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Horizonte und Experimentierräume öffnen für Wertereflexion

3.2 Erfahrungen mit Wertekommunikation

4.2.2. Horizonte und Experimentierräume öffnen für Wertereflexion

In den Projekten wurden Horizonte geöffnet, indem die Werte des Jugendverbandes thematisiert, reflektiert, geprüft wurden und Experimentierräume eröffnet, indem vielerlei gesellschaftliche Themenkomplexe unter der Werteperspektive aufgegriffen wurden, die nicht regelmäßig oder bewusst im Blick waren. Damit konnten Jugendliche neue Einsichten gewinnen und Werte-orientierungen bekräftigen. Auf die vielfältigen Themen und Werte kann nachfolgend lediglich exemplarisch und „blitzlichthaft“ hingewiesen werden.

Horizonte und Experimentierräume öffnen für bewusste Wertevergewisserung Am Beispiel interkultureller Aktivitäten kann deutlich gemacht werden, wie die Reflexion von Werten zum bewussten Umgang mit teilweise bereits im Jugendverband integrierten gesell-schaftlichen Themenkomplexen führte, wie aber auch erweitert mit Werten experimentiert wurde.

In mehreren Projekten erhielt die Auseinandersetzung mit den Werten anderer Kulturen einen Schub hinsichtlich des internationalen Jugendaustauschs, einem Gebiet, das seit Jahrzehnten zur Jugendverbandsarbeit gehört. Angestoßen durch das Projekt zur Wertekommunikation wurden interkulturelle Begegnungen dazu genutzt, Werte explizit anzusprechen und gemeinsam zu reflektieren. Werte wie Toleranz, Offenheit gegenüber anderen Kulturen, sich gegenseitig respektieren konnten mit Erleben und damit mit Inhalt gefüllt werden, sodass sie keine Worthülsen blieben (vgl. Huber/Kaschuba 2006:26).

Aufgrund des Projektes „Wertediskurs: Vielfalt und Gemeinsamkeiten“ des Stadtjugendringes wurde in dessen internationalen Jugendbegegnungen die Auseinandersetzung mit Werten und die Frage nach unterschiedlichen Werten umgehend bei den aktuellen Begegnungen aufgegriffen. Es wurde festgestellt, dass sich viele Diskussionen in allen Begegnungen um Werte gedreht hatten, dass dies aber bis dahin nicht als Wertereflexionen begriffen worden waren und erst durch die bewusste Auseinandersetzung tiefere Einsichten möglich wurden.

In einem Jugendverband wurde dieser Effekt ebenfalls bemerkt. Der Bildungsreferent resümierte:

„Also wenn man so zurückblickt, hätten wir jemals (…) bei dem polnischen und deutsch-ungarischen Austausch, hätten wir da eine Tischkussion gemacht? Was ist euch am Landleben wichtig? Was ist hier wichtig, was ist da wichtig? Also das ist von Jugend im WertAll, dass man so was gemacht hat, das ist einfach reingekommen. Über das hätte man vielleicht gar nicht so geredet. Aber es ist ja dann rausgekommen, was die Leute verbindet und was sie unterscheidet als Landjugendliche in Polen oder hier“ (TK/MA2/14).

Eine Horizonterweiterung in bezug auf vergeschlechtlichende und ethnisierende Zuschreibungen kann ebenfalls durch den internationalen Austausch erfolgen (vgl. Huber/Kaschuba 2006:20).

Deutlich wurde im Projekt „Wertewandel und Wertevergewisserung“, dass es Formen braucht, die Mädchen nicht sofort als quasi Problemgruppe benennen, sondern die es ermöglichen, dass Mädchen ihre Interessen einbringen und formulieren:

„Das hat sich für mich in der Zielformulierung ja auch verändert, dass ich dann nicht so gesagt hab, und wie geht’s jetzt den bosnischen Mädchen, wie geht’s jetzt den italienischen, den deutschen, usw., sondern dass es um die allgemeine Freizeitsituation ging und dass aus diesem heraus, in einer ganz natürlichen Weise, dann klar wurde, Mädchen haben unterschiedliche Interessen in manchen Bereichen aber in manchen Bereichen haben sie auch die gleichen Interessen“ (WK/MA2/21).

