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Grundtypen der Clusterentwicklung

Clustermanagement: Anforderungen an Städte und regionale Netzwerke*

3. Grundtypen der Clusterentwicklung

Für die praktische Arbeit der Strukturpolitik und für normative Fragen in der Wirtschaftsförderung lassen sich hinsichtlich der Akteursmuster und der regiona-len Entwicklung folgende Grundtypen von Clustern unterscheiden und belegen:

3.1 Gewachsene Branchencluster

Die meisten heute erfassten Cluster sind durch Agglomeration, Wachstum und Diversifizierung in Branchen entstanden, ohne dass Planer und Politiker dazu Wesentliches beitrugen; Beispiele: Klingen/Beschläge in Solingen/Velbert; Nach-richtentechnik in Nürnberg; Medien und Versicherungswirtschaft in München.

Ein standort- oder branchenbezogenes Management dieser Entwicklung ist meist nicht festzustellen. Die Clusterentwicklung ist an unterschiedlichsten Ursachen festzumachen: lokale Rohstoffe, Unternehmer, regionales Innovationswissen, Standortattraktivität usw. Mitunter spielt der Zufall eine wesentliche Rolle: Eine Konstellation von Akteuren und politisch-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in einem Raum zu einer Zeit führt zur Ausbildung eines Entwicklungskerns, der dann über positive Rückkoppelungen (Increasing Returns, Krugman 1991) und komplexe Prozesse der Strukturation (Ortmann 1995) wächst und sich verfestigt.

Eine wichtige Beobachtung ist auch, dass regionale Cluster schrumpfen und ab-sterben können. Grabher (1991) konstatierte beispielsweise für die Montanindust-rie an der Ruhr eine strukturelle Dichte und Verkrustung, die der Anpassungsfä-higkeit der Unternehmen wie der Region sehr geschadet habe. Er warnt vor „Ver-steinerungserscheinungen“ durch Konsensroutinen. Aufgabe der Wirtschaftsförde-rer ist, die Wachstums- und Imagepotenziale dieser unternehmerisch gewachsenen Cluster zu erfassen und in ihre standortbezogenen Aktivitäten einzubeziehen (Küpper/Röllinghoff 1999).

3.2 Selbstorganisation des Unternehmertums in einem regionalen Kompetenzfeld

Begleitet von öffentlicher Unterstützung in Feldern der Strukturpolitik und Stand-ortpromotion finden sich Unternehmer zusammen, die eine eigene Organisation und Managementplattform für gemeinsame Initiativen und Projekte schaffen. Bei-spiele sind die Nürnberger Initiative für die Kommunikationswirtschaft NIK (ab 1994, siehe unten) und die Strategie Autostadt Wolfsburg (ab 1998 mit: Autovisi-on, Wolfsburg AG, Autouniversität). So hat z.B. die Region Nürnberg mit der NIK eine von der ganzen Bandbreite der Branche getragene Initiative (vgl.

Ab-Clustermanagement – Anforderungen an Städte und regionale Netzwerke

2005/I DfK 67 schnitt 4.1) hervorgebracht, die beispielgebend für das Entstehen weiterer sek-toraler Netzwerke in der Region (Verkehr, Medizintechnik, Umweltwirtschaft) war.

3.3 Wirtschaftspolitisch geförderte Branchenentwicklungen

Für die Mehrzahl der aktuellen Clusterinitiativen ist die Rolle der öffentlichen Hände als Initiatoren, Moderatoren und Financiers erheblich, wie eine Zusam-menstellung von Kiese (2004), aufbauend auf den Erhebungen der Global Cluster Surveys (Sölvell und andere 2003), zeigt (vgl. Abb. 1).

Audretsch sieht es als unbestreitbar an, dass der geographische Raum eine ent-scheidende Plattform für innovative Aktivitäten darstellt und sich in Regionen ei-ne ei-neue Form strategischen Managements herausbildet, nämlich „not of the firm, but of the Standort, or location“ (Bröcker und andere 2003, S. 11). Allerdings ver-suchen sich an diesem Management, das sich zunehmend auf sektorale Förderung konzentriert, viele öffentliche und private Akteure in oft ungeklärten Kooperati-ons- und Legitimationsstrukturen.

Sehr stark engagieren sich die Länder Bayern und NRW und die dortigen kom-munalen Wirtschaftsförderer. Bayerns High-Tech-Initiativen der 90er-Jahre mün-deten inzwischen in die „Clusterorientierte Wirtschaftspolitik“ Bayerns ein; der Wirtschaftsminister wurde im Frühjahr 2004 vom Kabinett beauftragt, in Ab-stimmung mit dem Wissenschaftsministerium ein Clusterkonzept zu erarbeiten.

