• Keine Ergebnisse gefunden

4 Diskussion

Rhesusaffen-Obwohl die Niere nicht das Zielorgan des Virus ist, haben sich vor allem die beiden letztgenannten Zelllinien bezüglich der Kultivierung von HAV etabliert. Neben diesen Affen-Nierenzellen, die das Virus persistent infiziert, lassen sich jedoch auch Zellen, die nicht von Primaten stammen, erfolgreich infizieren. So konnten durch wiederholte Passagierung bereits embryonale Meerschweinchen-Fibroblasten, Nierenzellen des Delphins sowie Nierenzellen vom Schwein infiziert werden[96, 105]. In Anbetracht dieser Vielfalt an infizierbaren Zellen ist der Umstand, dass eine Infektion der humanen Monozyten trotz der diversen eingesetzten Inokulationsvarianten nicht erfolgreich war, insofern verwunderlich, da HAV, sofern es wie postuliert in vivo tatsächlich zu einer Infektion der Monozyten kommen sollte, einen gewissen natürlichen Tropismus für diesen Zelltyp ausweisen sollte. Da auch im humanen Organismus eine solche Infektion von Monozyten niemals nachgewiesen wurde, liegt der Schluss nahe, dass es wahrscheinlich nicht zu einer Infektion der Monozyten durch HAV kommt.

Diese Ergebnisse führten zu der Überlegung, dass möglicherweise keine Infektion der Monozyten erforderlich ist, sondern eine Bindung des Virus an die Zellen ausreicht, um eine Differenzierungsstörung zu induzieren. Mögliche beteiligte Kandidaten stellen in diesem Zusammenhang die Siglecs-7 und -9 dar. Wie von Sarang Limaye gezeigt wurde, steigt die Konzentration dieser Siglecs auf der Oberfläche von Monozyten nach der Inkubation dieser Zellen mit HAV sehr stark und vor allem schnell an[33]. Vor allem die schnelle Veränderung des Expressionsmusters dieser Siglecs, die bereits nach 20 min eintrat, spricht dafür, dass dieser Effekt nicht durch eine Infektion, sondern lediglich durch die Anwesenheit von HAV ausgelöst wird. Wie in der Einleitung unter Punkt 1.1.3 und 1.1.5 ausführlich erläutert, könnte hierdurch die Differenzierung der Monozyten zu Makrophagen gestört werden. Eine weitere Möglichkeit ist, dass eine Bindung von HAV an Makrophagen möglicherweise den gleichen Effekt auf diese Zellen ausübt wie auf Monozyten und zu einer Hochregulierung der Siglecs-7 und -9 führt. Dies könnte dann in einer Störung der Funktionalität der Makrophagen resultieren. Beide Szenarien führen dann letztendlich dazu, dass die Hämatopoese entweder durch eine Depletion der Makrophagen oder durch die Beeinflussung der Makrophagenfunktion gestört wäre.

Um diesen Effekt von HAV zu untersuchen, wurde zunächst versucht, die in primären humanen Monozyten durchgeführten Experimente auf die monozytären Zelllinien U937 und THP-1 zu übertragen. Jedoch konnte, wie im Ergebnissteil 3.1.2.1 gezeigt ist, kein Einfluss auf die Siglec-Expression durch die Anwesenheit von HAV detektiert werden. So wurde darauffolgend der Ansatz in primären humanen Monozyten wiederholt. Trotz mehrfacher Wiederholung dieses Experiments konnte der von Limaye beschriebene Anstieg der Siglecs-7

und -9 auf der Oberfläche der Monozyten nicht beobachtet werden. Der Vergleich von Monozyten, die mit HAV-Lysat oder mit gereinigtem Virus inkubiert wurden, mit Monozyten, die unbehandelt oder mit mock-Lysat inkubiert wurden, zeigte im Mittel keine Veränderung der Siglec-Expression durch HAV. Warum die Ergebnisse von Limaye nicht reproduziert werden konnten, lässt sich rückwirkend schwierig nachvollziehen. Die Versuche wurden, soweit möglich, unter den gleichen Bedingungen durchgeführt, wie in der vorhergehenden Arbeit beschrieben. Ein Punkt, der möglicherweise die abweichenden Ergebnisse erklären könnte, stellt die Isolierung der Monozyten dar. So wurden von Limaye drei verschiedene Methoden beschrieben, die während seiner Arbeit zum Einsatz kamen. Es handelte sich dabei um die Isolierung über Ficoll- und Percoll-Gradienten, die Isolierung über einen Ficoll-Gradienten mit anschließender Isolierung der Monozyten durch Plastikadhärenz und die Isolierung mit Hilfe eines Kits (Dynal® Monocyte Negative Isolation Kit von Invitrogen). Obwohl in der Arbeit von Limaye die Methode der Isolierung über Ficoll- und Percoll-Gradienten als favorisierte Methode beschrieben wird, da so kostengünstig

