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DIE FUNDE AUS GRÄBERN UND OPFERSTELLEN

Aryballoi (Kat.Nr. 1-4)

Obwohl hier nur die klassischen und hellenistischen Gräber der Westtor-Nekropole be-sprochen werden sollen, müssen auch einige Stücke korinthischer Keramik aus klassischen Sarkophagen vorgestellt werden. Das ist zunächst verwunderlich, da nach bisheriger Mei-nung die korinthische Exportkeramik bereits nach der Mitte des 6. Jahrhunderts ein Ende fand. Für das Auftreten korinthischer Keramikbeigaben in klassischen Gräbern können verschiedene Gründe angeführt werden. Erstens ist die absolute Chronologie der korinthi-schen Keramik – im Gegensatz etwa zur attikorinthi-schen – noch nicht eindeutig gesichert.1 Das betrifft den Beginn der protokorinthischen Keramik am Ende des 8. Jahrhunderts, beson-ders aber das Erlöschen der Exportkeramik im Verlaufe des 6. Jahrhunderts. In der Jahr-hundertmitte endet zwar der Export korinthischer Qualitätskeramik, doch haben Grabfunde mit korinthischer und attischer Keramik gezeigt,2 daß kleinformatige Gefäße in massenhaf-ter Stückzahl und äußerst geringer Qualität noch mindestens bis zum Jahrhundertende ex-portiert worden sein müssen.3 Die Grundmuster der Form und Bemalung blieben zwar seit der Mitte des Jahrhunderts unverändert,4 insofern endet mit diesem Zeitpunkt der Innovati-onsprozeß der Keramikproduktion in Korinth. Aber Herstellung und Vertrieb von wenigen Keramikformen in durchaus beeindruckender Stückzahl dauerten bis zum Beginn des neu-en Jahrhunderts an. Aus dneu-en assischneu-en Gräbern sind aber nur die Miniaturkotylai zu dieser Gruppe zu rechnen. Dagegen stammen die beiden Aryballoi Kat.Nr. 1 und 2, die in den klassischen bzw. spätklassischen Sarkophagen C IX GR 13 und B VIII GR 3 gefunden wurden, eindeutig nicht aus der qualitätlosen Massenproduktion und müssen daher konventionell datiert werden. Dadurch entfernen sie sich aber so weit von den übrigen Grabbeigaben, daß hier nur von einer Wiederverwendung in einer späteren Bestattung ausgegangen werden muß. Die beiden kleinen Fragmente von Aryballoi (Kat.Nr. 3 und 4), die in hochklassischen Gräbern gefunden wurden, gehören ebenfalls nicht zur Bestattung, sondern sind wohl bei einer Störung ins Grab geraten.

Der Kugelaryballos taucht gleichzeitig mit den letzten Stücken des protokorinthischen Spitzaryballos im letzten Drittel des 7. Jahrhunderts erstmalig auf und wird ab der Jahr-hundertwende zur beliebtesten Gefäßform.5 Vorbild für das kugelförmige Salbgefäß ist der Granatapfel, dessen verdorrter Blütenkelch durch den breiten Mündungsteller stilisiert wird. Payne unterscheidet drei Haupttypen: Form A besitzt einen gedrungenen Körper und einen breiten, schweren Henkel. Dieselbe Form haben ostgriechische Fayence-Aryballoi, die die korinthische Form offenbar übernommen haben.6 Form B1 hat einen kugelrunden Bauch und einen hohen, schlanken Hals, der einen scheibenförmigen Mündungsteller trägt.

1 Payne (1931) 147; CVA Tübingen (1) 53. Ausführlich zur Chronologiediskussion s. D.A. Amyx, Corin-thian Vase-Painting of the Archaic Period (1988) 401ff.

2 F.G. Lo Porto in: ASAtene 21-22, 1959-60, 208ff.; ders., Bd’A 46, 1961, 275ff.; Kat. Sindos (1985) 106ff.

132ff. (mit weiteren Hinweisen) 258ff.; H. Herdejürgen, in: Festschrift N. Himmelmann (1989) 73; M. Tive-rios, Makedonika 25, 1985-86, 73ff.; ders., Gnomon 63, 1991, 630ff.

