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Teil B gewählt wurde. Anschließend folgt der Katalog der Gräber, in dem alle besproche-nen Gräber mit Angaben zur Lage, den Bestattungen und den Funden vorgestellt werden.

In gleicher Weise werden die Opferstellen behandelt. Schließlich wird eine Liste der Grab-steine aus der Westtor-Nekropole gegeben, in die auch Steine gleicher Form mit aufge-nommen werden, die aus anderen Grabungen in der Nekropole stammen.

Am Schluß der Arbeit folgt ein großer Teil mit Abbildungen und Tafeln. Zunächst sind im Abschnitt „Abbildungen Funde“ fast alle Fundstücke aus den Gräbern und Opferstellen in Umzeichnung gezeigt. Die Darstellung in Umzeichnung wurde deshalb gewählt, da die wichtigsten Stücke bereits publiziert sind und da alle Stücke im gleichen Maßstab

darge-stellt werden konnten. Die Zeichnungen werden durch einen kleinen Tafelteil ergänzt, in dem neben besonders wichtigen Stücken diejenigen Objekte abgebildet sind, die in den bisherigen Grabungspublikationen bisher noch nicht vorgestellt wurden. Der folgende Ab-schnitt „Abbildungen Gräber“ zeigt detaillierte Pläne eines jeden Grabes mit der Fundlage der Objekte, der Abschnitt „Abbildungen Grabsteine“ die in den Jahren 1989-1994 gebor-genen Grabsteine. Abschließend folgen Pläne zur Stadt sowie zur Nekropole.

A. ASSOS – STADT UND NEKROPOLE

Zur Lage und Geschichte der Stadt Assos

Die antike Stadt Assos liegt an der Südküste der Troas am Golf von Adramytteion gegen-über der Insel Lesbos. Sie befindet sich auf dem höchsten Punkt eines schmalen Bergrü-ckens vulkanischen Ursprungs, der entlang der Küste verläuft und auf ganzer Länge steil zum Meer abfällt (Plan 1).1 Nach Norden läuft der Bergrücken in ein breites fruchtbares Tal aus, das von dem Fluß Satnioeis2 (jetzt Tuzla Cay), der aus dem nahen Ida-Gebirge kommt und in der Nähe der antiken Stadt Alexandreia Troas ins Meer mündet, in ostwest-licher Richtung durchzogen wird. Im Bereich der Stadt wird der Bergrücken von einem weithin sichtbaren Vulkankegel gekrönt, der bis zu einer Höhe von 234 m steil über der Küste aufragt.3 Um diese Akropolis, auf der sich der berühmte Athenatempel befand, er-streckt sich das antike Stadtgebiet. Der Siedlungsschwerpunkt mit der Agora und den öf-fentlichen Bauten lag auf der abschüssigen Seeseite, während über die Landseite wenig bekannt ist, da sie heute durch das moderne türkische Dorf Behramkale überbaut ist. Die antike Stadt besaß einen künstlich angelegten Hafen mit zwei Hafenbecken, deren Überres-te noch unÜberres-ter der Wasseroberfläche zu sehen sind.4

Schon die günstige strategische Lage auf dem die ganze Küste beherrschenden Hügel läßt erwarten, daß der Beginn der Siedlungstradition sehr lange zurückreicht.5 Der Zeitpunkt der Stadtgründung6 wird von Robinson7 in das 7. Jahrhundert v.Chr. gesetzt, von Serda-roglu8 aufgrund von Funden spätgeometrischer Keramik schon in das späte 8. Jahrhundert.

Mit den Tochterstädten Gargara9 und Lamponia beherrschte Assos die gesamte Südküste der Troas. An der Wende zum 5. Jahrhundert befand sich die Stadt als Teil der Satrapie des hellespontischen Phrygien noch unter persischer Herrschaft, hatte aber einen wirtschaftli-chen Aufschwung genommen,10 der sich beispielsweise im Bau des reichgeschmückten Athenatempels niedergeschlagen hatte.11 Nach der Erringung der Freiheit 479 v.Chr. wur-de Assos bald Mitglied wur-des attisch-wur-delischen Seebunwur-des, war aber mit einem jährlichen Beitrag von nur einem Talent von bescheidener Bedeutung.12 Cook und Ruschenbusch haben versucht, aus der Phoroshöhe die Bevölkerungszahl der Stadt zu ermitteln.13 Tenger

1 Zur Geologie von Assos bei: J.S. Diller in: Clarke (1882) 166ff. Allgemein zu Assos: Cook (1973) 240-250.

Zuletzt Der Neue Pauly 2 (1997) 112f. s.v. Assos (Schwertheim).

