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Grundsätze der polizeilichen Aufgabenerfüllung

Im Dokument Polizeigesetz (PolG) (Seite 15-24)

Mit seiner Stellung zu Beginn des Gesetzes hebt Kapitel 2 die Bedeutung der Grundsätze polizeilicher Aufgabenerfüllung (bisher: Grundsätze des polizeilichen Handelns) für alle Be-hörden hervor, denen Aufgaben nach dem PolG zukommen. Artikel 3-7 E-PolG gelten somit gleichermassen für die Kantonspolizei, die Gemeinden sowie andere Behörden mit polizeili-cher Aufgabenerfüllung.

Der Grundsatzartikel von Artikel 3 E-PolG nennt die drei wichtigsten Grundsätze jeden staatli-chen Handelns (Abs. 1): Das Legalitätsprinzip (Gesetzmässigkeit), das öffentliche Interesse und die Verhältnismässigkeit, die selbstredend auch Schranke für die polizeiliche Aufgabener-füllung bilden. Gesetzmässigkeit bedeutet Bindung an die Rechtsordnung. Diese umfasst ne-ben Verfassung und Gesetz, die bisher genannt wurden, auch das Völker- und Staatsver-tragsrecht und die Rechtsprechung. Absatz 2 hebt den Schutz des Individuums als Träger fundamentaler Rechte hervor und ruft für die Polizeiarbeit die Beachtung der Grundrechte in Erinnerung. Absatz 3 wiederholt für das Handeln der Kantonspolizei und der Behörden nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b, was bereits Art. 14 des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937 (StGB5) in allgemeiner Weise festhält: Wer handelt, wie es das Ge-setz gebietet oder erlaubt, verhält sich rechtmässig, auch wenn die Tat mit Strafe bedroht ist.

Gegenstück dieser nach aussen wirkenden Grundsätze polizeilichen Handelns bildet die nach innen gerichtete Personalpolitik der Kantonspolizei, wie sie in Artikel 153 als Verhaltenskodex verankert ist.

5SR 311.0

Artikel 4 Polizeiliche Generalklausel

Die Umschreibung der polizeilichen Generalklausel entspricht bisherigem Recht (Art. 22 PolG), die Änderungen sind rein redaktioneller Natur. Nach der bundesgerichtlichen Recht-sprechung kann die polizeiliche Generalklausel als konstitutionelles Notrecht im Rahmen von Artikel 36 Absatz 1 der Bundesverfassung eine fehlende gesetzliche Grundlage ersetzen und selbst schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte legitimieren, wenn und soweit es gilt, die öf-fentliche Ordnung und fundamentale Rechtsgüter des Staates oder Privater gegen schwere und zeitlich unmittelbar drohende Gefahren zu schützen. Diese dürfen unter den konkreten Umständen nicht anders als mit gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehenen Mitteln abzuwen-den sein (Subsidiarität); die entsprechenabzuwen-den Massnahmen müssen zudem abzuwen-den allgemeinen Prinzipien des Verfassungs- und Verwaltungsrechts, insbesondere dem Grundsatz der Ver-hältnismässigkeit, Rechnung tragen. Hinsichtlich des Erfordernisses der Unvorhersehbarkeit der Gefahr hat das Bundesgericht seine Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass die Unvorhersehbarkeit im Rahmen der Interessenabwägung nur ein zu berücksichtigendes Ele-ment unter anderen bildet und nicht als Anwendungsvoraussetzung zu verstehen ist, die es losgelöst von der Art und der Dringlichkeit der Gefahr ausschliesst, die polizeiliche General-klausel überhaupt anzurufen. Die polizeiliche GeneralGeneral-klausel bezweckt den Schutz fundamen-taler Rechtsgüter, wenn eine sie bedrohende konkrete, schwerwiegende und unmittelbare Gefahr wegen der Dauer des politischen Prozesses nicht auf dem Weg der ordentlichen Ge-setzgebung wirksam bekämpft werden kann.6

Artikel 5 Verhältnismässigkeit

Absatz 1 wiederholt den Gehalt des Verhältnismässigkeitsprinzips: Eignung, Notwendigkeit und Zumutbarkeit. Die Absätze 2 und 3 entsprechen bisherigem Recht (Art. 23 PolG). Ab-satz 4 betont neu die Schutzbedürftigkeit gewisser Personen wie Kinder und minderjährige Jugendliche, Betagte, Kranke und behinderte Personen.

