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Grundlagen der systemischen Organisationstheorie

4 Grundlagen eines systemischen Change Managements

4.2 Grundlagen der systemischen Organisationstheorie

Ein entscheidendes Merkmal in der Beschreibung von Organisatio-nen im Rahmen der systemischen Organisationstheorie, ist die Differenz zwischen der Organisation und ihren Mitgliedern. Die Organisations-mitglieder werden als Umwelten des sozialen Systems „Organisation“

betrachtet. Aus diesem Grund können Organisationen als autonome, so-ziale Überlebenseinheiten länger erhalten bleiben als ihre Mitglieder (Vgl. Simon (2009), S. 14 f.). Dennoch sind es Individuen, nicht Orga-nisationen, die handeln. Charakteristisch ist aber, dass das Personal prin-zipiell austauschbar ist, da mit der Zeit koordinierte Handlungssysteme entstehen, die die Handlungen einer Vielzahl von Akteuren miteinander verbinden. Die zu beobachtenden Handlungsmuster können als Ergeb-nis von Kommunikation erklärt werden und sind damit Kommunikati-onssysteme (Vgl. Simon (2009), S. 15 ff.). Organisationen bilden sich, wie alle anderen sozialen Systeme, in Abgrenzung zur Umwelt. Organi-sationen und relevante Umwelten bilden dabei jedoch eine Überlebens-einheit, beeinflussen sich also gegenseitig. Wenn beispielsweise die Mitglieder der Organisation als relevante Umwelten, keine Motivation mehr haben, diese am Leben zu erhalten, kann sie nicht fortbestehen. Es ist folglich nicht möglich, dass Organisationen unabhängig von ihren Umwelten operieren, so dass sie intern auf ständige Irritationen von au-ßen reagieren müssen (Vgl. Simon (2009), S. 31 ff.).

Insbesondere die Mitglieder der Organisation und damit die psychi-schen Systeme als Umwelten sind von entscheidender Bedeutung. Die prinzipielle Unterscheidung von psychischen und sozialen Systemen hat zur Folge, dass lediglich ein Teil der psychischen Prozesse eines Indivi-duums soziale Existenz oder Bedeutung erlangt und zwar nur der Teil, der in die Kommunikation gelangt. Wenn Wahrnehmungen also nicht kommuniziert werden, nimmt die Organisation diese nicht wahr, da sie selbst nicht über Mittel der sinnlichen Wahrnehmung verfügt. Nehmen also beispielsweise die Mitglieder persönlich wahr, dass eine Verände-rung notwendig ist, dies wird aber nicht thematisiert, kommt es auch zu keiner Veränderung (Vgl. Simon (2009), S. 37 ff.). Die Wechselwirkung zwischen den Systemen bedeutet, dass Mitglieder Einfluss auf die Struk-turen der Organisation haben, wobei auch die Geschehnisse in der Or-ganisation Einfluss auf die Psyche der Mitglieder haben können (Vgl.

Simon (2009), S.40 f.). So können Change Maßnahmen in der Organi-sation beispielsweise Ängste bei den OrganiOrgani-sationsmitgliedern auslö-sen, während sich die Veränderungen nicht durchsetzen können, wenn diese Ängste zu tiefgehenden Widerständen werden.

Organisationen werden als Kommunikationssysteme betrachtet. Die Struktur der Organisation besteht demnach aus Kommunikationen und ihren Relationen. Diese Elemente werden durch die Kommunikation von Erwartungen in eine Ordnung gebracht. Erwartungen werden kom-muniziert und erwartet, was dann mit einer gewissen Wahrscheinlich-keit zu einer Erfüllung der Erwartungen führt (Vgl. Simon (2009), S. 45 ff.). Die Basis dafür, dass Erwartungen entstehen und bestätigt werden sind bestimmte Regeln, während die Erwartungen wiederum dafür sor-gen, dass die Gebote und Verbote befolgt werden. Es ist die repetitive Anwendung von bestimmten Routinen (Spielregeln), die zur Aufrecht-erhaltung der Struktur führt. Durch zielgerichtete Einführung neuer Spielregeln, können neue Verhaltensmuster und Strukturen etabliert werden. Dies ist daran gebunden, dass die Befolgung sowie Nichtbefol-gung der „Regeln“ beobachtet wird und Konsequenzen hat (Vgl. Simon (2009), S. 49 ff.).