2 Nach Strab. 13, 610 auch Saphnioeis. Dazu Leaf (1923) 252.

3 Die Höhenangaben schwanken. Virchow (1884) 5 Anm. 1, nennt 229 m, während Clarke (1882) 234 m maß. Die neueste Angabe stammt von Lazzarini (1994) 106 mit 238 m, doch folgt er damit nur Leaf (1923) 291.

4 K. Lehmann-Hartleben, Die antiken Hafenanlagen des Mittelmeeres, Klio Beih. 14 (1923) 246.

5 Zur Geschichte von Assos Clarke/Bacon/Koldewey 1-5; Leaf (1923) 295ff.; R. Stupperich, Boreas 13, 1990, 27; für den Hellenismus und die Kaiserzeit sind die Quellen bei Zelle (1997) 3-8 zusammengetragen.

6 Lt. Strab. 13, 610 Gründung von Methymna aus; Steph. Byz. s.v. Ασσος nennt Mytilene.

7 Cook (1973) 240ff.; The Princeton Encyclopedia of Classical Sites (1976) s.v. Assos 104f. (Robinson).

8 Serdaroglu (1990) 2f.

9 Strab. 13, 610; Cook (1973) 255 (Gargara), 261 (Lamponia).

10 J.T. Clarke, Report on the Investigations at Assos, 1881 (1882) 69; C.H. Jeffery, Archaic Greece (1976) 239f.

11 U. Finster-Hotz, Der Bauschmuck des Athenatempels von Assos (1984); A. Johnston – B.D. Wescoat, EpigrAnat 11, 1988, 1ff.; B.D. Wescoat in: Πρακτικα του ΧΙΙ διεθνους συνεδριου κλασικηςαρχαιολογιας.

Athen 1983 (1988) IV 215ff.; B.D. Wescoat, AJA 91, 1987, 553ff.; R. Stupperich in: Ü. Serdaroglu – R.

Stupperich (Hrsg.), Ausgrabungen in Assos 1992. Asia Minor Studien 21 (1996) 33ff.

12 R. Meiggs, The Athenian Empire (1972) 540ff. I. Nr. 35.

13 Cook (1973) 383; E. Ruschenbusch, ZPE 53, 1983, 142. Zu dieser Methode kritisch L. Nixon – S. Price, in: O. Murray – S. Price, The Greek City (1990) 137ff.

