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2. Einige historische Streiflichter

Entdeckung der angeborenen Immunabwehr vor 150 Jahren

Die angeborene Immunabwehr ist keine neue Entdeckung im XXI. Jahrhundert. Schon vor ca. 150 Jahren haben Biologen und Infektiologen die Existenz eines Abwehrsystems gegen Infektionen vermutet, das bereits in den ersten Minuten und Stunden “anschlägt“

und in der Lage ist, eindringende Mikroben schon vorne an der Front zu bekämpfen, das also angeborensein musste. Es war ursprünglich der russische Forscher, Zoologe und Bio-loge Ilya Ilyitch Metchnikoff (Abbildung 2.1.1), der Ende des XIX. Jahrhunderts mit der Entdeckung der weißen Blutkörperchen die Existenz einer angeborenen Immunabwehr gegen Mikroben zum ersten Mal beschrieben hatte. Der Forscher hatte mit Hilfe des Mi-kroskops beobachtet, dass diese Blutzellen imstande sind, Bakterien ohne Zeitverzöge-rung, also “aus dem Stand heraus“ zu fressen. Zusammen mit dem deutschen Forscher Paul Ehrlich erhielt er 1908 für diese Entdeckung den Nobelpreis für Medizin. Es lohnt sich wirklich, seine Nobelpreis-Rede vom Internet herunterzuladen: (www. nobel. se/

medicine/laureates/1908/mechnikov-lecture. htlm). Metchnikoff erforschte das Leben im Meer und fand dort einen der Schlüssel zum Verständnis des Immunsystems. Seine Kenntnisse über einfache Meeresorganismen, vor allem aber seine Experimente mit den durchsichtigen Larven des Seesterns führten ihn auf die richtige Spur. Metchnikoff fragte sich immer wieder: Besitzt der Mensch Abwehrzellen, die sich ähnlich verhalten wie ezellige Meeresorganismen? Seine phantasievollen Forschungsarbeiten führten zu einem in-teressanten Experiment: Er stach einen Rosendorn in Seesternlarven und beobachtete die durchsichtigen Larven unter dem Mikroskop. So konnte er mit verfolgen, wie der Ein-dringling “Dorn“ am nächsten Tag von kleinen beweglichen weißen Blutkörperchen

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Abb. 2.1.1: Ilya Ilyitch Metchnikoff (1845-1916).

Metchnikoff war ein russischer Zoologe, Anatom und Bakteriologe.

Er entdeckte die Mechanismen der angeborenen Immunabwehr gegen Bakterien durch die weißen Blutkörperchen (Phagozytose) sowie die Heilung und Bekämpfung der Cholera. Im Jahre 1908 er-hielt er gemeinsam mit Paul Ehrlich den Nobelpreis für Medizin.

ringt war. Metchnikoff nahm aufgrund seiner Beobachtungen an, dass diese Zellen einge-drungene Bakterien auffressen. In der Tat war der Forscher von der Analogie zwischen die-sem Phänomen und einem allgemein bekannten Ereignis beeindruckt, das dann eintritt, wenn eine Dornenverletzung beim Menschen zur lokalen Entzündung und Eiterung führt. Nachfolgende weitere Untersuchungen ergaben dann, dass diese weißen Blutkör-perchen – die er “weiße Korpuskel“ nannte – auch bei Säugetieren ungebetene Mikroor-ganismen aufnehmen und verschlingen konnten. Diesen Vorgang bezeichnete er als Pha-gozytose, worunter er die Aufnahme und Einverleibung von kleinsten Partikeln in eine ein-zelne Zelle verstand. Seit diesen Entdeckungen gilt Metchnikoff als der Begründer der

„Phagozyten-Lehre“ und damit als der Wegbereiter der zellulären Immunologie, die das bis dahin vorherrschende Verständnis von Immunität und Infektion revolutionierte. Die bahnbrechende Entdeckung der Phagozytose (der in diesem Buch einige spezielle Ab-schnitte gewidmet sind) und die Interpretation ihrer breiteren Bedeutung für die zellulä-re Infektabwehr brachte Metchnikoff aber nicht nur Anerkennung, sondern führte auch zu einer hitzigen und kontrovers geführten Debatte mit seinem damaligen Gegenspieler, eben dem bereits erwähnten deutschen Forscher Paul Ehrlich (Abbildung 2.1.2). Im Ge-gensatz zu Metchnikoff favorisierte dieser Gelehrte die humorale, Antikörper-vermittelte Infektabwehr und stritt die Theorie einer zellulären Infektabwehr schlichtweg ab. Der wis-senschaftliche Streit setzte sich in den folgenden Jahren in Forscher- und Gelehrtenkrei-sen ständig fort. Heute weiß man, dass beide recht gehabt haben. Mit Recht kann man heute feststellen, dass Metchnikoff mit seinen Untersuchungen schon damals die angebo-rene Immunität entdeckt hatte, wobei er klassische Zellen des angeboangebo-renen Immunsys-tems beschrieb, eben die weißen Blutkörperchen, die eine Gewebeschädigung sofort er-kennen und sie im Zuge einer Entzündungsreaktion lokal zu bekämpfen versuchen. Die weißen Blutkörperchen – von Medizinern auch Leukozyten genannt – werden in diesem Buch noch eine große Rolle spielen.

