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V Entwicklung der Wissenschafts- und Hochschulpolitik in der SBZ/DDR bis zur Zweiten Hochschulreform 1951

5.4 Neues Hochschulrahmengesetz 1949

Da die kommunistische Führung in Moskau sehr schnell erkannte, dass der Wissenschaft eine bedeutende Rolle beim Aufbau des Sozialismus und bei der

„Errichtung einer fortschrittlichen volksdemokratischen Ordnung“349 zufiel, wurde bald zügig damit begonnen, die Schlüsselpositionen mit treuen Kommunisten zu besetzen. Sowjetische Bildungsoffiziere bemühten sich in der ersten Zeit, beim Wiederaufbau Hilfestellungen zu geben und Entscheidungen mit zu tragen. Nur schleppend begann sich die Wissenschaftslandschaft zu strukturieren. Schließlich wurde die Deutsche Verwaltung für Volksbildung als zentrale Behörde gegründet.

Sie sollte als Koordinierungsstelle zwischen den Länderministerien für Volksbildung, welchen die Universitäten und Hochschulen formell unterstanden, und der Sowjetischen Militärverwaltung fungieren.350 Aus ihr ging 1949 das Ministerium für Volksbildung hervor.351

348 Ilko-Sascha Kowalczuk: Geist im Dienste der Macht. Hochschulpolitik in der SBZ/ DDR 1945-1961, Berlin 2003, S. 262.

349 Marianne Usko: Hochschulen in der DDR, Berlin 1974, S. 11.

350 Vgl. Julius Schoenemann: Der große Schritt. Die Dritte Hochschulreform in der DDR und ihre Folgen, dargestellt an einem Beispiel aus der medizinischen Fakultät der Universität Rostock 1969-1972, Rostock 1998, S. 11.

351 Vgl. Udo Margedant: Bildungswesen und Bildungspolitik, in: Rainer Eppelmann/Horst Möller/Günter Nooke/Dorothee Wilms (Hrsg.): Lexikon des DDR- Sozialismus. Das Staats- und Gesellschaftssystem der Deutschen Demokratischen Republik, Band 2: N-Z, 2., aktualisierte und erweiterte Ausgabe, Paderborn 1997, S. 156-164, hier: S. 157.

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Das Statut, nach welchem die Hochschulen der DDR arbeiteten und das von vor 1933 stammte, wurde erst am 23. Mai 1949 durch die neue für alle Hochschulen geltende Satzung „Vorläufige Arbeitsordnung der Universitäten und wissenschaftlichen Hochschulen in der SBZ“ abgelöst, welche bis 1952 Bestand hatte.352 Die Aufgabe der Hochschule definierte der Paragraph 1 des Statuts:

„Die Universitäten und übrigen wissenschaftlichen Hochschulen sind die höchsten staatlichen Lehranstalten und Stätten wissenschaftlicher Forschung. Sie haben die Aufgabe, wissenschaftlich hochwertige Fachleute, insbesondere für die Erfordernisse des Staatsdienstes und des öffentlichen Lebens auszubilden, sie im Geiste der Demokratie, des sozialen Fortschritts und der Völkerverständigung zu erziehen und sie zu lehren, die Zusammenhänge und Gesetze des gesellschaftlichen Lebens zu verstehen. Sie fördern die Wissenschaft durch eigene oder in Gemeinschaft mit anderen Einrichtungen betriebene Forschungsarbeit und durch die Heranbildung eines fortschrittlichen Nachwuchses. Sie nehmen durch ihre Lehr- und Forschungstätigkeit aktiven Anteil an der kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklung des deutschen Volkes [...].“353

37 Paragraphen umfasste die Arbeitsordnung. In § 1 erhielt der Universitätsbegriff eine Neubewertung, da die Universität nun „zu den höchsten staatlichen Lehranstalten“ erklärt wurden. Laut § 2 bestand die Deutsche Verwaltung für Volksbildung weiter als oberste Aufsichtsbehörde, „wobei die unmittelbaren Aufsichtsbehören [...] die Landesministerien blieben“. Die Zugehörigkeit der Arbeiter- und Bauernfakultäten zu den Universitäten und Hochschulen regelten §§ 4 und 5. Neu waren auch die Studentendekane (§ 21), die sich durch Parteitreue auszeichneten und die Verantwortung für die Zulassung der Studenten trugen.354 Mit dem Statut mussten sowohl das Hochschulpersonal als auch die Studenten durch das Volksbildungsministerium Bestätigung finden (§ 10). Der Aufbau der Universität

352 Zit. Nach Ilko-Sascha Kowalczuk: Geist im Dienste der Macht. Hochschulpolitik in der SBZ/DDR 1945-1961, Berlin 2003, S. 130f.

