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Der Gegenstand der Lebensbeschreibung

Im Dokument Michail Kuzmin (Seite 194-200)

IV. Lebensbeschreibungen in Kuzmins ,stilisierter' Prosa

2. Die Alexander-Vita 1. Zur Entstehung

2.2. Der Gegenstand der Lebensbeschreibung

M it Alexander dem Großen bezieht sich Kuzm in zum ersten M al in einer Erzählung a u f eine historische Person. Dies hat zunächst zur Folge, daß die Unabgeschlossen- heit, die die Lebensbeschreibung des "Éme Lebe f' in a lle r D eutlichkeit herausstellte, hier nicht möglich ist. Wahrend er in "Éme L e b e f' eine fik tiv e Autobiographie als Fragment darstellt66, setzt er sich in den "P odvigi" m it einer in einer reichen literari- sehen Tradition überlieferten abgeschlossenen V ita auseinander.

Einen Hinweis auf die allgemeine Them atik der "P odvigi" gibt der Erzähler bereits im V orw ort (L90, S. 373):

Некоторых к прославлению подвижет добродетель излюбленных ими героев, других - славные воинские подвиги, третьих - мудрость, чет- вертых, наконец, - чудесные события и знамения, но, перебрав все имена прошлых и более близких к нам веков, никого не найти, где бы все эти достоинства так удивительно сочетались, кроме Великого Александра.

Die W ahl des Gegenstandes m otiviert der Erzähler also dam it, daß allein Alexander der Große die vier genannten Eigenschaften in sich vereint. Im Zusammenhang m it diesem Satz erweist sich der T ite l des Werks als besonders semantisch markiert.

O berflächlich betrachtet ist "p o d vig i” synonym zu z.B. "p riklju če n ija " im T ite l der

"P riključenija Érne Lebefa".67 Bei genauerer Betrachtung fä llt jedoch auf, daß Ro- mantitel m it dem Bestandteil "Abenteuer" (bzw. seinen anderssprachigen Entspre- chungen) besonders in der französischen und englischen Literatur eine häufige Er- scheinung sind, während "podvig" als Bestandteil eines Titels offenbar ein E inzelfall ist. Berücksichtigt man die lexikalische Verklam m erung des Vorwortes m it dem T i- tel durch "podvižet" und "slavnye voinskie podvigi" im oben zitierten Abschnitt, so rückt die aktuelle, nicht-konventionelle Semantik von "p o d vig i" in den Vorder- grund. "Podvig" hat neben der auch in der russischen Gegenwartssprache geläufigen Bedeutung "geroičeskij, samootverzennyj postupok"68 auch die Bedeutungen "d

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66 Das Werk bricht mitten im Satz ab und zitiert damit womöglich Laurence Sternes berühmte "Sen- timental journey through France and Italy, by M r. Yorick" (1768), auf deren Titel auch Kuzmins

"Putešcstvie sera Džona Firfaksa po Turcii i drugim prime£atel'nym stranam" verweist. Sternes Rei- seroman wurde in der Folge auch von V iktor Šklovskij in dessen "Sentimental'noe putešestvie"

( 1923) aufgegriffen.

67 Man könnte sogar beide Begriffe synonym zu "žizn1" und damit als konventionellen Bestandteil von Titeln des Typs "Leben der/des ..." ansehen.

68 S.I. OžEGOV: Slovar' russkogo jazyka. M. 1990, S. 531.

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ženie, stremlenie" und "put', putešestvie, dviženie".69 Dazu tritt die vom Erzähler et- was eigenw illig konstruierte Etym ologie, die die Kom bination nahelegt, ein "po- dvig" sei das, was "k proslavleniju podvižet", gehe also über die dann genannten

"slavnye voinskie podvigi" hinaus. Jedoch scheint auch die Bedeutung ,Fortbewe- gung' im Sinne von 'Reise' hier eine R olle zu spielen, denn die Erzählung erschöpft sich ja keineswegs in der Schilderung von Alexanders 'Taten', sondern ist wesentlich durch die Reisestationen und die dort stattfindenden Begebnisse bestimmt. Die "po- d vig i" sind es schließlich auch, die die Erzählung strukturieren und die episodischen Haltepunkte a u f dem Lebensweg des Helden markieren. H ierzu sind auch die nicht unm ittelbar von der Person des Titelhelden ausgehenden, jedoch eng m it seiner Per- son verbundenen Sujetelemente der Erzählung zu rechnen: die Umstände der Zeu- gung und Geburt Alexanders ebenso w ie die verschiedenen Wahrsagungen und an- deren "òudesnye znamenija" sind in diesem Sinne gleichfalls zu den so etym ologi- sierten "podvigi" zu zählen.