Paul Ehrlich hatte aber auch Recht – wie im Folgenden näher erläutert.

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Abb. 2.1.2: Paul Ehrlich (1854 -1915).

Der deutsche Forscher Paul Ehrlich war ein deutscher Chemiker, Arzt, Serologe und Immunologe. Er gilt mit seinen Forschungsar-beiten als Begründer der Chemotherapie und entwickelte als ers-ter eine medikamentöse Behandlung gegen Syphilis. Außerdem war er beteiligt an der Entwicklung des Serums gegen Diphtherie.

1908 erhielt er zusammen mit Metchnikoff den Nobelpreis für Phy-siologie oder Medizin für die Gründung der (humoralen) Immuno-logie. Metchnikoff´s Vorstellungen über die Existenz einer (ange-borenen) zellulären Immunität bekämpfte er aufs Schärfste.

Entdeckung der erworbenen Immunität

Die Entdeckung der erworbenen Immunität kann auch unter dem Stichwort “Professo-renstreit“ erzählt werden. So hatte Metchnikoff mit seiner Theorie über die zelluläre Im-munologie kaum eine Chance gegen die Ansichten des deutschen Gelehrten Paul Ehrlich, auch nicht gegen die Lehrmeinung eines weiteren deutschen Forschers, Emil von Behring.

Beide Immunologen vertraten die Lehre der humoralen, Antikörper-vermittelten Immu-nität. Paul Ehrlich (der vor Einführung des Euro auf den 200 DM Geldscheinen abge-druckt war, Abbildung 2.2.1) ging davon aus, dass bestimmte immunologische Abwehr-zellen gegen eindringende Krankheitserreger nach deren Erkennung Antikörper produzie-ren, das heißt, bestimmte Abwehrstoffe, die also erst einmal erworben werden mussten.

Diese – so lehrte er – heften sich auf ganz spezifische Weise – also nach dem “Schlüssel-Schloss-Prinzip“ - an die Oberfläche von Krankheitserregern und machen sie so unschäd-lich. In diesem Sinne veröffentlichte er im Jahr 1897 sein Konzept als die sogenannte “Sei-tenketten-Theorie“, auch “Rezeptor-Theorie“ genannt. Paul Ehrlich vermutete, dass be-stimmte Immunzellen an ihrer Membranoberfläche entgiftende “antitoxische“ Rezeptoren bilden, die er Seitenketten nannte. Diese SeitenkettenRezeptoRezeptoren so postulierte er -werden freigesetzt, zirkulieren im Blut, heften sich an die schädlichen bakteriellen Toxine und machen sie auf diese Weise unschädlich. Jedenfalls stellte sich Ehrlich so die neutra-lisierende Wirkung der Seitenketten vor, die man heute als Antikörper bezeichnen muss.

Mit seinem revolutionären Ansatz war Paul Ehrlich seiner Zeit weit voraus. Er hatte da-mals schon eine Vorstellung davon, wie Antigene (Box 2.1) von Krankheitserregern durch passend geformte Antikörper gebunden und unschädlich gemacht werden. Heute spricht man in der Tat von Antigen-Antikörper-Bindung als dem zentralen Element der erwor-benen Immunabwehr.

(Die Leserin und der Leser werden hier erstmals mit dem Begriff “Antigen“ konfron-tiert. Dieser Begriff, der auch in der Box 2.1 näher erläutert ist, entspricht einem zentra-len Dogma in der Immunologie und wird in diesem Buch häufig verwendet werden. Grob erklärt ist ein Antigen jedes x-beliebige Molekül, jeder winzige Stoff oder jede winzige

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Abb. 2.2.1: Paul Ehrlich, abgebildet auf dem ehemaligen 200 DM Geldschein.