3 C. Roebuck, Hesperia 41, 1972, 123ff.; C. Dehl, Die korinthische Keramik des 8. und frühen 7. Jahrhun-derts v.Chr. in Italien, 11. Beih. AM (1984) 156.

4 J.L. Benson, Greek Vases in the J.P. Getty Museum 2, 1985, 17ff.

5 Payne (1931) 287ff.; Perachora II 155ff.; Amyx a.O. (Anm. 1) 441ff.

6 V. Webb, Archaic Greek Faience (1978) 109-112.

Form B2 ist dagegen gedrungener, besitzt einen kürzeren Hals und einen auskragenden Mündungsteller. Form C schließlich stellt ein Fortleben des protokorinthischen bauchigen Spitzaryballos dar. Diese Form gibt es nur im Frühkorinthischen. Während Form B1 im gesamten 6. Jahrhundert hergestellt wird, bleibt Form A auf das Frühkorinthische be-schränkt, Form B2 beginnt mit dem Mittelkorinthischen.

Nur ein vollständiger Aryballos mit Streifen- und Punktreihenbemalung wurde in einem assischen Sarkophag gefunden (Kat.Nr. 2). Seine Form entspricht Paynes Gruppe B2. Cha-rakteristisch ist der gedrungene Körper und der stark unterkehlte Mündungsteller. Die dichte Bemalung mit schmalen umlaufenden Linien und einem engen Streifen mit einer dreifachen alternierenden Punktreihe ist nur auf Aryballoi dieser Form anzutreffen.7 Die Einordnung in die 1. Hälfte des 6. Jahrhunderts kann nur pauschal und aufgrund von Ver-gleichen mit anderen Aryballoi erfolgen, da eine Datierung durch Beifunde wegen der Fundsituation ausscheidet.

Im Frühkorinthischen tritt erstmalig ein filigranes Muster aus vier sich kreuzenden Lotos-blüten auf. Payne hat als erster die Herkunft dieses Musters untersucht und überzeugend ein assyrisches Lotosblütenmuster von überraschend ähnlicher Feingliedrigkeit als Vorbild für das frühkorinthische Muster finden können.8 Unter dem Tyrannen Periander von Ko-rinth ist durch die engeren Wirtschaftsbeziehungen ein befruchtender Einfluß assyrischer und ägyptischer Motive auf die frühkorinthische Vasenmalerei und Plastik zu beobachten.

Aryballoi mit diesem Muster sind nur über einen sehr kurzen Zeitraum produziert worden, wie die einheitliche Gestaltung der Mündungsteller und Henkel zeigt. So besitzt das quali-tätvolle assische Stück (Kat.Nr. 1) – wie die meisten der anderen zum Vergleich herange-zogenen – einen hohen Mündungsteller, der auf der Oberseite mit einem Blattkranz bemalt ist. Dessen Blätter sind nur in Umrißlinie gezeichnet und haben halbkreisförmige Enden.

Der Rand des Mündungstellers ist immer mit einem engen Netzmuster überzogen. Variati-onen gibt es lediglich in der Bemalung der Henkelrückseite: Einige Stücke zeigen dort einen Frauenkopf9, andere ein schlichteres Fischgrätenmuster (Kat.Nr. 1) oder eine Schlangenlinie10. Schon Anfang des ersten Viertels des 6. Jahrhunderts11 entwickeln sich aus dem Lotosblütenmuster durch radikale Vereinfachung zunächst das Vierblattmuster12, bald aber auch noch schlichtere sternförmige Mehrblattmuster13. Diese Blattmuster, die sich aus der Lotosblüte entwickelt haben, zählen zu den am häufigsten verwendeten flora-len Motiven der korinthischen Vasenmalerei und erleben in der Massenproduktion korin-thischer Exportkeramik am Ende des 6. Jahrhunderts eine enorme Verbreitung.14 Das vor-liegende Stück gehört noch in die ersten beiden Jahrzehnte des 6. Jahrhunderts.