hat jedoch gezeigt, daß die Höhe des zu zahlenden Betrages nicht von der Bevölkerung, sondern von der Wirtschaftskraft und den Einkünften der Stadt abhängt, die im Falle von Assos offenbar als nicht allzu hoch angesehen wurden.14 In dieser Zeit beginnt die Stadt auch eine eigene Münzprägung.15 Der häufige Wechsel der Herrscher, der über das gesam-te 4. und 3. Jahrhundert in enger Folge anhält, scheint die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt nicht dauerhaft negativ beeinflußt zu haben. Zunächst fällt die Stadt nach dem Kö-nigsfrieden 387 an das Perserreich. Mit der Oberherrschaft des Großkönigs konnten sich die kleinasiatischen Griechenstädte offenbar ganz gut arrangieren.16 Unter Ausnutzung der durch die Satrapenaufstände entstandenen Schwächesituation des Perserreiches etablierten sich wenig später in einigen Städten der Troas Tyrannenherrschaften, unter denen Assos eine über die Region hinausreichende Rolle spielen sollte. Kurz nach 365 trat der Bankier Euboulos, der ursprünglich im Auftrag der persischen Satrapen Geldgeschäfte abwickel-te,17 eine Tyrannis in Assos an. Nach dessen rascher Ermordung ging die Macht auf seinen Schüler und Geschäftspartner Hermias von Atarneus über, der in seinen Machtbereich noch weitere Küstenstädte der südlichen Troas und der Äolis einbeziehen konnte.18 Hermi-as war ein schillernder Potentat mit philosophischen Ambitionen.19 Bei einem früheren Aufenthalt in Athen hatte er philosophische Vorlesungen an der Akademie besucht und ist dort auch dem jungen Aristoteles begegnet.20 Um 347 konnte er ihn schließlich gewinnen, zusammen mit anderen Philosophen nach Assos zu kommen und hier unter der Schirm-herrschaft des Tyrannen eine philosophische Schule in der Nachfolge der platonischen Akademie einzurichten.21 Was die Philosophen am Standort Assos gereizt hat, war offen-bar die Verbindung von Philosophie mit politischer Praxis, die durch die Bereitschaft des Tyrannen gegeben war, seine Herrschaft unter philosophischen Grundsätzen zu führen.22 Die Verknüpfung von Philosophie und Politik ist in der philosophischen Literatur immer wieder gefordert worden, obwohl praktische Versuche dieser Art nie von Erfolg gekrönt waren. Hermias hatte den Philosophen Assos als Wohnsitz zugewiesen und für ihr Aus-kommen gesorgt, wird ihnen jedoch kaum die politische und administrative Verwaltung der Stadt gleich mit überlassen haben.23 In Assos entstand nun ein Teil der philosophischen Studien des Aristoteles, der hier eng mit seinem Schüler Theophrast zusammenarbeiten konnte. Dessen Schrift „Über das Feuer“ ist vermutlich ebenfalls in Assos entstanden.24 Der Versuch des idealen Staates ist ohne Erfolg geblieben. Bereits nach wenigen Jahren verließen Aristoteles und Theophrast die Stadt und siedelte nach Mytilene über. Gegen 341 wurde Hermias auf Betreiben der Perser in eine Falle gelockt und ermordet.25 In der

14 B. Tenger, in: Studien zum antiken Kleinasien III. Asia Minor Studien 16 (1995) 139ff. bes. 160.

15 Robert (1966) 21; L. Lazzarini, RItNum 85, 1983, 3ff. vermutet bereits für das letzte Viertel des 6. Jahr-hunderts eine eigene Münzprägung. Wroth (1894) S. XXXIV, sieht die frühesten Münzen um 420 v.Chr.

16 Zur Situation der Troas zwischen Königsfrieden und Ankunft Alexanders s. B. Tenger, in: E. Schwertheim – H. Wiegartz (Hrsg.), Die Troas. Neue Forschungen zu Neandria und Alexandria Troas. Asia Minor Studien 22 (1996) 125ff.

17 Strab. 13, 1, 57; Diod. 16, 52; Dem. 10, 32. Zu den Bankgeschäften von Euboulos und Hermias s. R. Bo-gaert, Banques et banquiers dans les cités grecques (1968) 240-43.

18 Diog. Laert. 5,3; Strab. 13, 1, 57; 13, 610. Zu den Quellen: H. Berve, Die Tyrannis bei den Griechen (1967) II 688f.

19 Gaiser (1985) 18ff.; K. Trampedach, Platon, die Akademie und die zeitgenössische Politik (1994) 66ff.;

Der Neue Pauly 5 (1998) 435 s.v. Hermias [1] (Engels).

