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B. Konstruktion der geschlechtsspezifischen Bildung in der theoretischen

3. Zur Hierarchisierung der Geschlechter

Die Konstruktion der Geschlechterdifferenz, die in „Über Anmut und Wür-de“ auf dem Begriffspaar „Anmut und WürWür-de“ oder „Schönheit und Erhaben-heit“56 projiziert wird, macht in erster Linie die unterschiedlichen Geschlech-tercharaktere und -identitäten sichtbar. Dabei läßt sich eine Struktur von weib-licher Statik und männweib-licher Dynamik feststellen, die zur „traditionelle[n] Di-chotomie zwischen Natur und Kultur“57 führt. Schillers philosophische Argu-mentation zu „Anmut“ und „Würde“ bringt letztlich die Ungleichheit in der sozialpolitischen und kulturellen Repräsentanz der Geschlechter hervor.

Fritz Giese urteilt über Schillers Abhandlung „Über Anmut und Würde“:

Der Mann bleibt dauernd überlegen. Schiller fühlt sich stets als wert-vollerer Bestandteil, die Frau ist, trotz aller Bildungsfortschritte, im-mer noch der ungeeignetere Vertreter des Menschentums.58

Wilfried Noetzel erkennt ebenfalls das ungleiche Verhältnis in „Über Anmut und Würde“ und setzt die Relation von weiblicher Anmut und männlicher Würde in das Verhältnis von Kind und Erwachsenen um:

56 Das Denkmodell, das das Weibliche und das Männliche im Schönen und Erhabenen be-zeichnet, entwickelt sich vor allem bei Winckelmann und Kant. Winckelmann schreibt in sei-nem Aufsatz „Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauer-Kunst“: „Die sinnliche Schönheit gab dem Künstler die schöne Natur; die idealische Schönheit die erhabenen Züge: von jener nahm er das Menschliche, von dieser das Göttli-che.“ (Winckelmann: Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst. S. 11)

Kant liefert in seinen „Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und des Erhabenen“ die Ansätze zu einer Philosophie der Geschlechter, aus denen sich eine Geschlechterpolarität ent-wickelt: „Das Erhabene muß jederzeit groß, das Schöne kann auch klein sein.“ (Kant: „Beo-bachtungen über das Gefühl des Schönen und des Erhabenen“. S. 828) In den menschlichen Eigenschaften setzt sich der Gegensatz fort: „Verstand ist erhaben, Witz ist schön. Kühnheit ist erhaben und groß, List ist klein aber schön. […] Wahrhaftigkeit und Redlichkeit ist einfältig und edel, Scherz und gefällige Schmeichelei ist fein und schön.“ (Ebd. S. 829) Kant leitet das Gegenverhältnis der Geschlechter aus den Gegensätzen des Schönen und Erhabenen ab. Alle Aussagen, die er über Charakter von Mann und Frau macht, sind die Konstruktionen der menschlichen Natur, die auf dem Geschlechterdualismus basieren.

57 Maihofer: Geschlecht als Existenzweise. S. 173.

58 Giese: Der romantische Charakter. S. 65. Zitiert nach: Menze: Humboldts Lehre und Bild vom Menschen. S. 346.

Wie die tendenziell weiblich-kindliche Anmut der Ausdruck einer

„schönen Seele“ ist, so die tendenziell männlich-erwachsene Würde der Ausdruck einer „erhabenen Gesinnung“.59

Es steht außer Zweifel, daß Schiller in seiner Abhandlung „Über Anmut und Würde“ im Gegensatz zur männlichen Handlung die weibliche herabsetzt und abwertet. Die Disqualifizierung beruht vor allem auf der Unfähigkeit der weib-lichen Natur zur moralischen Handlung, da die weibliche Handlung nie anders als aus der Neigung entspringt. Durch die Würde kann der Mann die Handlung

„zu einer Handlung seines Willens erheben“ (NA 20, S. 299) und die Frau soll sie durch die Anmut „zu einer affektionierten Handlungen heruntersetzen“ (NA 20, S. 299). Diese abwertende Einschätzung der weiblichen Natur bestätigt sich in den Anmerkungen zur „falschen Anmut“ (NA 20, S. 307). Schiller ver-weist dabei auf die Möglichkeit der Verderbtheit der Frauen, wenn diese der sinnlichen Begierde ausgesetzt sind:

Das andere Geschlecht, welches vorzugsweise im Besitze der wahren Anmuth ist, macht sich auch der falschen am meisten schuldig; aber nirgends beleidigt diese mehr, als wo sie der Begierde zum Angel dienet. Aus dem Lächeln der wahren Grazie wird dann die widrigste Grimasse, das schöne Spiel der Augen, so bezaubernd, wenn wahre Empfindung daraus spricht, wird zur Verdrehung, die schmelzend modulierende Stimme, so unwiderstehlich in einem wahren Munde, wird zu einem studirten tremulirenden Klang, und die ganze Musik weiblicher Reizungen zu einer betrüglichen Toilettenkunst. (NA 20, S. 307)

So stimmt Schiller in die „Klagen über die Gefallsucht der Frauen und ihre Verderbtheit“60 ein. Die Frau läuft durch ihre sinnliche Natur stets Gefahr, in rohe Naturhaftigkeit und in die Verderbtheit zurückzufallen. Hier zeigt sich deutlich Schillers Absicht, die weibliche Unfähigkeit zur moralischen Auto-nomie und die Grenzen der weiblichen Natur aufzuzeigen. Die Verstandes-kompetenz zur Freiheit, die die Mündigkeit des Menschen ermöglicht, ist den beiden Geschlechtern nicht gleichermaßen zugefallen. Die Frau läßt sich stets auf die Natur zurückführen, die keineswegs die Mündigkeit gewinnen kann.

59 Noetzel: Humanistische ästhetische Erziehung. S. 46f.

60 Bovenschen: Die imaginierte Weiblichkeit. S. 250.

Somit läßt sich ein qualitatives Ungleichgewicht zwischen den Auffassungen von Weiblichkeit und Männlichkeit in „Über Anmut und Würde“ wahrneh-men. Dies findet sich überall dort in der Schrift, wo die Überlegenheit der männlichen Würde über die weibliche Anmut dargestellt wird. Dieses Phäno-men für „die Hierarchisierung der Geschlechter“61 wird vor allem im Kapitel über die „Würde“ hervorgehoben.

Das Phänomen spitzt sich in der Forderung zu, daß sich die „schöne Seele“ in die erhabene verwandeln solle, wenn sie im Kampf zwischen der Sinnlichkeit und Sittlichkeit überleben wolle. Hier manifestiert sich die „Partizipation des Menschen am über das Naturhafte hinausgehenden Übersinnlichen“62, das sich auf die Schillersche Theorie des Erhabenen zurückführen läßt. Obwohl Schiller die harmonische Natur der Anmut von der bloß sinnlichen Natur trennt, ist nicht zu leugnen, daß die Anmut nicht „zur Überwindung ihrer `natürlichen Begrenztheit´, sondern zu deren bewußtloser Internalisierung“63 konzipiert ist.

Die Anmut ist also unfähig, in dem affektgeladenen Kampf gegen die Gewal-ten des Naturtriebes zu widerstehen:

In Affekten also, „wo die Natur (der Trieb) zuerst handelt und den Willen entweder ganz zu umgehen oder ihn gewaltsam auf ihre Seite zu ziehen strebt, kann sich die Sittlichkeit des Charakters nicht an-ders, als durch Widerstand offenbaren, und daß der Trieb die Frey-heit des Willens nicht einschränke, nur durch Einschränkung des Triebes verhindern“. Übereinstimmung mit dem Vernunftgesetz ist also im Affekte nicht anders möglich, als durch einen Widerspruch mit den Foderungen der Natur. Und da die Natur ihre Foderungen aus sittlichen Gründen, nie zurücknimmt, folglich auf ihrer Seite al-les sich gleich bleibt, wie auch der Wille sich in Ansehung ihrer ver-halten mag, so ist hier keine Zusammenstimmung zwischen Neigung und Pflicht, zwischen Vernunft und Sinnlichkeit möglich, so kann der Mensch hier nicht mit seiner ganzen harmonirenden Natur, son-dern ausschließungsweise nur mit seiner vernünftigen handeln. (NA 20, S. 293)

Hier lassen sich die Gegensätze der doppelten Natur, die für Schillers Anthro-pologie konstitutiv sind, veranschaulichen. Die gewaltige Forderung der sinnli-chen Natur kann durch die schöne, harmonische Natur nicht vollkommen

61 Vahsen: Die Politisierung des weiblichen Subjekts. S. 39.

62 Ruppert: Unvollendete Totalität. S. 106.

63 Bovenschen: Die imaginierte Weiblichkeit. S. 251.

gehoben werden. Diese kann nur dazu hinreichen, „uns bis auf einen gewissen Grad von der Natur als einer Macht unabhängig zu machen“ (NA 21, S. 40).

