• Keine Ergebnisse gefunden

4.1 Systematische Übersicht über Forschungserkenntnisse zu Methoden und Effekten von

4.1.7 Akzeptanz und Barrieren

Angesichts des vielfältigen Diskurses um Partner*innen-Benachrichtigung und der hete-rogenen Zielgruppen mit ihren sehr unterschiedlichen Bedarfen werden im Weiteren in Studien identifizierte fördernde oder hemmende Faktoren sowohl auf Seiten der Kli-ent*innen als auch auf Seiten des professionellen Fachpersonals vorgestellt.

Die Akzeptanz von verschiedenen Methoden der Partner*innen-Benachrichtigung und Partner*innen-Mitbehandlung hängt von verschiedenen Faktoren ab. Mehrere Studien zeigen, dass i. d. R. sowohl Indexpersonen als auch ihre Sexualkontakte die direkte Be-nachrichtigung durch die Partner*innen präferieren (Reed, et al., 2015; Buchsbaum et al., 2014). Auch Anbieter, insbesondere Allgemeinmediziner*innen, präferieren Partner*in-nen-Benachrichtigung durch Indexpersonen, bspw. weil sie die Verantwortung eher bei den Betroffenen sehen (Guy et al., 2016) oder weil dies weniger zeitaufwändig und damit kostengünstiger ist als Partner*innen-Benachrichtigung durch Fachkräfte (Theunissen et al., 2014).

Partner*innen-Benachrichtigung durch Fachkräfte wird von Betroffenen eher bevorzugt, wenn es sich bei den Sexualpartner*innen um lose Kontakte handelt und/oder gewalttäti-ge Reaktionen befürchtet werden (Jones et al., 2013).

Zur Behandlung von Sexualpartner*innen bietet sich neben dem „gängigen“ Modell der Therapie vor Ort durch Fachkräfte alternativ eine durch Indexpersonen durchgeführte Partner*innen-Mitbehandlung an – ohne dass Sexualpartner*innen zuvor selbst eine Test-stelle aufsuchen mussten. Indexpersonen und Teststellen akzeptieren dies insbesondere dann, wenn die Sexualkontakte ansonsten nicht motiviert wären, sich testen und ggf. be-handeln zu lassen (Sutcliffe et al., 2009; Wood et al., 2018). Des Weiteren könnten Test-stellen durch die Partner*innen-Mitbehandlung Kosten einsparen, die sonst für STI-Tests und Sprechstunden anfallen würden (Nanhoe et al., 2018).

Aufgrund verschiedener persönlicher, institutioneller sowie struktureller Barrieren bzw.

Hürden kann Partner*innen-Benachrichtigung und -Mitbehandlung erschwert werden o-der einer Testung entgegenstehen. Mit Barrieren befassen sich 52,0 % o-der Studien, davon 43 Studien aus der Perspektive der Betroffenen bzw. Klient*innen und 15 Studien aus der Perspektive von Fachkräften.

Vorwiegende Barrieren für die Betroffenen bzw. Klient*innen, die im Rahmen der Se-kundäranalyse ermittelt wurden, werden in Abb. 9 im Überblick und kategorisiert darge-stellt.

Anonymität, kein/kaum Kontakt

Erreichbarkeit d. Angebote 4 4

Abb. 9: Barrieren bzgl. Partner*innen-Benachrichtigung und -Mitbehandlung aus Sicht von Betroffenen bzw. Klient*innen

Quelle: Sekundäranalyse; eigene Darstellung

Nicht überraschend besteht die größte Hürde für die Benachrichtigung darin, dass Sexu-alkontakte anonym stattfanden oder keine Kontaktmöglichkeiten bekannt sind (vgl. bspw.

Tuneu et al., 2013). Neuere Methoden, bspw. über Social Media, können z. T. dabei hel-fen, die gesuchten Personen zu kontaktieren, da Social-Media-Profile meist auch dann er-halten bleiben, wenn andere Kontaktdaten sich ändern (vgl. Hunter et al., 2014). In Fällen von vollständig anonymen Sexualkontakten, bspw. bei der Nutzung von Darkrooms, ist Partner*innen-Benachrichtigung jedoch gar nicht möglich. Anonymität bleibt somit eine Hauptbarriere bzgl. Partner*innen-Benachrichtigung (Suzan-Monti et al., 2018; Schmidt

& Marcus, 2013).

Angst vor Stigmatisierung sowie Schamgefühle können ebenfalls Hindernisse darstellen.

Neun Studien verweisen darauf, dass STI-Betroffene Partner*innen-Benachrichtigung kritisch sehen, da sie keinen ausreichenden Datenschutz bzw. die Offenlegung ihrer Er-krankung weiteren unbeteiligten Personen gegenüber befürchten. Zudem fürchten manche Betroffene negative Reaktionen ihrer Sexualkontakte bzw. ihrer festen Partner*innen – bis hin zum Beziehungsabbruch.

Besteht keine engere Bindung oder sogar eine schlechte Beziehung zwischen den Index-personen und ihren Sexualpartner*innen, sinkt die Motivation zur Partner*innen-Benach-richtigung, bspw. weil es vielen Menschen schwer fällt, mit Personen, die sie kaum ken-nen, über ihre Erkrankung zu sprechen oder Verantwortungsgefühl gering ausgeprägt ist.

Die Studien berichten über weitere Ängste, die für STI-Betroffene mit Partner*innen-Benachrichtigung einhergehen können: Fünf Studien benennen Gewalterfahrungen (inti-mate partner violence) bzw. Angst vor Gewalt als Hindernis. Jones et al. (2013) weisen darauf hin, dass vor allem weibliche Indexpersonen aus Angst vor körperlicher Gewalt zurückhaltend auf Hinweise zu Partner*innen-Benachrichtigung reagieren, insbesondere, wenn es sich um Gelegenheitssexualkontakte handelt.