Der Freistaat sieht sich selbst als „Moderator“ in diesem Prozess (Kabinettssitzung 13.7.2004, Protokoll). NRW hat eine mehr als 20-jährige Tradition in branchen-bezogenen Landesinitiativen; je mehr es wurden, desto größer wurde das politi-sche Problem, alle bedienen zu wollen oder zu müssen, und desto geringer wurde die aktive und auch finanzielle Beteiligung der Unternehmer. Aktuell steht diese Politik auf dem Prüfstand, eine stärkere Fokussierung und Effektivitätskontrolle ist erklärter Wille der neuen Landesregierung (Weiteres hierzu siehe Abschnitt 5.2).

Utz Ingo Küpper und Stefan Röllinghoff

68 DfK 2005/I

Abbildung 1: Finanzierung von Clusterinitiativen

Quelle: Kiese 2004.

3.4 Clusterförderung integriert in die regionale Entwicklung

Die Beispiele der NRW-Kompetenzfeldstrategie für das Ruhrgebiet (Rehfeld und andere 2004; Projekt Ruhr GmbH 2004) und der bayerischen Clusterorientierung führen, wenn sie wesentliche Bausteine von Stadt- oder Regionalentwicklung wer-den, über die strukturpolitische und damit über die klassische Wirtschaftsförde-rung weit hinaus. Es gibt inzwischen eine Reihe von Beispielen, in denen Cluster-förderung integriert in regionale Gesamtstrategien vor allem abstellt auf:

die gezielte Förderung regionaler Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit;

die Herausbildung einer Managementkompetenz (Organising Capacity) für re-gionale Strukturpolitik;

den effizienten Einsatz von Subventionen (aus allen Förderbereichen).

Das dortmund-project (siehe Abschnitt 4.3) ist ein Beispiel integrativer, auf Ge-samtstadtentwicklung zielender und dennoch klar fokussierter Clusterpolitik, und auch in Köln (Abschnitt 4.2) wurden sektorale Brancheninitiativen im Kontext

ei-Clustermanagement – Anforderungen an Städte und regionale Netzwerke

2005/I DfK 69 ner Stadtentwicklungsstrategie gestartet, die früher stärker räumlich, seit einigen Jahren aber vor allem stadtökonomisch ausgerichtet war bzw. ist.

So verstandene Clusterförderung hat weitreichende Konsequenzen für die „tra-ditionelle“ Wirtschaftsförderung – hinsichtlich der Komplexität der Strategien wie auch hinsichtlich der notwendigen Qualifikation der Akteure. Ihre Ergebnisse hängen außerdem von Entwicklungsprojekten und Visionen zur Verbesserung der Standortqualität von Stadt und Region ab, also von der Umsetzung einer integra-tiven Stadtentwicklungsstrategie.

3.5 „Wishful Thinking Clusters“ (Enright 2003)

Angesichts massiver struktureller und sozialer Probleme in vielen Regionen Deutschlands stehen Wirtschaftsförderung und Kommunalpolitik unter einem enormen Erwartungsdruck. Diese Erwartungen korrespondieren jedoch häufig nicht mit den realen Handlungsmöglichkeiten der so Adressierten. Um gegenüber den relevanten Akteuren Konzepte und Aktivitäten nachzuweisen, versuchen im-mer mehr Regionen und Kommunen, auf „Züge aufzuspringen, die gar nicht bei ihnen vorbeifahren“ (Küpper 2000, S. 44). Manch eine Stadt bezeichnet sich als Kompetenzzentrum für Bio-, Nano- oder Medientechnologien, ohne dass dies auf konkreten Potenzialen der jeweiligen Region beruht. Eine unmittelbare Erhöhung des akquisitorischen Potenzials und kurzfristige Beschäftigungseffekte sind so kaum zu erreichen, wohl aber eine strategische Positionierung im Wettlauf um öf-fentliche Fördermittel und Projekte. Im Ergebnis führt dies zu einer Fehlallokation öffentlicher Mittel, denn statt reale Stärken zu stärken und räumliche Prioritäten-setzungen zu nutzen (Unique Selling Positions), verpuffen in einer Förderpolitik der Gießkanne die strukturpolitischen Initiativen. Wie ein Blick nach NRW zeigt, wurden diese Probleme auf Seiten der Landespolitik zwar erkannt, aber noch nicht befriedigend gelöst.