Schiller fordert also die moralische Vernunft, um die einseitige Gewalt des sinnlichen Triebes zu beherrschen. Hiermit wird die Grenze der schönen Natur des Menschen, die sich im Typus der „schönen Seele“ präsentiert, deutlich erkennbar. Dies stellt Schiller auch in seinem Aufsatz „Über das Erhabe-ne“ fest: „Das Erhabene verschafft uns einen Ausgang aus der sinnlichen Welt, worin uns das schöne gern immer gefangen halten möchte“ (NA 21, S. 45).

Ohne daß die schöne Seele „sich zur reinen Intelligenz“ (NA 20, S. 294) erhebt und moralisch groß handelt, sinkt sie „im Affekt zum bloßen Naturprodukt herab“ (NA 20, S. 294) wie „die Temperamentstugend“ (NA 20, S. 294). Diese Forderung wird nicht als „Schillersche Hervorhebung des kritischen Potentials der schönen Seele“64 verstanden, wie dies Elisabeth Blochmann interpretiert, sondern als Beweis der Geschlechterhierarchisierung.

Der schönen Seele mangelt es an Wirklichkeit, an Handlung.65 Insofern unter-scheidet sich das Ideal der Anmut als Übereinstimmung von Sinnlichkeit und Vernunft vom Vollkommenheitsideal der Menschheit als der Vereinigung von

„Anmut“ und „Würde“. Es ist klar, daß „beide Ideale keineswegs identisch“66 sind. Hier ist wiederum festzustellen, daß Schiller die Anmut offenbar […]

dem Bereich der Sinnlichkeit zuordnet, obwohl nun die Anmut der Ausdruck der Vereinigung von Sinnlichkeit und Vernunft in der Erscheinung sein soll.67 Man soll deshalb hinterfragen, wie die Anmut im Programm der idealistischen Vereinigung funktioniert. Schiller unternimmt zugunsten des Ideals

64Blochmann: Schillers Begriff der „schönen Weiblichkeit“. S. 435.

65 Vgl. Fritzsche: Interpretationen zur Entwicklung und Verwicklung des Gedankens der „Frei-heit in der Erscheinung“. S. 73.

66 Ruppert: Unvollendete Totalität. S. 109. Ruppert argumentiert: „Die Unklarheit, die in der Schrift „Über Anmut und Würde“ auftaucht, rührt letztlich daher, daß Schiller drei verschiede-ne Menschheitsbegriffe einführt, von deverschiede-nen zwei sich sogar als Ideal der vollendeten Mensch-heit darstellen, nämlich die Anmut als Übereinstimmung von Sinnlichkeit und Vernunft bzw.

Neigung und Pflicht und die Vereinigung von Anmut und Würde. Dies freilich ist ein offen-kundiger Widerspruch, denn beide Ideale sind keineswegs identisch. Vielmehr muß die An-mut, in der ja doch beide Wesenskonstituenten des Menschen schon harmonisiert sein sollen, als ein Moment gedacht werden, das es in dem zweiten Menschheitsideal wiederum aufzuhe-ben gilt, so daß eine Duplizität der Harmonie entsteht.“ (Ebd.)

67 Vgl. ebd. S. 107.

cher Vollkommenheit die Versöhnung zwischen den beiden gegensätzlichen Bereichen von Anmut und Würde. Es ist deutlich, daß Schiller mit diesem Pro-gramm auf die geschlechterübergreifende Humanitätsidee des klassischen Idea-lismus hinweist.

Man könnte es jedoch auf die Ergänzungsthese der Geschlechter übertragen.

Diese besteht darin, daß „Mann und Frau als voneinander verschiedene Wesen erst im Zusammenwirken ihre menschliche Bestimmung erfüllten“68. Mit die-sem Ergänzungspostulat scheint das ungleichgewichtige Verhältnis der Ge-schlechter legitimiert zu sein, sofern beide an dem Ideal der Vollkommenheit gleich beteiligt sind. Es kann aber keine Gleichrangigkeit der Frau mit dem Mann zur Folge haben.

