel alter-nativ in Form von Anleihen angelegt, so unterliegen die Zinserträge gemäß

§ 20 Nr. 1 EStG einer vollen Einkommensbesteuerung.

4.1.3. Erweiterte Arbitrageüberlegungen von Stiglitz bei divergierender Besteuerung von Zinsen und Dividenden

Die Überlegungen zum grundlegenden Arbitragebeweis von Modigliani/Miller beruhen auf einer einheitlichen Besteuerung von Dividenden und Zinserträgen,719 die offensichtlich beim Halbeinkünfteverfahren nicht gegeben ist. Diese ungleiche Besteuerung von Divi-denden- und Zinseinkünften im Halbeinkünfteverfahren kann dazu führen, dass Marktteil-nehmer diese Situation zu Arbitragezwecken nutzen.

4.1.3.1. Arbitrageüberlegungen bei anteiliger Fremdfinanzierung

Im Zusammenhang mit der Einschränkung der Abzugsfähigkeit kreditaufnahmebedingter Zinsaufwendungen einerseits und der vollen Einkommensbesteuerung von Zinserträgen aus Anleihen sind nunmehr die Überlegungen von Stiglitz von Interesse, der hervorhebt, dass eine Arbitrage nicht nur durch private Kreditaufnahme, sondern auch durch die Ver-äußerung von festverzinslichen Wertpapieren dupliziert werden kann.720

Die vorgeschlagene Veräußerung von festverzinslichen Wertpapieren führt also zu einer Minderung der Zinserträge in Höhe der Zinsaufwendungen eines privat aufgenommenen Darlehens – also einem betragsmäßig äquivalenten Ergebnis. Aber sie reduziert das zu versteuernde Einkommen um die volle Höhe der geminderten Zinserträge, wohingegen die im Zusammenhang mit Dividendenerträgen stehenden Zinsaufwendungen lediglich zu einer Minderung des zu versteuernden Einkommens in Höhe der hälftigen

718 Vgl. Gorny, C/Rosenbaum, D. (Ertragsteuern), S. 866.

719 Vgl. Miller, M. H. (Debt), S. 267.

720 Vgl. Stiglitz, J. E. (Re-Examination), S. 786.

dungen führen.721 Infolge der bei festverzinslichen Wertpapieren höheren arbitragebe-dingten Minderung der Einkommensteuerbelastung ist davon auszugehen, dass die An-teilseigner, die einen ausreichend hohen Bestand an festverzinsliche Wertpapieren in ih-rem Portefeuille halten, keine Arbitrage durch private Verschuldung, sondern durch den Verkauf festverzinslichen Wertpapiere vornehmen werden.722

Dem nahe liegenden Einwand, dass diese Form der Arbitrage einen ausreichenden Be-stand von veräußerbaren Wertpapieren voraussetzt,723 ist zu entgegnen, dass zur Errchung eines generellen Marktgleichgewichts nicht die Verhältnisse der Mehrheit oder ei-nes durchschnittlichen Marktteilnehmers von Bedeutung sind, sondern die eiei-nes Grenzan-bieters.724 Es ist deshalb auszunehmen, dass sich das Marktgleichgewicht in einem freien Markt nicht unter Berücksichtigung von hälftig einkommensentsteuerter Darlehensauf-nahme, sondern durch den Verkauf von festverzinslichen Wertpapieren und damit einer vollen Einkommensbesteuerung bildet und die hälftige Einkommensbesteuerung deshalb keine Relevanz hat.725

Alternativ zu dieser arbitragebasierten Argumentation für eine Berücksichtigung der vollen Einkommensteuer kann aber der in Abbildung 4.1 dargestellte Zusammenhang zwischen der Risikopräferenz des duplizierenden Anteilseigners und dem jeweiligen Arbitrageziel innewohnenden Risikoniveau gegen die Berücksichtigung einer hälftigen Einkommensbe-steuerung angeführt werden.726 Wird ein risikoaverser Anteilseigner unterstellt, so bevor-zugt dieser ein risikoloses Unternehmen und wird das Einkommen eines unverschuldeten Unternehmens (Risikoniveau I) durch das Einkommen eines verschuldeten Unterneh-mens (Risikoniveau II) und dem Verkauf festverzinslicher Wertpapiere duplizieren.727 Bei der Duplikation tritt dann wiederum die Minderung des zu versteuernden Einkommens in voller Höhe der geminderten Zinserträge ein.728