Schulterlekythoi (Kat.Nr. 5-53)

Die Schulterlekythos ist die in den Sarkophagen der Westtor-Nekropole am häufigsten vorkommende Gefäßform. In der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts ist die Beigabe einer Schulterlekythos als Standard anzusehen, da fast jedes Grab damit ausgestattet ist. Die Le-kythoi enthielten ein duftendes Öl, mit dem der Verstorbene vor der Bestattung

7 Ure (1934) 27 Nr. 92.6 Taf. 5.

8 Payne (1931) 147 mit Abb. 54 A.

9 CVA Frankfurt (1) Taf. 15, 7; CVA Norway (1) Taf. 2, 2.

10 Vgl. Ellinghaus (1990) 63 Nr. 2 Taf. 14, 2; Utili (1999) 202 Nr. 352 Abb. 24.

11 Payne (1931) 320f. zu Nr. 1263.

12 Payne (1931) 146f. mit Abb. 54 E, 320, 331; R.J. Hopper, BSA 44, 1949, 197ff.; Ure (1934) 43f.; Peracho-ra II 156; Corinth XIII 114; CVA Tübingen (1) 52f. Amyx a.O. (Anm. 1) 443f.

13 Payne (1931) 147 mit Abb. 54 G; Ure (1934) 44; Perachora II 156f.; CVA Tübingen (1) 53.

14 Ure (1934) 43f. u.a.

ben wurde.15 Die starke Verbreitung der Lekythos in vielen klassischen Gräbern im Mit-telmeerraum wird in der Forschung mit einer gewissen Dankbarkeit gesehen, da ihre Formentwicklung in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts durch einige Fixpunkte ausge-hend von der Entwicklung in Athen absolut datiert werden kann und somit zur zeitlichen Bewertung anderer Objekte aus geschlossenen Grabkontexten beiträgt. Obwohl man sie wie den korinthischen Kugelaryballos oder das hellenistisch-römische Unguentarium zur Massenproduktion zählen kann, wird sie wegen ihrer kurzen Laufzeit und der Forment-wicklung für die Datierung gern herangezogen. Die FormentForment-wicklung beginnt tief im 6.

Jahrhundert, doch finden die Lekythoi erst in der 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts ihre größte Verbreitung. Am Beginn steht eine bauchige Kannenform mit Tropfring und der schmalen wulstartigen Mündung16 des Deianeira-Typus, die man als Vorgänger der Schulterlekythos bezeichnen kann. Sie wird Anfang des letzen Viertels des 6. Jahrhunderts durch eine schlankere Form mit einem fast zylinderförmigen Körper ersetzt, der seinen größten Durchmesser unterhalb der flachen Schulter hat und sich zum Fuß hin nur leicht verjüngt.

Die Lekythoi haben jetzt einen schlanken Hals und eine kleine Mündung.

Die frühen Formen der Schulterlekythos sind in Assos mit der sog. Little-Lion-Class ver-treten (Kat.Nr. 5-7).17 Sie wird nach Funden in Athen und Marathon um 490/480 v. Chr.

datiert18 und ist nach einer figürlichen Bemalung benannt, wie sie aber in Assos an den betreffenden Stücken nicht auftritt. Charakteristisch für diese Form ist die fast horizontal flache, aber sehr breite Schulter, die scharf zur Wandung umbricht, senkrecht abfällt und sich dann zu einem flachen Fuß einzieht. Ein schlanker Hals nimmt der Form ihre Schwer-fälligkeit. Die assischen Gefäße dieser Form sind nicht figürlich bemalt, sondern ab dem Schulterknick abwärts mit schwarzem Glanzton überzogen. Auf der breiten tongrundigen Schulter befindet sich bei allen assischen Stücken ein Lotosblütenmuster. Es besteht zu-nächst aus einer engen Reihe von geschlossenen, tropfenförmigen Knospen, die auf dün-nen halbbogenförmigen Stengeln sitzen (Kat.Nr. 5). Ab etwa 490/80 verschlankt die Little-Lion-Form (Kat.Nr. 7-8) zunehmend und wird durch gestreckte Lekythoi mit kräftigem Fuß abgelöst (Kat.Nr. 9-11). Zunächst ist der Fuß noch nach außen abgeschrägt (Kat.Nr.

