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In der vorliegenden Studie wurden die Netzwerke der drei großen Organisationen des politischen Islam in Öster-reich beschrieben: Muslimbruderschaft, Millî Görüş (Isla-mische Föderation) und der österreichische Ableger der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet, ATIB. Sie stellen Österreich vor eine besondere Herausforderung, weil sie die offizielle Vertretung der Muslime Österreichs, die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), dominieren. Die Islamische Föderation und ATIB betreiben insgesamt 110 Moscheen340 und stellen 11 Kultusgemein-den innerhalb der IGGÖ. Damit sind sie die größte Gruppe und ein dominierender Machtfaktor innerhalb der Glau-bensgemeinschaft, was sich nicht zuletzt an der Besetzung der Führungsfunktionen der IGGÖ zeigt.

338 Hasan al-Banna, al-Jihad, 07.06.2008: https://thequranblog.wordpress.

com/2008/06/07/the-complete-works-of-imam-hasan-al-banna-10/ [zuletzt aufgerufen: 14.07.2020].

339 Heinisch, Mehmedi, Moschee, S. 71.

340 Laut Webseite der ATIB Union verfügt der Verband österreichweit über 63 Moscheevereine: https://atib.at/zweigvereine/. Die Islamische Föderati-on verfügt laut den verschiedenen Webseiten ihrer drei Verbände über insgesamt 47 Moscheen: https://ifwien.at/moscheen/, https://www.alif.at/

presse/, https://islamfederasyonu.at/zweigvereine/. Siehe dazu auch die Webseite der IGMG: https://ajanda.igmg.org/placecategory/places/ [alle zuletzt abgerufen: 10.09.2021]

Mit Ümit Vural ist ein ehemaliger Funktionär der Millî Görüş Präsident der IGGÖ. Auch der Mufti der Glaubensgemein-schaft, Mustafa Mullaoğlu, kommt aus der Millî-Görüş-Be-wegung. Die Muslimbruderschaft ist zwar zahlenmäßig in Österreich nur schwach vertreten, konnte aber dennoch von der Gründung an über 30 Jahre hinweg die Geschi-cke der Glaubensgemeinschaft in Österreich maßgeblich bestimmen und deren Islamverständnis bis heute prägen.

Die beschriebene Entwicklung der verstärkten Zusam-menarbeit dieser drei Akteure des politischen Islam auf europäischer Ebene darf in ihren Auswirkungen auf Europa im Allgemeinen und auf Österreich im Speziellen nicht unterschätzt werden. Unterstützer und Financiers der fortschreitenden europäischen Vernetzung des politi-schen Islam sind die Türkei und Katar, die Schutzmächte des türkischen Islamismus und der Muslimbruderschaft.

In dieser Partnerschaft werden die größten Moscheege-meinden im deutschsprachigen Raum mit den finanziellen Mitteln Katars und der Ideologie der Muslimbruderschaft ausgestattet. Das Ausmaß, den dieser Einfluss auf den Islam in Europa und die muslimischen Communitys haben wird, ist noch nicht abzuschätzen und wird maßgeblich von den weiteren politischen Entwicklungen in der Türkei und den Reaktionen Europas abhängen. In jedem Fall ent-steht aktuell ein politischer Machtfaktor innerhalb Euro-pas, der das Islamverständnis zu bestimmen trachtet und das Recht, als Stimme der Muslime Europas anerkannt zu werden, einfordern wird.

Die Struktur der Organisation des Islam in Österreich, wo mit der IGGÖ eine gesetzlich anerkannte Vertretung der Muslime besteht, kommt diesen Bestrebungen entgegen.

Anders als etwa in Deutschland haben die genannten Organisationen über die IGGÖ das Recht, den Religionsun-terricht in Schulen zu gestalten, von der Auswahl der Lehr-kräfte bis zum Lehrmaterial. Gleichzeitig ist es für andere, liberal ausgerichtete, Strömungen nahezu unmöglich, sich in Österreich zu etablieren, weil die Gründung einer neuen Moschee oder Kultusgemeinde, die dem Islamge-setz unterliegt, vom Segen der IGGÖ abhängt. Mit anderen Worten: In Österreich sind die größten Organisationen des politischen Islam institutionell verankert und offiziell Spre-cher aller Muslime des Landes. Damit haben sie eines ihrer Ziele bereits erreicht.