Artikel 6 Adressaten polizeilichen Handelns / 1. Störerprinzip

Das Störerprinzip gemäss Absatz 1 und 2 bleibt unverändert, ergänzt wird lediglich, dass Tie-re oder deTie-ren Halterinnen und Halter AdTie-ressaten des polizeilichen Handelns bilden können (vgl. bisher Art. 24 PolG). Absatz 3 schafft eine ausdrückliche Grundlage dafür, dass sich poli-zeiliche Massnahmen auch gegen sog. Zweckveranlasser richten dürfen. Als Zweckveranlas-ser gilt, wer durch sein Tun oder Unterlassen bewirkt oder bewusst in Kauf nimmt, dass ein anderer die Polizeigüter stört oder gefährdet. Er hätte faktisch oder rechtlich die Möglichkeit, auf die gefährdende Drittperson oder Sache einzuwirken und so die voraussehbaren Störun-gen zu vermeiden bzw. zu beenden. Als Beispiele sind ein Geschäftsinhaber zu nennen, der es unterlässt, bei einem zu erwartenden grossen Menschandrang (Geschäftseröffnung, Pro-duktlancierung, Rabattaktion, etc.) die nötigen Massnahmen zu treffen, um Zwischenfälle zu verhindern, oder die Organisatoren von Sportveranstaltungen sowie Kundgebungsveranstal-ter.7 Das Bundesgericht anerkennt das Institut des Zweckveranlassers: Das Gesetz kann auch Personen als Verursacher bezeichnen, die nicht Störer im polizeirechtlichen Sinne oder unmittelbare Verursacher sind. Voraussetzung für die Inpflichtnahme bildet nach der bundes-gerichtlichen Rechtsprechung jedoch, dass „ein hinreichend direkter funktioneller Zusammen-hang“ (BGE 138 II 111 E. 5.3.3) bzw. ein „unmittelbarer ZusammenZusammen-hang“ (BGE 1C_502/2015 vom 18.1.2017 E. 5.1 m.w.H. zur Publ. vorgesehen) zwischen dem Verhalten des Zweck-veranlassers und der Störung zwischen der Handlung der Person und der Kosten besteht, der eine normative Zurechnung erlaubt.

Artikel 7 2. Handeln gegenüber Dritten (polizeilicher Notstand)

Diese Bestimmungen legt, wie bisher und mit blossen redaktionellen Vereinfachungen, fest unter welchen Voraussetzungen sich polizeiliches Handeln gegen andere Personen als die Störerin oder den Störer richten darf. Die Marginalie bringt zum Ausdruck, dass es sich dabei um Notstandssituationen der Polizei handelt.

6BGE 137 II 431 E. 3.3 m.w.H.; BGer 1C_35/2015 vom 28. Oktober 2015 E. 3.3.

7Ausdrücklich BGE 1C_502/2015 vom 18. Januar 2017, E. 5.2 zur Publ. vorgesehen.

