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Halle (Saale), Sachsen-Anhalt Südliche Innenstadt rd. 237.000 Einwohner

Aufgrund eines ausgeglichenen und im Jahr 2005 sogar leicht positiven Saldos in der Umlandwanderung und zurückgehende Verluste in der Fernwanderung sinkt die Einwoh-nerzahl von Halle nicht mehr so rasant wie noch zu Beginn der 1990er Jahre. Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist jedoch nach wie vor schwierig und von Widersprüchen ge-prägt: Während im Ein- und Zweifamilienhaussegment die Fertigstellungszahlen die des Umlandes erstmals überholt wurden und das Programm Stadtumbau-Ost in den Groß-wohnsiedlungen Erfolge zeigt, ist die Lage in einigen Altbauvierteln der Stadt problema-tisch. Leerstände, vor allem im unsanierten Altbau, und Sanierungsstau prägen das Bild.6 Die Dieskauer Straße liegt im Riebeckviertel im Südosten von Halle (ca. 2 km zur Innen-stadt). Der ehemals stark industriell geprägte Stadtteil wird heute durch untergenutzte oder leer stehende Gewerbeeinheiten und Wohnbebauung aus der Gründerzeit charakte-risiert. Zwischen 2001 und 2004 hat das Riebeckviertel an der Landesinitiative Urban 21 des Landes Sachsen-Anhalt partizipiert. Seit 2004 werden die geplanten Maßnahmen ohne die Förderung durch Urban 21 von Land und Stadt fortgeführt, hierzu zählen u.a.

die Richtlinien „Abbruch und Flächenrecycling“ und „Grüne Höfe“ der Stadt Halle. Das Riebeckviertel ist weiterhin Sanierungsgebiet7 und Entwicklungsschwerpunkt im Rahmen des Programms Stadtumbau Ost.

Im Rahmen der Richtlinie „Abbruch und Flächenrecycling“ werden „Maßnahmen zur Be-seitigung baulicher und sonstiger Anlagen, die keine zukunftsorientierte Nutzung mehr haben und die im Programmbereich Stadtumbau Ost nicht förderfähig sind“ gefördert.

Durch die Förderrichtlinie „Grüne Höfe“ können „Maßnahmen zur Verbesserung der Hof-gestaltung zum Zweck der Verbesserung der Wohn- und Lebensbedingungen und zur Schaffung eines attraktiven Wohnumfeldes sowie zur stärkeren Berücksichtigung um-weltschützender Belange“ kofinanziert werden.

Beide Fördermöglichkeiten dienen vor allem der Aufwertung von Gründerzeitvierteln.

Durch die Neugestaltung von Innenhöfen sollen die Wohnbereiche insbesondere für Fa-milien mit Kindern wieder attraktiver werden. Fördervoraussetzungen für die Teilnahme seitens der Stadt sind u.a., dass sich mindestens zwei Eigentümer unmittelbar aneinan-der grenzenaneinan-der Höfe zusammenschließen und aneinan-der Stadt ein gemeinsames Innenhof-Konzept vorlegen.

In der Dieskauer Straße wurden zusätzliche Fördergelder aus dem Stadtumbau-Ost Pro-gramm (verankert im WohnungsbauproPro-gramm des Landes Sachsen-Anhalt) für die Auf-wertung und den Rückbau von Wohngebäuden kombiniert. Dadurch wurden sowohl Wohn- als auch Freiräume aufgewertet.

6 vgl. Stadt Halle/Saale (2006): Wohnungsmarktbericht 2005, Kurzfassung, Halle.

Planungsprozess

Das Projekt in der Dieskauer Straße besteht aus acht drei- bis viergeschossigen Mehrfa-milienhäusern, teilweise mit Seiten- und Hinterhäusern bzw. Nebengebäuden aus der Gründerzeit. Seit den 1990er Jahren ist der Leerstand in den Wohngebäuden sukzessive gewachsen. Die Nachfrage nach kleinen und vor allem unsanierten Wohnungen war so gering, dass eine Wiedervermietung der Gebäude immer schwieriger wurde.

Durch den Aufkauf mehrerer Häuser in der Dieskauer Straße konnte ein Investor die Entwicklung maßgeblich beeinflussen und voranbringen: Ziel war, durch den Zusammen-schluss der Eigentümer von den Häusern Nr. 4 bis 11 die für das Sanierungsgebiet auf-gelegten Richtlinien „Abbruch und Flächenrecycling“ und „Grüne Höfe“ in Anspruch zu nehmen und durch zusätzliche Modernisierungen die Wohnungen den heutigen Ansprü-chen, v.a. der Zielgruppe Familien, anzupassen (Größe, Ausstattung etc.).

Da die einzelnen Häuser z.T. mehrere Eigentümer hatten, wurden für einen einfacheren Projektablauf und lukrativere Fördermodalitäten GbRs gegründet.

