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Herausforderung wirtschaftliche Reintegration

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Sanijes Geschichte

4. Herausforderung wirtschaftliche Reintegration

URA-2 ist ein Folgeprojekt gefördert vom Bund und vier Ländern (Baden-Württem-berg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt). Es ist das um-fangreichste Unterstützungsprogramm zur Reintegration sowohl freiwilliger als auch zwangsweiser Rückkehrer, die aus einem der vier Förderländer in Deutschland kommen. Das Unterstützungspaket beinhaltet psychologische Betreuung, Wohn-geld, finanzielle Unterstützung zum Kauf von Lebensmitteln, Medikamenten oder Möbeln sowie Hilfe bei der Existenzgründung oder einen Lohnkostenzuschuss von bis zu sechs Monaten. Viele der in dieser Studie befragten Rückkehrerfamilien haben Unterstützung von URA erhalten. Die folgenden Ergebnisse spiegeln ihre persönlichen Erfahrungen sowie Erkenntnisse aus zusätzlichen Befragungen der URA-2-Projektleitung in Pristina wider.66

Das URA-2-Rückkehrprojekt konzentriert sich fast ausschließlich auf die Bedürf-nisse von Eltern und befasst sich weniger mit den BedürfBedürf-nissen von zurückkeh-renden Kindern. In der Vergangenheit hat URA-2 auch albanische Sprachkurse für Kinder angeboten, aber da die Kinder zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Jahr aus Deutschland abgeschoben werden und da die Kurse nur in Pristina angeboten wurden, konnten nur wenige Kinder aus anderen Teilen des Kosovo daran teilneh-men. Nachdem URA nur ein Büro in Pristina leitet, fällt es aus rein praktischen Gründen schwer, Familien im ganzen Kosovo durchgängig zu unterstützen und die Reichweite und Effizienz des Projekts zu kontrollieren. Die nur einjährige Laufzeit der Projektfinanzierung erschwert zudem eine langfristige Planung und Zusam-menarbeit mit NGOs oder Gemeindeverwaltungen.67 Wenn man bedenkt, dass geschätzte 42 bis 50 Prozent der erwarteten Rückkehrer aus Deutschland Kinder unter 18 Jahren sind, ist die mangelnde Aufmerksamkeit für die besonderen Be-dürfnisse von Kindern – von Schulbildung zu gesundheits- und kinderorientierten Integrationsmaßnahmen – überraschend.

Ein Hauptaugenmerk des URA-Rückkehrprogramms liegt auf der Einkommens-förderung und Bemühungen zur Integration der Rückkehrer in den kosovarischen Arbeitsmarkt. Dies ist eine ungeheuer schwierige Aufgabe, vor allem da es vielen Rückkehrern an der notwendigen Berufsbildung mangelt und die Arbeitsmarktsi-tuation im Kosovo generell schwierig ist. Die Arbeitslosenquote bei derzeit im Ko-sovo lebenden Roma, Ashkali und Ägypter wird auf 58 Prozent geschätzt und liegt damit deutlich über dem Landesdurchschnitt von 43 Prozent (bzw. dem Durch-schnitt von Kosovo-Serben von 30 Prozent).68 Eine Stichprobe der Internationalen

Arbeitsorganisation (ILO) von 12.126 Angestellten in 1.500 Unternehmen ergab, dass der Anteil an Roma, Ashkali und Ägyptern bei nur 0,1 Prozent lag.69

Im Laufe des Jahres 2009, hat URA 77 Rückkehrern bei der Arbeitsvermittlung ge-holfen bzw. Einen Lohnkostenzuschuss gezahlt sowie weiteren 13 einen Existenz-gründungszuschuss vermittelt.70 Die Forschungsarbeit zeigt jedoch, dass selbst gut gemeinte Projekte wie URA-2- Rückkehrerfamilien der Roma, Ashkali und Kosovo-Ägypter kaum nachhaltig in den Arbeitsmarkt integrieren können. Von den 14 Familienvorständen, die an dem von URA geförderten Arbeitsvermittlungspro-gramm teilgenommen hatten, sagten acht, dass sie nie gearbeitet hatten (der Ar-beitgeber erhielt nur den Zuschuss, zahlte sechs Monate lang Gehalt, aber gab ihnen nie Arbeit), drei vollendeten die sechs Monate und waren danach wieder ar-beitslos, und zwei befanden sich zur Zeit der Befragung noch immer in den ersten sechs Monaten des Arbeitsvermittlungsprogramms. Weibliche Familienvorstände wurden aufgrund ihrer mütterlichen Pflichten und fehlenden Kenntnisse fast stan-dardmäßig aus diesem Programm ausgeschlossen.