721 Vgl. Drukarczyk, J./Lobe, S. (Discounted Cash Flow), S. 15. Zu gleichem Ergebnis führen Arbitrageüberle-gungen, bei den ein Anteilseigner einerseits Eigenkapital und andererseits Eigen- und Fremdkapital in Form von Gesellschafterdarlehen zur Verfügung stellt. Vgl. Dinsthul, V. (Discounted-Cash-flow-Methoden), S. 81-83. Diese von Brealey/Myers vorgeschlagene Vorgehensweise zur Durchführung des Arbitragebe-weises vgl. Brealey, R. A./Meyers, S. C. (Corporate Finance), S. 504 f., führt im Gegensatz zu den im Zu-sammenhang mit hälftig besteuertem Dividendeneinkommen stehenden und deshalb nach § 3 c Abs. 2 EStG lediglich hälftig anrechenbaren Zinsaufwendungen zu nach § 20 Nr. 1 EStG voll besteuerten Zinser-trägen aus dem Gesellschafterdarlehen.

722 Vgl. Lobe, S. (Steuervorteil), S. 650.

723 Vgl. Lobe, S. (Steuervorteil), S. 650; Stiglitz, J. E. (Re-Examination), S. 786, wobei Stiglitz lediglich die Si-tuation eines Individuums im Hinblick auf ein partielles Marktgleichgewicht diskutiert.

724 Vgl. Krolle, S./Knollmann, J. (Einkommensteuersatz), S. 78.

725 Vgl. Lobe, S. (Steuervorteil), S. 650.

726 Vgl. Drukarczyk, J./Lobe, S. (Halbeinkünfteverfahren), S. 7.

727 Vgl. Drukarczyk, J. (Unternehmensbewertung), S. 246.

728 Vgl. Drukarczyk, J./Lobe, S. (Discounted Cash Flow), S. 15.

Bei der Nachbildung des Einkommens eines Unternehmens mit anteiliger Fremdfinanzie-rung (Risikoniveau II) durch das Einkommen eines unverschuldeten Unternehmens (Risi-koniveau I) und private Kreditaufnahmen würde hingegen ein risikoafiner Anteilseigner un-terstellt.729 Diese Annahme ist jedoch nicht kompatibel mit den Kapitalmarktgleichge-wichtsmodellen zu Grunde liegenden Annahmen über den risikoaversen Anleger.730

Risikoniveau II (verschuldetes Unternehmen)

Risikoniveau I (unverschuldetes

Unternehmen)

Darlehens-aufnahme

Verkauf von Finanzanlagen

Risiko

Abbildung 4.1: Unternehmensrisiko und Duplikationsmaßnahmen des Investors bei Fremdfinanzierung731

Für die Bewertung des Steuervorteils aus der Fremdfinanzierung bei den Halbeinkünfte-verfahren ist deshalb darüber zu entscheiden, welche Risikopräferenz der Investor hat.

Aus dieser subjektiven Entscheidung resultiert dann die Art der auf Investorenebene durchzuführenden Duplikationsoperationen, die eine halbe oder eine volle Einkommens-besteuerung nach sich ziehen.732

Für die Entscheidung zu Gunsten eines risikoaversen Anteilseigners und damit einer Min-derung der Einkommensteuerbelastung in voller Höhe sprechen sowohl die sich andern-falls ergebenden Arbitragemöglichkeiten des Grenzanbieters als auch die Beibehaltung eines grundsätzlich risikoaversen Anlegers. Aus diesen Gründen werden die ursprüngli-chen Arbitrageüberlegungen von Modigliani/Miller für die folgenden Analysen um die von Stiglitz vorgeschlagene Veräußerung von festverzinslichen Wertpapieren erweitert und damit die volle Einkommensentsteuerung unterstellt.

729 Vgl. Drukarczyk, J. (Unternehmensbewertung), S. 246.

730 Vgl. Franke, G./Hax, H. (Finanzwirtschaft), S. 350. Würde hingegen ein risikoafiner Anteilseiger unterstellt, so hätte diese Annahme die Berücksichtigung einer negativen Risikoprämie bei der Ermittlung der Rendi-teforderung der Anteilseigner zur Folge. Vgl. Franke, G./Hax, H. (Finanzwirtschaft), S. 297.

731 In Anlehnung an Drukarczyk, J. (Unternehmensbewertung), S. 246.

732 Vgl. Lobe, S. (Steuervorteil), S. 650.

4.1.3.2. Arbitrageüberlegungen bei Mittelanlage

Die bisherigen Überlegungen dienten der Bewertung von Unternehmen mit anteiliger Fremdfinanzierung. Es ist jedoch auch denkbar, dass Unternehmen über verzinsliche Mit-telanlagen verfügen, und somit stellt sich auch für diesen Fall die Frage nach der an-gemessenen Arbitrageoperation und nach deren Wirkungen auf das zu versteuernde Ein-kommen des Anteilseigners.

