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7 Export der Familienbeihilfe

7.2 Anpassung der Familienbeihilfe an die Lebenserhaltungskosten im Wohnortstaat

7.2.1 Gesetzesentwurf zum Modell der Indexierung

Aufgrund der derzeitigen Intention der österreichischen Politik eine Anpassung der Höhe der Familienbeihilfe an die Kaufkraft im Wohnmitgliedstaat vorzunehmen, wurde am 05.01.2018 ein Gesetzesentwurf vorgelegt, der eine Änderung des Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und des Einkommensteuergesetz 1988 beinhaltet.

171 Vgl Kapuy, Zugehörigkeit in der sozialen Sicherheit: Ändern sich die Zugehörigkeitskonzepte in Europa?, DRdA 2016, 396 ff (401-402).

172 Vgl Philipp/Lenneis, Berücksichtigung der tatsächlichen Lebenserhaltungskosten bei der Bemessung der Familienbeihilfe, ÖStZ 2011, 203 ff (204-207).

173 Vgl Doralt in Die Presse, Familienbeihilfe ins Ausland: Auch ein Zuviel diskriminiert,

https://diepresse.com/home/recht/rechtallgemein/4765120/Familienbeihilfe-ins-Ausland_Auch-ein-Zuviel-diskriminiert (abgefragt am 31.10.2017).

Ziel ist es beim Export der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages etwaige Verzerrungen zu verhindern, was mit einer Indexierung erreicht werden soll.174

Das FLAG 1967 soll dahingehend geändert werden, dass ein § 8a eingefügt wird, der wie folgt lautet:

§ 8a FLAG 1967

„(1) Die Beträge an Familienbeihilfe (§ 8) für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einer Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, sind auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz zu bestimmen.

(2) Die Beträge an Familienbeihilfe nach Abs. 1 gelten erstmals ab 1. Jänner 2019 auf Basis der zum Stichtag 1. Juni 2018 zuletzt veröffentlichten Werte nach Abs. 1. Die Beträge sind in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.

(3) Die Bundesministerin für Familien und Jugend hat gemeinsam mit dem Bundesminister für Finanzen die Berechnungsgrundlagen und die Beträge nach Abs. 1 und 2 sowie die Beträge nach § 33 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 mit Verordnung kundzumachen.

(4) § 53 Abs. 1 zweiter Satz findet in Bezug auf Abs. 1 bis 3 keine Anwendung.

(5) Für die technische Umsetzung der Anpassung der Beträge an Familienbeihilfe nach Abs. 1 bis 3 ist dem Bund (Bundesminister für Finanzen) einmalig ein Pauschalbetrag von 125 000 Euro aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu zahlen.“175

Zur Begründung dieser Änderung hat das Bundesministerium ein Rechtsgutachten des Arbeitsrechtsexperten Mazal eingeholt. Darin wird darauf verwiesen, dass die Familienbeihilfe eine Entlastung hinsichtlich etwaiger Aufwendungen sein soll, die sich im Zusammenhang mit einem Kind ergeben. Kosten, die in Verbindung mit der Unterhaltspflicht entstehen, können demnach mit unterstützenden Mitteln finanziert werden, was den Unterhaltspflichtigen entlastet.

Unter diesem Aspekt wird in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf Bezug genommen auf das Zivilrecht, wo die Unterhaltsverpflichtung durchaus unter Berücksichtigung der Kaufkraft im Wohnstaat des Kindes berechnet wird. Eine solche Differenzierung sei auch bei der Familienbeihilfe von Nöten, ansonsten würde es in den Ländern mit niedrigerer Kaufkraft zu einer über das Ziel der Entlastung hinausschießenden Förderung kommen, was jedoch von den

174 Vgl Bundeskanzleramt Österreich, Begutachtungsentwurf: Familienlastenausgleichsgesetz u.a., https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/171/Seite.1710982.html (abgefragt am 20.01.2018).

175 ME Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden, 1/ME XXVI. GP.

Grundfreiheiten nicht gefordert sei. Erfolge demnach keine Indexierung, würde es dem Sinn und Zweck des Art 67 VO (EG) 883/2004 widersprechen.176

Hinsichtlich des EStG 1988 wäre eine Neugestaltung des § 33 Abs 3 geplant wie folgt:

§ 33 EStG 1988

„….

(3) Steuerpflichtigen, denen auf Grund des

Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu.

Abweichend davon gilt:

1. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu.

2. Für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einer Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, ist die Höhe des Kinderabsetzbetrages auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz zu bestimmen:

a) Die Höhe der Kinderabsetzbeträge ist erstmals ab 1. Jänner 2019 auf Basis der zum Stichtag 1. Juni 2018 zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen. Die Höhe der Kinderabsetzbeträge ist in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.

b) Die Höhe der Kinderabsetzbeträge ist gemäß § 8a Abs. 3 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 kundzumachen.

Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.“177

Da der Kinderabsetzbetrag den gleichen Zweck habe wie die Familienbeihilfe, stelle sie eine lex fugitiva dar und ist parallel zur Familienbeihilfe zu indexieren.178

Die dem Gesetzesentwurf beigefügten Anhängen beinhalten einige Berechnungen mit denen veranschaulicht wird, dass es infolge der Indexierung zu einer Abgabenminderung von rund 114 Millionen Euro kommen soll.179

176 Vgl 1/ME XXVI. GP Erläut 1-2.

177 ME Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Einkommensteuergesetz 1988 geändert werden, 1/ME XXVI. GP.

178 Vgl 1/ME XXVI. GP Erläut 2.

179 Vgl 1/ME XXVI. GP Vorblatt, Anlage 1, 2 und 3.

Einige Europarechtsexperten sind aber durchwegs der Meinung, dass die Durchsetzung einer Indexierung nicht so einfach funktioniert.

Oberwexer sieht in dem Ganzen keinen Rechtfertigungsgrund für eine Ausnahme hinsichtlich des Gleichstellungsprinzips und verweist dabei auf die bereits ergangenen Entscheidungen des EuGH, wonach es nicht relevant ist, wo das Kind lebt. Nur gewichtige Gründe wie die Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit würden so etwas zulassen.180

Auch Herzig hat aufgrund der bestehenden EU-Verordnung erhebliche Zweifel an einer nationalen Änderung.181

Laut Leidenmühler sei eine Indexierung eindeutig rechtswidrig und stehe dem formalen Gleichbehandlungsgebot entgegen.182

Der Gesetzesentwurf verstoße gegen den unmittelbar anwendbaren Art 67 VO (EG) 883/2004.

Österreich riskiere damit ein Vertragsverletzungsverfahren.183

Ein solches Vertragsverletzungsverfahren im Sinne der Art 258-260 AEUV wird dann gegen einen Mitgliedstaat erhoben, wenn gegen Pflichten verstoßen wird, die sich aus dem unionsrechtlichen Primär- oder Sekundärrecht ergeben.184

Auch Deutschland hatte 2017 ein ähnliches Gesetz geplant, wofür es jedoch gleich seitens der Kommission gerügt wurde, woraufhin es von Deutschland nicht weiter verfolgt wurde.

Entsprechendes könnte auch bei Österreich der Fall sein.

Leidenmühler zufolge bedürfe die Anpassung einer Änderung der EU-Verordnung, wofür es im Rat einer Mehrheit nach der „55-65-Formel“ bedürfe. Das heißt, dass 55 % der Mitgliedsstaaten, welche zugleich 65 % der Bevölkerung repräsentieren, dafür sein müssten. Erst dann kann die Verordnung geändert werden und gegebenenfalls eine Indexierung darin normiert werden.

Einen weiteren Weg sieht Herzig darin, dass ein Betroffener den Rechtsweg geht, wonach die nationalen Gerichte prüfen müssten, ob die Regelung europarechtskonform ist und gegebenenfalls den EuGH anrufen, der entscheidet.185

180 Vgl Sterkl/Oswald in Der Standard, Familienbonus nur für Kinder im Inland: Experten sind skeptisch,

https://derstandard.at/2000071872968/Familienbonus-nur-fuer-Kinder-im-Inland-Experten-sind-skeptisch (abgefragt am 11.01.2018).

181 Vgl Interview Ö1-Mittagsjournal, Indexierung der Familienbeihilfe,

http://www.jku.at/eurecht/content/e69165/e344223/1Mittagsjournal_ger.mp4 (abgefragt am 31.01.2018).

182 Vgl John/Oswald in Der Standard, Familienbeihilfe kürzen: Schlechte Chancen für ÖVP-Plan,

https://derstandard.at/2000052732051/Familienbeihilfe-kuerzen-Schlechte-Chancen-fuer-OeVP-Plan (abgefragt am 11.01.2018).

183 Vgl Interview Ö1-Mittagsjournal, Indexierung der Familienbeihilfe,

http://www.jku.at/eurecht/content/e69165/e344223/1Mittagsjournal_ger.mp4 (abgefragt am 31.01.2018).

184 Vgl Leidenmühler, Europarecht3 (2017), 113.

185 Vgl Interview Ö1-Mittagsjournal, Indexierung der Familienbeihilfe,

http://www.jku.at/eurecht/content/e69165/e344223/1Mittagsjournal_ger.mp4 (abgefragt am 31.01.2018).