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Die Intelligenzija und ihr kompliziertes Verhältnis zu den politischen Eliten in der Sowjetunion

L. Gudkov/B. Dubin

Lev Gudkov und Boris Dubin, beide Jahrgang 1946, sind bekannte russische Soziologen. Gudkov ist seit 2006 Direktor des namhaften russischen Meinungsforschungsinstituts Levada-Zentrum. Ausserdem ist er Chefredakteur der Fachzeitschrift Vestnik obšþestvennogo mnenija. Sein Stellvertreter in der Zeitschriftenredaktion war lange Zeit Boris Dubin. Auch er arbeitete bis zu seinem Tod im Jahre 2014 im Levada-Zentrum, wo er die Abteilung für sozialpolitische Studien leitete. Dubin war von seiner Ausbildung her Philologe. In seiner Jugend stand er den SMOGisten nahe und besuchte Seminare von Zinovij Papernyj, Arsenij Tarkovskij und Boris Sluckij. Er veröffentlichte einige Texte im SAMIZDAT. Ab den 1970er Jahren machte er sich auch als literarischer Übersetzer aus dem Englischen, Französischen, Spanischen und Polnischen einen Namen. Sowohl Dubin als auch Gudkov unterrichteten am Institut für europäische Kulturen an der RGGU in Moskau Kultursoziologie. Ihre Artikel zu Themen der (Kultur-) Soziologie verfassten sie oft gemeinsam.

18 Ebd., S. 225 (Hervorhebungen A. P.).

19 Ebd., S. 226 f.

In dem Artikel „Intelligenty i intellektualy“20 aus dem Jahre 1992 beschäftigen sich Gudkov und Dubin mit dem Unterschied zwischen westlichen Intellektuellen („Individualisten“) und russischen Vertretern der Intelligenzija („Korporativisten“). Sie weisen nach, dass sowohl die politischen Eliten als auch die Vertreter der Intelligenzija in Russland bzw. in der Sowjetunion stets eine Abneigung gegen den Individualismus empfanden. Dieser, so Gudkov/Dubin, sei jedoch das Hauptmerkmal der westlichen Intellektuellen.21

Des Weiteren zeigen die Autoren, dass die Vertreter der russischen Intelligenzija, die relativ spät, nämlich erst in den 1830/40er Jahren, entstand, seit jeher in einem engen Verhältnis zu den politischen Eliten des Landes standen. Dieses Verhältnis, so Gudkov und Dubin, sei zwiegespaltenen: einerseits sei es ein Konkurrenzverhältnis, andererseits aber auch ein partnerschaftliches Verhältnis.22 In einer kurzen Übersichtsdarstellung zur Entwicklungsgeschichte der russischen Intelligenzija (von ihren Anfängen bis zum Ende der 1980er Jahre) skizzieren die Autoren, wie sich das Verhältnis der beiden Kommunikationspartner zueinander entwickelte.23 Für die vorliegende Arbeit ist dabei folgende Aussage der Autoren von besonderem Interesse:

„[…] ɩɨɥɨɠɟɧɢɟ ɢɧɬɟɥɥɢɝɟɧɰɢɢ […] ɫ ɫɟɪɟɞɢɧɵ 1960-ɯ ɩɨ ɤɨɧɟɰ 1980-ɯ ɝɨɞɨɜ ɞɨɫɬɚɬɨɱɧɨ ɞɜɭɫɦɵɫɥɟɧɧɨ. ɋ ɨɞɧɨɣ ɫɬɨɪɨɧɵ, ɜɵɫɨɤɨɤɜɚɥɢɮɢɰɢɪɨɜɚɧɧɵɟ ɢ ɨɛɪɚɡɨɜɚɧɧɵɟ ɫɥɭɠɚɳɢɟ ɨɛɟɫɩɟɱɢɜɚɸɬ ɮɭɧɤɰɢɨɧɢɪɨɜɚɧɢɟ ɜɫɟɣ ɛɸɪɨɤɪɚɬɢɱɟɫɤɨɣ ɦɚɲɢɧɵ, […] ɞɟɦɨɧɫɬɪɢɪɭɹ, ɩɭɫɬɶ ɢ ɧɟɢɫɤɪɟɧɧɟ, ɫɟɪɜɢɥɶɧɭɸ ɥɨɹɥɶɧɨɫɬɶ ɢ ɩɪɟɞɚɧɧɨɫɬɶ ɪɟɠɢɦɭ […] ɋ ɞɪɭɝɨɣ – ɜ ɫɨɨɬɜɟɬɫɬɜɢɢ ɫ ɧɚɫɥɟɞɨɜɚɧɧɵɦɢ ɥɟɝɟɧɞɚɦɢ ɢ ɢɞɟɚɥɚɦɢ ɢɧɬɟɥɥɢɝɟɧɰɢɹ ɜɨɫɩɪɢɧɢɦɚɟɬ ɫɟɛɹ ɤɚɤ ɨɩɩɨɡɢɰɢɸ ɢ ɭɱɚɫɬɧɢɤɚ ɱɚɫɬɢɱɧɨɝɨ ɢɞɟɨɥɨɝɢɱɟɫɤɨɝɨ ɫɚɛɨɬɚɠɚ, ɬɨ ɟɫɬɶ ɤɚɤ ɡɚɳɢɬɧɢɤɚ ɧɚɪɨɞɚ, ɫɨɥɶ ɡɟɦɥɢ, ɫɨɜɟɫɬɶ ɨɛɳɟɫɬɜɚ.“ //

„[…] die Lage der Intelligenzija […] von der Mitte der 1960er Jahre bis zum Ende der 1980er Jahre ist ziemlich zweideutig. Einerseits gewährleisten die hochqualifizierten und gebildeten Bediensteten das Funktionieren der gesamten bürokratischen Maschinerie, […] und beweisen damit, sei es auch nicht immer aufrichtig, ihre untertänige Loyalität und Ergebenheit dem Regime gegenüber […]

Andererseits fühlt sich die Intelligenzija – entsprechend den Legenden und Idealen, die sie erbte – als Opposition und teilweise als Saboteur, das heisst als Verteidiger des Volkes, Salz der Erde, Gewissen der Gesellschaft.“24

20 Im Folgenden zitiert nach: L. Gudkov/B. Dubin, Intelligenty i intellektualy (1992), a. a. O., S. 67-94.

21 Ebd., S. 86 f.

22 Ebd., S. 82, 86.

23 Ebd., S. 82-84, 89.

24 Ebd., S. 89.

Bei dieser Zwiegespaltenheit der sowjetischen Intelligenzija handele es sich aber, so Gudkov/Dubin weiter, keinesfalls um individuelle Heuchelei, sondern um ein soziales Phänomen, das auch als „korporatives double think“ (russ.: korporativnoe dvoemyslie) bezeichnet werden könne.25

Den Ursachen und Folgen dieser Zwiegespaltenheit der spätsowjetischen Intelligenzija gehen Gudkov und Dubin in ihrem Artikel „Ideologija besstrukturnosti“26 aus dem Jahre 1994 auf den Grund. In diesem Artikel weisen sie darauf hin, dass ab den 1960er Jahren in der Sowjetunion ein Prozess der Dezentralisierung der Bürokratie vonstatten ging, der sich auch auf die Intelligenzija auswirken sollte. Gudkov/Dubin meinen, dass man seit jener Zeit mit dem Begriff „Intelligenzija“ nicht mehr eine bestimmte soziale Schicht innerhalb der sowjetischen Bevölkerung oder eine geistige Elite (im Sinne eines „Gewissens der Nation“) bezeichnen könne. Der Begriff

„Intelligenzija“ diene seit jener Zeit einfach nur der Selbstcharakterisierung einer

„massenhaft auftretenden Bürokratie“ (russ.: massovaja bjurokratija).27

Diese „massenhaft auftretende Bürokratie“, so möchte man hinzufügen, umfasst alle gebildeten Staatsdiener, die durch die sowjetische Schule gingen. Unter ihnen findet man sowohl Vertreter der (künstlerischen) Intelligenzija als auch Vertreter der Nomenklatura wie Speechwriter/Konsultanten, Mitarbeiter verschiedener Abteilungen des ZK der KPdSU etc.