11),19 wird aber bald durch einen höheren scheibenförmigen Fuß abgelöst (Kat.Nr. 12-14), der am unteren Rand schmaler ist als am oberen.20 Zudem entwickelt die Mündung, die bei den frühen Lekythoi praktisch nur nach außen gebogen ist, eine eigenständige Form und gewinnt zunehmend an Höhe. Das gesamte Erscheinungsbild wirkt dadurch ausgegliche-ner. Gleichzeitig mit dieser Entwicklung wird die Schulterbemalung zunehmend verein-facht: die Lotosknospenranke wird erst zu einer Tropfenreihe (Kat.Nr. 6), später zu einer doppelten Strichreihe degeneriert (Kat.Nr. 8). Diese doppelte Strichreihe bleibt dann bis zu den spätesten Schulterlekythoi erhalten. Sind die frühen Lekythoi auf dem Körper noch völlig schwarz, so setzen sich bei den Formen, die in die Zeit etwa vor der Jahrhundertmi t-te gehören, bescheidene ornamentale Must-ter durch. Auf einem tongrundigen Streifen un-terhalb der Schulter erscheinen jetzt einfache Mäander (Kat.Nr. 12) oder Linien (Kat.Nr.

15). Aus dem Sarkophag D X GR 55 stammt eine Lekythos mit Rautenmuster (Kat.Nr. 13) und eine Lekythos mit einer horizontalen Efeuranke (Kat.Nr. 14). Beide Gefäße haben die gleiche schlanke Form, die sie zwar in eine mittlere Gruppe der Schulterlekythoi weist, die nach den Ergebnissen der Kerameikosgrabung in die Zeit um 470/60 datiert wird, doch gehören sie mit ihrer Dekoration schon in die Zeit nach der Jahrhundertmitte. So findet das

15 Kerameikos IX 15.

16 Zum Ursprung der Form: J. de la Gernière, BCH 188, 1984, 91-98. Vgl. Kerameikos IX Taf. 77,1.

17 ABL 98, 107-109; ABV 512ff.; Ure (1927) 54 Gruppe P.

18 B. Stans, AM 18, 1893, 50; Kerameikos IX 34f.

19 Kerameikos Gruppe III/3 Taf. 77; Corinth XIII 162f.

20 Kerameikos IX 37 Gruppe VI.

Rankenmuster seine größte Verbreitung auch erst auf den Schulterlekythoi späterer For-men mit glockenförmigem Körper und konkav geformtem Fuß.21 Die Verzierung mit Rau-ten auf kleinen Lekythoi ist eher selRau-ten.

Figürliche Bemalung

Ein großer Teil der Lekythoi ist mit Palmetten oder flüchtig skizzierten kleinen Bildszenen auf dem Körper bemalt. Einige Szenen können klar dem dionysischen Kontext zugeordnet werden, bei anderen – wie etwa den Gespannszenen – ist die Deutung nicht so einfach vor-zunehmen. Da die Lekythoi offenbar ausschließlich für den Totenkult produziert wurden, ist ein eindeutiger Bezug zwischen den bildlichen Darstellungen auf diesen Gefäßen zu erwarten. Eine Beschränkung der Deutung auf eine rein dekorative Funktion der Bilder durch die farbenfrohe Darstellung bewegter Szenen ist dagegen abzulehnen. Dennoch sind die Aussagen selten klar zu erkennen und nicht immer mit dem Komplex Tod in Verbin-dung zu bringen, zumal die Erkennbarkeit der einzelnen Figuren angesichts der geringen Größe der Gefäße und der oftmals flüchtigen Malweise nicht immer gewährleistet ist. Fi-gürliche Bemalung findet sich bei den Stücken aus der Westtor-Nekropole auf größeren Schulterlekythoi, aber hauptsächlich auf den Lekythoi der sogenannten Chimneyform, die erst im 2. Jahrhundertviertel erstmalig auftritt.

