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Herr Prof. Dörfl er, vielen Dank für das Gespräch

Autorin: Dr. Wiebke Kathmann ist Biologin und Medizinjournalistin und veröffentlicht ihre Beiträge in deutschsprachigen medizinischen Fachzeitschriften.

Quelle: Medical Solutions, Ausgabe 09/2010, S. 22–25

Nachgefragt

Der Bundesminister für Gesundheit und designierte Parteivorsitzende der FDP, Dr. med. Philipp Rösler, im Gespräch mit inside:health über den Umgang mit Effi zienzreserven im Gesundheitssystem, der Rolle der IT in der sektorübergreifenden Versorgung sowie den Stellenwert der Prävention.

Gesundheitspolitik

Zu Beginn dieses Kalenderjahres ist das Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzie-rung der gesetzlichen KrankenversicheFinanzie-rung (GKV-FinG) in Kraft getreten.

Welches Ziel verfolgt die Bundesregierung mit dem GKV-FinG?

Dr. med. Philipp Rösler: Ziel ist es, das Gesund-heitssystem langfristig so zu gestalten, dass auch künftige Generationen eine verlässliche Absiche-rung bei Krankheit haben. Mit der Weiterent-wicklung der einkommensunabhängigen Zusatz-beiträge haben wir eine nachhaltige und stabile fi nanzielle Grundlage geschaffen. Das neue Sys-tem ist auch viel gerechter. Der Sozialausgleich wird aus Steuermitteln fi nanziert, das heißt auch Privatversicherte werden jetzt zur Finanzierung des Sozialausgleichs herangezogen.

Welche Veränderungen kommen auf die Krankenkassen, Ärzte und Patienten zu?

Rösler: Die Krankenkassen haben wieder ein Stück mehr Beitragsautonomie. Diese ist ihnen ja mit der Einführung des Gesundheitsfonds und des Einheits-beitrags 2009 genommen worden. Es gibt große Fortschritte bei Therapie und Diagnose. Und wir werden älter und nehmen mehr Leistungen in An-spruch. Das kostet Geld. Um den Faktor Arbeit nicht noch mehr zu verteuern, gehen künftige Kostenstei-gerungen auf Zusatzbeiträge. Diese werden sozial ausgeglichen. Wenn mehr als zwei Prozent eines Bruttolohnes durch einen durchschnittlichen Zu-satzbeitrag belastet werden, bekommt der Versi-cherte einen Ausgleich – und zwar automatisch, ohne dass der Versicherte selbst aktiv werden und einen Antrag stellen muss.

Wie gestaltet sich der Krankenkassen-Wettbewerb? Inwieweit spielt Qualität als Differenzierungsmerkmal eine immer größere Rolle?

Rösler: Die Kassen können über die Höhe des Zu-satzbeitrags den Wettbewerb bestimmen. So wird es Kassen geben, die einen geringeren Zusatz-beitrag erheben, und andere, die einen höheren haben. Preis und Leistung werden so leichter vergleichbar, und dieser Wettbewerb fördert die sparsame Mittelverwendung. Neben dem Preis-wettbewerb halte ich den Wettbewerb um Versor-gungsangebote, Service und Qualität für wichtig.

Die Versicherten möchten eine Krankenkasse, die ihnen hilft, sie unterstützt und berät. Eine Kasse, die eine Hotline-Dauerschleife hat oder die lange für die Bearbeitung von Anträgen benötigt, hat ei-nen Nachteil. Die Rolle der Kassen als Dienstleister für die Versicherten und Patienten wird durch das geplante Patientenrechtegesetz sogar noch mehr an Gewicht bekommen.

Wie kann der Zugang zu Innovationen, die einen Mehrwert für die medizinischen Behandlungen darstellen, sichergestellt werden?

Rösler: Grundsätzlich kann man sagen, dass die medizinische Versorgung in Deutschland ein hohes Niveau hat. Die Kosten für Arzneimittel, die eine Zu-lassung erhalten, werden von den Kassen auch er-stattet. Allerdings wollen wir, dass Patienten echte Innovationen erhalten. Deswegen ist mit dem Arz-neimittelmarkt-Neuordnungsgesetz eine Bewertung des Zusatznutzens eingeführt worden. Für Arznei-mittel mit Zusatznutzen werden die Preise auf Basis der Bewertung des Zusatznutzens ausgehandelt.

