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3.1 Charakteristika von Pseudoausbrüchen

3.1.8 Hygienemaßnahmen

Die häufigste Maßnahme, die in den Pseudoausbrüchen ergriffen wurde, war eine Umgebungsuntersuchung, um mögliche Auslöser des Ausbruches zu identifizieren. Sie erfolgte in 70% der Pseudoausbrüche. Des Weiteren wurden häufig Erregertypisierungen durchgeführt (68%), um eine gemeinsame Ursache des Geschehens zu finden. Die dritthäufigste Hygienemaßnahme beinhaltete einen Materialaustausch (41,7%). In jeweils etwa 30% der Pseudoausbrüche erfolgten Personalbeobachtung und Personalanleitung, um potentielle Hygienefehler zu identifizieren und auszuschalten. Seltener durchgeführte Maßnahmen waren Patientenscreening (21,8%), Bestätigungsteste um suspekte Testergebnisse zu

Sepsis

Atemwegsinfektion (ni cht Tub erkulose) Gastrointestinale Infektion

Tub erkulose Wundinfektion Harnwegsinfekt ion andere

kein e Angaben

Ergebnisse 28

kontrollieren (16,4%), die Isolation der betroffenen Patienten (6,1%), Optimierung der Händehygiene (4,8%), Personalfortbildungen (3,6%) und Veränderungen am Personalschlüssel (1,3%). Eine vollständige Übersicht über die in Pseudoausbrüchen durchgeführten Hygienemaßnahmen zeigt Tabelle 4.

Tabelle 4: ergriffene Hygienemaßnahmen in Pseudoausbrüchen Anzahl Pseudoausbrüche

(n=165) Umgebungsuntersuchung 121 (73,3%) Erregertypisierung 116 (70,3%) Materialaustausch 70 (42,4%) Personalbeobachtung 53 (32,1%) Personalanleitung 47 (28,5%) Patientenscreening 36 (21,8%) Desinfektion / Sterilisation 31 (18,8%)

Bestätigungstest 27 (16,4%)

Isolation 10 (6,1%)

Händehygiene 8 (4,8%)

Fortbildung 6 (3,6%)

Personalschlüssel 2 (1,2%)

Keine 1 (0,6%)

Schutzkleidung 0(0,0%)

Impfung 0 (0,0%)

Ergebnisse 29

3.1.9 Ursachen

Die Tabelle 5 zeigt, dass nahezu in einem Viertel der Pseudoausbrüche eine fehlerhafte Entnahme zur Kontamination der Proben führte. Dahinter folgen die Laborkontamination und die Verwendung einer fehlerhaften oder verunreinigten Charge auf der Station. Des Weiteren waren kontaminierte oder fehlerhafte Chargen im Labor sowie Änderungen in der diagnostischen Methodik im Labor Auslöser von Pseudoausbrüchen. Für diese fünf häufigsten Ursachen wird im Folgenden je ein Beispiel zur Verdeutlichung aufgeführt.

Tabelle 5: die häufigsten Ursachen für Pseudoausbrüche Anzahl Pseudoausbrüche

(n=165) Kontamination bei der Probennahme 40 (24,2%)

Laborkontamination 34 (20,6%)

Kontaminierte Charge auf Station 33 (20,0%) kontaminierte/fehlerhafte Charge im Labor 27 (16,4%) Änderungen der Labormethodik 19 (11,5%)

Bei den von Rogues et al. beschriebenen Pseudobakteriämien durch Agrobacterium radiobacter erfolgte eine Kontamination von Blutkulturflaschen während der Probenentnahme. Bevor die Blutkulturflaschen inokuliert wurden, füllte das zuständige Pflegepersonal Gerinnungsröhrchen, die aufgrund unsteriler Lagerung

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kontaminiert worden waren. Da nach der Inokulation dieser Gerinnungsröhrchen kein Nadelwechsel erfolgte, gelangten die Mikroorganismen von den Gerinnungsröhrchen anschließend auch in die Blutkulturflaschen.145

Hopfer et al. berichten von einem Pseudoausbruch von Meningitiden, ausgelöst durch Cryptococcus neoformans, der durch eine Laborkontamination entstanden ist. Zur Herstellung von Papanicolaou-gefärbter Proben wurde eine kontaminierte Albuminlösung verwendet, sodass später im Präparat Cryptokokken nachgewiesen werden konnten.89

Als ein Beispiel für einen Pseudoausbruch, der durch eine kontaminierte Charge auf der Station ausgelöst wurde, sei hier der von Keys berichtete Ausbruch von Pseudobakteriämien durch Pseudomonas stutzeri erwähnt, der aufgrund der Kontamination einer Hautseife entstand, die zur Reinigung der Entnahmestellen von Blutkulturen genutzt wurde.100

Bei der von Ieven beschriebenen Pseudoepidemie von Adenovirus-Infektionen auf einer Neugeborenenstation war wiederum eine fehlerhafte Charge im Labor der Auslöser. Ein Latexagglutinationstest ergab positive Ergebnisse in den Stuhlproben der betroffenen Kinder. Später konnten jedoch weder elektronenmikroskopisch noch mittels ELISA Adenoviren nachgewiesen werden.