Während manche von Kuzm ins Zeitgenossen behaupteten, Kuzm ins Alexander-Vita habe "maio obščego s klassičeskim i obrazcam i"70, bemerkten belesenere Rezensen- ten sehr wohl eine enge Verbindung der "P odvigi" m it der literarischen Tradition.

Während Lev M arkovié anmerkte, das W erk sei "prekrasnym jazykom starych chro- n ik" geschrieben71, verwies Vjačeslav Ivanov a u f die Ebene der Fabel, indem er die Quelle fu r die phantastischen Episoden des Textes "v plenitel'no־ pričudlivych i uža- sajuščich sočetanijach, prisnivšichsja suevemomu i jasnovidjaščemu sredneve- kov'ju" vermutete. Darüber hinaus behauptet er an gleicher Stelle einen Einfluß Flauberts (besonders durch dessen "Tentation de Saint A ntoine").72

Der S toff, so wie ihn Kuzm in aus dem auch im M itte la lte r verbreiteten Alexanderre- man schöpft, stammt jedoch aus viel früherer Zeit. Schon der im 3. Jahrhundert ent- standene Pseudo-Kallisthenes enthält den größten T e il der von Ivanov dem m ittelal- terlichen Aberglauben zugeschriebenen Episoden.73 Dagegen erfuhr der Alexander-69 D al'III, S. 164.

70 JU. AL-IČ, in: Russkie vedomosti 1910. Nr. 135 (15.V I.), zit. zusammen mit weiteren, ähnlichen Rezensionen in L90, S. 555.

71 L. M o v iC [Ma r k o v ič]: "Lctopis' literatury i žizni". In: Obrazovanie 1909.6, S. 81.

72 VJAČ. Iv a n o v: "O prozę M . Kuzmina". In: Apollon 1910.7 [Chronika], S. 48. Kuzmin hob in ei- ner Autobiographic des Jahres 1913 (IR LI. F. 377, 1-e sobr. avtobiografij S.A. Vengerova. Nr. 1582) hervor, in Ivanovs Rezension sei "vskiyt toćnyj smysl moich povestej «Nežnyj Iosi6> i «Podvigi ve- likogo Aleksandra»" (zit. nach L90, S. 507).

73 R. MERKELBACH: Die Quellen des griechischen Alexanderromans. München 1977, S. 91, Anm. 8.

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roman in den m ittelalterlichen Bearbeitungen weitgehende Veränderungen: Alexán- der wurde zum Ideal des ritterlichen Herrschers stilisie rt, und besonders seine zwie- lichtige Herkunft wurde im christlichen Sinne aufgebessert.74 Da diese Elemente in Kuzmins "Podvigi" v ö llig fehlen, scheint der griechische Alexanderroman (Pseudo- Kallisthenes) als Quelle Kuzmins zumindest wahrscheinlich. A ls weiteres Indiz hier- fü r wäre zu nennen, daß der griechische Alexanderroman in seiner ältesten Redak- tion A ' aus Alexandria stammt75, was sich auch in der zentralen Stellung der Grün- dung dieser Stadt im Pseudo-Kallisthenes ausdrückt. Auch in den "P odvigi" spielt Alexandria eine besondere Rolle, was kaum überraschen kann, bedenkt man die Be- deutung, die diese Stadt fü r Kuzmins biographischen M ythos hatte.76 Verwunderlich erscheint deshalb, daß Vjačeslav Ivanov, der doch m it K uzm in zur Zeit der Entste- hung der "P odvigi" bereits zusammenlebte, einen so anderen literarhistorischen Be- zug annimmt. V ö llig unverständlich bleibt indessen die Behauptung V I. Markovs:

Повесть о Елевсиппе и д е т о т г р е ч е с к о г о р о м а н а , а Подвиги из ср ед н е-

вековой т р а д и ц и и .77

Er fügt allerdings vorsichtigerweise an:

Э т и и сто ч н и к и н у ж н о ещ е т о ч н о о п р е д е л и т ь и т щ а т е л ь н о и с сл е д о - в а т ь .78

Das diesbezüglich sehr verworrene B ild , das Granoien in seiner Dissertation zu Kuzmins Prosa bietet79, trug ebenfalls kaum zur Klärung der Frage nach den kon- kreten literarischen Bezügen der Kuzminschen Alexander-Vita bei. Deshalb scheint es hier notwendig, die Überlieferung des Stoffes in der L ite ra tu r kurz zu rekapitulie- ren und die wichtigsten Bezugspunkte herauszustellen.

Möglicherweise ließ sich Ivanov zu seiner Annahme durch die A uflistung der Na- men, die Kuzm in als V orbilder im V orw ort zu den "P odvigi" (L90, S. 373) auffuhrt, verleiten. Es ist jedoch kaum wahrscheinlich, daß sich Kuzm in m it den hier u.a. ge-74 Vgl. z.B. zum deutschen Alexander-Epos K. BERTAU: Deutsche Literatur im europäischen Mit- telalter. Bd. 1. S. 329-337.

75 R. MERKELBACH, a.a.O., S. 90-91.

76 Vgl. Malmstad, S. 34, und auch Markov, S. 334:

Александрия, которую Кузмин увидел еще до того, как стал поэтом, имела исключительное значение для его творчества.

77 V l. Ma r k o v: "Beseda о proze Kuzmina". In: Proza I, S. XI.

78 Ebda.

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nannten altfranzösischen und mittelhochdeutschen Texten allzu intensiv beschäftigt hat. D ie Nennung des persischen Dichters Firdousi und die etwas w ahllos-zufällige A ttrib u tio n der letzten Namen verleiht der Aufzählung einen deutlich literarisierten Charakter. Der griechische Pseudo-Kallisthenes, auf den in Kuzmins Liste der Name Kallisthenes ("K a llis fe n ") hinw eist, ist in mehreren Redaktionen erhalten, von denen einige bereits im 19. Jahrhundert in einer kritischen Ausgabe zugänglich waren.80 Eine lateinische Übersetzung aus dem 4. Jahrhundert stammt von Julius Valerius.

Sie lag im 19. Jahrhundert bereits in drei Ausgaben vor.81 Diese beiden Texte könn- te Kuzm in durchaus benutzt haben, da er die griechische und die lateinische Sprache erwiesenermaßen gut beherrschte.82 Kuzm ins "Podvigi" enthalten jedoch einige Epi- soden und gewisse Besonderheiten in Namensformen u.a., die in diesen Texten nicht zu finden sind. A uffallend an Kuzm ins Namenliste im V orw ort ist, daß die russi- sehen Versionen des Alexanderromans nicht genannt werden. Dies kann darin be- gründet sein, daß es hier keine Autorennamen zu nennen gibt, da die Werke anonym überliefert sind. Der Alexanderroman ist in der altrussischen Literatur in zwei Ver- sionen überliefert: D ie heute bekanntere Version ist eine russische Redaktion der

"Serbischen Alexandreis". Sie entstand w ohl im 15. Jahrhundert und "spiegelt be- reits die spätm ittelalterliche T radition: in ih r sind nicht nur griechische, sondern auch westliche ritterliche M otive spürbar".83 Dieser Text war augenscheinlich zur Z eit Kuzmins nur in der griechischen und der serbischen Redaktion veröffentlicht.84

79 N. Gr a n o ie n: Mixail Kuzmin. An aesthete's prose, a.a.0., S. 301-323.

80 L. MOLLER: Pseudo-Callisthenes. Paris 1846.

81 Mailand 1817; Halle 1867 (ed. Zacher); Leipzig 1888 (ed. Kuebler).

82 Von Kuzmins solider Beschäftigung m it antiker Literatur auch nach der Schulzeit am 8. Peters- burger Gymnasium zeugt ein B rie f an Čičerin vom 3.VII.1901 (zitiert bei S. TCHIMICHKIAN: "Ex- tra its...״, a.a.0., S. 160):

Не знаешь ли ты лучшее (то-есть полнейшее по критике и текстам) издание Апулея и Плотина и притом не в протяжении времени, как для чтения в би- блиотеке, а в наличности, как для покупки? Плотин в издании Creuzer*а кажет- ся и Апулей Bosch'b но это для библиотеки, а не для приобретения.