Kapitel 3: Aufgaben und Zuständigkeiten Abschnitt 3.1 Kantonspolizei und Gemeinden

Die Aufgabenteilung zwischen Kanton und Gemeinden bleibt mit der vorliegenden Revision unverändert. Das bisherige Gesetz stellt die Aufgaben und Zuständigkeiten einerseits in ei-nem Aufgabenkatalog mit gemeinsamen Aufgaben dar (Art. 1 PolG), andererseits weist es die jeweiligen Aufgaben in verschiedenen Artikeln der Kantonspolizei (Art. 2, 5, 7 und 11 PolG) und den Gemeinden zu (Art. 3, 4, 9 und 10). Neu sollen die Aufgaben konzentriert in drei auf-einanderfolgenden Artikeln aufgezählt werden: in einem gemeinsamen Aufgabenkatalog (Art. 8), einem Aufgabenkatalog für die Kantonspolizei (Art. 9 E-PolG) und einem Katalog für die Gemeinden (Art. 10). Damit können die Zuständigkeiten besser voneinander abgegrenzt werden, indem Aufgaben, die ausschliesslich dem einen oder anderen Träger zukommen (originäre Zuständigkeiten) nur diesem zugewiesen sind (z.B. gerichtspolizeiliche Zuständig-keit der Kantonspolizei gemäss Art. 9 Abs. 1 Bst. a E-PolG). Andererseits ermöglichen es se-parate Aufgabenkataloge, spezifische Aufgaben in einer präzisen gesetzlichen Grundlage zu umschreiben und so dem Legalitätsprinzip (Art. 5 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV8) Rechnung zu tragen. Eine Änderung der rechtli-chen Zuständigkeiten und Aufgabenverantwortlichkeiten ist damit nicht verbunden. Auch die heutigen Finanzierungsverantwortlichkeiten sollen grundsätzlich beibehalten werden.

Artikel 8 Gemeinsame Aufgaben von Kantonspolizei und Gemeinden

Generalklauselartig hält Absatz 1 zunächst die von Verfassung wegen (Art. 37 KV) gemein-same Aufgabe von Kantonspolizei und Gemeinden fest, durch konkrete Massnahmen auf operativer Ebene sowie durch Informationsarbeit (Beratung, Prävention) die öffentliche Si-cherheit und Ordnung (z.B. Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Gefahren und Übergriffen, Sicherheit im Strassenverkehr) zu gewährleisten. Absatz 2 konkretisiert diese Aufgabe im Bereich der Sicherheitspolizei, wobei im Wesentlichen die bisherigen Aufgaben gemäss Arti-kel 1 Absatz 1 PolG übernommen werden. Massgebend für die Aufgabenerfüllung in diesem gemeinsamen Aufgabenfeld und für die Aufgabenabgrenzung zwischen Kanton und Gemein-den sind das Subsidiaritätsprinzip sowie das Gewaltmonopol der Kantonspolizei (Art. 11 und 12 E-PolG), welche ebenso vorbehalten werden wie die originären und ausschliesslichen Zu-ständigkeiten der Kantonspolizei gemäss Artikel 9 E-PolG. Erfordert die Erfüllung der sicher-heitspolizeilichen Aufgaben die Androhung bzw. Anwendung von Zwang, ist die Kantonspoli-zei ausschliesslich zuständig (Art. 12 Abs. 1 E-PolG). GleichKantonspoli-zeitig ist sie wie bisher im Bereich der Sicherheitspolizei, parallel zu den Gemeinden, auch tätig, ohne direkt polizeilichen Zwang anzuwenden, etwa indem sie präventiv präsent ist (Patrouille), kurzfristig Gefahren abwehrt oder für die Sicherheit auf den Strassen sorgt.

Zu den einzelnen Buchstaben: Buchstabe a wird neu um die Gefahrenabwehr zugunsten von Tieren ergänzt. Buchstabe b entspricht geltendem Recht. Buchstabe c wird ebenfalls aus dem bisherigen Aufgabenkatalog übernommen (Art. 1 Abs. 1 Bst. c PolG). Massgebend sind hier die einschlägigen Gesetze von Bund (insbesondere Bundesgesetz vom 4. Oktober 2002 über den Bevölkerungsschutz und den Zivilschutz, BZG9) und Kanton (insbesondere Kantonales Bevölkerungsschutz- und Zivilschutzgesetz vom 19. März 2014, KBZG10). Buchstabe d ist neu und schafft für die polizeiliche Präventionsarbeit eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage.