20 Strab. a.O.; Didymus, In Demosthenem commenta, hrsg. von L. Pearson – S. Stephens (1983) col. 5, 51f.

21 Gaiser (1985) 9ff.; die wichtigste Forschungsliteratur ebenda 10 mit Anm.1.

22 Gaiser (1985) 19f.

23 H. Berve, Die Tyrannis bei den Griechen I (1967) 332ff., dagegen Gaiser (1985) 16 mit Anm. 6 und Trampedach a.O.

24 Gaiser (1985) 34f.

25 Strab. 13, 1, 57; Diod. 16, 52, 5-8. Trampedach a.O. 69.

ken Literatur gehen die Meinungen über Hermias von Atarneus weit auseinander. Den ü-berwiegend kritischen Berichten seiner Herrschaft u.a. bei Theopompos stehen dankbare Äußerungen seiner philosophischen Freunde gegenüber; die Kritik bleibt meist gegens-tandslos und pauschal. Der überregionale Erfolg der Stadt Assos wollte sich unter Hermias nicht einstellen, obwohl sogar der makedonische König Philipp II. eine Partnerschaft mit ihm erwog, um ein Standbein auf dem kleinasiatischen Festland für seine Expansionspläne gegen die Perser zu gewinnen. Aristoteles, der sich auch politisch gern engagierte, versuchte in dieser Zeit offenbar, eine solche Annäherung zwischen dem König und dem Tyrannen vorzubereiten.26 Nach jüngeren Untersuchungen wurden wohl auch unter Her-mias die Befestigungsanlagen der Stadt zu dem heute noch beeindruckenden Ausmaß erweitert.27 Zwar war die Stadt bereits seit archaischer Zeit mit einem beachtlichen Mauer-ring umgeben, wie die erfolglose Belagerung der Stadt 366 v.Chr. belegt, in der sich wäh-rend des Satrapenaufstandes Ariobarzanes verschanzt hatte.28 Den archaischen Polygonalmauern29 wurden dann Mauern aus Quaderblöcken vorgeblendet, mit denen man auch gegen moderne Belagerungsmaschinen gewappnet war. Eine Stadterweiterung wie in anderen Orten der Troas geht mit dem Mauerbau in Assos aber nicht einher.30

Nach der kurzen Episode der Tyrannis des Hermias blieb die Stadt bis zur Ankunft xanders persisch. Bald nach dem Zug Alexanders 334 v.Chr. schossen sich die von Ale-xander in die Freiheit entlassenen Städte der Troas zu einem Koinon zusammen, ohne aber jemals wirkliche Eigenständigkeit zu erlangen, da die Hegemonie der jeweiligen hellenisti-schen Könige immer bestehen bleibt.31 Für Assos selbst ist die Mitgliedschaft in einem Städtebund erst für das Jahr 77 v.Chr. belegt,32 es gibt aber keinen Grund, an einer Teil-nahme schon im späten 4. Jahrhundert zu zweifeln.33 Daneben scheint es weitere Städte-bünde in der südlichen Troas gegeben zu haben.34 Das gesamte 3. Jahrhundert ist für Assos durch den häufigen Wechsel der Herrschaftsverhältnisse gekennzeichnet. Nach Antigonos I. Monophthalmos und Lysimachos folgt bereits 281 v.Chr. Seleukos I. Im Jahre 278/7 kommen die Galater als von Nikomedes I. angeworbene Söldner erstmalig nach Klein-asien, doch ist fraglich, ob durch sie die wirtschaftliche Kontinuität nachhaltig behindert wurde.35 Der traditionellen Barbarentopik antiker Autoren, die von Terror und Erpressun-gen der Galater berichten, ist die althistorische Forschung bisher ohne Prüfung gefolgt.36 Vermutlich hat die bedrohliche Fremdartigkeit der Stämme mehr Schrecken verbreitet hat,

26 A.-H. Chroust, Historia 21, 1972, 170-176; bes. 174 Anm. 14. Dazu auch Gaiser (1985) 21 Anm. 13.

27 A.W. McNicoll, Hellenistic Fortifications from the Aegean to the Euphrates (1997) 182-190, datiert die Mauern in die Mitte des 4. Jahrhunderts; dagegen schlägt F.E. Winter in: REA 96, 1994, 41, eine Datierung erst in das 3. Jahrhundert vor. Weiter zu den Mauern und Toren: Clarke/Bacon/Koldewey 189ff.; F.E. Win-ter, Greek Fortifications (1971); A. Wokalek, Griechische Stadtbefestigungen (1973); H. Tréziny (Hrsg.), La fortification dans l’histoire du monde grec (1986). A.W. Lawrence, Greek Architecture2 (1967) 229; ders., Greek Aims in Fortification (1979) passim.

28 Xen. Ag. 2, 26.

29 Cook (1973) 242ff.; K. Dornisch, Die griechischen Bogentore. Zur Entstehung und Verbreitung des grie-chischen Keilsteingewölbes (1992) 101ff.

30 So Tenger a.O. (Anm. 16) 136.

31 Zu den Städten im westlichen Kleinasien zwischen Autonomie und Königtum s. W. Orth, Königlicher Machtanspruch und städtische Freiheit. Münchener Beiträge zur Papyrusforschung und antiken Rechtsge-schichte, 71. Heft (1977).