Als Grund für die initial falsch-positiven Ergebnisse in dem Latexagglutinationstest wird vermutet, dass sich dieser nicht zur Untersuchung von Stuhlproben von Kindern eignete und somit fälschlicher Weise positive Ergebnisse anzeigte.92

Die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) erwähnen einen Pseudoausbruch von intestinaler Amöbisiasis. Nachdem ein neuer Labormitarbeiter mit der Anfertigung von Stuhlausstrichen beauftragt wurde, stieg plötzlich die Anzahl (falsch-)positiver Beurteilungen durch das dafür zuständige Laborpersonal.

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Der neue Mitarbeiter machte die Ausstriche nämlich dünner und damit scheinbar leichter auswertbar. Als Konsequenz wertete das Laborpersonal Artefakte häufig als Amöben. Dieses Beispiel verdeutlicht, wie eine Änderung in der Labormethodik zu Pseudoausbrüchen führen kann.182

3.1.10 Kosten

Tabelle 6: Publikationen mit Angaben zu Kosten durch Pseudoausbrüche Infektionsart Patientenzahl Kosten (in $) Quelle Jahr

Endokarditis 6 7.000 Aber23 1980

Tuberkulose 22 >7.972 Stine161 1987

Harnwegsinfektion 15 26.579 Stone162 1989

Hautinfektion 13 6.000 Heard83 1990

Hautinfektion 36 10.500 Poulin139 1991

Tuberkulose 8 1.976 Woods175 1996

Tuberkulose 9 15.000 Grabau73 1997

Sepsis 19 >10.197 Siebor151 2007

Tuberkulose 131 >34.045 Weinbaum183 1998*

Atemwegsinfektion 285 17.000 Armstrong184 1986*

* Diese beiden nicht-nosokomialen Pseudoausbrüche wurden in der Auswertung nicht weiter berücksichtigt, da sie nicht mit den Daten aus der Outbreak Database vergleichbar sind. Sie werden an dieser Stelle nur wegen der insgesamt geringen Anzahl an Kostenanalysen von Pseudoausbrüchen zur Verdeutlichung genannt.

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Nur in zehn Veröffentlichungen wurden überhaupt Angaben zu den Kosten von Pseudoausbrüchen gemacht (Tabelle 6). Im Folgenden werden diese Ausgaben genauer aufgeschlüsselt.

Aber et al. beschreiben eine Pseudoepidemie von Endokarditiden bei sechs Patienten, die sich zuvor einer Herzoperation unterzogen hatten. Die Kosten für die Therapie mit Nafcillin i.v. über sechs Wochen und daraus resultierender Verlängerung der Hospitalisation um drei Wochen berechnet er mit $ 7.000. Weitere Kosten werden in diesem Bericht nicht genannt.23

Stine et al. erwähnen eine Pseudoepidemie, die durch atypische Mykobakterien in der Wasserversorgungsanlage der Pathologie- und Bronchoskopieräumlichkeiten eines Krankenhauses entstanden ist. Sechs der 22 am Pseudoausbruch beteiligten Patienten erhielten daraufhin eine antituberkulöse Chemotherapie. Die Kosten dieser therapeutischen Intervention zuzüglich der mikrobiologischen Diagnostik beliefen sich auf $ 7.972. Angaben über Kosten, die von den anderen 16 Patienten verursacht wurden, werden nicht gemacht.161

Stone et al. beschreiben eine Pseudoepidemie von Harnwegsinfektionen, ausgelöst durch Trichosporon beigelii. Vier der 15 betroffenen Patienten wurden dabei mit Amphotericin B behandelt. Nur für die daraus resultierende längere Hospitalisationszeit für diese vier Patienten betrugen die Kosten bereits $ 23.563.

Weitere Kosten in Höhe von $ 3.016 entstanden aufgrund zusätzlich angeordneter mikrobiologischer Urindiagnostik und Surveillancekulturen.162

Heard et al. berichten über einen Pseudoausbruch von Pseudomonas spp. auf einer Neugeborenenstation. Allein die Laborkosten für 1.094 zusätzlich durchgeführte Proben aus Umgebungsuntersuchungen und Bestätigungsabstrichen beliefen sich dabei auf $ 6.000. Die Kosten für den zusätzliche Aufwand der

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Krankenhaushygiene wurden noch nicht einmal einkalkuliert, da das Ausbruchsmanagment nach Auffassung der Autoren zu ihrem üblichen Tätigkeitsbereich gehöre.83