Ein anderes Thema waren Ausbildung und Berufssuche, die in Projekten in Verbindung gebracht mit der Frage nach Werten.

Von der Landesvorsitzenden eines Jugendverbandes wurde festgestellt, dass subjektive

dass Jugendlichen (in der mittleren Jugendphase) darauf bezogene Wertefragen als dringend empfinden. Auf Verbandsebene wurde das Thema der Lehrstellenknappheit und Arbeitslosigkeit zunehmend festgestellt:

„In den letzten Jahren haben wir auch in der Landjugend mehr als früher gehört, einfach durch die Rahmenbedingungen, der ist arbeitslos oder der sucht schon so lange einen Ausbildungsplatz und das hat man vor Jahren nicht so wahrgenommen“ (TK/MA2/17).

Im Rahmen der Wertekommunikation wurde diese Entwicklung im Jugendverband strukturell aufgefasst und mit schul- und ausbildungspolitischen Fragestellungen in die öffentlichen Veran-staltungen eingefügt.

Aber auch aus individueller Sicht wurden Werte bezogen auf Beruf und Ausbildung thematisiert. In einem Interview kamen die Ängste und Wünsche eines jungen Mannes nach dem Wert von Geld, Zufriedenheit, Selbstbalance zur Sprache:

„Ich möchte halt nicht von Hartz IV leben. Ich kenne mich nicht aus in der Politik, aber ich interessiere mich sehr dafür und lese auch jeden Tag Zeitung und so und ich habe halt die Angst, dass es immer mehr ärmere Menschen gibt und immer mehr reiche, und da fühle ich mich auf jeden Fall unglücklich. (…). Und deswegen, ich will einfach nur leben können, eine Familie gründen, ich muss jetzt nicht überreich sein, aber ich möchte einfach einen Job haben, der mir Spaß macht, damit ich mit mir selbst im reinen bin“ (RF/E1/13).

Neue Einsichten gewinnen und Werteorientierungen bekräftigen

Teilweise führte die bewusste Auseinandersetzung mit Werten zu neuen Einsichten bei den Teil-nehmenden, oftmals aber auch zur bewussten Bekräftigung der bisherigen Werteorientierungen.

„Ja ich muss sagen, ich hab mich immer mit Werten auseinandergesetzt, sonst hätte ich mich auch nicht dafür interessiert, für diese Art von Sendung. Klar, mit jedem Mal, wo man sich mit Werten noch mal auseinandersetzt, festigt man natürlich auch seinen Weg. Aber so richtig neu was dazu gelernt, also im Bezug auf Werte jetzt, würde ich für mich persönlich eigentlich nicht sagen, weil ich mich davor schon sehr viel dafür interessiert hab und auch philosophisch vor allen Dingen und von daher wenn, dann gefestigt, aber nicht was Neues dazu gelernt“ (RF/E2/7).

Zu ihrem Interesse an der Diskussion gesellschaftlich relevanter Werte, stellt eine der jungen Frauen fest:

„Ja das liegt daran, wir sind alle mit dem gleichen Gedanken, mit der gleichen Motivation hier.

Obwohl wir so unterschiedlich sind, sind wir alle Menschen vom gleichen Schlag, also das sind alles Menschen die sich engagieren wollen, die so ein bisschen auf der Weltverbessererschiene sind, was machen, was bewegen wollen. Ich glaube, dass allein deswegen schon die gleichen Gedanken in dieser Richtung da sind. (…). Selbst wenn da jetzt kein Weltverbesserungsgedanke dahinter ist, dann ist es jemand, der halt irgend eine andere Eigenschaft hat, die halt einfach reinpasst, (…). Gleichgültige Menschen haben wir hier nicht“ (RF/E2/22).