Im Zusammenwirken soll die Frau nur die dienende, ergänzende Funktion leis-ten, weil sie ihre begrenzte Natur nicht zu überwinden vermag. Schillers Men-schenideal besteht daher „in einer ideellen Synthese von Mann und Frau“69. Goethe beschreibt das Weibliche als „das einzige Gefäß, was uns Neueren noch geblieben ist, um unsere Idealität hineinzugießen“70. In der Metapher des Gefäßes wird sichtbar, daß das Weibliche als „Hohlform für die männlichen Entwürfe“71 dient. Die Frau, die durch das Naturgesetz bestimmt wird, kann nicht zum Subjekt des Ideals werden, da die weibliche Natur nur „zum Objekt der der Naturbeherrschung dienenden Operationen des männlichen Denkens“72 wird.

Die Vereinigung soll vom männlichen Subjekt geleistet werden, dem die Ver-nunft zugeordnet ist. Das Ideal, das durch das Ergänzungspostulat zu erreichen ist, ist damit als eine symbolische Projektion der männlichen Zugriffe und Be-herrschung anzusehen. Ohne bewußte Erstrebung der menschlichen, nämlich männlichen Vernunft kann das Ideal nicht erreicht werden. Die Anmut bleibt

68 Osinski: Einführung in die feministische Literaturwissenschaft. S. 126.

69 Giese: Der romantische Charakter. S. 13. Zitiert nach: Mörsdorf: Gestaltwandel des Frauen-bildes und Frauenberufs in der Neuzeit. S. 121.

70 Goethe: Gedenkausgabe. 24. Bd. Eckermann: Gespräch mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. S. 255.

71 Bovenschen: Die imaginierte Weiblichkeit. S. 38.

72 Ebd. S 255.

also im Programm der Versöhnung nur als „ein ästhetisch funktionalisiertes Element, das zur notwendigen Voraussetzung bzw. zum Ausgangspunkt von Versöhnung als einer Leistung des Mannes bestimmt wird“73. In dieser Hin-sicht wird offenHin-sichtlich: „Die passive Harmonie der Frau heißt Natur, die be-wußte und gewollte des Mannes heißt Kultur.“74

Die gegensätzliche Struktur von weiblicher Passivität und männlicher Aktivität zeigt sich auch in folgender Bemerkung:

Überhaupt gilt hier das Gesetz, daß der Mensch alles mit Anmuth thun müsse, was er innerhalb seiner Menschheit verrichten kann, und alles mit Würde, welches zu verrichten er über seine Menschheit hnausgehen muß. (NA 20, S. 298)

Während Schiller die Anmut innerhalb der Menschheit des Menschen ansie-delt, bezeichnet hingegen die Würde das, was über das bloße Menschliche hi-nausgeht. Es wird deutlich, daß die Frau innerhalb ihrer Natur bleiben soll.

Diese Bestimmung der Frau ergibt sich eben aus der Zuschreibung zur Natur.

Solange sie durch die Natur bestimmt wird, soll die Frau „in der Absolutheit der in sich bestimmten Geschlechtlichkeit“75 verhaftet bleiben. Rousseau be-merkt hierzu: „die Frau ist ihr ganzes Leben lang Frau“.76 Der Mann aber kann sich über die Schranke seiner Natur hinaus selbst erweitern, indem ihm die Vernunft zugeschrieben wird. Er kann dadurch alles subjektiv konstituieren und sich selbst verwirklichen.

In ganz ähnlicher Weise argumentiert Georg Simmel. Für ihn wird das Weibli-che zum Symbol einer in sich selbst geschlossenen geschichtslosen Harmonie:

Während der Mann aus sich herausgeht, seine Kraft in seine Leistung entläßt und damit etwas „bedeutet“, was in irgendeinem Sinne außer ihm liegt, dynamisch oder ideell, schaffend oder darstellend – ist die Wesensidee der Frau […], jenes organische Beschlossensein in der Harmonie der Wesensteile unter sich und in ihrer gleichmäßigen Be-ziehung zu ihrem Zentrum – wie es eben die Formel des Schönen ist.

73 Bovenschen: Die imaginierte Weiblichkeit. S. 247.

74Scheffler: Die Frau und die Kunst. S. 20.