Die Struktur bzw. das Netzwerk der organisationsinternen Kommu-nikationen erweist sich als implizites Wissen der Organisation über ihre relevanten Umwelten. Durch jede Wiederholung von Verhaltens- und Kommunikationsmustern bestätigt sich das Wissen. Zum einen gilt demnach die Organisation durch ihre Struktur als Gedächtnis der Orga-nisation, zum anderen kann Gedächtnis und Wissen der Organisations-mitglieder nutzbar gemacht werden. Dies gilt allerdings wiederum nur, wenn es in die Kommunikation eingebracht wird. Da das Wissen der Organisation aber in ihren Strukturen und Prozessen liegt, ist eine ler-nende Organisation in der Lage, ihre Strukturen und Prozesse zu verän-dern (Vgl. Simon (2009), S. 63 f.). Zugrunde liegt die Prämisse, dass Lernen als Veränderung von Wissen angesehen wird (Vgl. Bateson (1985), S. 367 ff.).

Auf Wissen, welches aus Erfahrung abgeleitet wird sowie auch auf Nichtwissen über die Zukunft basieren Entscheidungen. Wird eine Ent-scheidung kommuniziert, dient sie als Grundlage für weitere Entschei-dungen für die Mitglieder der Organisation, so dass sie sich verhalten

als ob die Zukunft sicher wäre. Dieses Verhalten wird daher dem Kon-zept der Unsicherheitsabsorption zugeordnet (Vgl. Simon (2009), S. 66 ff.). Hierin besteht gerade die Leistung und Funktion der Organisation, da Anschlussentscheidungen ermöglicht werden, ohne vorherige Ent-scheidungen infrage zu stellen (Vgl. Baecker (2003), S. 34). Die Orga-nisation hat jedoch kein Gedächtnis dafür, welche Entscheidung getrof-fen wurde, so dass eine fortwährende Unsicherheit beibehalten wird (Vgl. Simon (2009), S. 69). Unsicherheit ist jedoch kein dysfunktionaler Zustand, sondern die wichtigste Ressource der Autopoiesis des Systems, da ohne Unsicherheit nichts zu entscheiden wäre. Die Organisation würde sich in einem Zustand kompletter Selbstfestigung befinden und damit aufhören zu existieren (Vgl. Luhmann (2011), S. 186). Indem eine Entscheidung als Grundlage für eine weitere Entscheidung dient, fun-giert diese als Entscheidungsprämisse. Entscheidungsprämissen werden nach ihrer Anschlussfähigkeit an die bisherige Kommunikation ausge-wählt und dienen dazu, den Spielraum für die Mehrzahl von Entschei-dungen einzuschränken. Damit kommt es zur Komplexitätsreduktion (Vgl. Luhmann (2011), S. 222 ff.). Es lässt sich zusammenfassen, dass Organisationen entstehen und sich reproduzieren, wenn es zur Kommu-nikation von Entscheidungen kommt. Dies ist das wichtigste Merkmal des sozialen Systems „Organisation“, während alle anderen Kriterien se-kundär sind (Vgl. Luhmann (2011), S. 63).

Auch die Führung bzw. das Management von Organisationen obliegt einer systemischen Betrachtungsweise. Da die Organisation vor dem Hintergrund der Systemtheorie grundsätzlich auf Kommunikations-strukturen, nicht auf einzelnen Personen basiert, gelten die Mitglieder und somit auch Führungskräfte grundsätzlich als austauschbar. Paradox ist jedoch, dass sich konkrete Personen als nicht austauschbar erweisen.

Insbesondere können hier unterschiedliche Führungspersönlichkeiten genannt werden. Diese unterscheiden sich aber nicht durch psychische Eigenschaften, sondern die unterschiedliche Führung ist sozial, und durch in der Kommunikation entstandene Aspekte, zu begründen, da das psychische System ohne Kommunikation nicht nach außen gekehrt wer-den kann. Nur durch die Kopplung der Organisation mit psychischen Systemen ist zudem ein Zugang zur Kompetenz, Intelligenz, Kreativität und Urteilsfähigkeit von Individuen möglich. Psychische Umwelten können der Organisation ein Irritationspotenzial zur Verfügung stellen und so Routinen aufbrechen (Vgl. Simon (2009), S. 73 ff.).

4.3 Grundlagen von Veränderungen und