Die Radiosendungen wurden in den gemeinsamen Redaktionssitzungen besprochen und geplant, es ging um Werte wie Menschenwürde, Völkerverständigung, Liebe. Aktuelle Anlässe wurden aufgegriffen, prägnant war eine Sendung zur Todesstrafe (Anlass gab die Hinrichtung von Saddam Hussein).

„Weil alles was mit Werten zu tun hat, auch mit Ethik was zu tun hat, das ist einfach super interessant, auch sich in ein Thema reinzuversetzen. Und nur, wenn man sich reinversetzt hat, kann man es auch wiedergeben. Und das war auf jeden Fall eine Motivation, also dass es nicht nur Ansage ist. So jetzt habt ihr den nächsten Song, sondern dass es auch was Tiefgehenderes ist. Dass man da wirklich fundiert diskutiert über bestimmte Themen, (…) und man lernt auch sich mit der Meinung der anderen auseinander zu setzen“ (RF/E3/4).

Die subjektive Relevanz von geschlechtsbezogenen Themen und Werten wurde in den Interviews mit den jungen Frauen und Männern angesprochen. In der Analyse wurde deutlich, dass die Gender-Fragen vor allem bei jungen Frauen teilweise die Assoziation mit Problemen weckte und von ihnen die eigene Stärke betont wurde. Andrerseits wurden genderbezogene Werte in Bezug zu kritischen Erfahrungen reflektiert. In einem Interview wurde eine Diskussion bei zwei jungen Frauen angeregt, in der wesentliche Aspekte ausgesprochen wurden:

Die eigene Stärke:

„Also wir hatten ja auch schon die Sendung Männer und Frauen, als wir das Konkurrenzthema hatten, aber sonst ist es überhaupt nicht so, ich würde sogar eher sagen, dass wir wahnsinnig selbstbewusste Frauen hier haben, die eher auf den Putz hauen können, wenn wir was wollen, dann kriegen wir das schon hin“ (RF/E2/22).

Vorteile und Nachteile im Geschlechtsvergleich:

„Ich glaube, so wie ich uns beide kenne, sind wir beide sehr durchsetzungsfähig, aber was mir ein bisschen auf die Nerven geht, ist der Vorwurf ‚kriegst du so wie so nur weil du eine Frau bist’. (…).

Ich finde teilweise, okay es stimmt vielleicht manchmal, das wir einen Vorteil haben, weil wir Frauen sind, aber andererseits vergessen die halt total, was sie trotzdem noch haben“ (RF/E2/22).

Das Profitieren von früheren Emanzipationsbewegungen:

„Wir sind auch nicht direkt davon betroffen, ich glaube, dass das Emanzipationsproblem uns eigentlich gar nicht so betrifft, es ist so, die Wogen wurden geglättet und wir können auf dem ruhigen Ozean dahinschippern“ (RF/E2/23)

Die Landesvorsitzende eines Jugendverbandes empfand die Position von Frauen vorwiegend als stark, im Beruf lässt sie hingegen Zweifel erkennen:

„Also ich lese viel, wenn man dann auch solche Bücher liest, grad wo auch Frauen sehr wenig Freiheiten haben, also da wird mir schon bewusst, eigentlich haben wir es sehr gut und wie wichtig dieser Wert auch ist. Aber es ist ja ganz natürlich Freiheit, also haben wir hier ja alle, nicht eingeschränkt oder so. (…). Aber dadurch, dass wir unsere Emanzipation schon hinter uns haben, da ist das nicht mehr so dieser Wert, den man zu schätzen weiß. (…).Es gibt schon noch finde ich so typische Männer-Frauenberufe, das gibt’s nach wie vor. (…). Bei uns im Verband ist es streng