Dies betrifft insbesondere Bereiche wie Einbruchschutz, Verkehrskundeunterricht, Aufklä-rungsarbeit zu «Skimming» und Cyberkriminalität usw. Buchstabe e hat in der nicht abschlies-senden Aufzählung («insbesondere») von Absatz 2 wie bisher (Art. 1 Abs. 1 Bst. f PolG) die Funktion eines Auffangtatbestandes für andere gesetzlich, d.h. durch Gesetz oder Verord-nung, der Kantonspolizei übertragene Aufgaben. Es ist jedoch anerkannt, dass das Be-stimmtheitserfordernis im Polizeirecht wegen der Besonderheit des Regelungsbereichs auf Schwierigkeiten stösst. Die Aufgaben der Polizei und die Begriffe der öffentlichen Sicherheit

8SR 101

9SR 520.1

10BSG 521.1

und Ordnung lassen sich kaum abstrakt umschreiben.11 Eine abschliessende Aufzählung der polizeilichen Aufgaben ist deshalb kaum möglich.

Die in Absatz 3 enthaltene Regelung zum Schutz privater Rechte entspricht bisherigem Recht (Art. 1 Abs. 2 PolG).

Artikel 9 Aufgaben der Kantonspolizei

Der Aufgabenkatalog präzisiert und konkretisiert einzelne Aufgaben der Kantonspolizei und nennt diejenigen Aufgaben, für die nur die Kantonspolizei zuständig ist.

Buchstabe a umschreibt die Aufgaben der gerichtlichen Polizei (vgl. bisher Art. 2 PolG). Neu erwähnt das Gesetz auch den Vorgang der «Erkennung» von Straftaten. Dies umfasst die polizeiliche Vorermittlung, für die eine bestimmte gesetzliche Grundlage geschaffen wird (vgl.

dazu die Ausführungen in Kapitel 7 zu Art. 72 E-PolG). Die Strafverfolgung liegt wie bis anhin (Art. 7 PolG) in der alleinigen Zuständigkeit der Kantonspolizei (vgl. jedoch zur Möglichkeit der Aufgabenübertragung auf die Gemeinden auch Art. 34 ff. E-PolG).

Buchstabe b präzisiert die Zuständigkeit der Kantonspolizei im Verkehrsbereich. Eine inhaltli-che Änderung geht damit nicht einher. Die erwähnten Massnahmen für die Aufrechterhaltung und Erhöhung der Verkehrssicherheit beinhalten nebst der Überwachung des Verkehrs und entsprechender Sanktionierung von Verkehrsregelverletzungen auch die Regelung des Ver-kehrs sowie die Signalisation (vgl. bisher Art. 4 PolG). Nebst dem Strassenverkehr betrifft die-se Kompetenz alle öffentlichen Verkehrsflächen, wie z.B. auch Skipisten. Ausdrücklich er-wähnt wird die Verkehrssicherheit auf öffentlichen Gewässern, eine Änderung der Aufgaben der Seepolizei ist damit nicht verbunden.

Buchstabe c ist die Nachfolgebestimmung von Art. 10 Abs. 2 PolG und kodifiziert die bisherige sicherheitspolizeiliche Praxis der Kantonspolizei zugunsten der Gerichte und der Staatsan-waltschaft (sog. «Plantondienst»): Für regionale Gerichtsbehörden (der bisherige Begriff der

«örtlichen» Gerichtsbehörden wird hier an die neue Gerichtsorganisation gemäss Gesetz vom 11. Juni 2009 über die Organisation der Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft

GSOG12 angepasst) und für die Staatsanwaltschaft sorgt die Kantonspolizei für Sicherheit und Ordnung während Einvernahmen und Gerichtsverhandlungen, sofern die konkreten Um-stände des Einzelfalls dies erfordern und die Sicherheit nicht anderweitig gewährleistet ist (z.B. Durchführung von Einvernahmen in speziell dafür vorgesehenen Räumlichkeiten; Beglei-tung durch Gefängnispersonal). Eine ständige kantonspolizeiliche Präsenz kommt nicht in Frage, für die Gewährleistung der allgemeinen Sicherheit (in Abgrenzung zu einer konkreten Gefährdungssituation), haben Staatsanwaltschaft und Gerichte selber zu sorgen. Der Trans-port zur Staatsanwaltschaft und zum Gericht (und zurück) gehört grundsätzlich nicht zum Auf-gabenbereich der Kantonspolizei. Bei der Beurteilung des jeweiligen Gefährdungspotentials (Gewalt- oder Fluchtpotential der betroffenen Personen) sowie der Frage der Notwendigkeit und des Ausmasses der kantonspolizeilichen Unterstützung (Einsatzstärke, Anwesenheits-dauer, alternative personelle oder institutionelle Sicherheitsvorkehren) ist die Kantonspolizei einzubeziehen.

Buchstabe d schafft neu eine explizite gesetzliche Grundlage für den Betrieb der kantonalen, alle im Kantonsgebiet tätigen relevanten Organisationen umfassenden Alarm- und Einsatz-zentrale, des kantonales Lagezentrums und eines einheitlichen Sicherheitsfunknetzes (vgl.

auch die Vorbemerkungen unter Ziff. 3.1.6). Um ihre Aufgaben in den Bereichen Sicherheit, Verkehr, Katastrophenschutz, Rettungswesen usw. effizient und flächendeckend wahrnehmen zu können, benötigt die Kantonspolizei die geeignete institutionelle und technische Infrastruk-tur, um relevante Informationen empfangen und weitergeben zu können und alle im Kantons-gebiet tätigen Organisationen zu erreichen, welche die Kantonspolizei unterstützen (z.B. Ret-tungsdienste, Feuerwehr, Rega, Zivilschutz). Damit stellt sie wie bisher (Art. 6 Abs. 2 PolG) für das ganze Kantonsgebiet den Empfang und die Weitergabe von Schadens- und

Alarmmel-11BGE 136 I 87 E. 3.1

12BSG 161.1

dungen sicher. Vorgesehen ist der Betrieb der kantonalen Alarm- und Einsatzzentrale aus Gründen der Ausfallsicherheit an zwei redundanten Standorten.

Gleichzeitig wird die Möglichkeit geschaffen, dass die Sicherheits- und Rettungsorganisatio-nen der verschiedeRettungsorganisatio-nen Fachbereiche (Polizei, Feuerwehr und Sanität) künftig unter einem Dach in der kantonalen Alarm- und Einsatzzentrale tätig werden können (vgl. hierzu auch Art.

66 E-PolG). Damit würden Synergien genutzt und Prozesse vereinfacht. Die konkrete Umset-zung dieses Unterfangens im äusserst komplexen Umfeld der Alarmierung und Einsatzdispo-sition erfordert indes weitere vertiefte Abklärungen und den entsprechenden politischen Wil-len.