Poulin et al. beschreiben einen Pseudoausbruch von Hautläsionen in einem Altersheim, die später als senile Hämangiome identifiziert werden konnten. Die Kosten für mikrobiologische Diagnostik und Konsultationen durch medizinisches Fachpersonal beliefen sich auf $ 500. Des weiteren wurden Ausgaben in Höhe von $ 10.000 getätigt, die hauptsächlich durch Dienstplanrevisionen aus Angst des Personals vor einer möglicher Ansteckungsgefahr resultierten.139

Woods et al. erwähnen eine Pseudoepidemie von falsch-positiven Tuberkulin-Hauttests, die durch einen Dosierungsfehler entstanden war. Während der epidemischen Periode hatten acht der 22 routinemäßig getesteten Angestellten des Krankenhauses neue falsch-positive Testergebnisse. Diese hohe Inzidenz gekoppelt mit der Aussage der Betroffenen, in keinem Kontakt zu tuberkulösen Patienten gestanden zu haben, führte zur genauen Untersuchung des Testablaufes mit Aufdeckung des Dosierungsfehlers. Die Kosten für Bestätigungstests, weitere Diagnostik und in einem Fall sogar antituberkulöse Therapie betrugen im Durchschnitt $ 247 pro Patient (insgesamt $ 1.976).175

Grabau et al. beschreiben einen weiteren Pseudoausbruch falsch-positiver Tuberkulintests, der hier aber durch unpassend eingesetztes Testmaterial in einer Einrichtung für geistig behinderte Erwachsene ausgelöst wurde. Es wurde versehentlich eine zu hohe Konzentration der Testlösung verwendet, sodass signifikant häufiger falsch-positive Testergebnisse auftraten. Die Kosten beliefen sich aufgrund zusätzlicher Verwaltungskosten, Arbeitsstunden des Pflegepersonals für Bestätigungstests und medizinische Visiten, Überstunden des Personals zur

Ergebnisse 34

Tuberkulosefortbildung sowie bei acht Bewohnern durchgeführte Röntgen-Thorax Untersuchungen und Hospitalisierung eines weiteren Bewohners auf mindestens $ 15.000.73

Siebor et al. erwähnen einen Ausbruch von Pseudobakteriämien, die durch die Kontamination eines Desinfektionsmittelspenders mit verschiedenen aeroben Gram negativen Bakterien verursacht wurden. Auf der betroffenen Station wurde das kontaminierte Didecyldimethylammonium-Chlorid zur Desinfektion von Blutkulturflaschen vor deren Gebrauch benutzt. Sobald dann im Labor eine Blutkultur bakterielles Wachstum zeigte, erhielt der betroffene Patient eine antibiotische Therapie. Allein die Therapiekosten bei den hier betroffenen 19 Patienten betrugen $ 10.197. Angaben zu weiteren Ausgaben fehlen auch hier.151

Weinbaum et al. beschreiben einen Pseudoausbruch von Mycobacterium tuberculosis aufgrund falscher Bewertung der Hauttestergebnisse während Routineuntersuchungen in einer Strafanstalt in Georgia, USA. Die Überstunden des Personals, weitere diagnostische Maßnahmen sowie eine Isoniazid-Therapie mit vorausgegangenen Leberfunktionstests verursachten Kosten in Höhe von $ 34.045.

Zusätzlich ergaben sich nicht weiter aufgeführte Verwaltungskosten und staatliche Kosten, die durch die Überprüfung der Testsubstanz durch die US Food and Drug Administration (FDA) entstanden.183

Armstrong et al. berichten von zwei Pseudoausbrüchen infektiöser Mononukleose. Für einen dieser Ausbrüche, der in einem College stattfand, gibt er Angaben zu den Kosten. Die Kosten für bei 357 Studenten durchgeführte EBV-VCA Tests beliefen sich auf $ 17.000. Diese Tests wären sonst nur in sehr wenigen Fällen notwendig gewesen, da nur einige der Patienten überhaupt die typische Symptomatik einer EBV-Infektion zeigten (Fieber anamnestisch bei 13% aber ärztlich

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dokumentiert nur bei <1%, Lymphadenopathie 40%, Pharyngitis 39%, Splenomegalie 2%, Hepatomegalie 1%). Weitere Kosten, die durch diesen Ausbruch verursacht wurden, werden nicht genannt.184

Zusätzlich zu dem beschriebenen finanziellen Schaden, der nachweislich entstanden ist, resultieren Risiken und Nebenwirkungen für vermeintlich infizierte Patienten. So ist jede Antibiotikagabe mit Nebenwirkungen verknüpft und es besteht stets grundsätzlich auch das Risiko von Resistenzentwicklung durch Selektion. Des Weiteren sind Patienten durch die unnötig längeren Krankenhausaufenthalte von nosokomialen Infektionen bedroht und belegen Betten, die sonst für wirklich infizierte oder kranke Patienten genutzt werden könnten. Diese gesundheitlichen Kosten sind jedoch schwer zu quantifizieren, da in den Berichten selten Einzelheiten dieser Art erwähnt werden.