32 P. Frisch, Die Inschriften von Ilion. IK 3 (1975) 34f. Nr. X.

33 Zur Konföderation auch Robert (1966) 15ff.

34 Möglicherweise ist Assos der Hauptort des Koinons der Äolier gewesen, wie L. Lazzarini, RItNum 85, 1983, 3ff. nach Untersuchungen zur Münzprägung vermutet. Weiterhin ist ein Koinon mit den benachbarten Städten Lamponia und Polymedion belegt. Dazu Cook (1973) 248f.

35 Strobel (1996) 236ff. zum Übertritt der Galater nach Kleinasien. Zelle (1997) 3.

36 Strobel (1996) 55ff. kritisch zum Forschungsstand. Im herkömmlichen Sinn zuletzt P. Berresford Ellis, Celt and Greek (1997) 115.

als durch Plünderungen tatsächlich Schaden angerichtet wurde. Die Stadt Assos war jeden-falls durch ihre Mauern hervorragend geschützt, und aus einem Urnengrab der Westtor-Nekropole gibt es einen Beleg für die Anwesenheit assimilierter Galater in Assos. Seit 241 v.Chr. geriet Assos in den Einflußbereich der Pergamener37 und wurde vermutlich seit die-ser Zeit nach der Mutter Eumenes II. auch Apollonia genannt.38 Obwohl sich die politi-schen Verhältnisse im Hellenismus relativ häufig ändern, schien sich dies in keiner Weise in der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt niederzuschlagen. Der bescheiden wachsen-de Reichtum zeigte sich in wachsen-den in klassischer und hellenistischer Zeit auf wachsen-dem Abhang süd-lich der Akropolis entstehenden großen öffentsüd-lichen Bauten, darunter mehrstöckige Markt-hallen, die die schwierigen topographischen Bedingungen geschickt ausnutzten.39 Diese Bauten werden von der Forschung den Attaliden zugeschrieben.40 133 v.Chr. fiel Assos mit dem Reich der Pergamener nach den Testamenten von Attalos II. an Rom.41 In frühby-zantinischer Zeit scheint die Stadt noch einmal einen deutlichen Aufschwung genommen zu haben, wie der Bau zahlreicher Kirchen vermuten läßt. Lange Zeit war Assos Bischofs-sitz.42 Mit dem allerorts zu beobachtenden Rückgang der Bevölkerung in hoch- und spät-byzantinischer Zeit zog sich in Assos der Siedlungsbereich der Stadt auf die Landseite der Akropolis zurück, die nicht vom Meer aus sichtbar ist und so vor Piratenangriffen ge-schützt war. In dieser Zeit wurde auch eine Zitadelle auf der Akropolis errichtet. Daß das heutige türkische Dorf an dieser Stelle liegt und nach dem byzantinischen Offizier Mach-ram benannt ist, belegt eine über Jahrtausende ungebrochene Siedlungstradition.

Aus wirtschaftlicher Sicht konnte die Stadt durch Handel und Export von landwirtschaftli-chen Produkten, insbesondere von Getreide43 und Schweinen44, Wohlstand erringen. Daß die Rückseiten assischer Münzen neben dem Greif als Wappentier auch Stierköpfe zeigen, darf als Hinweis auf eine ertragreiche Viehzucht verstanden werden. Anbau- und Weide-gebiet war natürlich die gesamte Troas, für die Assos den wichtigsten Hafen darstellte, über den die Produkte in die Ägäis verschifft werden konnten. Ohnehin hatte der Hafen eine ganz wichtige Funktion für die Stadt, da er an einer vielbefahrenen Handelslinie lag und Schiffe häufig auch tagelang im Hafen auf günstige Winde für die Fahrt um das Kap Lekton warten mußten. Schließlich dürfte der Export von lokal anstehendem Steinmaterial für Wohlstand gesorgt haben. So wurde der unterhalb der Akropolis gebrochene Andesit in erster Linie als Baumaterial und für die Herstellung von Steinsarkophagen verwendet. In der antiken Literatur wird mehrfach ein „assischer Stein“ erwähnt, der in der Nähe der Stadt anstand und im medizinischen Bereich sowie bei der Bestattung von Toten Verwen-dung fand.45 Die Legende von den Fähigkeiten des Steins hat in der Kaiserzeit offenbar zu einem lebhaften Handel mit grob gefertigten Steinsarkophagen geführt. Im Seehandel war die Stadt offenbar eher nach Süden orientiert, entlang der Handelswege an der kleinasiati-schen Westküste. So kommen zahlreiche Funde der Westtor-Nekropole aus Regionen, die südlich von Assos liegen. Noch in archaischer Zeit scheint Assos stärkere Verbindungen