Buchstabe e: Wie bisher (Art. 1 Abs. 1 Bst. e PolG) leistet die Kantonspolizei den Verwal-tungs- und Gerichtsbehörden Amts- und Vollzugshilfe soweit dies gesetzlich vorgesehen oder zur Durchsetzung der Rechtsordnung erforderlich ist. Verwaltungsbehörden sind etwa die Staatsanwaltschaft und die kantonale Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde. Gerichtsbe-hörden, für welche die Kantonspolizei und nicht die Gemeinde zuständig ist, sind das Oberge-richt sowie andere kantonale und ausserkantonale GeOberge-richte. Gegenüber den Gemeinden, denen eigene, primäre Zuständigkeiten im Bereich der Vollzugshilfe zukommen (vgl. Art. 5 Bst. a PolG), ist die Kantonspolizei in Anwendung des Subsidiaritätsprinzips (Art. 11 E-PolG) nur zuständig, wenn aufgrund der konkreten Umstände mit Gewalteinwirkung zu rech-nen ist und deshalb der Einsatz polizeilichen Zwangs notwendig sein könnte (vgl. bisher Art. 11 Abs. 1 PolG).13 Eine generelle Verpflichtung, unabhängig von einer konkreten Gefähr-dungssituation Vollzugshilfeleistungen im Zuständigkeitsbereich der Gemeinden zu überneh-men (insb. Zustellung), besteht weiterhin nicht. Die Gemeinden haben jedoch die Möglichkeit, polizeilich nicht gebotene Vollzugshilfeleistungen (insb. Zustellungen) vertraglich einzukaufen (s. dazu Art. 25 Abs. 3 E-PolG). Voraussetzung dafür bildet, dass genügend polizeiliche Res-sourcen zur Verfügung stehen, damit die Kantonspolizei ihre primären und zwingenden Auf-gaben zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit erfüllen kann. Die Planungserklärung Nr. 3 des Grossen Rates vom 11. September 2013 wird somit dahingehend umgesetzt, dass ein Einkauf im Rahmen des Ressourcenvertrags unter Vorbehalt genügender Ressourcen möglich ist.

Buchstabe f: In Umsetzung der entsprechenden Motion 334-2013 (Schönenberger, Schwar-zenburg) wird hier die Sicherstellung des Verkehrskundeunterrichts durch die Kantonspolizei ausdrücklich gesetzlich verankert.

Buchstabe g: Die sich aus dem Bundesrecht ergebenden kantonalen Aufgaben im Bereich des Staatsschutzes werden nun gesetzlich explizit der Kantonspolizei zugewiesen.

Absatz 2 enthält einen deklaratorischen Vorbehalt zugunsten weiterer, gesetzlich übertrage-ner Aufgaben der Kantonspolizei, die gleichermassen in die Erfüllungsverantwortung der Kan-tonspolizei fallen: Die Aufgaben und Zuständigkeiten der KanKan-tonspolizei ergeben sich nicht abschliessend aus dem Polizeigesetz. Verschiedene Bundesgesetze (z.B. Bundesgesetz vom 20. Juni 1997 über Waffen, Waffenzubehör und Munition, WG14), interkantonale Verpflichtun-gen (z.B. Konkordat vom 15. November 2007 über Massnahmen geVerpflichtun-gen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen15) oder andere kantonale Erlasse (z.B. KBZG) weisen der Kantonspoli-zei Aufgaben zur Erfüllung zu.

Absatz 3 verdeutlicht, dass mit Absatz 1 Buchstabe d keine grundsätzliche Änderung der Auf-gaben, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten verbunden ist. AufAuf-gaben, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten der Feuerwehr und der Sanitätspolizeien richten sich weiterhin nach ihrer jeweiligen Spezialgesetzgebung. Auch im sicherheitspolizeilichen Bereich soll die Finan-zierungsverantwortung unverändert bleiben.

13Vortrag zur Änderung des Polizeigesetzes, in Tagblatt des Grossen Rates 2006, Beilage 24, S. 8.

14SR 514.54

15BSG 559.14-1

Artikel 10 Aufgaben der Gemeinden

Absatz 1 verdeutlicht die primäre Verantwortung der Gemeinde für die Aufgaben der Sicher-heitspolizei, freilich unter Vorbehalt der zwangsweisen Durchsetzung durch die Kantonspolizei (Art. 12 Abs. 1 E-PolG): Unter Verweis auf die gemeinsamen Aufgaben von Kantonspolizei und Gemeinden gemäss Artikel 8 Absatz 2 Buchstaben a, bis d sowie Artikel 8 Absatz 3 E-PolG werden die sicherheitspolizeilichen Aufgaben definiert. Damit wird eins zu eins die bishe-rige Darstellung der Zuständigkeiten übernommen, die unverändert bleiben: Das bishebishe-rige Gesetz weist die Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitspolizei den Gemeinden zu (Art. 9 PolG) und definiert die Sicherheitspolizei in Artikel 3 Absatz 1 unter Verweis auf die gemein-samen Aufgaben gemäss Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a, b und c sowie Artikel 1 Absatz 2 PolG.