Kuzmins Übersetzung der "Metamorphosen" des Apuleius g ilt bis heute als russische Standardaus- gäbe dieses antiken Romans. Kuzmins vor 1914 entstandene Übersetzung der "Bibliotheka" des Apollodor blieb unveröffentlicht, die Kapitel 1-9 des ersten Buches sind jedoch im Autographen und den Druckfahnen (datiert " 18.1 V. 1912") erhalten (RGALI. F. 232, op. 1, ed. ehr. 27, B ll. 1-30, 31-39). Kuzmins wohl letzte Veröffentlichung in einer sowjetischen Zeitschrift war die Übersetzung eines Fragments aus Homers "Ilias": "Iz Iliady Gomera. Proščanie Gektora s Andromachoj". In:

Zvezda 1933.6, S. 69-73.

83 Ja.S. L u r'e : "Roman ob Alexandre Makedonskom v russkoj literature XV v." In: Aleksandrija.

Roman ob Aleksandre Makedonskom po russkoj rukopisi XV v. M .-L. 1965, S. 149.

84 Griechischer Text in: A.N. VESELOVSKJJ: Iz istorii romana i povesti. Vyp. 1. SPb. 1886 (prilože- nie). Serbischer Text in: Pripovetka о Aleksandru Velikom и staroj srpskoj književnosti. Krit. tekst i rasprava od Stojana Novakovica. Beograd 1878 (=GIasn. Sipskog uč. druzštva. 2. otd., kn. 9). Die

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Eine frühere Version liegt in der Alexandreis der Russischen Chronographen85 vor,

die in ihrer ersten Redaktion eine weitgehend w örtliche und vollständige Überset- zung des Pseudo-Kallisthenes darstellt. Sie geht verm utlich auf das 12. Jh. zurück und folgt der Redaktion B' des griechischen Alexanderromans.86 Dieser Text wurde in seinen vier erhaltenen Redaktionen 1893 von V . Istrin veröffentlicht und m it ei- nem umfangreichen Kommentar versehen, in dem die Abweichungen der Redaktio- nen untereinander, die Unterschiede gegenüber den nicht-russischen Versionen des AlexanderTomans und die Quellen der zum T eil erheblichen Zusätze in den späteren Redaktionen untersucht werden.87

Zieht man die M öglichkeit in Betracht, Kuzm in könnte dieses Buch als eine Quelle fü r seine Alexander-Erzählung benutzt haben, so spricht hierfür, daß Istrins Publika- tion sowohl eine brauchbare Version des Pseudo-Kallisthenes als auch viele ergän- zende M otive in den verwandten Texten (Red. 2-4) und dem Kommentarband ent- hält. Zudem bietet der kritische Apparat der Ausgabe eine Fülle zusätzlicher histori- scher und kulturgeschichtlicher Inform ationen, so daß Kuzm in auch fast ohne weite- re Literatur das M aterial zu seiner Erzählung von hier beziehen konnte. Bei genaue- rer Untersuchung des Textes der "Podvigi" stellt sich heraus, daß Kuzm in diese Ausgabe tatsächlich benutzt haben muß.88 Im folgenden soll an einigen Punkten der Nachweis hierfür erbracht werden.

Für den Nachweis, daß Istrins Buch als Hauptquelle und w ichtigster literarischer Bezug fur Kuzmin fungierte, dienen Übereinstimmungen, die nur a u f Kuzmins Kenntnis dieses Buches beruhen können. Das g ilt zum einen für Episoden, die nur in russische Redaktion dieses Textes erschien erst in der Ausgabe Aleksandrija. Roman ob Aleksandre Makedonskom po russkoj rukopisiXV v. M.-L. 1965.