Die älteste Schulterlekythos mit figürlicher Bemalung gehört nach Form und Bemalung zur Klasse von Athen 581,1 (Kat.Nr. 16).22 Ein mit dünnen Halbkreisen verbundenes Lo-tosknospenmuster auf der Schulter weist es der früheren Gruppe dieser Klasse zu. Das Bildfeld zeigt eine charakteristische dionysische Szene mit Mänaden und Satyrn, die um den sitzenden Dionysos mit Trinkhorn in der Hand herum tanzen.23 Mit reichlich verwen-deter roter und weißer Farbe sowie mit Ritzungen sind die reich verzierten Gewänder des Weingottes und der Mänaden angegeben. Gefäßform und Malstil sprechen für eine Datie-rung kurz nach der Wende zum 5. Jahrhundert. Dionysische Themen finden sich auch bei anderen Schulterlekythoi. Die leider fragmentierte weißgrundige Lekythos Kat.Nr. 17 hebt sich in der Qualität deutlich von der übrigen Massenware ab. Sie zeigt einen Barbiton24 spielenden Satyrn25 mit einer Ziege. Nicht nur die Gefäßform und die Schulterdekoration26 mit einer filigranen Palmettenranke weisen das Stück in die Werkstatt des Athena- bzw.

Bowdoinmalers. Auch die Details, wie die Art der Ritzung oder die markanten Knie, spre-chen dafür. Das Sujet ist für diesen Maler typisch,27 ebenso die Scheininschriften mit her-abfallenden Buchstaben.28 Kat.Nr. 18 übernimmt das insbesondere auf Chimneylekythoi beliebte Thema der Wagenausfahrt, allerdings in einer sehr flüchtigen Zeichnung. Zwei weitere große Lekythoi zeigen auf dem weißgrundigen Bildfeld Kampfszenen. Kat.Nr. 20 ist mit einer Kampfszene in Silhouette bemalt. Ein von einem Krieger mit einem Speer bedrohter Kentaur ist gerade im Begriff, den Gegner mit einem Felsbrocken zu bewerfen.

Das ist nicht nur ein seltener gemaltes Thema auf Lekythoi,29 sondern auch die Szene ist sehr ungewöhnlich und ohne Beispiel. Aus einer Opferstelle stammt die große Lekythos

21 AWL 154.

22 ABV 489ff.; Beazley, Paralipomena 222ff.; Beazley Addenda² 121ff.

23 Zu tanzenden Mänaden zuletzt: S. Moraw, Die Mänade in der attischen Vasenmalerei des 6. und 5. Jahr-hunderts v.Chr. (1998) 73.

24 M. Wegner, Das Musikleben der Griechen (1949) 42ff. Abb. 5; D. Paquette, L’instrument de musique dans la céramique de la Grèce antique (1984) 173ff.; M. Maas - J. Snyder, Stringed Instruments of Ancient Greece (1989) 39f. 113-138; J.G. Landels, Music in Ancient Greece and Rome (1999) 66f.