In Österreich geht es also nicht mehr, wie in vielen ande-ren europäischen Ländern, um die Frage, wie verhindert werden kann, dass ausgerechnet Vertreter politisch-isla-mischer Organisationen als Vertreter der Muslime auftre-ten, sondern um die Frage, wie politische Entscheidungs-träger/innen damit umgehen, dass Vertreter politisch-is-lamischer Organisationen die Muslime im Land offiziell vertreten.

7 Quellen

Die hier verzeichneten Quellen sind nicht oder nicht mehr öffentlich zugänglich, wurden jedoch durch die Autoren gesichert.

Quelle 1

Bei Quelle 1 handelt es sich um zwei Blätter, auf denen die Gründungsmitglieder der Muslimischen Jugend Deutsch-land die beiden Gründungssitzungen des Vereins proto-kollierten: Das „1. Protokoll über die Gründung des Vereins Muslimische Jugend Deutschland“ vom 2. April 1999 und das „2. Protokoll über die Gründung des Vereins Muslimi-sche Jugend Deutschland“ vom 23. April 2000. Laut die-sem 2. Protokoll wurde Amena Shakir, damals noch unter ihrem Geburtsnamen Amena el-Zayat, in den 8-köpfigen Vorstand der Muslimischen Jugend Deutschland gewählt.

Quelle 2

Bei Quelle 2 handelt es sich um ein Dokument der Univer-sität Innsbruck, an der sich Frau Shakir um eine Lehrstelle beworben hatte. Das Datum der Bewerbung geht aus dem Dokument nicht hervor. Das Dokument ist überschrieben mit: „Berufungsverfahren: Islamische Religionspädagogik (§ 99)“ und enthält eine „Kurzdarstellung“ des akademi-schen Lebenslaufs von Amena Shakir. Unter dem Punkt

„Studienabschluss“ ist dort unter anderem vermerkt:

„2001 Studium der Islamwissenschaften und islamischen Theologie am Institut Europeen des Sciences Humaines, Chateau Chinon (F)“. Unter dem Punkt „Lehrerfahrung“

findet sich ihre Tätigkeit als Direktorin (2002–2005) der Deutsch-Islamischen Schule in München-Freising, die sie in der Kurzdarstellung allerdings als „staatlich anerkannte deutsch-arabische Grundschule“ bezeichnet.

Quelle 3

Bei Quelle 3 handelt es sich um mehrere Dokumente, die sich in den „Qatar Papers“ finden, einem umfangreichen geleakten Datenbestand der Organisation Qatar Charity,

der 2016 unter anderem den beiden französischen Journa-listen Christian Chesnot und Georges Malbrunot zugespielt wurde. Zu den hier verwendeten Dokumenten zählen neben dem im Text erwähnten Empfehlungsschreiben des Obersten Rates der IGGÖ und der Bestätigung der Erste Bank, dass die drei Personen aus dem Vereinsvorstand der Islamischen Vereinigung in Österreich – Jamal Morad, Ibra-him Mohamed und Moutaz al-Shakaki – für das Konto des Vereins der Islamischen Vereinigung zeichnungsberechtigt sind, ein vom österreichischen Innenministerium beglau-bigter Vereinsregisterauszug der Islamischen Vereinigung sowie eine notariell beglaubigte arabische Übersetzung des Vereinsregisterauszugs.

Quelle 4

Quelle 4 ist ein Screenshot der Rubrik „Partner“ von der Website der Liga Kultur. Dieser Eintrag wurde mittlerweile gelöscht.

Quelle 5

Bei Quelle 5 handelt es sich um das abfotografierte Vor-wort von Wolfgang Bauer, dem damaligen Vorsitzenden der Muslimischen Jugend Österreichs (MJÖ) zur Gebets-sammlung Hasan al-Bannas, die von der MJÖ verwendet wurde.

Quelle 6

Quelle 6 ist ein 2 Min 36 Sek langes Video, das den Wien-besuch Necmettin Erbakans im Jahr 2010 in Form einer Diashow dokumentiert. Ab Minute 0:45 sind die erwähn-ten Mitglieder der Islamischen Föderation um Necmettin Erbakan herum gruppiert zu sehen.

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