Aus Sicht eines Grenzanbieters ist es nahe liegend, statt mit einer Duplikation der ver-zinslichen Mittelanlage auf Unternehmensebene durch den Erwerb verzinslicher Anleihen eine volle Einkommensbesteuerung der Zinserträge in Kauf zu nehmen, alternativ die im Zusammenhang mit Dividendeneinkünften stehenden Darlehen zu tilgen und somit eine hälftige Entsteuerung durch die reduzierten Zinsaufwendungen herbeizuführen. Erwar-tungsgemäß führt diese Arbitrage mittels der Tilgung von Darlehen zu einem Marktgleich-gewicht.

Risikoniveau I (Unternehmen ohne

Mittelanlage)

Risikoniveau 0 (Unternehmen mit

Mittelanlage)

Darlehens-tilgung

Kauf von Finanzanlagen

Risiko Erwartete

Rendite

Abbildung 4.2: Unternehmensrisiko und Duplikationsmaßnahmen des Investors bei Mittelanlage733

Wird aber mit der Risikopräferenz des Anteilseigners argumentiert, so ergibt sich ein an-deres Bild. Wird unterstellt, dass ein Anteilseigner das Risiko eines Unternehmens mit Mittelanlage geringer einschätzt als das Risiko eines Unternehmens ohne Mittelanlage,734 so wäre es, wie in Abbildung 4.2 dargestellt, angemessen, das Einkommen eines Unter-nehmens mit Mittelanlage (Risikoniveau 0) durch das Einkommen eines UnterUnter-nehmens

733 In Anlehnung an Drukarczyk, J. (Unternehmensbewertung), S. 246.

734 Dementsprechend sind die Kapitalkosten in einer zusammenfassenden Betrachtung mit den dem operati-ven Risiko behafteten Zahlungsströmen und der annahmegemäß risikolosen Mittelanlage an das verrin-gerte Investitionsrisiko anzupassen bzw. die aus der risikolosen Mittelanlage resultierenden Zinserträge mit dem risikolosen Zinssatz zu diskontieren. Vgl. Schwetzler, B. (Besteuerung), S. 699.

ohne Mittelanlage (Risikoniveau I) und den aus dem Erwerb festverzinslicher Wertpapiere resultierenden Zinserträgen zu duplizieren. Bei dieser Duplikation tritt dann eine Erhöhung der Einkommensteuerbelastung wegen der Verzinsung des zu Duplikationszwecken er-worbenen Wertpapiers in voller Höhe ein.

Die aus der Bewertung eines aus der Mittelanlage auf Unternehmensebene resultieren-den Steuereffekts zu treffende Annahme über die Einkommensteuerwirkung im Rahmen der Arbitrage ist somit in sehr viel höherem Maße eine Ermessensfrage des Bewertungs-subjektes und spiegelt die Subjektivität der Unternehmensbewertung erneut wider. Infolge des sich aus den halb entsteuerten Zinsaufwendungen ergebenden Arbitragevorteils, wird für die Bewertung verzinslicher Mittelanlagen einer hälftigen Einkommensbesteuerung der Vorzug gegeben.

Diese Vorgehensweise widerspricht nicht der bei der Fremdfinanzierung vorgenommenen Duplikation mit voll besteuerten Wertpapieren, da eine Duplikation durch den Einsatz mehrerer Finanztitel gleichzeitig erfolgen kann. Bei einem fremdfinanzierten Unternehmen mit Mittelanlage auf Unternehmensebene wären dann zur Duplikation der Fremdfinanzie-rung voll besteuerte Wertpapiere zu verkaufen und zur Duplikation der Mittelanlage halb-besteuerte Wertpapiere zu erwerben bzw. halbabzugsfähige Kredite zu tilgen.

Im Rahmen dieser Analyse der Spezifika, die, wie im vierten Kapital ausgeführt, nicht nur auf die Kapitalstruktur beschränkt sind, wird stets von einem Anteilseigner eines als Refe-renzunternehmen bezeichneten Unternehmens ausgegangen, welches nicht nur vollstän-dig eigenkapitalfinanziert ist, sondern darüber hinaus über das zu analysierende Spezifi-kum nicht verfügt. Die Einkommenserwartung dieses Anteilseigners wird unter Beachtung der aus der Arbitrage resultierenden Einkommens- und Einkommensteuereinflüsse mit der Einkommenserwartung des Anteilseigners verglichen, der an einem im Folgenden als Vergleichsunternehmen bezeichneten Unternehmen beteiligt ist, welches über die jeweili-gen zu analysierenden Spezifika verfügt.

4.2. Wert der operativen Aktivitäten

4.2. Wert der operativen Aktivitäten

Im Dokument EUROPEAN BUSINESS SCHOOL (Seite 166-200)