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Grundlagen von Veränderungen und

4 Grundlagen eines systemischen Change Managements

4.3 Grundlagen von Veränderungen und

Das Identitätsparadox „wer derselbe bleiben will, muss sich verän-dern“ (Bateson (1985), S. 429) gilt auch für Organisationen, da diese nicht isoliert bestehen, sondern immer als Einheit aus System und rele-vanten Umwelten. Durch Veränderung einer relerele-vanten Umwelt kommt es zu einer Irritation der Organisation. Erfolgt keine angemessene Re-aktion auf die Irritation durch Veränderung, endet die Autopoiese. Vor allem wirtschaftliche Organisationen sind mit einer großen und schnel-len Veränderungsnotwendigkeit konfrontiert. Sie sehen sich wirtschaft-lichen, sozialen, politischen und weiteren „Realitäten“ gegenüber. In der Zugrundelegung des Konstruktivismus sind diese Realitäten allerdings immer ein Konstrukt von Beobachtern, so dass ungewiss bleibt, was als Realität zu betrachten ist (Vgl. Simon (2009), S. 102 f.).

Einen Anknüpfungspunkt hinsichtlich Veränderungen in Organisati-onen und ihrer Bewältigung bietet die moderne Evolutionstheorie, wo-bei dieses Verständnis mit dem Konzept der „lernenden Organisation“

vergleichbar ist (Vgl. Simon (2009), S. 103 f.), wie es in Kapitel 2.1 nach Argyris und Schön vorgestellt wurde. Für Evolution sind die drei Prozesse der Variation, Selektion und Retention verantwortlich (Vgl.

Weick (1985), S. 179). Variationen können in veränderten Verhaltens-weisen bzw. Kommunikationsmustern beobachtet werden. Die Ursache dafür, ist die Variation von Entscheidungsprämissen. Veränderungen können demnach auf Ebene der Personen, hinsichtlich der Kommunika-tionswege oder der Programme beobachtet werden, welche die drei wichtigsten Entscheidungsprämissen in Organisationen darstellen.

Auch die Organisationskultur kann hier miteinbezogen werden, welche sich aber eher langsam verändert (Vgl. Simon (2009), S. 105 f.). Die Selektion betrifft den Strukturbildungswert von Variationen, also den Eingang in die Kommunikationsstruktur, die Retention schließlich de-ren langfristigen Erhalt hinsichtlich der Restabilisierung in der Sys-temumwelt (Vgl. Luhmann (2011), S.352). Unverzichtbare Bestandteile eines Veränderungsprozesses sind neben der Variation also, die Umset-zung und Implementierung (Selektion) sowie die Prüfung der Tauglich-keit für das Überleben mit den relevanten Umwelten (Retention). Vari-ationen treten massenhaft auf und werden daher oft wieder vergessen, wodurch sich das System entlastet, sie können aber auch die Strukturen

des Systems langfristig verändern. Die Evolutionstheorie geht zunächst davon aus, dass die Prozesse von Variation, Selektion und Retention von selbst stattfinden und in diesem Zusammenhang organisationales Ler-nen erfolgt. Eine lerLer-nende Organisation ist daher anzustreben, noch be-vor der Organisation von außen Transformationsmaßnahmen aufge-zwungen werden (Kasper (2007), S. 41). Dennoch ergeben sich, wie in Kapitel 2 dargestellt, auch tiefgreifende Veränderungsnotwendigkeiten, die das Eingreifen eines Change Managers erfordern, was auch in der Abgrenzung von Organisationsentwicklung und Change Management begründet wurde. Da dieser Arbeit das Vorgehen des Change Manage-ments zugrunde liegt, wird in diesem Zusammenhang die Möglichkeit der aktiven Veränderung näher betrachtet.

Die Neuere Systemtheorie geht davon aus, dass natürlich auch plan-mäßige Änderungen stattfinden können, was an dieser Stelle jedoch keine Planbarkeit des gesamten Veränderungsprozesses impliziert. Ver-änderungen sind nämlich stets in einen evolutionären Prozess eingebet-tet (Vgl. Luhmann (2011), S. 352 f.). Es ist daher für Veränderungsma-nager schwer möglich, die Steuerung des Prozesses zu übernehmen.

Dennoch können sie in diesem, wie auch in der gesamten Organisation als Gestalter fungieren, indem sie Veränderungen initiieren und fördern (Vgl. Simon (2009), S. 108; Schmidt, S. (2012), S. 65). In dem Ver-ständnis der Neueren Systemtheorie wird von der Vorstellung, dass das Management Top-Down, in linear-kausalen Zusammenhängen und Zweck-Mittelrelationen, die einem klassischen Rationalitätsparadigma folgen, handelt, Abschied genommen. Eine Ambiguitätstoleranz als Umgang mit widersprüchlichen und paradoxen Entscheidungslagen so-wie die Fähigkeit einer gezielten Musterunterbrechung wird benötigt (Vgl. Schumacher/Rüegg-Stürm (2012), S. 4 f.). Es wird angenommen, dass soziale Systeme die Zustände der Ordnung, der Nicht-Ordnung und Phasenübergänge annehmen können. Für das Management ergeben sich somit die Aufgaben eine geordnete Struktur aufzubrechen sowie eine geordnete Struktur aus Chaos zu bilden (Vgl. Bergmann (2014), S. 114).

