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4.3 Umsetzung von Partner*innen-Benachrichtigung in ano- ano-nymen Teststellen in Deutschland

4.3.2 Haltung und Einstellungen von Fachkräften zu Part- Part-ner*innen-Benachrichtigung

Der aktuelle Forschungsstand verweist darauf, dass neben strukturellen und individuelle Faktoren auch Haltung und Einstellungen von Fachkräften gegenüber Partner*innen-Benachrichtigung darüber entscheiden, ob überhaupt dazu beraten oder unterstützende Angebote vorgehalten werden (vgl. Wood et al., 2018; Rose et al., 2017; Theunissen et al., 2014; Pellowski et al., 2016; Adams et al., 2015; Udeagu et al., 2010). Deshalb haben wir auf Grundlage der Literaturauswertung im Rahmen der qualitativen Interviews ver-schiedene Aussagen zur Einstellung gegenüber Partner*innen-Benachrichtigung verifi-ziert und anschließend in die schriftliche Befragung übernommen. Die folgende Abbil-dung gibt einen Überblick über Zustimmung oder Ablehnung auf Seiten der befragten Fachkräfte (vgl. Abb. 15).

23,8 Die Entscheidung zur Benachrichtigung der

Sexualpartner*innen sollte von den Klient*innen immer freiwillig getroffen werden.

PB darf kein Zwang sein.

PB ist eine wichtige Präventionsmaßnahme, um Übertragungsketten zu durchbrechen und

die lokale Prävalenz von STIs zu reduzieren

Die Umsetzung der Partner*innen-Benachrichtigung liegt in der Eigenverantwortung der Klient*innen.

Es gehört zu den Aufgaben des/r Berater*in, den/die Klient*in, durch Bereitstellung von

Informationen, bei der selbständigen Benachrichtigung der Sexualpartner*innen zu

unterstützen.

Klient*innen sprechen lieber selber mit ihren Sexualpartner*innen über ein mögliches

Infektionsrisiko.

Klient*innen sprechen offen darüber, wie viele Sexualpartner*innen sie hatten.

Klient*innen mit einer diagnostizierten STI übernehmen Verantwortung für ihre Sexualpartner*innen und informieren sie

soweit möglich über ein möglicherweise bestehendes Infektionsrisiko.

Um Klient*innen zu ermuntern, Ihre Sexualpartner*innen zu informieren, bedarf es spezifischer Kompetenzen und Methoden.

Klient*innen mit einer diagnostizierten STI wünschen sich, ihre Sexualpartner*innen

anonym benachrichtigen zu können.

Es gehört zu den Aufgaben des/r Berater*in, die Sexualpartner*innen auf Wunsch der/des

Klient*in zu kontaktieren und über ein

mögliches Infektionsrisiko zu informieren. 0% 20% 40% 60% 80% 100%

oberer Balken (orange): ÖGD; unterer Balken (blau): NGO

Farbgebung: Vollton: trifft ganz zu; heller Ton: trifft überwiegend zu; hellgrau: trifft eher nicht zu;

dunkelgrau: trifft gar nicht zu; schwarz: kann ich nicht beurteilen

Abb. 15: Inwieweit stimmen Sie den folgenden Aussagen zu? (n = 21 ÖGD-Befragte und 24 aus NGO, Angaben in %)

Dass Partner*innen-Benachrichtigung kein Zwang sein darf, wird von der überwiegenden Mehrheit der befragten Berater*innen befürwortet: 44 Fachkräfte (97,7 %) stimmen der Aussage zu.

Knapp 96 % sehen Partner*innen-Benachrichtigung als (eher) wichtige Präventionsmaß-nahme, um Übertragungsketten zu unterbrechen und die Prävalenz von STI zu reduzieren.

Fachkräfte des ÖGD stimmen dieser Aussage deutlich öfter uneingeschränkt zu, die Ver-treter*innen der verschiedenen NGO sind hier etwas zurückhaltender. In den Interviews wie auch noch mal im Rahmen des Fachtags wird von den Gesprächspartner*innen häu-fig herausgestellt, dass in den Teststellen in Trägerschaft der verschiedenen NGO der Fo-kus traditionell stärker auf den Indexpersonen als auf dem Public Health Aspekt liegt. Die regelmäßige Testung im Sinne der Präventionsbotschaft „Jeder ist für seinen eigenen Schutz verantwortlich!“ gilt zumindest im Umfeld der Aidshilfen als die zentrale Präven-tionsmaßnahme.