Diese „neue Intelligenzija“, so Gudkov und Dubin, habe rein gar nichts mehr mit der alten vorrevolutionären Intelligenzija zu tun, die sich in ihrem Kampf gegen das zaristische Regime als „Gewissen der Nation“ verstand. Dieses Image sei von der neuen

„Sowjet-Intelligenzija“ nur übernommen worden, um ein positives Identifikationsmuster (Verteidiger des Volkes, Gewissen der Gesellschaft etc.) zu haben. In Wirklichkeit habe die „neue Intelligenzija“ eine zwiegespaltene Beziehung zur „Macht“ (d. h. zu den herrschenden politischen Eliten): einerseits positioniere sie sich außerhalb der „Macht“, andererseits bewege sie sich aber auch im Rahmen der von den Herrschern geschaffenen Strukturen, d. h. sie strebe wie diese nach hohen Einkommen, guten Positionen, Aufstiegschancen usw. Dieser Zwiespalt schaffe, so die

25 Ebd., S. 89.

26 Im Folgenden zitiert nach: L. Gudkov/B. Dubin, Ideologija besstrukturnosti, a. a. O., S. 166-179.

27 Ebd., S. 170 f.

Autoren weiter, im Endeffekt eine neuen Ideologie – die sogenannte „Ideologie der Strukturlosigkeit“ (russ.: ideologija besstrukturnosti). Diese neue Ideologie wird von Gudkov/Dubin mit solchen Begriffen wie „Gefühl“, „Intuition“, „Religiosität“ und

„Rückzug ins Private“ umschrieben. Sie ist nach Ansicht der Forscher typisch für die

„massenhaft auftretende Bürokratie“, diese neue gesellschaftliche Strömung der späten Sowjetzeit.28

B. Firsov

Boris Firsov (geb. 1929) ist - wie Lev Gudkov und Boris Dubin - ein international anerkannter russischer Soziologe. In seiner Jugendzeit war er Komsomol- und KPdSU-Funktionär in Leningrad. Nach der Aspirantur an der Leningrader Staatlichen Universität arbeitete er lange Zeit in verschiedenen Instituten der sowjetischen Akademie der Wissenschaften. Von 1989 bis 1995 war er Direktor der Sankt Petersburger Filiale des Soziologischen Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften. Von 1995 bis 2003 war er der erste Rektor der neu gegründeten Europäischen Universität in Sankt Petersburg. Gegenwärtig ist er Ehrenrektor dieser Universität. In seinen über 200 wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt er sich vor allem mit theoretischen Fragen der zeitgenössischen Soziologie, mit der Geschichte der sowjetischen Soziologie sowie mit Fragen des gesellschaftlichen Dissenses in der Sowjetunion und im postsowjetischen Russland.

Sein Artikel „Intellektualy, vlast’ i kommunikacija“29 aus dem Jahre 1995 ist der Entwicklung der russischen, sowjetischen und postsowjetischen Intelligenzija und ihrer Beziehung zum „Staat“ gewidmet.

Genauso wie Gudkov/Dubin (1992) geht auch Firsov von einem Unterschied zwischen Vertretern der Intelligenzija (russ.: intelligenty) und Intellektuellen (russ.:

intellektualy) aus. Vertreter der Intelligenzija, so Firsov, würden immer eine soziale Rolle spielen und seien als „ideologische Modernisierungsressource“ an den „Staat“

gebunden. Dies treffe auf Intellektuelle jedoch nicht zu, da diese nur in einem anderen

28 L. Gudkov/B. Dubin, Ideologija besstrukturnosti, a. a. O., S. 169 f.

29 Im Folgenden zitiert nach: B. Firsov, Intellektualy, vlast’ i kommunikacija, a. a. O., S. 21-30.

gesellschaftlichen Kontext anzutreffen seien. Auf diesem Unterschied zwischen Intelligenzija und Intellektuellen aufbauend, behauptet Firsov, dass die Zeit der Intelligenzija im postsowjetischen Russland am Ablaufen sei und dass man gegenwärtig in Russland eine Umwandlung der Intelligenzija in Intellektuelle beobachten könne.30

Firsov geht davon aus, dass die Intelligenzija in Russland seit jeher eng mit dem

„Staat“ verbunden war und diesem als ideologische Ressource bei der Überwindung von Reformwiderständen diente. Im Laufe der Zeit veränderte sich die Intelligenzija aber. Die vorrevolutionäre russische Intelligenzija, die sich als „gesellschaftliches Gewissen“ verstand, verschwand nach der Oktoberrevolution. Dies geschah im Zuge der sogenannten „Etatisierung“ (russ.: ơtatizacija, ogosudarstvlenie)31 der Intelligenzija, die de facto allen Vertretern der Intelligenzija den Status von Staatsbediensteten, von Beamten, verschaffte.