85 Unter den Russischen Chronographen verstehen w ir nicht den gewöhnlich so genannten Text des 15./16. Jh., sondern auch und besonders den Chroniktext, der auf die (nicht erhaltene) "rukopis' sta- rejšcj istoričeskoj kom piljacii X II v." zurückgeht und der u.a. im "E llinskij" und "Rim skij Letopi- sec" erhalten ist. Siehe N.K. GUDZIJ: "Perevodnaja literatura X I - načala X III v. § 1. Aleksandrija".

In: Istorija russkoj literatury. T. 1. M.-L. 1941, S. 131-132. Vgl. auch O.V. TVOROGOV: "B elletristi- českie elementy v perevodnom istoričeskom povestvovanii X I-X III w ." In: Istoki russkoj belletri- stiķi. L. 1970, S. 137-138, und DERS.: Drevnerusskie chronograjy. L. 1975 (besonders S. 8-46).

86 N.K. GUDZU, a.a.O., S. 136.

87 V. ISTRIN: Aleksandrija russkich chronografov. Issledovanie i tekst. 2 Bde. SPb. 1893. Im weite- ren zitiert als Istrin I-II.

88 In den Kommentaren von Lavrov und Timenčik zu L90 (S. 555) wird der Pseudo-Kallisthenes als grundlegende Quelle Kuzmins genannt, auch Istrins Ausgabe wird erwähnt, ohne daß jedoch ihre konkrete Bedeutung betont würde. Auch N . GRANOIEN: Mixail Kuzmin. An aesthete's prose, a.a.O., S. 314-316, nennt diesen Text als mögliche Quelle, zieht ihn jedoch bei seiner weiteren Analyse der

"Podvigi" nicht mehr in Betracht.

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den von Is trin gebotenen Texten begegnen oder aber aus schwer zugänglichen ande- ren Quellen stammen. Zum anderen g ilt es fü r ausgefallene Namensformen, le xika li- sehe Besonderheiten u.a., die die Podvigi m it Istrins Publikation gemein haben, die sonst aber nicht Vorkommen.

O bwohl der Text der "Podvigi" wesentlich kürzer ist als die umfangreicheren Re- daktionen 1 und 2 der Chronographischen Alexandreis, weist er doch m it allen Ka- piteln der bei Istrin publizierten Texte motivische Übereinstimmungen auf. Im H andlungsverlauf fo lg t er im wesentlichen der bei Pseudo-Kallisthenes (Red. B', entsprechend Red. 1 der Chronographischen Alexandreis) vorgegebenen Abfolge.

Abweichungen findet man z.B. in § 32 ("Proščanie s Roksanoj")89, wo Kuzm in o f- fensichtlich auf eine andere Quelle zurückgreift90, und in § 34 ("O blast' m raka"):

H ier ist ein Zusatz aus Red. 2 der Chronographischen Alexandreis, Buch II, Kap. 37, eingeschoben, während der ganze Abschnitt im übrigen nach Buch II, Kap. 39 der Red. 1 erzählt w ird. Das gleiche g ilt fü r die §§ 39-40: D ie hier be- handelten Episoden "Ispytanie vozducha" und "Ispytanie vody" finden w ir in Red. 2 und 4 der Chronographischen Alexandreis schon in Buch III, Kap. 11, während sich der vorhergehende § 38 auf Buch III, Kap. 17 der Red. 1 bezieht. Ebenso verhält es sich m it § 23 ("Aleksandr v Ierusalim e"), wo in die Erzählung nach Red. 1, Buch I, Kap. 35 der Einschub über die "Z w ö lf Steine" aus Red. 2, Buch I, Kap. 33 eingefägt ist. A lle diese Passagen sind als hervorgehobene Sujetelemente der Erzählung be- reits dadurch exponiert, daß sie das vorgegebene Handlungsschema des griechischen Alexanderromans durchbrechen. Im ganzen V erlauf der Erzählung fo lg t Kuzm in im übrigen streng dem A b la u f der Chronographischen Alexandreis in ihrer Red. 1.