37 E.V. Hansen, The Attlids of Pergamon2 (1971) 92f.

38 Plin. nat. 5, 123.

39 Zu den Stoai: Clarke/Bacon/Koldewey 33f.; C. Vermeule, BMusFA 61, 1963, 114; A.W. Lawrence, Greek Architecture2 (1967) 265f.

40 K. Bringmann – H. von Steuben, Schenkungen hellenistischer Herrscher an griechische Städte und Heilig-tümer I (1995) 496f.

41 Zur Erbschaft des Attalos und den Folgen s. E.S. Gruen, The Hellenistic World and the Coming of Rome (1984) II 592ff. Vgl. auch T. Pekáry, Kleinasien unter römischer Herrschaft, in: ANRW II.7.2 (1980); darin zur Troas S. 613 und zur Situation nach der Übernahme durch die Römer.

42 Zur Bautätigkeit in Assos im 6. und 7. Jahrhundert s. M. Zelle, in: Ü. Serdaroglu – R. Stupperich (Hrsg.), Ausgrabungen in Assos 1990 (1992) 192ff.

43 Vgl. Strab. 15, 3, 22. S.a. R.J. Hopper, Handel und Industrie im klassischen Griechenland (1982) 83f.

44 Athen. 9, p. 375 D.

45 Zum assischen Stein s. unten Seite 78.

zu nördlich gelegenen Gegenden an der thrakischen Küste oder gar dem Schwarzmeerge-biet gehabt zu haben, wie Funde aus der Nekropole zeigen.46 Diese Parallelen lassen sich jedoch ab der klassischen Zeit nicht mehr weiterverfolgen. Assos wird dann Teil der grie-chischen Koine, orientiert sich am griegrie-chischen Mutterland und den ionischen Nachbarn und unterscheidet sich auch während des persischen Zwischenspiels im 4. Jahrhundert v.Chr. in nichts mehr von anderen Städten der griechischen Welt.

Aus den Ergebnissen der Grabungen in der Westtor-Nekropole von Assos lassen sich his-torische Begebenheiten nicht erschließen, aber umgekehrt auch nicht darauf anwenden.

Einschneidende Ereignisse wie späte Gründung oder völlige Zerstörung oder Aufgabe der Stadt, die sich im Bild der Nekropole niederschlagen können und für die Datierung ver-schiedener Fundgruppen von Bedeutung wären, hat Assos nicht erlitten. Selbst allgemeine Tendenzen der Entwicklung, wie etwa zunehmender Reichtum oder Verarmung, können aus den Funden in der Nekropole nur mit Vorsicht formuliert werden, da der untersuchte Bereich für solche Aussagen noch zu klein ist. Zudem müssen Reichtum einer Stadt und aufwendiger Totenkult sich nicht parallel zueinander entwickeln.47

Die Westtor-Nekropole

Lage

Durch die Stadt Assos verlief in der Antike die wichtige Küstenstraße, die von Chryse nach Adramytteion führte.48 Sie trat von Westen kommend durch eine große, von zwei Türmen flankierte Toranlage in das Stadtgebiet ein, führte südlich um die Akropolis über die Agora und verließ das Stadtgebiet nach Osten durch ein kleineres, auch von flankieren-den Türmen und von einer Bastion gesichertes Tor (Plan 1). Ein Stück nordwestlich vor der Stadt vereinigte sich die gepflasterte Straße mit einer weiteren, aus dem Landesinneren kommenden Straße, die dann unmittelbar vor dem Westtor abzweigt und um das Stadtge-biet herum zum unterhalb liegenden Hafen führte. Nach der Geländesituation war der Ha-fen nur über diesen Weg für den Warenverkehr erreichbar. Durch diese Kreuzungssituation herrschte im Bereich vor dem Westtor besonders starker Verkehr mit hoher Personenfre-quenz. An den beiden großen Ausfallstraßen der Stadt nach Westen und nach Osten befan-den sich mindestens seit dem 7. Jahrhundert die Nekropolen der Stadt.49 Von ihnen scheint die vor dem Westtor gelegene wegen der guten Lage, die die gewünschte Beachtung der Grabanlagen gewährleistete,50 und wegen der heute noch sichtbaren Überreste von kaiser-zeitlichen Grabbauten die wichtigere gewesen zu sein. Die Nekropole vor dem Osttor wird heute teilweise von dem türkischen Friedhof des modernen Dorfes überdeckt und entzieht sich damit einer näheren Untersuchung. Da die wenigen dort sichtbaren Überreste von Grabbauten und Sarkophagen eher der römischen Kaiserzeit anzugehören scheinen, könnte die Nekropole in vorrömischer Zeit durchaus größere Bedeutung gehabt haben, als man ihr auf den flüchtigen Blick ansieht. Bei Ausbauarbeiten am türkischen Friedhof, die während der Grabungskampagnen vorgenommenen wurden, waren Terrakotten aus dem 5. und 4.