Absatz 2 nennt einzelne kommunale Aufgaben, die bereits bis anhin der Gemeinde zur Erfül-lung übertragen sind:

Buchstabe a übernimmt die Formulierung von Artikel 10 Absatz 1 PolG. Den örtlichen Gerich-ten entsprechen in der aktuellen bernischen Gerichtsorganisation die Regionalgerichte (vgl.

Art. 2 GSOG). An der Amts- und Vollzugshilfezuständigkeit der Gemeinden ändert sich somit nichts, ebenso wenig an der subsidiären Verpflichtung der Kapo, Vollzugshilfeleistungen zu-gunsten der Gemeinden nur erbringen zu müssen, wenn dies polizeilich geboten ist (vgl.

Art. 11 Abs. 1 PolG sowie die Ausführungen zu Art. 9 Abs. 1 Bst. e E-PolG).

Buchstabe b präzisiert die Zuständigkeiten der Gemeinden im Bereich Verkehrspolizei, wel-che Artikel 9 PolG bereits bis anhin der Gemeinde zur Erfüllung überträgt. An dieser Zustän-digkeit ändert sich ebenso wenig wie an der ZustänZustän-digkeit der Kantonspolizei für gerichtspoli-zeiliche Leistungen im Bereich der Verkehrspolizei zur Verfolgung von Verkehrsdelikten (s.

Art. 9 Abs. 1 Bst. a E-PolG; s. zur möglichen Übertragung gerichtspolizeilicher Aufgaben an die Gemeinde s. Art. 34 f. E-PolG Art. 8 PolG). Die Gemeinde ist somit für die Sicherheit des Strassenverkehrs (mit)verantwortlich. In baulicher und betrieblicher Hinsicht (z.B. Glatteisge-fahr) ist die Sicherheit auf Kantonstrassen indes eine umfassenden Kantonsaufgabe (Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion) und die Gemeinden sind nur für die Abwehr ausserordentli-cher Gefahren zuständig. Dazu gehört zum einen die unmittelbare Gefahrenabwehr und die Aufrechterhaltung des störungsfreien Verkehrsflusses (z.B. Wegschaffen von toten Tieren oder Hindernissen und Gegenständen auf der Fahrbahn). Für die Sicherheit des Strassenver-kehrs hat die Gemeinde zum andern auch insofern zu sorgen, als sie entsprechende polizeili-che Leistungen der Kantonspolizei einzukaufen hat. Abgesehen von Präventions- und Bera-tungsleistungen der Kantonspolizei betrifft dies insbesondere Leistungen zur Überwachung des (ruhenden oder rollenden) Verkehrs, d.h. die Kontrolle über die Einhaltung der von

Höchstgeschwindigkeiten, Fahrverboten, Parkordnungen sowie Atemlufttest u.dgl. zur Prüfung der Fahrfähigkeit, wenn die Gemeinde entsprechende Zuwiderhandlungen feststellt. Des Wei-teren ist die Gemeinde aufgrund der Strassengesetzgebung zum Erlass von Verkehrsanord-nungen zuständig sowie zum Anbringen von Signalisationen und Markierungen auf den Ge-meindestrassen (Art. 66 Abs. 2 und 3 des Strassengesetzes vom 4. Juni 2008, SG16). Auf die Strassenverkehrsgesetzgebung wird generell verwiesen. Für Kantonsstrassen präzisiert das E-PolG die Zuständigkeit der Gemeinden dahingehend, dass diesen die kurzfristige Regelung und Signalisation obliegt.