Einige bei Kuzm in erzählte Episoden finden sich nicht in Red. 1 der C hr.A lex., son- dem stimmen m it Zusätzen der Red. 2 überein. In § 34, der von dem "Dunklen Land" und dem "Land der Seligen" berichtet, sind drei Momente enthalten, die die Chronographische Alexandreis nur in Red. 2, Buch II, Kap. 37 bietet: a) die Wen- dung nach links, b) die Begegnung m it dem See voller stöhnender und weinender Menschen und c) den an den Felsen gefesselte "Giganten". Nun sind dies keine ganz ausgefallenen M otive91; in dieser direkten Aufeinanderfolge scheint eine nur z u fa lli- ge Übereinstimmung jedoch unwahrscheinlich. Diese Passage in Red. 2 der Chrono-89 NB - in der Buchausgabe von 1910 (und entsprechend in Proza II) sind hier die § § 3 2 und 33 m it ihren Überschriften vertauscht, was im Kommentar nicht angemerkt ist.

90 Vgl. Z.B. PLUTARCH: "Alexandras", Kap. 3 7 ,3 9 , und 43.

91 Das M otiv des Sees voller Menschen findet sich auch bei Dante (vgl. Inferno, canto V II, V. 109 -1 1 1 ). Der gefesselte "Gigant" alludiert deutlich den Prometheus-Mythos.

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graphischen Alexandreis stammt der Beobachtung Istrins nach aus dem W erk

"Choždenie trech otrokov к M akariju" und ist, w ie er belegen kann, teilweise w ört- lieh von dort z itie rt.92

Im selben § 34 erscheint bei Kuzm in ein M otiv, das sich durch die ganze Erzählung zieht, jedoch a u f m erkwürdige Weise verdunkelt ist: H ier w ird a u f die Weissagung des "A n tifo n t" aus § 7 zurückverwiesen, die dort besagt, daß Alexander

обойдет весь мир и, вернувшись домой, умрет молодым.

H ier jedoch, in § 34, erinnert sich Alexander an das

предсказание Антифонта, что умереть ему придется на железной земле под костяным небом.93

Während die Weissagung, w ie sie in § 7 steht, so auch in allen Redaktionen der Chronographischen Alexandreis au ftritt, enthalten nur die Redaktionen 2 und 3 den bei Kuzm in in § 34 ,erinnerten' Zusatz, dessen ursprüngliche Quelle auch Istrin nicht kennt.94 Daher kann m it großer W ahrscheinlichkeit angenommen werden, daß Kuz- m in diese Passage dem Buch von Istrin entnommen haben muß.

Die Passage m it den "E chidny", die bei Kuzm in nur sieben Textzeilen ausmacht (§ 42), fehlt im Pseudo-Kallisthenes vö llig und findet sich in der Chronographischen Alexandreis lediglich in Red. 2, Buch III, Kap. 21. Nach Istrin ist diese Episode ei- ner späten russischen Redaktion des Physiologus entnommen. E r zitie rt die entspre- chende Stelle aus dem von A . Kameev publizierten T ext.95 Im Physiologus haben die "Echidny" demnach menschliche Gesichter, was sowohl in Kuzmins "Podvigi"

als auch in Red. 2 der Chronographischen Alexandreis nicht der Fall ist, so daß der Leser sich wohl eher übergroße als halbmenschliche Wesen vorstellt. Die restlichen Details, die u.a. über die Fortpflanzung dieser Wesen m itgeteilt werden, sind jedoch allen drei Texten gemeinsam.

Schließlich ist noch die Episode m it der Gorgone zu nennen, die in der Chronogra- phischen Alexandreis nur in Red. 2 (Buch III, Kap. 28) enthalten ist. Sie ist offen-92 Istrin /, S. 193-194.

93 Zur Interpretation dieses Widerspruchs siehe unten, Kap. 2.3.

94 Istrin /, S. 149-150. Hier zitiert Istrin auch eine ähnlich lautende Passage aus einer georgischen Legende.

95 Istrin /, S. 228. Vgl. auch A. KARNEEV: Materiały i zametkipo literatumoj istorii Fiziologa. SPb.

1890, S. 217.

Im Dokument Michail Kuzmin (Seite 194-200)