Jahrhundert v.Chr. zutage gekommen,51 die jedenfalls eine gleichzeitige Benutzung beider Nekropolen wahrscheinlich machen.

46 Utili (1999) 143.

47 So Philipp (1981) 162 zur Entwicklung etwa in Athen nach den Bestattungsgesetzen.

48 Sie ist offensichtlich mit der später in der Tabula Peutingeriana verzeichneten Küstenstraße identisch. S.

dazu Merkelbach (1976).

49 Früheste Gräber in der archaischen Nekropole s. Utili (1999) 143.

50 T. Hölscher, Öffentliche Räume in frühen griechischen Städten, Schriften der Philosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Bd. 7 (1998) 70ff.

51 Auskunft R. Stupperich; s.a. Clarke/Bacon/Koldewey 225.

Entlang der vom Westtor ausgehenden Pflasterstraße wurden von der archaischen bis in die byzantinische Zeit Bestattungen vorgenommen, von denen oberirdisch nur die Reste römi-scher Grabbauten und in einiger Entfernung einer byzantinischen Kapelle sichtbar sind (Plan 2 und 3). Die Gesamtausdehnung und Belegungsdauer52 der Westtor-Nekropole ist indes nur schwer abzuschätzen. Selten sind die Nekropolen griechischer Städte auf ein klar abgegrenztes oder gar architektonisch eingefaßtes Gebiet beschränkt.53 Sie konzentrieren sich zwar an den Hauptverkehrsstraßen direkt vor den Toren und Mauern der Stadt, folgen jedoch in geringerer Belegungsdichte auch von der Straße abzweigenden kleineren Wegen und dem Verlauf der Stadtmauer, so daß man Anfang und Ende der Nekropole kaum fest-legen kann. Die zentrale Achse der Westtor-Nekropole ist die mit großen Basaltblöcken gepflasterte Straße, die aus dem Westtor kommend von Assos nach Chryse führte. Die Nekropole beginnt unmittelbar am Tor und zieht sich an der Straße entlang, zunächst vor

Entlang der vom Westtor ausgehenden Pflasterstraße wurden von der archaischen bis in die byzantinische Zeit Bestattungen vorgenommen, von denen oberirdisch nur die Reste römi-scher Grabbauten und in einiger Entfernung einer byzantinischen Kapelle sichtbar sind (Plan 2 und 3). Die Gesamtausdehnung und Belegungsdauer52 der Westtor-Nekropole ist indes nur schwer abzuschätzen. Selten sind die Nekropolen griechischer Städte auf ein klar abgegrenztes oder gar architektonisch eingefaßtes Gebiet beschränkt.53 Sie konzentrieren sich zwar an den Hauptverkehrsstraßen direkt vor den Toren und Mauern der Stadt, folgen jedoch in geringerer Belegungsdichte auch von der Straße abzweigenden kleineren Wegen und dem Verlauf der Stadtmauer, so daß man Anfang und Ende der Nekropole kaum fest-legen kann. Die zentrale Achse der Westtor-Nekropole ist die mit großen Basaltblöcken gepflasterte Straße, die aus dem Westtor kommend von Assos nach Chryse führte. Die Nekropole beginnt unmittelbar am Tor und zieht sich an der Straße entlang, zunächst vor