Für Arzneimittel ohne Zusatznutzen wird ein Fest-betrag festgesetzt. Und auch im Krankenhausbereich können neue Untersuchungs und Behand -lungsmethoden sofort eingeführt und angewendet werden. Sollte sich im Nachhinein kein Nutzen er-weisen, kann eine bestimmte Leistung ausgeschlos-sen werden.

Was kann getan werden, um die Verfügbar-keit der medizinischen Versorgung auch in ländlichen Regionen sicherzustellen?

Rösler: Die medizinische Versorgung in ländlichen Regionen kann nur mit einem Bündel von Maßnah-men verbessert werden. Wobei alle an einem Strang ziehen müssen – Bund, Länder und Kommunen.

Denn die Entscheidung eines jungen Arztes, sich in einer Region niederzulassen, hängt auch von der Lebenssituation vor Ort ab. In manchen Städten fehlt es an Angeboten für Familien. Das erschwert dann die Niederlassung für junge Arztfamilien.

Außerdem wollen wir mit dem Versorgungsgesetz fi nanzielle Anreize setzen. Heute ist es so, dass Ärz-te, die mehr als eine bestimmte Zahl an Patienten behandeln, weniger Geld pro Patient bekommen.

Diese Regelung soll für unterversorgte Gebiete ab-geschafft werden. Verbesserungen sollen auch die Neuregelung der ärztlichen Bedarfsplanung und Zulassung bringen. Außerdem können Länder Medizinstudenten, die sich später in ländlichen Regionen niederlassen wollen, Unterstützungs-angebote machen oder die Zahl der Studienplätze erhöhen. Denn schon heute zeichnet sich eindeutig die Notwendigkeit zum Handeln ab: Das Durch-schnittsalter bei niedergelassenen Ärzten ist in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen – auf heute über 50 Jahre. Viele Ärzte werden also in ab-sehbarer Zeit in den Ruhestand gehen.

Welche Effi zienzreserven bestehen im Gesundheitssystem?

Rösler: Wir haben in Deutschland auch im inter-nationalen Vergleich eine sehr gute medizinische Versorgung. Einige Bereiche könnten jedoch effi zi-enter gestaltet werden. Die Menschen müssen die Gewissheit haben, dass das einbezahlte Geld am Ende für Vorsorge und Versorgung zur Verfügung steht. Nur dann sind sie bereit, mehr zu bezahlen.

Hier kann man Erkenntnisse aus dem Bereich der Versorgungsforschung nutzen, um nicht nur eine bessere Versorgung für die Patienten zu gewähr-leisten, sondern auch mögliche Verschwendung zu vermeiden. Dabei wäre die Frage spannend, wie man die Abläufe im gesamten System verbes-sern kann. Zu einem solchen systemischen Ansatz gehört es, die gesamte Behandlungskette im Alltag zu betrachten, weil es hier sicher noch viel

Poten-zial gibt. Ein Beispiel sind Doppeluntersuchungen, die man selber immer wieder erlebt. Man wird geröntgt, viel-leicht im niedergelassenen Bereich bei seinem Hausarzt, dann wird man in ein Krankenhaus eingewiesen. Und da wird die gleiche Untersuchung noch einmal gemacht.

Wenn wir wirt schaftlicher im System werden, dann muss das nicht zulasten der Versicherten gehen und kann trotzdem helfen, Gelder einzusparen.

Die sektorübergreifende Versorgung gewinnt an Gewicht. Welche Rolle spielt die IT?

Rösler: Die Menschen können von erfolgreichen Lösungen im Bereich der Telematik und der Telemedizin profi -tieren. Eine zunehmende Spezialisierung in der Medizin führt dazu, dass medizinische Informationen bei ver-schiedenen Ärzten dokumentiert und archiviert werden.

Im Behandlungsfall kommt es dann darauf an, dass die Ärztin oder der Arzt schnell auf alle relevanten Gesund-heitsdaten zugreifen kann. Das gelingt nur mit Unter-stützung moderner Informations- und Kommunikations-technologien. Diese Technologien helfen dabei, Daten systematisch zu archivieren, zu ordnen, zu verwalten, zu transportieren, aufzubereiten und zu interpretieren. Vor diesem Hintergrund sieht die Bundesregierung auch den Aufbau der Telematik infrastruktur und die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte.

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