Buchstabe c betreffend die Bewilligungszuständigkeit für Veranstaltungen entspricht bisheri-gem Recht (Art. 10a Abs. 1 Bst. b PolG). Auch die Pflicht der Gemeinde, die Kantonspolizei vorgängig anzuhören bei Veranstaltungen, die zwangsläufig den Einsatz der Kantonspolizei mit sich bringen (insb. Grossveranstaltungen oder Veranstaltungen mit erhöhtem Sicherheits-bedarf), entspricht bisherigem Recht (Art. 12f Abs. 1 Satz 2 PolG). Dadurch ist gewährleistet, dass die Kantonspolizei sicherheitsrelevante Aspekte (Personenaufkommen, Hintergrund der Teilnehmenden, Gewaltbereitschaft, Örtlichkeiten usw.) bereits im Bewilligungsverfahren ein-bringen kann. Der Bewilligungsbehörde obliegt es alsdann, den berechtigten öffentlichen so-wie privaten Sicherheitsinteressen im Rahmen der Bewilligungserteilung Rechnung zu tragen,

16BSG 732.11

indem ausreichende Sicherheitsvorkehren getroffen und die erforderlichen Leistungen der Kantonspolizei bereit gestellt werden können. Andernfalls ist die Bewilligung zu verweigern.

Buchstabe d entspricht bisherigem Recht (Art. 10a Abs. 1 Bst. c PolG).

Artikel 11 Subsidiäres Handeln

Bereits bis anhin galt für die Zuständigkeiten der Kantonspolizei und der Gemeinden das Sub-sidiaritätsprinzip (Art. 5 PolG) .Gemäss Absatz 1 werden die Kantonspolizei und die Gemein-den nur tätig, wenn keine andere Behörde zuständig ist oder diese nicht rechtzeitig handeln kann. Wo die Kantonspolizei originär und ausschliesslich zuständig ist, greift das Subsidiari-tätsprinzip nicht (z.B. Strafverfolgung inkl. polizeiliches Ermittlungsverfahren, Betrieb Alarm-zentrale und Funknetz, etc.).

Artikel 12 Gewaltmonopol der Kantonspolizei

Das Gewaltmonopol (vgl. Art. 11 Abs. 1 PolG), verstanden als Befugnis unmittelbaren Zwang gegen Personen oder Sachen anzudrohen und anzuwenden, liegt gemäss Absatz 1 im Kan-ton Bern ausschliesslich bei der KanKan-tonspolizei als Einheitspolizei für das ganze KanKan-tonsge- Kantonsge-biet (vgl. die Ausnahmen gemäss Abs. 3). Das Gewaltmonopol ist nach dem Verständnis des Polizeigesetzes zudem in jedem Fall ein staatliches Gewaltmonopol; die gesetzliche Übertra-gung von polizeilichen Zwangsbefugnissen auf Private, insbesondere private Sicherheitsun-ternehmen, ist nach dem bernischen Polizeigesetz ausgeschlossen (vgl. die Ausführungen hinten zu Art. 77 E-PolG). Absatz 2 präzisiert neu, dass nur diejenigen Polizeiangehörigen polizeilichen Zwang androhen bzw. anwenden dürfen, welche die dafür erforderliche Ausbil-dung absolviert haben. Von der Befugnis zur GewaltanwenAusbil-dung ausgenommen sind demnach zivile Angestellte (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Polizeistatus) der Kantonspolizei, z.B im Supportbereich.

Ausnahmen vom Gewaltmonopol der Kantonspolizei zu Gunsten der Gemeinden oder ande-rer Behörden und Institutionen sind möglich, bedürfen aber gemäss Absatz 3 einer ausdrück-lichen Grundlage im Polizeigesetz oder einem anderen Erlass des Kantons oder des Bundes.

Diese formell-gesetzliche Grundlage muss präzise vorsehen, wer befugt ist, welche

Diese formell-gesetzliche Grundlage muss präzise vorsehen, wer befugt ist, welche

Im Dokument Polizeigesetz (PolG) (Seite 15-24)