25 Satyrn oft mit diesem Instrument: D. Paquette, a.O. 32f.

26 AWL Abb. 8; vgl. Abb. 6 Typ I B. Vgl. CVA Gela (4) Taf. 37, 1-3.

27 P. Jacobsthal, Göttinger Vasen (1912) Taf. 6.19.

28 ABL 141ff.

29 O. Alexandri, ADelt 29, 1973/74, Chron 123 Taf. 96b.

Kat.Nr. 21, die durch die besondere Fundsituation nur fragmentarisch erhalten ist. Das Bildfeld zeigte auf weißem Grund offenbar eine nach rechts stürmende Athena, die mit einem langen Speer einen zurückweichenden Krieger bedroht. Die Binnenstruktur der bei-den Kämpfer ist nur sehr ungenau geritzt. Während auch für diese Szene direkte Parallelen fehlen, ist in Sujet und Malweise die Nähe zu Kampfszenen des Athena-Malers offensicht-lich.30 Häufig sind Kampfszenen mit einer nach rechts laufenden und auf einen Gegner einstechenden Athena auf Vasen aus der Werkstatt des Haimonmalers zu finden. Die Ton-farbe der beiden Lekythoi sowie die ungewöhnliche und von bekannten Mustern abwei-chende Form der Bemalung deutet darauf hin, daß es sich hier nicht um attische Importwa-re handelt, sondern um lokale Imitationen. Der Kat.Nr. 20 von der Form her sehr ähnlich ist die große Lekythos Kat.Nr. 19, die jedoch wegen des schlankeren glockenartig ge-schwungenen Körpers und der zierlichen Form der Mündung und des Henkels stilistisch später ist. Sie zeigt auf dem Bildfeld auf weißem Grund zwischen zwei Feldern mit Netz-muster eine Ranke mit drei gegenständigen Palmetten, deren zahlreiche filigrane Blätter fächerartig aufgeblättert sind. Die Form der Lekythos mit ihren ausgewogenen Proportio-nen sowie die Form der Palmette weisen das Stück in die Werkstatt des Beldammalers. Sie kann um 470/60 datiert werden.31

Die meisten figürlichen Szenen finden sich auf Lekythoi der Chimneyform (Kat.Nr. 22-29). Chimneylekythoi sind grundsätzlich mit figürlichen Szenen bemalt, während andere Bemalungsmuster wie Palmetten oder Mäanderbänder fehlen. Charakteristisch für die schlanken Lekythoi ist eine ringförmige Verdickung am Hals und die fehlende Mündung, so daß der Hals in eine nach außen gebogene Lippe ausläuft. Haspels hat hierfür den Beg-riff Chimneylekythos eingeführt.32 Sie unterscheidet nach der Form zwei Gruppen, die sie verschiedenen Malern zuordnet. Beiden Gruppen gemeinsam ist ein gestreckter glocken-förmiger Körper und eine flache Schulter mit einem steilen Hals und der Verdickung. Die erste Gruppe (a) zeichnet sich durch einen stufig abgesetzten Fuß und eine weniger ausge-prägten Halsverdickung aus, die auch mit der Unterkante der Mündung zusammenfallen kann (Kat.Nr. 24-26).33 Dagegen besitzt die zweite Gruppe (b) einen scheibenförmigen Fuß mit konkaver Wandung und eine markante Verdickung am Hals (Kat.Nr. 27-29). Häu-fig imitiert ein an der unteren Fußkante befindlicher roter umlaufender Streifen die plasti-sche Abtreppung zweigeteilter Füße. Lekythoi dieser Form sind ton- oder weißgrundig in der Regel mit schwarzfigurigen Szenen aus dem dionysischen Bereich und der Göttersage von geringer Qualität verziert. Haspels’ Annahme, daß die Werkstätten des Haimon- bzw.

Beldammalers ausschließlich Gefäße der Gruppe (a) bzw. der Gruppe (b) bemalten, kann durch die Funde aus Assos nicht bestätigt werden. Die beiden äußerst produktiven Werk-stätten arbeiteten im 2. Viertel des 5. Jahrhunderts fast zeitgleich, wobei die Werkstatt des Haimonmalers34 ihre Akme um 480-460 v.Chr. hatte, die des Beldammalers35 nur kurz später. Chimneylekythoi wurden überaus zahlreich produziert und weit in die gesamte griechische Welt exportiert. Lediglich auf der Athener Agora sind Lekythoi der Klasse von Athen 581 zahlreicher als die von der Haimongruppe bemalten.36 Bei den Stücken aus As-sos sind die stilistischen Unterschiede innerhalb der beiden Gruppen so stark, daß eine Un-terscheidung der Maler auch bei Beachtung der Gefäßform völlig ausgeschlossen ist. In der Forschung scheint sich Haspels’ Unterscheidung nicht durchgesetzt zu haben. Alle Stücke

30 Vgl.: K. DeVries in: J.H. Oakley – W.D.E. Coulsen – O. Palagia (Hrsg.), Athenian Potters and Painters.

Kolloquium Athen 1994 (1997) 448 Abb. 3.