Um den ungeheuren Herausforderungen der Modernisierung (Aufbau des Sowjetstaates, Kollektivierung der Landwirtschaft, Industrialisierung) gewachsen zu sein, produzierte der „Staat“ in den 1920/30er Jahren ständig neue Intellektuelle (Personen mit Hochschulbildung, sogenannte Spezialisten). Diese Personen waren ihrer Herkunft nach mehrheitlich Proletarier; Nachfahren der vorrevolutionären Intelligenzija war es nicht erlaubt zu studieren. Firsov spricht in diesem Zusammenhang von einer

„Proletarisierung der Intellektuellen“ (russ.: proletarizacija intellektualov) in den 1920/30er Jahren, die eine „Desakralisierung“ (russ.: desakralizacija) der intellektuellen Berufe und eine Abnahme des materiellen Wohlstands der Intellektuellen – immer im Vergleich zu den vorrevolutionären Vertretern der Intelligenzija - mit sich brachte.32 Um die intellektuellen Berufe im Ansehen der Bevölkerung aufzuwerten und um den materiellen Wohlstand ausgewählter Vertreter der neuen Sowjetintelligenzija anzuheben, wurden unter Stalin bestimmte Privilegien für Teile der Sowjetintelligenzija eingeführt (Auszeichnungen, Vergünstigungen etc.). Das führte dazu, dass auch unter den Intellektuellen (Künstlern, Wissenschaftlern u. a.) eine privilegierte Schicht, eine

30 Ebd., S. 22, 27, 30.

31 Ebd., S. 22 f.

32 Ebd., S. 24 f.

„intellektuelle Elite“, entstand.33

Wie sich die neue „etatisierte Sowjetintelligenzija“ in den Folgejahren weiterentwickelte, wird von Firsov in dem Artikel „Intelligencija i intellektualy v konce XX veka“34 aus dem Jahre 2001 beschrieben. In diesem Artikel setzt sich Firsov kritisch mit den Ansichten solcher Intellektueller wie György Konrád und Iván Szelényi auseinander, die in ihren Ende der 1970er Jahre herausgegebenen Werken von einem bevorstehenden Machtantritt der Intelligenzija in den sozialistischen Ländern schwärmten. Diese Autoren gingen von einer Intellektualisierung der Nomenklatura aus, die sie schon zu Beginn der 1970er Jahre in einigen sozialistischen Ländern beobachtet haben wollten.35 Diese Vorhersagen stellten sich allerdings, so Firsov, als falsch heraus. Die Nomenklatura ließ sich von der Intelligenzija nicht als herrschende Klasse ablösen, und auch von einer die gesamte Nomenklatura betreffenden Intellektualisierung konnte man nicht sprechen. Es kam lediglich zu einer abnehmenden ideologischen Schärfe bei Vertretern der Nomenklatura, die sich zu stark an den Wertevorstellungen der intellektuellen Elite orientierten. Firsov schreibt in diesem Zusammenhang:

„ɉɚɪɬɢɣɧɨ-ɝɨɫɭɞɚɪɫɬɜɟɧɧɚɹ ɷɥɢɬɚ ɯɨɬɟɥɚ ɪɚɜɟɧɫɬɜɚ, ɧɨ ɧɟ ɫ ɧɚɪɨɞɨɦ, ɚ ɫ ɬɨɣ ɢɧɬɟɥɥɟɤɬɭɚɥɶɧɨɣ ɷɥɢɬɨɣ, ɤɨɬɨɪɚɹ ɠɢɥɚ ɫɚɦɨɫɬɨɹɬɟɥɶɧɨ, ɨɤɭɬɚɧɧɚɹ ɨɫɨɛɨɣ ɚɭɪɨɣ […] ɉɨɷɬɨɦɭ, ɧɟɜɡɢɪɚɹ ɧɚ ɢɡɜɟɫɬɧɵɟ ɫɥɭɠɟɛɧɵɟ ɩɪɢɜɢɥɟɝɢɢ, ɧɨɦɟɧɤɥɚɬɭɪɚ ɫɬɪɟɦɢɥɚɫɶ ɭɬɜɟɪɞɢɬɶ ɷɬɨ ɪɚɜɟɧɫɬɜɨ ɱɟɪɟɡ ɩɪɟɫɬɢɠɧɨɟ ɩɨɬɪɟɛɥɟɧɢɟ ɤɭɥɶɬɭɪɧɨɝɨ ɞɟɮɢɰɢɬɚ, ɤɨɬɨɪɵɣ ɤ ɷɬɨɦɭ ɜɪɟɦɟɧɢ [ɤ 1970-ɦ ɝɨɞɚɦ, Ⱥ.ɉ.] ɭɬɪɚɬɢɥ ɛɵɥɭɸ ɡɚɜɢɫɢɦɨɫɬɶ ɨɬ ɜɥɚɫɬɢ. ɇɨɦɟɧɤɥɚɬɭɪɧɨɣ ɷɥɢɬɟ ɧɭɠɧɨ ɛɵɥɨ ɩɨɥɭɱɢɬɶ ɨɳɭɳɟɧɢɟ ɠɢɡɧɢ, ɤɨɬɨɪɨɟ ɨɬɥɢɱɚɥɨ ɦɧɨɝɢɯ ɡɜɟɡɞ ɨɬɟɱɟɫɬɜɟɧɧɨɣ ɧɚɭɤɢ ɢ ɤɭɥɶɬɭɪɵ.“ //

„Die Partei- und Staatselite wollte Gleichheit, aber nicht Gleichheit mit dem Volk, sondern Gleichheit mit jener intellektuellen Elite, die selbstständig lebte, umgeben von einer besonderen Aura […] Deshalb strebte die Nomenklatura, ungeachtet ihrer allseits bekannten dienstlichen Privilegien, danach, diese Gleichheit durch

33 Ebd., S. 25 f.

Wie eine RGANI-Akte aus dem Jahre 1970 beweist, gehörten der intellektuellen Elite – zumindest unter den Schriftstellern - in der Brežnev-Ära auch Šestidesjatniki wie Robert Roždestvenskij und Evgenij Evtušenko an. Sie zählten unter den russischen Schriftstellern zu den Spitzenverdienern. Nur in einem Jahr (1970) bekamen z. B. Roždestvenskij 22.200 Rubel und Evtušenko 17.200 Rubel Honorar ausgezahlt. Die große Mehrheit der russischen Schriftsteller (4.895 Autoren) musste sich dagegen 1970 mit unter 300 Rubeln Honorar im Jahr zufriedengeben. (RGANI, f. 5, op. 63, d. 140, l. 122-124).

34 Im Folgenden zitiert nach: B. Firsov, Intelligencija i intellektualy v konce XX veka, a. a. O., S. 164-173.

35 Ebd., S. 165.

Geltungskonsum kultureller Mangelwaren zu bekräftigen, die zu dieser Zeit [1970er Jahre, A. P.] die frühere Bindung an die Macht schon verloren hatten. Die Nomenklatura strebte nach einem Lebensgefühl, das typisch war für viele Stars der sowjetischen Wissenschaft und Kultur.“36

In diesem Lichte betrachtet, ist das Interesse der Nomenklatura für Bücher, die dem sowjetischen Normalbürger nicht zugänglich waren, von Vertretern der intellektuellen Elite aber durchaus rezipiert wurden (vgl. Kapitel 3.1 der vorliegenden Arbeit), nur allzu verständlich. Und auch die Image-Kampagne für Brežnev, die mit der Herausgabe seiner Memoiren ihren Höhepunkt erreichte (vgl. Kapitel 4.3 und 4.4 der vorliegenden Arbeit) ist nun schon kein Kuriosum mehr, sondern Ausdruck eben jenes – von Firsov beschriebenen - Strebens der Parteielite nach Gleichheit mit den Vertretern der intellektuellen Elite des Landes.