Die ersten Vorüberlegungen und Anträge seitens der Eigentümer wurden unter Einbezug eines Planungsbüros und der Stadt Halle im Frühjahr 2003 begonnen. Die Umsetzung der Maßnahmen lief im November 2003 an. Zunächst wurden die Hinterhäuser und Ne-bengebäude abgerissen, um durchgehende Grünbereiche mit Aufenthaltsqualitäten für die Bewohner schaffen zu können. Parallel wurden die Umbau- und Sanierungsarbeiten in den Häusern begonnen. Im Zuge der Baumaßnahmen wurden die Wohnungsgrundris-se entsprechend den heutigen BedürfnisWohnungsgrundris-sen neu aufgeteilt, überwiegend mit Gäste-WC ausgestattet und mit Balkonen bzw. Terrassen ergänzt. Insgesamt wurden 50 Wohnun-gen mit einer Gesamtwohnfläche von ca. 5.300 qm saniert. Die Wohnungsgrößen lieWohnun-gen heute zwischen 40 und 160qm.

Nach Einzug der neuen Mieter im Juni 2004 wurden die Außenanlagen neu strukturiert und gestaltet: Entlang der Hauszeile wurden Grünflächen mit halbprivaten Räumen und Spielbereichen geschaffen sowie Stellplätze (u.a. durch Ankauf des Nachbargrundstücks) und ein zentraler Müllcontainerbereich ausgewiesen.

Die Kosten für die gesamte Maßnahme (Modernisierung der Häuser und Außenanlage) betrugen 6,4 Mio Euro, im Durchschnitt wurden rd. 35% über die Förderprogramme sub-ventioniert.

Bautypologie Gründerzeithäuser verschiedene Eigentümer, Dieskauer Str. 4-11

Planungsbüro Bau, Halle (Saale) Wohnfläche: 40 bis 160 qm Preise: 5,50Euro/qm (inkl. NK)

Qualitäten in der Nachbarschaft

Anfahrt/Abfahrtsmöglichkeiten zum Haus/Stellplatzmöglichkeiten

Durch die Neugestaltung der zwei Parkbereiche stehen den Bewohnern der Dieskauer Straße genügend Parkplätze im hausnahen Bereich zur Verfügung. Die Bewohner schät-zen die räumliche Nähe zu den Eingängen sehr. Ebenfalls positiv werden die Schranken bewertet, die die Parkbereiche vom öffentlichen Raum trennen und eine klare Zuordnung zu den Häusern Nr. 4 bis 11 ermöglichen. Hier können Eltern ihre Kinder bereits laufen lassen, wenn der Wagen be- oder entladen wird, der halbprivate Bereich bietet Schutz vor Verkehr und gibt kleinen Kindern „Sicherheit“.

„Wenn wir hier ankommen können wir den Kleinen schon immer laufen lassen. Meistens rennt der bis zum Schaukelpferd vor, hier kennt er sich aus, hier spielt er ja sonst auch draußen.“

Dieskauer Straße Ansicht der Dieskauer Straße, „geschlossener“ Dieskauer Straße, Parkmöglic-

Fassaden Parkbereich keiten

Sichere Spielmöglichkeiten im hausnahen Bereich

Durch den gemeinsamen Vorstoß der Eigentümer in der Dieskauer Straße konnte ein ehemals unattraktiver Innenhof mit Seitenhäusern und Bestandsgebäuden zu einem Grünbereich für die Bewohner des Quartiers entwickelt werden. Die Kinder können über den Hinterausgang direkt in den kleinen Grünbereich gelangen und hier das Abstands-grün als auch die Spielgeräte nutzen. Aufgrund der wenigen Spielangebote im Quartier, werden der Spielplatz und die Grünflächen auch von Nachbarskindern aufgesucht.

Trennungen durch Seitengebäude Spielanlage für kleine Kinder im wurden abgetragen: durchgängiger Übergang vom Grünzug zum Grünzug entlang der Häuser hausbezogenen Parkplatz

Objektqualitäten

Eingangssituation/Abstellmöglichkeiten

Da die Abstellmöglichkeiten vor dem Haus (Dieskauer Straße) sehr begrenzt sind (schmaler Bürgersteig, parkende Autos), wurden Fahrradabstellbereiche im Zuge der Neugestaltung der Innenhöfe definiert. Direkt an den Hintertüren (ebenfalls vom Eingang her zu erreichen) bieten Metallständer Abstellmöglichkeiten zum Anketten. Zusätzlich können Spielgeräte oder Fahrräder im Keller untergebracht werden.

Im Rahmen der Neuordnung wurde ein Bereich für die Müllcontainer ausgewiesen, der von allen Bewohnern genutzt wird. Um fremde Müllablagerungen zu vermeiden, wurde dieser Bereich eingezäunt. Er steht damit nur den Bewohnern zur Verfügung und obliegt gleichzeitig ihrer Verantwortung. Das Gitter um den Containerbereich soll in den kom-menden Jahren begrünt werden.