Damit zusammenhängend zeigen sich die Haltungsunterschiede beim eigenen Rollenver-ständnis: Während etwa 62 % der ÖGD-Beschäftigten es uneingeschränkt als ihre Aufga-be ansehen, „den/die Klient*in, durch Bereitstellung von Informationen, bei der selbst-ständigen Benachrichtigung der Sexualpartner*innen zu unterstützen“, sehen dies auf Sei-ten der NGO lediglich ein Drittel so (33,3 %). Sexualpartner*innen auf Wunsch der/des Klient*in zu kontaktieren und über ein mögliches Infektionsrisiko zu informieren, lehnen knapp 73 % der Befragten aus ÖGD-Teststellen ab, aus NGO über 90 %. Doch wenn-gleich in den Gesprächen häufig darauf verwiesen wurde, dass bei den Aidshilfen eher in Richtung Eigenverantwortlichkeit beraten wird (s. a. Zustimmung zur Aussage „Die Um-setzung der Partner*innen-Benachrichtigung liegt in der Eigenverantwortung der Kli-ent*innen“), kam es ja insbesondere vor dem Hintergrund von Sprachbarrieren durchaus vor, dass Fachkräfte aus Teststellen beider Trägerschaften im Einzelfall Sexualkontakte von infizierten Klient*innen über ein potenzielles Ansteckungsrisiko informiert haben (s. o. S. 46).

Braucht es für Partner*innen-Benachrichtigung spezifische Kompetenzen? Hier sehen Beschäftigte des ÖGD (85,7 %) eher Bedarf als jene der NGO (58,3 %). In den Gesprä-chen wie auch im Rahmen des Fachtags berichteten einige Fachkräfte aus NGO-Teststel-len über verschiedene therapeutische Weiterbildungen, darunter auch über Fortbildungen in Motivational Interviewing, auf die sie in ihren Beratungen auch zurückgreifen würden.

Die Befragten haben in der überwiegenden Mehrheit den Eindruck, dass Klient*innen im Rahmen der Risikoanamnese offen über ihre zurückliegenden Sexualkontakte sprechen (90,9 %). In der Regel dominiert auf Seiten der befragten Fachkräfte die Erfahrung, dass die meisten Personen mit einer STI-Infektion es bevorzugen, selbst mit ihren Sexualkon-takten über ein mögliches Infektionsrisiko zu sprechen (90,5 %) und man vermutet auch, dass sie dies tatsächlich tun (88,3 %). Während – wie auf dem Fachtag durch die interna-tionalen Referentinnen an Beispielen veranschaulicht wurde – in anderen Ländern (z. B.

UK) nachgehalten wird, ob sich die benachrichtigten Sexualkontakte auf eine mögliche STI-Infektion testen lassen und sich ggf. in Behandlung begeben, ist das in Deutschland nicht der Fall. Ein solches Monitoring im Sinne einer Nachverfolgung, wie es in anderen Ländern z. T: und in Abhängigkeit der konkreten STI umgesetzt wird, lehnen die Fach-kräfte in Deutschland überwiegend ab.

Wünschen Personen mit einer diagnostizierten STI sich, ihre Sexualkontakte anonym be-nachrichtigen zu können? Dazu haben die meisten Befragten (69,4 %) kein klares Bild.

Der Bedarf und der Nutzen anonymer Web-Tools für Partner*innen-Benachrichtigung, wie bspw. im WIR – Zentrum für sexuelle Gesundheit und Medizin in Bochum seit 2017 vorgehalten, werden vor allem in den Gruppendiskussionen vor Ort und während des Fachtags kontrovers diskutiert. Während ein Teil der Fachkräfte darin ein zusätzliches Angebot sieht, um mit den Klient*innen zum Thema Partner*innen-Benachrichtigung ins Gespräch zu kommen, lehnen andere eine Empfehlung zur anonymen Benachrichtigung von Sexualkontakten entschieden ab. Vor allem auf Seiten der Beschäftigten in

Teststel-len der NGO wird bemängelt, dass anonyme Benachrichtigungsverfahren einem offenen, entstigmatisierten Austausch zu sexuellen Themen im Wege stünden. Auch wird vermu-tet, dass die Möglichkeit der anonymen Benachrichtigung das Prinzip der Eigenverant-wortlichkeit („Jeder ist für seinen Schutz verantwortlich“) untergraben könnte.

4.4 Wahrnehmung und Akzeptanz von