75 Simmel: Das Relative und das Absolute im Geschlechter-Problem. S. 64.

76 Rousseau: Emile. S. 727.

Denn sie ist, in der Symbolik der metaphysischen Begriffe, die Sei-ende und der Mann der WerdSei-ende.77

Diese typischen Zuschreibungen von Weiblichkeit und Männlichkeit, die in theoretisch verschiedenen Umfeldern vorgenommen werden, dienen der Legi-timation der Unterwerfung des weiblichen Geschlechts unter das männliche.

Die Gegenüberstellung von männlicher Selbständigkeit und weiblicher Un-selbständigkeit erinnert an das Verhältnis von „Herrschaft und Knecht-schaft“78, auf das Hegel in seiner „Phänomenologie des Geistes“ hinweist.

In dieser Hinsicht schreibt Simone de Beauvoir:

Manche Passagen der Dialektik Hegels, in denen er das Verhältnis von Herr und Knecht definiert, könnte man viel besser auf das von Mann und Frau anwenden. Hegel zufolge entsteht das Privileg des Herrn dadurch, daß er, indem er sein Leben aufs Spiel setzt, den Geist gegen das Leben durchsetzt; […] Die Frau dagegen ist ur-sprünglich ein Existierendes, das das Leben schenkt und sein Leben nicht aufs Spiel setzt.79

Es liegt nahe, daß die Frau nicht das Subjekt, sondern das Objekt ist. Die sub-jektive Selbständigkeit und das Vermögen zur Auseinandersetzung mit der Welt sind nicht der Frau, sondern nur dem Mann zugeschrieben. Diese Un-gleichheit erweist sich nicht nur in Zuschreibungen und Charakterisierungen, sondern auch in Rollen und Funktionen, da die Ausgrenzung zum Ausschluß der Frau vom geschichtlichen Prozess führt. Die Frau kann keinen realen Platz in der Geschichte einnehmen, weil die weibliche Natur im Menschen und in der Geschichte stets nur als die supplementäre erscheint. Sie erschöpft ihren Sinn und ihre Bedeutung nur darin, männliche Leistung zu ergänzen und zu unterstützen. Nach Georg Simmel müssen die Weiblichkeitszuschreibungen zu einer „negativen Bestimmung der weiblichen Kulturleistungen“80 führen. Eben in dieser „Abwesenheit des Weiblichen in der Geschichte“81 begründet sich das ungleichgewichtige, hierarchische Verhältnis zwischen den Geschlechtern.

77 Simmel: Weibliche Kultur. S. 282.

78 Hegel: Phänomenologie des Geistes. S. 140.

79 Beauvoir: Das andere Geschlecht. S. 90.

80 Simmel: Das Relative und das Absolute im Geschlechter-Problem. S. 70.

81 Bovenschen: Die imaginierte Weiblichkeit. S. 27.

Das ungleiche Verhältnis der Geschlechter kommt in Schillers theoretischen Konzeptionen deutlich zum Ausdruck. In seinen Überlegungen zeigt sich, daß er eine im Wesen unterschiedliche Natur des Mannes und der Frau voraussetzt.

Da die Natur von Mann und Frau so offensichtlich prinzipiell verschieden ist, postuliert er, daß diese Unterschiede stets im Verhalten und Bewußtsein der Geschlechter erhalten bleiben sollten. Seine idealistischen Denkmodelle der geschlechtsspezifischen Bildung sind nur dadurch zu erreichen, daß beide Ge-schlechter den ihnen zugewiesenen Zuschreibungen folgen.

Schiller stellt in seinen ästhetischen und philosophischen Konzeptionen zu

„Anmut“ und „Würde“ die theoretische Begründung der Geschlechterdifferenz und -ergänzung fest. Diese Feststellung resultiert aus der wesenhaften Unter-schiedlichkeit von Mann und Frau, die sich in den philosophisch-ästhetischen Überlegungen über „Anmut“ und „Würde“ manifestieren. Folglich sind Schil-lers geschlechtsspezifische Konzeptionen als eine ideologische Konstruktion aufzunehmen, die zur Feststellung der Dichotomie der weiblichen Natur und männlichen Kultur beitragen.

C. Schiller und Humboldt: Denkmodelle der Geschlechterdifferenz von