Substanz, die von unserem erworbenen Immunsystem erkannt werden und gegen die ein spezieller Antikörper produziert wird).

Paul Ehrlich´s Konzept erhielt kräftigen Rückenwind durch seinen Kollegen und Zeitgenossen Emil von Behring (Abbildung 2.2.2). Behring vertrat ganz im Sinne von Ehrlich die Ansicht, die erworbene Immunität werde durch im Blutserum schwimmende Stoffe erzeugt. Bereits 1888 hatte Behring in eingehenden Laboruntersuchungen festge-stellt, dass die Vermehrung von Milzbrand-Bakterien durch Serum von Ratten, die sich gegenüber diesen Bakterien als resistent erwiesen, verhindert wird, nicht aber durch Se-rum von Meerschweinchen, die gegen Milzbrand-Bakterien empfindlich waren, also an ihnen erkrankten. Im Serum der resistenten Ratten – so folgerte er messerscharf – waren demnach Abwehrstoffe gelöst, die die Milzbrandbakterien an ihrer Vermehrung hinder-ten. Im darauf folgenden Jahr, bei Tierexperimenten am Institut für Infektionskrankhei-ten in Berlin, vertiefte und verallgemeinerte er die Erkenntnis, indem er postulierte, dass die Blutflüssigkeit, also das Serum Träger der Immunität von Tieren gegen gewisse Krank-heiten ist. Im darauf folgenden Jahr machte er die Entdeckung, dass im Blut von Tieren,

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Box 2.1: Antigene

Antigene sind Stoffe der belebten oder unbelebten Umwelt, die in einem Organismus eine spe-zifische erworbene Immunantwort auslösen können. Man nennt Antigene auch Moleküle, die von einer Zelle des erworbenen Immunsystems als körperfremd erkannt werden, gegen die dann An-tikörper gebildet werden, welche an die entsprechenden Antigene binden. Die genaue Stelle, an die der Antikörper bindet, heißt Antigen-Determinante oder Epitop (engl.: antigenic site). Antige-ne sind in erster Linie ProteiAntige-ne und Kohlenhydrate; aber auch Lipide, Nukleinsäuren und ande-re Moleküle können als Antigene in Erscheinung tande-reten. Antigene befinden sich beispielsweise auf der Zelloberfläche von Bakterien (= bakterielle Antigene) und anderen Mikroorganismen so-wie in der Hülle von Viren (= virale Antigene), oder sie liegen als einzelne Moleküle im Blut be-ziehungsweise in der Lymphflüssigkeit vor. Fremde transplantierte Organe tragen auch Antige-ne, die man Alloantigene nennt. KörpereigeAntige-ne, in der Regel leicht veränderte Stoffe können auch als Antigene fungieren und heißen dann Autoantigene.

Abb. 2.2.2: Emil von Behring (1854-1917).

Der deutsche Forscher entwickelte zusammen mit Paul Ehrlich Methoden zur Gewinnung verbesserter Heilseren mit angereicher-ten Antitoxinen (Antikörpern). Im Dezember 1891 konnangereicher-ten bereits zwei an Diphtherie erkrankte Kinder durch die Verabreichung ei-nes aus dem Blut infizierter Schafe gewonnenen Heilserums ge-heilt werden. Damit hatte Emil Behring die passive Immunisierung entdeckt. Später förderte er die Entwicklung und Herstellung eines Serums für Diphtherie-Schutzimpfungen im großen Stil. Mit dem von ihm hergestellten Tetanus-Antitoxin-Serum konnten im Ersten Weltkrieg zahlreiche verwundete Soldaten gerettet werden.

die an Diphtherie erkrankt waren, ein “Antitoxin“ entsteht, welches in der Lage ist, das Diphtherie-Toxin zu binden und damit unschädlich zu machen. Dies bedeutete: Nicht die Diphtherie-Bazillen selbst, sondern die von ihnen ausgeschiedenen giftigen Toxine üben ihre verheerende, oft tödliche Wirkung aus. Behring erkannte, dass diese Antitoxi-ne (heute würde man sagen: erworbeAntitoxi-ne Antikörper) bei bereits ausgebrocheAntitoxi-ner Krankheit die körpereigene Abwehr unterstützen und somit einen Heileffekt besitzen. Damit hatte er das Prinzip der so genannten passiven Immunisierung entdeckt, die er später auch bei der Tetanus-Infektion einführte. Die Grundlage war nun geschaffen, diese Eigenschaften des Serums der allgemeinen Heilkunde dienstbar zu machen. Anlass dazu boten insbeson-dere die katastrophalen Auswirkungen von Diphtherie und Tetanus. Durch die