Tabelle 14: Teilnahme der befragten Rückkehrerfamilien an Arbeitsvermittlungsprogrammen

Arbeitsvermittlung/Praktikum

Keine Teilnahme/Keine Arbeitsvermittlung 26

URA-Praktikumsprogramm 14

davon nie tatsächlich gearbeitet 8 davon Praktikum beendet/keine Arbeit mehr 3 davon noch mit Arbeit 2

Quelle: Persönliche Befragung von 40 Rückkehrerfamilien, Februar – Mai 2010

Nur wenige der befragten Familien haben tatsächlich ein regelmäßiges Einkom-men, fast die Hälfte bestreitet ihren Lebensunterhalt mit Sozialhilfe oder lebt von Einnahmen als Tagelöhner, die Ziegelsteine tragen, Lastwägen entladen oder Do-sen und Altmetalle sammeln. Viele arme Familien, um zu überleben, sind darauf angewiesen, den Müll nach Metallen oder anderen verwertbaren Stoffen zu durch-suchen, oder landen als Bettler auf der Strasse.71 Die meisten Familien, die von Sozialhilfe oder Arbeit als Tagelöhner leben, sind zu einem Leben am Rande der Armut verdammt. Durchschnittlich beträgt die monatliche Sozialhilfe im Kosovo derzeit 61 Euro pro Haushalt.72

Tabelle 15: Haupteinkommensquelle der befragten RAE-Rückkehrer Haupteinkommensquelle

Tätigkeit als Tagelöhner 8 20 %

Sozialhilfe 8 20 %

Privater Sektor (Autowerkstatt / Tankstelle /

Radiosender) 4 10 %

Auslandsüberweisungen 3 7,5 %

URA (Arbeitsvermittlungsprogramm) 2 5 %

Selbstständig (saisonale Trommler) 2 5 %

Wohltätigkeitsorganisation 1 2,5 %

Nicht bekannt 12 30 %

40 100 %

Quelle: Persönliche Befragung von 40 Rückkehrerfamilien, Februar – Mai 2010

Diese Erkenntnisse spiegeln auch die Ergebnisse der 2009 veröffentlichten KFOS-Grundlagenstudie wider, die besagt, dass saisonale Tätigkeiten, Niedriglohnjobs und Tätigkeiten, die keinerlei Berufsbildung erfordern, bei Roma, Ashkali und Ägyptern im Kosovo vorherrschen. Hierzu gehören körperliche Arbeit, Putzen, Bauarbeiten, das Sammeln von Dosen und Metallschrott, Tätigkeiten bei Müllent-sorgungsunternehmen oder Trommeln und Flötespielen auf Hochzeiten (siehe un-ten stehende Tabelle).

Tabelle 16: Übersicht der 10 häufigsten beruflichen Tätigkeiten der RAE Prozent Geschlecht

Körperliche Arbeit 25,7 männlich

Putzen 10,5 männlich/weiblich

Bauarbeiten 7,6 männlich

Sammeln von Dosen und

Metallschrott 7,6 männlich und Kinder

Tätigkeit bei

Müllentsorgungsunternehmen 7 männlich

Verkaufstätigkeiten 5,8 männlich/weiblich

Schmiedearbeiten 4,7 männlich

Musik (Trommeln, Flötespielen) 3,5 männlich Landwirtschaftliche Tätigkeiten 2,9 männlich

Bildungssektor 2,3 männlich/weiblich

Insgesamt 77,6

Quelle: The Position of Roma, Ashkali and Egyptian Communities in Kosovo, Baseline Survey (KFOS – SOROS), COMPASS Research & Consulting Company, 2009.

Die KFOS-Studie zeigte auch, dass Familien, die im Westen gelebt haben und in den Kosovo zurückgekehrt sind, ärmer sind als Familien, die innerhalb der Region bzw. überhaupt nicht vertrieben wurden. Diejenigen, die aus dem westlichen Eu-ropa in den Kosovo zurückkehrten, haben ein monatliches Durchschnittseinkom-men von 88 Euro. Sie leben also zumeist in extremer Armut.

Tabelle 17: Monatliches Durchschnittseinkommen von RAE (KFOS 2009) Monatliches

Durchschnittseinkommen Familien, die im Westen gelebt

haben 88 Euro

Familien, die intern bzw. innerhalb

einer Region vertrieben wurden 118 Euro Familien, die nicht vertrieben

wurden 123 Euro

Quelle: The Position of Roma, Ashkali and Egyptian Communities in Kosovo, Baseline Survey (KFOS – SOROS), COMPASS Research & Consulting Company, 2009.

Im Dokument vollständige Studie (Seite 92-96)