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Seit 2002 ist der „Heimatbund Pommern“ als eingetragener Verein in Mecklenburg-Vorpommern aktiv. Die Organisation hat zum Ziel, germanisches Brauchtum zu pfle-gen und findet sich unter anderem zu Volkstanz und Gesänpfle-gen zusammen. Dazu ge-hören insbesondere heidnische Feste, wie die Sonnenwendfeiern. Zugrunde liegt der Organisation eine nationalistische Ideologie. Insbesondere die Jugendarbeit nimmt einen wichtigen Stellenwert in den Aktivitäten des „Heimatbund Pommern“ ein. So richtet sich ein vierteljährlich erscheinendes Faltblatt explizit an Jugendliche und Kin-der. Zudem werden Ausflüge und Sommerlager im militärischen Stil mit einer klaren hierarchischen Ordnung organisiert, die z.B. von einigen Eltern als freizeitpädagogi-sches Angebot für ihre Kinder akzeptiert werden. Damit versucht die Organisation die vielerorts mangelnde soziale und kulturelle Infrastruktur durch eigene Angebote zu füllen. Durch ihre Rechtsform als eingetragener Verein vermittelt die Organisation Normalität und es ermöglicht ihr zudem, Förderungen zu beanspruchen. Diese un-scheinbaren Strukturen und nach außen dargestellten Inhalte führten in der Vergan-genheit dazu, dass die Tanzgruppe von der Öffentlichkeit unkommentiert mehrfach im Rahmen von Dorffesten auftrat.

Siehe dazu auch u.a. die Darstellungen von Andrea Röpke et al. für „blick nach rechts“: http://www.publikative.org/

2011/07/20/npd-wahlkampf-hitler-verehrer-und-verurteilte-gewalttater/

(20.05.2015).

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handlungsempfehlungen

krEAtivEr und sElbstbEwusstEr umgAng mit rEchtsExtrEmEn

„gEdEnkvErAnstAltungEn“ und „trAuErmärschEn“

Für die Rechtsextremen bringt die Mobilisierung zu Pilgerorten den Effekt der inte-grativen Wirkung nach innen mit sich. Die öffentliche und mediale Aufmerksamkeit für diese Aktionen ist groß und die Zahl der Teilnehmer/-innen erhöht sich jedes Jahr.

Gegenaktivitäten stellen sich meist in Form von Protestveranstaltungen, wie Demon-strationen und Kundgebungen von Bewohner/-innen und Angereisten dar. Interes-sant ist es aber auch, die Perspektive der rechtsextremen Akteure einzunehmen und danach zu fragen, wie Gegendemonstrationen auf sie wirken. In Aussteigerbefragun-gen wurde u.a. deutlich, dass Rechtsextreme ein hohes Polizeiaufgebot, das die Rechts-extremen abschirmt, als Erfolg bewerten. Wenn Bürger/-innen nicht nur bedrückt am Rand der rechtsextremen Demonstra tion stehen, sondern sehr selbstbewusst und kreativ agieren, hat dies zum Teil verunsichernde Wirkung auf die rechtsextremen Akteure. In einem bayerischen Ort, wo seit 1999 regelmäßig rechtsextreme Gruppie-rungen zu einem Kriegerdenkmal, das den gefallenen Soldaten des Zweiten Weltkriegs gedenkt, zum „Heldengedenken“ aufmarschierten, versuchte das Bürgerforum im Ort mit vorwiegend satirischen Aktionen die Rechtsextremen während der Aufmärsche aus dem Konzept zu bringen. So wurde bspw. unter dem Motto „Demokraten geben hier den Takt an“ im Jahr 2007 dazu aufgerufen, „ein akustisches Zeichen gegen die Menschenfeindlichkeit der Rechtsextremisten“ zu setzen und dabei alles mitzubrin-gen, auf dem es sich trommeln lässt. Genutzt wurde schließlich neben Samba- und Landsknechttrommeln auch Kochgeschirr. Als die Rechtsextremen einmal zur Fast-nachtszeit aufmarschierten, beschallten die Bürger/-innen diese akustisch mit einem

„Narrenmarsch“.