Partner*innen-Benachrichtigung bzw. -Mitbehandlung unterbleibt auch dann häufiger, wenn Wissen fehlt (Howard et al., 2011) bzw. ein mangelndes Bewusstsein bzgl. STI,

de-ren Auswirkungen sowie der Bedeutung von und die Möglichkeiten der Partner*innen-Benachrichtigung vorliegt oder das Thema verleugnet wird (Gallo et al., 2016). Wenn Partner*innen-Benachrichtigung viel Aufwand für die Indexperson verursacht bzw. zeit-intensiv wäre, sinkt die Wahrscheinlichkeit ebenfalls. In einigen Fällen wurde auch be-richtet, dass eine fehlende Verfügbarkeit bzw. eine schwierige Erreichbarkeit von Test-und Behandlungsangeboten eine Hürde darstellt (Reed et al., 2015).

Die bundesdeutsche Studie unter den hier betrachteten liefert ebenfalls Hinweise zu Bar-rieren, die Partner*innen-Benachrichtigung durch die untersuchte MSM-Gruppe erschwe-ren bzw. verhindern: 50,2 % der MSM mit STI-Diagnose informierten ihre Sexualkontak-te. Wurde Partner*innen-Benachrichtigung nicht durchgeführt, war weit überwiegend Anonymität der Sexualkontakte der Grund (82,0 %). Deutlich seltener wurde über Scham (15,6 %) oder Desinteresse (13,2 %) der Betroffenen berichtet. Einen starken Einfluss auf die Bereitschaft Sexualkontakte zu informieren, sehen die Autor*innen in der Erfahrung, selber über ein bestehendes Infektionsrisiko informiert worden zu sein (Schmidt & Mar-cus, 2011).

Studien aus der Perspektive des Fachpersonals befassen sich ebenfalls mit den Barrieren, die im Zusammenhang mit Partner*innen-Benachrichtigung oder -Mitbehandlung auftre-ten können. Diese Barrieren können einerseits das Fachpersonal selbst betreffen: Was hält Fachkräfte davon ab, Indexpersonen zu PB zu beraten? Anderseits handelt es sich um Barrieren, die Fachpersonal bei der Klientel beobachtet.

Abb. 10: Barrieren bzgl. Partner*innen-Benachrichtigung aus Sicht der Anbieter

0 1

Quelle: Sekundäranalyse; eigene Darstellung

Wie auch in den Studien zur Betroffenenperspektive, stellten drei Studien zur Perspektive des Fachpersonals fest, dass Anonymität bzw. fehlende Kontaktdaten der Sexualkontakte Partner*innen-Benachrichtigung verhindert, unabhängig davon, wer sie durchführen soll (Magaziner et al., 2018; Theunissen et al., 2014; Abb. 10).

Sechs Studien benennen einen Mangel an Wissen, Training oder Ausbildung seitens des Fachpersonals als Barriere, insbesondere Allgemeinmediziner*innen sind oft überfordert mit STI-Fällen und wissen nicht, wie sie vorgehen sollen (Shackleton et al., 2011). Die Unsicherheiten bzw. das fehlende Wissen können sich einerseits auf vom Fachpersonal durchgeführte Partner*innen-Benachrichtigung beziehen (Gilbart et al., 2015) und ande-rerseits darauf, Betroffene zu Partner*innen-Benachrichtigung zu beraten, ihnen das

Spektrum der Möglichkeiten (bspw. spezifische Online-Tools) vorzustellen, Gespräche einzuüben etc. (Guy et al., 2016).

Auch Unsicherheiten bzgl. des geltenden Rechts und Fragen zur Haftung hemmen Fach-personal Partner*innen-Benachrichtigung durchzuführen bzw. Partner mitzubehandeln.

Pavlin et al. (2010) beschreiben Unsicherheiten bei Allgemeinmediziner*innen bzgl. der richtigen Vorgehensweise bei PBF sowie über ihre eigenen Aufgaben. So konnten die be-fragten Allgemeinmediziner*innen schwer einschätzen, ob eine Kontaktaufnahme zu Se-xualkontakten rechtmäßig sei oder ob diese eine Verletzung des Patientengeheimnisses darstellt. Zudem führt ein Mangel an Wissen zu Unbehagen, mit den Patient*innen über die STI-Infektion zu sprechen und weitere Schritte einzuleiten. Auch Wood et al. (2018) weisen auf rechtliche Bedenken und Haftungsängste von Fachpersonal bzgl. der Ver-schreibung oder Mitgabe von Medikamenten für Sexualpartner*innen hin.

Einige Studien beschreiben Zeit- und Personalmangel als Hürde, insbesondere im Zu-sammenhang mit der eigenen Übernahme der Benachrichtigung (Pavlin et al., 2010).

Mehrere Studien beschreiben zudem Barrieren die Fachkräfte im Zusammenhang mit ih-ren Klient*innen feststellen konnten. Diese bestätigen die Angaben der Betroffenen: Be-richtet wird von (Angst vor) Gewalt bzw. Bedrohung der Sicherheit (Rosenfeld et al., 2016), Unbehagen seitens der Betroffenen über ihre Erkrankung zu sprechen (Desir et al., 2016) sowie die Furcht vor Stigmatisierung (Pavlin et al., 2010).

Innerhalb der analysierten Studien wurden vereinzelt weitere Barrieren seitens der Be-troffenen oder der Anbieter benannt, bspw. Sprachbarrieren oder technische Schwierig-keiten, die im Sinne der Übersichtlichkeit nicht explizit aufgeführt wurden.

4.1.8 Zusammenfassende Beurteilung der vorliegenden