„Behring´sche Serumtherapie“ hatten nun die Diphtherie und die Tetanus-Erkrankung ihren Schrecken verloren. Emil von Behring – heutzutage allen Ärzten als der Entdecker des Diphtherie- und des Tetanus-Antitoxin-Serums bestens bekannt – wurde mit seinen Entdeckungen zum „Retter der Kinder“. Außerdem war er der Mitbegründer der moder-nen Immunitätslehre und Inhaber des ersten Nobelpreises für Physiologie oder Medizin, der im Jahr 1901 verliehen wurde.

Halten wir also fest: Ehrlich, Behring und andere deutsche Gelehrte beherrschten in den ersten vier Jahrzehnten des XX. Jahrhunderts mit ihrer Lehre von den schützend wir-kenden und therapeutisch anwendbaren Antikörpern voll und ganz das internationale Denken und Handeln in der Immunologie! Es überrascht daher nicht, dass in dieser Zeit-periode nur sehr zögerlich erste wissenschaftliche Veröffentlichungen wahrgenommen wurden, die darauf hinwiesen, dass die erworbene Immunität nicht nur aus der Bildung von Antikörpern besteht, sondern auch aus der Produktion einer bestimmten speziellen Population weißer Blutkörperchen, den Leukozyten. Zellforscher und Immunologen nannten diese Zellen “Lymphozyten“ (Abbildung 2.2.3). Die Zellen konnten unter dem Lichtmikroskop einwandfrei von den “fressenden“ weißen Blutkörperchen unterschieden werden, wie sie Metchnikoff im Rahmen seiner Phagozytose-Lehre beschrieben hatte. Ak-tivitäten zur näheren Erforschung der Lymphozyten nahmen nun Fahrt auf: Bald fanden die Forscher heraus, dass das Bild der erworbenen Immunität von zwei unterschiedlichen

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Abb. 2.2.3: Kleiner Lymphozyt, wie man ihn mit Hil-fe des Lichtmikroskops im Blutausstrich erkennen kann - umgeben von den kleineren roten Blutkörper-chen.

Lymphozyten-Typen dominiert wurde: den T- Lymphozyten und den B-Lymphozyten.

Allerdings fand die Bezeichnung erworbene zelluläre Immunitätneben dem Begriff erwor-bene humorale Immunität nur langsam ihren Platz in der immunologischen Forschung.

Heutzutage gehören die Lymphozyten zum alltäglichen Sprachgebrauch von Medizinern.

Von diesen “Schlüsselzellen“ in der Immunologie wird daher in diesem Buch noch öfters zu berichten sein.

Die in der zweiten Hälfte des XX. Jahrhunderts betriebene immunologische For-schung konzentrierte sich dann im Wesentlichen auf die zellulären Mechanismen, welche die selektive Erkennung bakterieller oder viraler Antigene durch die T- und B-Lymphozy-ten des befallenen Organismus ermöglichen. Man entdeckte nun auch, dass aus der Po-pulation dieser erkennenden Lymphozyten eine weitere PoPo-pulation von Lymphozyten hervorgeht, die man auch als “Effektoren“ oder “Effektorzellen“ bezeichnete, da sie in ih-rer Funktion als weitere Hauptspieler der erworbenen Immunität die eigentliche zerstöre-rische Abwehrarbeit exekutierten.

Über Jahrzehnte blieben allerdings wichtige Fragen ungeklärt, so die Frage nach den Erkennungsmechanismen, welche für die unmittelbare Wahrnehmung von Mikroben verantwortlich sind, wenn sie durch die Haut oder Schleimhaut eingedrungen sind; oder auch die Frage nach Mechanismen, die nach der Erkennung der Mikroben bei höheren Tieren und Menschen anschließend die erworbene Immunität aktivieren und modulie-ren. Diese Rätsel wurden dann dank der Genialität dreier Forscher aus unterschiedlichen Regionen unseres Planeten gelöst: dank der theoretischen Überlegungen des Immunolo-gen Charles Janeway in New Haven, USA, sowie dank der eleganten experimentellen Ar-beiten des Insektenforschers Jules Hoffmann in Strasbourg, Frankreich, und des Geneti-kers Bruce Beutler in La Jolla, USA - wie im Folgenden näher beschrieben werden soll.