Solche kreativen Formen im Bereich der Gegendemonstrationen führen nicht nur zu Irritation und Verunsicherung in der rechtsextremen Szene, sondern auch dazu, dass sich Bürger/-innen den Gegenaktionen anschließen, die sich ggf. zunächst nicht unbe-dingt beteiligt hätten. Es geht auch darum, in der gemeinsamen Auseinandersetzung mit diesem ernsten Thema Spaß zu haben und möglichst viele Menschen in die Akti-onen einzubeziehen und zum Mitmachen zu animieren.

Weitere Informationen unter http://www.graefenberg-ist-bunt.de (13.11.2010).

Siehe dazu: (22.10.2010) http://www.

netz-gegen-nazis.de/artikel/wie-sich- graefenberg-gegen-rechtsextreme-auf-maersche-wehrte-0912 (20.05.2015).

Eine Checkliste zur Organisation und Durchführung von Demonstrationen finden Sie im service-teil der Hand-reichung.

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dEutungshohEit in dEr AusEinAndErsEtzung mit lokAlEr gEschichtE bEwAhrEn

Die Anknüpfung von rechtsextremen Ideologien und Argumentationen an besonde-re lokale Problemlagen oder an spezifische Situationen verweist zum Teil auf offene Stellen in der zeithistorischen Auseinandersetzung mit den Erfahrungen des National-sozialismus und der DDR. Historische Zusammenhänge müssen bei der Auseinander-setzung mit dem Thema Rechtsextremismus berücksichtigt werden. Die Geschichte einer Region bedarf – insbesondere bei neuen Erkenntnissen bspw. über die Zeit wäh-rend des Nationalsozialismus und über die Nachkriegszeit – einer intensiven Debatte in der lokalen Bevölkerung. Zum einen sind hier pädagogische Aufarbeitungsprojekte in Schulen oder Jugendeinrichtungen denkbar, zum anderen aber auch offene (Dis-kussions-)Veranstaltungen, zu denen der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin eines Ortes einladen kann. Dabei können sowohl die Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus in der Gemeinde, als auch – bezogen auf Gemeinden in den östli-chen Bundesländern – Erinnerungen an die DDR-Geschichte im Zentrum stehen. Die Deutungshoheit über solche z.T. auch unangenehmen Themen sehr früh zu behalten sowie ihre Thematisierung in die Hände demokratischer Akteure zu nehmen, kann rechtsextreme Akteure verunsichern und sie daran hindern, diese Themen im Sinne ihrer Ideologie zu missbrauchen.

gEsprächsAngEbotE übEr dAs zusAmmEnlEbEn in dEr gEmEindE

Gerade durch die Instrumentalisierung lokaler Problemlagen durch Rechtsextreme zeigt sich auch der Bedarf in der lokalen Bevölkerung nach präventiven, niedrig-schwelligen Gesprächsangeboten. In diesen sollte den Bürger/-innen Gehör verschafft werden über Vorstellungen und Wünsche des Zusammenlebens vor Ort. Dabei kön-nen auch Fragen danach, wie ihre Kommune lebenswert gestaltet werden und auch auf andere einladend wirken könnte, ausgehandelt werden. Häufig ist das Thema des Zusammenlebens von Zugezogenen und Alteingesessenen eines, das einen günstigen Aufhänger für die gemeinsame Verständigung bietet. Es wäre eine große Leistung, da-bei die Vielfalt einer ländlichen Gemeinde sichtbar zu machen und eine Übersetzung für den ländlichen Raum zu schaffen, wie Weltoffenheit und Toleranz in diesem Ort deutlich wird. Dies kann bspw. in einem vielfältigen Vereinsleben oder aber auch über eine interessante Ortsgeschichte deutlich werden. Dieses ins Bewusstsein der Gemein-de zu holen und als ihre Stärke zu thematisieren, kann ein beGemein-deutenGemein-der Motor für die Aktivierung demokratischer Praxis in der Gemeinde sein.

Auch andere Formen von Veranstal-tungen, wie z.B. Ausstellungen, sind in diesem Zusammenhang möglich. Siehe dazu die Hinweise im kapitel 4.

Methoden für die Thematisierung solcher Fragen finden Sie im service-teil der Handreichung.

Weitere Ausführungen dazu finden Sie im teil ii der Handreichung.

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4 . aufBau VOn initiatiVen und empfeHlungen