„unberührte“ Monozyten (untouched monocytes) erhalten werden, ist nicht klar ersichtlich, welche Methode tatsächlich für die HAV-Experimente verwendet wurde. Daher könnte die hier gewählte Methode der Isolierung der Monozyten über Ficoll- und Percoll-Gradienten[97]

möglicherweise nicht der entsprechen, die von Limaye eingesetzt wurde. Ein weiterer Punkt ist, dass nicht klar nachvollziehbar war, mit welcher MOI die Zellen inkubiert wurden. Da die beschriebene Hochregulierung der Siglecs-7 und -9 jedoch auch bei starker Verdünnung (1:1000) der eingesetzten Viruspräparationen eintrat, ist davon auszugehen, dass die hier eingesetzte MOI von 2 ausreichend war, um ebenfalls einen solchen Effekt zu induzieren.

In Anbetracht der Tatsache, dass für viele Pathogene, die eine akute Hepatitis zur Folge haben, eine transiente Suppression der Hämatopoese beschrieben wird, liegt die Vermutung nahe, dass dieser Effekt eher auf eine Störung der Leberfunktion als auf die Viren selbst zurückzuführen ist. Jedoch konnte sowohl für HAV[14–15] als auch für HBV[106] und Non-A, Non-B Hepatitis Viren[107] in vitro gezeigt werden, dass in Anwesenheit der Viren eine Proliferation von pluripotenten Progenitoren der Blutzellen inhibiert wird. Während einer HAV-Infektion deckt sich die Phase der Virämie mit den Veränderungen im Blutbild und erst danach können erhöhte Leberenzyme im Blut, die Anzeichen der eigentlichen Hepatitis sind, gemessen werden (siehe Einleitung Abb. 1.1), so dass auch der Verlauf dieser Parameter dagegen spricht, dass die Suppression der Hämatopoese durch eine Leberschädigung hervorgerufen wird, sondern ein Indiz für die direkte Beeinflussung des Knochenmarks durch

Ein weiterer interessanter Befund in diesem Zusammenhang ist die Inhibierung der regulatorischen T-Zellen während einer HAV-Infektion[100]. Diese Inhibierung der Tregs

könnte Ursache für die in seltenen Fällen auftretenden aplastischen Anämien (AA) sein, da vermutet wird, dass die Störungen der Knochenmarksfunktion im Fall einer AA durch autoreaktive Effektor-T-Zellen verursacht werden, wenn diese nicht mehr ausreichend durch regulatorische T-Zellen inhibiert werden[108]. Die Suppression der Tregs wird durch die Bindung der Viren an den TIM-1 Rezeptor auf deren Oberfläche verursacht, wobei auch hier zu erwähnen ist, dass es allgemein nicht zu einer Infektion von T-Zellen kommt[100].

Zusammenfassend betrachtet, sprechen all diese Befunde für eine Beeinflussung der Hämatopoese, die zwar durch die Anwesenheit der Viruspartikel verursacht wird, aber nicht auf eine Infektion von Progenitorzellen des Knochenmarks bzw. von Monozyten zurück-zuführen ist. Interessant für weitere Untersuchungen wäre beispielsweise, ob der TIM-1 Rezeptor auf diesen Progenitorzellen exprimiert wird und inwieweit sich die durch HAV verursachte Inhibierung der Proliferation dieser Zellen durch eine Blockierung des Rezeptors analog zu den von Manangeeswaran et al. beschriebenen Treg-Experimenten[100], aufheben lässt.

Parallel zu den vorhergehend beschriebenen Experimenten bezüglich der Siglec-Expression auf Monozyten wurden Untersuchungen zur Regulierung der Siglec-Expression durch HAV auf Lymphozyten durchgeführt. Hierbei konnte jedoch ebenfalls kein HAV-Effekt beobachtet werden. Hintergrund dieser Experimente war die Hypothese, dass durch eine Bindung von HAV an zytotoxische CD8+-T-Zellen die Expression der Siglec-7 und -9 hochreguliert wird.

Die Folge einer solchen vermehrten Expression wäre, dass die ITIMs der Siglecs die Signalweiterleitung über den TCR der Lymphozyten inhibieren und so die zytotoxische Aktivität der CD8+-T-Zellen verringert wird (siehe auch Punkt 1.1.5 Abb. 1.4). Obwohl hier kein HAV-Effekt beobachtet werden konnte, wäre eine detaillierte Untersuchung von isolierten CD8+-T-Zellen sinnvoll, da hier die Gesamtpopulation an Lymphozyten untersucht wurde, so dass mögliche Effekte, eventuell aufgrund des geringen Anteils an CD8+-T-Zellen, nicht erkennbar waren.