Wiederentdeckung der angeborenen Immunität

Nach seiner Entdeckung vor über 100 Jahren döste das angeborene Immunsystem so vor sich hin und wurde von den Immunologen eher vernachlässigt und in seiner Bedeutung nicht sehr hoch eingeschätzt. Im Gegensatz dazu hatte die Erforschung der molekularen Mechanismen der erworbenen Immunität höchste Priorität und stand an erster Stelle der immunologischen Forschung. Dies sollte sich aber Ende der neunziger Jahre ändern. Im Jahr 1989 entwickelte der berühmte USA – Immunologe Charles Janeway (Abbildung 2.3.1) aufgrund rein theoretischer Überlegungen ein bahnbrechendes Konzept, indem er erstmals vorschlug, dass ein angeborenes Immunsystem der erworbenen Immunität vo-rausgehen musste. Und er präzisierte das Konzept, indem er vermutete, dass dieses von ihm postulierte Immunsystem nicht auf alle fremden Antigene reagiert, sondern nur auf diejenigen, die potentiell mit einer Infektion einhergehen, also beispielsweise auf bakte-rielle und virale Antigene (Definition der Antigene: Box 2.1). Gemäß seiner Ansicht un-terscheidet das angeborene Immunsystem demnach nicht-infektiöses “Selbst“ (d. h. den eigenen unversehrten Körper) von infektiösem “Nicht-Selbst“ (d. h. von fremden in-fektiösen Mikroorganismen). Nur gegen infektiöses “Nicht-Selbst“ aber, also gegen frem-de infektiöse Mikroorganismen, wird eine abwehrenfrem-de Immunantwort aufgebaut. Die zu-32

grunde liegende Idee dieses Modells war, dass das angeborene Immunsystem sich entwi-ckelt hat, um Säugetiere und Menschen gegen Mikroorganismen zu schützen, und dass diese Unterscheidung zwischen nicht-infektiösen und infektiösen Antigenen bewirkt, dass sich die gezielten Abwehrfunktionen nur auf wirkliche Bedrohungen und nicht unbedingt auf harmlose Situationen beziehen. Janeway entwickelte aufgrund rein theoretischer Überlegungen ein faszinierendes Szenario: Eindringende Krankheitserreger, beispielswei-se Bakterien, werden anhand bestimmter molekularer Struktur-Motive vom angeborenen Immunsystem erkannt. Diese winzigen stofflichen Motive bezeichnete er als “pathogen-associated molecular patterns“ – abgekürzt “PAMPs“ – ins Deutsche übersetzt: Krank-heitserreger-assoziierte molekulare Muster. Wer oder was erkennt aber die PAMPs? Nun, es sind ganz spezielle Rezeptoren auf oder in den Zellen des angeborenen Immunsystems, die diese musterhaften Motive eindringender Krankheitserreger aufspüren, um dann an sie zu binden. Diese Rezeptoren nannte Janeway “pattern recognition receptors“ – abge-kürzt “PRRs“ – ins Deutsche übersetzt: Muster-Erkennungsrezeptoren. Festzuhalten und zu merken ist hier schon, dass Immunologen die PAMPs auch gerne als “Liganden“ oder

“Agonisten“ der PRRs bezeichnen. (An dieser Stelle bitten wir Leserinnen und Leser, sich die Bezeichnungen “PAMPs“ und “PRRs“ zu merken, sie repräsentieren fundamentale Begriffe in der Lehre über die angeborene immunologische Infektabwehr und werden in den nachfolgenden Kapiteln häufiger verwendet werden). Die Muster-Erkennungsrezep-toren auf den Zellen der angeborenen Immunität nehmen charakteristische Strukturen von Mikroben wahr und teilen dem Organismus dann mit, welche Art von Erregern ge-rade auf ihn einstürmt. Nach der Erkennung der “PAMPs“ durch die “PRRs“ werden die Zellen der angeborenen Immunität aktiviert und haben nun nur noch ein Ziel: die frem-den Eindringlinge, beispielsweise Bakterien, zu vernichten. Dies erreichen die angebore-nen Immunzellen, indem sie zwei Aufgaben erfüllen: Sie sind nun imstande, einmal ein

“Erregfeindliches“ entzündliches Milieu im Gewebe aufzubauen, zum anderen die er-worbene Immunabwehr zu aktivieren. Doch davon später!

Diese theoretischen Überlegungen von Charles Janeway wurden in der Folgezeit voll und ganz von eleganten und zielgerichteten experimentellen Studien bestätigt: So wurden und werden bis zum heutigen Tag Muster-Erkennungsrezeptoren unterschiedlicher Qua-33

Abb. 2.3.1: Charles Janeway (1943-2003).