353 Waldemar Krönig/Klaus-Dieter Müller: Anpassung, Widerstand, Verfolgung. Hochschule und Studenten in der SBZ und DDR 1945-1961, Köln 1994, S. 46.

354 Vgl. Ilko-Sascha Kowalczuk: Geist im Dienste der Macht. Hochschulpolitik in der SBZ/ DDR 1945-1961, Berlin 2003, S. 131, S. 269.

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blieb in seinen Grundzügen (Rektor, Senat, Konzil, Studentenschaft, Fakultäten) erhalten.355 Allerdings wählte nun der Senat, und nicht wie zuvor der Konzil, den Rektor (§ 22). Dem Senat gehörten in Folge des neuen Statuts die Studentendekane, der Direktor der Arbeiter- und Bauernfakultät sowie ein Gewerkschaftsvertreter an (§ 23).356

In den darauf folgenden Jahren wurde die Wissenschaftslandschaft immer mehr untergraben, wobei die „alte Universitätsfassade“357 gewahrt blieb. Für die konservativen, liberalen und bürgerlichen Kräfte wurde es zunehmen schwieriger:

„Konnten die konservativen und liberalen Kräfte an den Universitäten angesichts der anfänglich noch offenen deutschlandpolitischen Situation zumindest auf ein „baldiges Ende des Spuks“ hoffen, so verlor diese Hoffnung nach und nach an Substanz und erschwerte das einfache „`Überwintern` konservativ –bürgerlicher Identität“

zunehmend.“358

Anfang 1951 erfolgten zwei neue Dekrete, die die hochschulpolitischen Aufgaben ergänzten. Am 19. Januar 1951 verabschiedete die 4. Tagung des ZK der SED den Beschluss „Die nächsten Aufgaben in den Universitäten und Hochschulen“. Die

„Verordnung über die Neuorganisation des Hochschulwesens“, welche der Ministerrat am 22. Februar 1951 vom Ministerrat erließ, folgte diesem Dokument und legte die Grundlagen der Zweiten Hochschulreform fest.359

355 Vgl. Waldemar Krönig/Klaus-Dieter Müller: Anpassung, Widerstand, Verfolgung. Hochschule und Studenten in der SBZ und DDR 1945-1961, Köln 1994, S. 47

356 Vgl. Ilko-Sascha Kowalczuk: Geist im Dienste der Macht. Hochschulpolitik in der SBZ/ DDR 1945-1961, Berlin 2003, S. 132.

357 Julius Schoenemann: Der große Schritt. Die Dritte Hochschulreform in der DDR und ihre Folgen, dargestellt an einem Beispiel aus der medizinischen Fakultät der Universität Rostock 1969-1972, Rostock 1998, S. 11.

358 Zit. nach Michael Ploenus: „… so wichtig wie das tägliche Brot“. Das Jenaer Institut für Marxismus-Leninismus 1945-1990, Köln 2007.

359 Vgl. Ilko-Sascha Kowalczuk: Geist im Dienste der Macht. Hochschulpolitik in der SBZ/ DDR 1945-1961, Berlin 2003, S. 133.

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Am 22. Februar 1951 wurde das Staatssekretariat für Hochschulwesen gegründet360, womit eine bessere Kontrolle und Anweisung des Hochschulsektors erreicht werden sollte. Die Politisierung der Universitäten, Hoch- und Fachschulen konnte ihren Lauf nehmen.

„Von dort ergingen die Weisungen unmittelbar an die Hochschuleinrichtungen. Die hochschulpolitischen Kompetenzen der Länder erloschen.“361

360 Vgl. Marianne Usko: Hochschulen in der DDR, Berlin 1974, S. 11.

361 Johannes Mehlig: Die dritte Hochschulreform in der DDR, in: Bund Freiheit der Wissenschaft (Hrsg.): freiheit der Wissenschaft, Nr. 4 vom Dezember 1997, S. 7.

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