Eingang Dieskauer Str. Ausgang Grünbereich “geordnete“ Müllsituation

Private Freiflächen am Haus/Privatheit im Haus

Durch den Anbau von Balkonen haben die Wohnungen in den Gründerzeithäusern er-heblich an Qualität gewonnen. Die Balkone haben eine Größe von ca. 8 qm und werden in den Sommermonaten als Außenraum intensiv genutzt. Viele Mieter haben die Balkone bereits mit Bastmatten abgehängt, um damit die Privatsphäre noch stärker zu schützen.

Insbesondere Eltern, deren Kinder die Spielbereiche nutzen, genießen die Möglichkeit selbst ungestört auf dem Balkon zu sitzen und doch in Rufnähe der Kinder die Freizeit zu verbringen.

Laut Aussagen der Bewohner nutzen aber auch viele Eltern die Freiflächen am Haus und an dem kleinen Spielplatz. Hier treffen sich Nachbarn mit Kindern. Die Familien finden in den Außenräumen Aufenthalts- und auch Kontaktmöglichkeiten vor. Anhand der Grillge-räte, die mehrfach in unmittelbarer Nähe zu Balkonen stehen wird deutlich, dass die hausnahen Grünbereiche auch in den Abendstunden von den Bewohnern „besetzt“ wer-den. Es ist ein Miteinander der unterschiedlichen Bewohner im Block entstanden, was Familien den Alltag erleichtern kann.

„Wir sitzen im Sommer immer alle hier draußen, reden und gucken den Kindern beim Spielen zu. Wenn mal eine Mutter weg muss, gucken die anderen mit nach dem Kind, man lernt sich hier schnell kennen.“

„Wir wohnen erst seit einem halben Jahr hier. Neben der günstigen Miete für so eine große Wohnung [120qm] gefallen uns auch der „eigene“ Parkplatz und der Garten für die Kinder. Allein bei uns im ersten Haus wohnen 8 Kinder unter 12 Jahren, da können sie sich vorstellen, was bei schönem Wetter im Sommer los ist.“

Balkone mit Bastmatten, Schutz Grill für Bewohner des Hauses Der Grünbereich wird auch von der Privatsphäre, Grill und Tisch Kindern aus der Nachbarschaft

für Sommertage genutzt.

Fazit

Aus Sicht der Stadt sind wichtige Ansatzpunkte für familienfreundliche Bautypologien die Sanierung von urbanen Wohnstandorten und die Wohnumfeldgestaltung. Mit den für das Sanierungsgebiet (Riebeckviertel) aufgelegten städtischen Förderprogrammen (u.a. „Grü-ne Höfe“) sollen Eigentümer aktiviert werden, sich „gemeinschaftlich“ um ei„Grü-ne Attraktivi-tätssteigerung des Bestandes zu bemühen. Die Stadt Halle fördert damit, dass auch pri-vate Eigentümer (Vermieter, Verwalter) Wohnangebote und pripri-vate Freiflächen (z.B. in den Blockinnenhöfen) insbesondere für Familien und Kinder neu gestalten.

Die Dieskauer Straße liegt in einem Haller Stadtteil, der aufgrund seiner historischen Ent-wicklung (Altindustriestandort) sowohl von der Bebauungsstruktur aber auch von der Be-wohnerstruktur sehr heterogen ist. Im direkten Umfeld wechseln sich gewerbliche Nut-zungen, Baulücken, Leerstände und Wohnnutzungen ab. Die Altbausubstanz in den Gründerzeitbereichen ist auf zahlreiche Einzeleigentümer (oft mit Wohnsitz in West-deutschland), davon vor allem bei unsanierten Beständen ein hoher Anteil von Erbenge-meinschaften, verteilt. Dies erschwert die Abstimmung von Umbaukonzepten und Aufwer-tungen extrem. Der hohe Leerstand und die damit wirtschaftlichen Verluste von Einzelei-gentümern, können durch Abriss nicht gelenkt werden.8

Das Projekt Dieskauer Straße ist erfolgreich durchgeführt worden. Mit Unterstützung ei-nes professionellen Planungsbüros und der Stadt konnten die Eigentümer durch Moder-nisierungen an den Häusern und im Wohnumfeld den Leerstand komplett abbauen. Die Wohnungen bieten sozialschwächeren Familien günstigen Wohnraum und das Wohnum-feld wurde zu einer „grünen Insel“ in einem sonst gewerblich genutzten WohnumWohnum-feld.

8 Im Jahr 2005 waren im Sanierungsgebiet noch ca. 30% des Bestandes unsaniert. (Quelle: Stadt Halle, Integriertes