Charles Janeway war einer der prominentesten Immunologen sei-ner Zeit. Er war Mitglied der National Academy of Sciences (USA) und Professor an der Yale University School of Medicine New Ha-ven, Connecticut, USA. Charles Janeway hat als einer der ersten sein Augenmerk auf das angeborene Immunsystem gerichtet.

Aufgrund rein theoretischer Überlegungen schlug er vor, dass ein angeborenes Abwehrsystem existieren musste, das aufgrund von Muster-Erkennungsrezeptoren fremde Mikroorganismen ("Nicht-Selbst") von körpereigenem Gewebe ("("Nicht-Selbst") unterscheiden kann und auf diese Weise dem erworbenen Immunsystem ermög-licht, seine Abwehr gezielt gegen die fremden Eindringlinge zu richten.

lität und Quantität weltweit in immunologischen Laboratorien entdeckt. Es begann aber in Strasbourg, Frankreich, Mitte/Ende der 1990er Jahre mit der Entdeckung genetischer Mechanismen, die die angeborene Immunabwehr bei Insekten auslösen und kontrollie-ren. Das Forscherteam um Jules Hoffmann an der Universität Strasbourg entdeckte einen von Janeway bereits vermuteten Erkennungsrezeptor bei der Fruchtfliege (Drosophila me-lanogaster). Die Forschergruppe beobachtete, dass eine bestimmte Population von Frucht-fliegen mit einer genetisch veränderten Rezeptor-Variante gegenüber Pilz- und Bakterien-infektionen sehr anfällig sind. Es handelte sich um Fliegen, die von der deutschen Nobel-preisträgerin Christiane Nüßlein-Volhard in Tübingen gezüchtet worden waren. Wie Stu-dien ergeben hatten, spielte dieses Gen, genannt “Toll“, bei der Entwicklung der Droso-phila-Fliege eine entscheidende Rolle. Das Team in Strasbourg stellte nun fest, dass diese Fliegen mit einem “Toll“-Gendefekt im Gegensatz zu normalen Fliegen eine Pilzinfektion nicht überlebten. Des Rätsels Lösung: Der Erkennungsrezeptor “Toll“ war defekt →die Fliegen konnten die gefährlichen infektiösen Pilze nicht erkennen →die angeborene Im-munabwehr wurde demzufolge nicht aktiviert →die Pilzinfektion verlief tödlich.

Wenig später wurden bei Säugetieren Rezeptoren entdeckt, die dem “Toll“-Rezeptor der Fliege sehr ähnelten – bis heute insgesamt 13 Rezeptoren. Sie wurden mit dem engli-schen Begriff “Toll-like“ Rezeptoren (stehend für “Toll“-ähnlichen Rezeptoren) bezeich-net, einem Begriff, der inzwischen in der internationalen, so auch in der deutschen Me-dizinliteratur standardmäßig verwandt wird. Toll-like Rezeptoren, abgekürzt TLRs, re-flektieren somit das Pendant zum “Toll“-Rezeptor der Insekten.

Die Entdeckungsgeschichte der TLRs begann ebenfalls spannend: Nahezu gleichzeitig mit den Arbeiten der Strasbourg-Gruppe fanden in den USA ähnliche Experimente an Mäusen statt, die ebenfalls einen Gendefekt im Bereich des angeborenen Immunsystems aufwiesen. Das Team um Bruce Beutler in La Jolla, Kalifornien, fand im Jahr 1998 bei Mäusen das Gen für den Toll-like Rezeptor 4, abgekürzt “TLR4“, einen Rezeptor, der auf Bakteriengifte reagierte. Mit anderen Worten: Dieser TLR4-Rezeptor erkannte bei der

Die Entdeckungsgeschichte der TLRs begann ebenfalls spannend: Nahezu gleichzeitig mit den Arbeiten der Strasbourg-Gruppe fanden in den USA ähnliche Experimente an Mäusen statt, die ebenfalls einen Gendefekt im Bereich des angeborenen Immunsystems aufwiesen. Das Team um Bruce Beutler in La Jolla, Kalifornien, fand im Jahr 1998 bei Mäusen das Gen für den Toll-like Rezeptor 4, abgekürzt “TLR4“, einen Rezeptor, der auf Bakteriengifte reagierte. Mit anderen Worten: Dieser TLR4-Rezeptor erkannte bei der