31 Kerameikos IX 36.

32 Zu Chimneylekythoi vgl. ABL 137; Kerameikos IX 36 Taf. 77, 3 Gruppe IV/2.

33 Kerameikos IX 36f. Typ IV/1 Taf. 77.

34 ABL 130ff. AWL 150f.

35 ABL 170ff.

36 Agora XXIII 43-47.

mit unsorgfältig gezeichneten Gespannszenen werden in den Publikationen ungeachtet der Details und der Gefäßform stets ohne Begründung dem Haimonmaler oder seiner Werk-statt zugewiesen.

Das Themenrepertoire der figürlichen Darstellungen auf Chimneylekythoi ist auf zwei Be-reiche beschränkt. Eine größere Gruppe zeigt Gespannszenen (Kat.Nr. 22. 25. 26. 28.

29):37 Ein nach rechts gerichtetes Viergespann zieht einen einachsigen Wagen, auf dem sich bis zu zwei Frauen befinden bzw. ihn gerade besteigen. Das Gespann hält vor einer auf einem Diphros sitzenden Frau in einem langen Gewand. Hinter den Pferden steht eine bekränzte Figur mit einer Kithara bzw. einem Kantharos in der Hand. Während der Grund-aufbau immer gleich bleibt, sind häufig Variationen im Detail zu beobachten. So führt auf der Lekythos Kat.Nr. 29 ein zurückblickender Hermes das Gespann an. Die Malweise der Szenen ist zumeist überaus unsorgfältig, aber in ihren Details bisweilen überraschend ge-nau. Einzelheiten wie etwa der Knopfärmelchiton der Frauen oder das Zaumzeug der Pfer-de sind trotz Pfer-der flüchtigen Malweise zu erkennen. Doch besitzt kaum eine Pfer-der dargestell-ten Figuren ein Attribut, mit dem sie eindeutig zu benennen wäre. Lediglich die hinter dem Gespann stehende Figur ist durch den Kantharos als Dionysos anzusprechen (Kat.Nr. 29).38 In einigen Fällen scheint diese Figur eine Kithara in der erhobenen Hand zu halten (Kat.Nr.

22), ohne daß das veränderte Attribut eine andere Deutung, etwa als Apollon, zu verlangen scheint. Dem antiken Betrachter muß allein das vor einer sitzenden Frau39 haltende Ge-spann zum Erkennen der Szene ausgereicht haben, so daß Attribute und Einzelheiten ent-behrlich wurden. Eine sitzende Figur vor dem Gespann ist häufig in den Abschiedsszenen von jungen Kriegern anzutreffen. Eine beliebte Abschiedsszene in der Mythologie mit en-gen Verbindunen-gen zum Totenkult wäre etwa der Abschied der Persephone von ihrer Mut-ter, doch wären damit noch nicht die anderen Figuren der Szene untergebracht.40 Auch der Abschied der Persephone von Demeter ist schon vorgeschlagen worden. Andere Deutun-gen werden der Darstellung noch weniger gerecht.41 Die Benennung einer der Figuren auf dem Wagen als jugendliche Athena kann nicht überzeugen. Die Gespannszene auf Kat.Nr.

29 mit Hermes als Gespannführer könnte Parallelen zur Ausfahrt bei der Hochzeit haben, wofür sich Vorbilder in der großen Vasenmalerei finden.42 Durch das Fehlen der Attribute könnte die Szene aus dem Bereich der Götter auch leicht in den profanen Bereich übertra-gen werden und nicht für eine bestimmte Hochzeit stehen, sondern abstrakt, so daß sich jeder damit identifizieren kann.43 Die Verbindung der Themen Tod und Hochzeit findet

29 mit Hermes als Gespannführer könnte Parallelen zur Ausfahrt bei der Hochzeit haben, wofür sich Vorbilder in der großen Vasenmalerei finden.42 Durch das Fehlen der Attribute könnte die Szene aus dem Bereich der Götter auch leicht in den profanen Bereich übertra-gen werden und nicht für eine bestimmte Hochzeit stehen, sondern abstrakt, so daß sich jeder damit identifizieren kann.43 Die Verbindung der Themen Tod und Hochzeit findet