In diesem Sinne ist es Aufgabe des Managers, die Strukturen so zu ge-stalten, dass eine Selbstorganisation der Unternehmung gefördert wird.

„The fundamental role of managers is to shape and create contexts in which appropriate forms of self-organisation can occur.“ (Morgan (1997), S. 267). Aus dem Grund, dass die Selbstreproduktion auf dem

Kommunikationssystem basiert, ist die Gestaltung der Kommunikation ein wichtiger Anknüpfungspunkt.

Die Psyche der Führungskraft wird als Umwelt der Organisation an-gesehen, so dass eine Entscheidung lediglich mitgeteilt werden und sich die Führungskraft an der Kommunikation beteiligen und sie beobachten kann. Auch vor der Mitteilung spielt die Kommunikation eine entschei-dende Rolle, da die Entscheidung auf Basis von Informationen getroffen wird, die der Entscheider erhält. Welche dies sind, hängt von formalen und informellen Kommunikationswegen als Entscheidungsprämissen ab. Diese sorgen dafür, dass Informationen ausgesiebt und modifiziert werden. Eine Führungskraft, die sich bewusst ist, dass sie für Entschei-dungen verantwortlich gemacht wird, die Ergebnis eines heterarchi-schen Kommunikationsprozesses sind, hat die Möglichkeit, das Kom-munikationssystem zu verändern. Zu diesem Zweck kann die Führungs-kraft bestehende Muster durchbrechen, neue Variationen einführen oder vollkommen neue organisatorische Einheiten begründen. Hier zeigt sich der aktive Charakter des Change Managements. Ausgehend von einer lerntheoretischen Sichtweise wären eingeführte Variationen mit Versu-chen zu vergleiVersu-chen und es wird nach einer „Versuch-Irrtum“-Logik vorgegangen (Vgl. Simon (2009), S. 108 ff.).

Die Frage, wie es der Person des Entscheiders bzw. des in dieser Ar-beit betrachteten Veränderungsmanagers bei dieser Art der Steuerung gelingen kann, zielgerichtet zu kommunizieren, ist damit noch nicht be-antwortet. Ein entscheidender Aspekt unter systemtheoretischer trachtungsweise ist in diesem Zusammenhang die Erhöhung der Be-obachtungskompetenz bei Entscheidern in Unternehmen durch eine Schärfung der Wahrnehmungsfähigkeit (Vgl. Schmidt, S. (2012), S. 64).

Um die Dynamik komplexer, sozialer Systeme zu verstehen, ist Be-obachtung erforderlich (Vgl. Müller (2012), S. 133). Nach Willke ist es lediglich die Kunst der genaueren Beobachtung, die Laien von Experten unterscheidet. In einem Prozess der Professionalisierung wird der

„Blick“ geschult, um die Fähigkeit zu erlangen, „zu Beobachtungsmög-lichkeiten zu kommen, wo andere nichts sehen.“ (Willke (2005), S. 12) Und auch um in diese Art von System steuernd Einfluss zu nehmen, ist das Managen von Beobachtungen erforderlich. Die Einflussnahme voll-zieht sich über die Fokussierung von Aufmerksamkeit, da Aspekte, die nicht in die Aufmerksamkeit der Kommunikationsteilnehmer gelangen,

in der Organisation nicht beobachtet werden und folglich keine soziale Realität durch Kommunikation erlangen können. (Vgl. Simon (2013), S. 13). Als eines der wichtigsten Steuerungs- und Führungsinstrumente innerhalb von Organisationen wird daher die Fokussierung der Auf-merksamkeit und damit die Steuerung der Beobachtung gesehen (Vgl.

Simon (2009), S.115 f.). Durch das Managen von Beobachtungen kann die Beobachtung zudem so fokussiert werden, dass sie stärker auf einen oder mehrere Gegenüber ausgerichtet ist und so die „doppelte Kontin-genz“ überwinden kann, die die Kommunikation unwahrscheinlich macht. Ein wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit der Beobachtungs-kompetenz des Veränderungsmanagers ist auch die Fähigkeit der Selbst-beobachtung und damit die Entwicklung eines Bewusstseins für die ei-genen blinden Flecken. So kann das Potenzial weiterer Beobachtungen anerkannt werden (Vgl. Wimmer (2009), S. 10). Die hier beschriebenen Grundlagen eines systemischen Change Managements liefern Anknüp-fungspunkte für die vergleichende Analyse, die als Kernstück dieser Ar-beit im folgenden Kapitel durchgeführt wird.

5 Vergleichende Analyse ausgewählter Change