praktischer Art gegen die mathematische Regelmäßigkeit von Stadt-anlagen. So entspricht das Rechtecksystem den Forderungen des Verkehrs nur unvollkommen, denn zwischen zwei Punkten, welche an zwei sich
gegenüber liegenden
Ecken
eines Häuserquadrates liegen,muß
stets einWeg
zurückgelegt werden, dessenLänge
den beiden Katheten statt der Hypothenuse des rechtwinkeligen Dreiecks gleichkommt.Es
giebt nicht einen kürzestenWeg
zwischen beiden, sondern nur zwei gleich lange.Auch
unnötig breite Straßen, von denen wir oben ein Beispiel aus Stettin anführten, sind aus praktischenGründen
verurteilt worden, weil sie in Großstädten die Bodenpreise erhöhen ^)und
deshalb entweder nur wenigen Bemittelten zu gutekommen
oderzum Bau
von Miets-kasernen veranlassen. Ja, selbst die sanitäreWirkung
breiter, gerader Straßen ist angezweifelt worden,indem man
behauptete, „daß breite Straßen zugig sind, zumalwenn
sie auf lange Strecken gerade durch-laufen,und
daß sie schonmanche
Stadt in den Geruch derüngesund-heit gebracht haben" ^).
Wenn
auch diese Angriffezum
Teil etwas übertrieben seinmögen und
den Vorteil, den diemodernen
Stadterweiterungen dadurch bieten,daß sie Luft
und
Licht in die oft düsterenund
engen Städte bringen, zu sehr verkennen, so sind doch andererseits die Vorschläge, die jene Fachleute für die Zukunft machen, entschieden zu billigen. Diese Vor-schlägekann man
zusammenfassen in die Forderung, den Städten injedem
Falle ihre nationaleund
lokale Individualität zu wahren. Unsere deutschen Städte sollen stets durch Bauart der Häuser,Führung
der Straßen u. s. w. als solche zu erkennen sein,und
die natürlicheBe-schafiPenheit ihres Baugrundes soll sich auch nach der
Bebauung
nochzeigen.
Darum
sollman
einen der Erweiterung entgegenstehendenHügel
nicht abtragen, sondern die Höhenunterschiede wie in alten Städten durch gebogene Straßen überwinden ^).Den
Hauptverkehrs-bahnen soll durch breite, in der entsprechenden Richtung laufende, aber nicht schnurgerade StraßenRechnung
getragen werden.Das
Her-vortreten von Hauptlinien läßt das beruhigende Gefühl der Sicherheit entstehen, das wir z. B. schon bei der erstenDurchwanderung
des jetzigen innerenBremens und Hamburgs
empfinden. Entsprechen diese\) R.
Baumeister,
Moderne Stadterweiterungen. Deutsche Zeit- undStreitfragen. 2. Jahrg., Heft 7.
^) K. Henrici, Von welchem Gedanken sollen wir uns beim Ausbau unserer deutschen Städte leiten lassen? Trier 1894, S. 11.
^) Je breiter die Straße, desto größer gewöhnlich auch die erlaubte Bauhöhe der Häuser, desto wertvoller der Baugrund. Vgl. Dr.
Ab
ele, WeiträumigerStädte-bau und Wohnungsfragen. Stuttgart 1900, S. 40.
^)
Götze,
Wohnungsfragen und Bebauungsplan. Zwei Abhandlungen im Jahrgang 1894 der ,Sozialen Praxis" S. 50.5) Ch. Buls, Aesthetik der Städte. Giefsen 1898, S. 11.
ß2 R- Reinhard, Die wichtigsten deutschen Seehandelsstädte.
Hauptstraßen allen Erfordernissen des Verkehrs, so
kann
dann bei den Nebenstraßen den geographischen Verhältnissenund
ästhetischen Be-dürfnissenum
somehr Rechnung
getragen werden. Gerade langeStraßen
müssen
in angemessener Entfernung durchmonumentale
Bau-werke einen Abschluß erhalten, ein Mittel,dem
z. B.manche
Straßen des altenDanzig
eine außerordentlich schöneWirkung
verdanken (vgl.Beilage 3).
„Um Bewegung
in die Straßenflucht gerader Straßen zu bringen, sollen zwei parallele Baulinienangenommen
werden, zwischen welchen den baulustigen Anstößern einzelne Vorbauten gestattet oder durchlaufende Terrassenund Arkaden
vorgeschrieben werden" ^).Vielfach suchte
man
in den letzten Jahren die Vorstädte dadurch zu verschönen , daßman
die Häuser durchgehends in einemmehr
villenartigen oder gar ländlichen Stil erbaute
und
sie mit Gärtenum-gab, jedoch wirken beide Mittel bei der meist beibehaltenen
regel-mäßigen
Straßenführung nur halb.Die
im Anhang
gegebenen allgemeinen Erörterungen hielten wir für erlaubtund
geboten, weil die hier behandelten Städte einesteils jenemodernen
Erscheinungen aufweisen, denen gegenüber dasallge-meine Urteil
immer mehr
absprechend wird,und
andererseits in ihren alten Stadtteilen,und
besonders in ihren schönsten Vertretern der alten Zeit, wie Lübeck, Danzig, Rostock, Stralsund, Vorbilder sind für jene Verschönerungsmittel, derenAnwendung
beikünftigen Stadterweiterungen mit Recht gefordert wird.^)
Baumeister,
Moderne Stadterweiterungen S. 9.Straßennamen sind in zwei Fällen geographisch interessant. Ein-mal,
wenn
ihre Träger eine bestimmteLage
innerhalb der Stadt auf-weisen, die mit topographischen oder sozialen Verhältnissen zusammen-hängt,und
sodann,wenn
sie selbst frühere oder noch vorhandeneMerkmale
des Stadtbodens, der Stadtgrenzen, derZusammensetzung und
Beschäftigung der Bevölkerung u. s. w. angeben.Aber
auch diese geographisch interessantenNamen können
hier nicht alle einzeln aufge-zähltund
erklärt werden, sondern wir werden nur die wichtigsten, nach verschiedenen Klassen geordnet, betrachten.Da
die meisten der-selben in allen oder wenigstens in der Mehrzahl der hier inRede
stehenden Städtevorkommen,
wird es nur ausnahmsweise des Hin-weises auf eine bestimmte einzelne Stadt bedürfen.In- den
modernen
Stadtteilen finden wir den größten Teil der Straßen nach denNamen
„berühmterMänner"
benannt, ein Verfahren, dasdem
Mittelalter vollständig fremd war.Wenn
in jener Zeit eine Straße nach einer Person genannt wurde, so galt die Bezeichnungdem
Besitze, den der Betreffende an ihr hatte, nicht seinem
Ruhme
^). Da-gegen hat das Mittelalter einige Arten von Straßennamen, die heutzu-tage nichtmehr
oder nur noch seltenangewandt
werden.Es
sind einmal die von gewissenGewerken und
Berufsklassen hergeleitetenNamen und
sodann solche, zu denen wichtige Gebäude, topographische Verhältnisse des Geländes, besondereMerkmale
der Straße selbst dieVeranlassung gaben. Die
Namen
der ersten Gattungkönnen
heute nichtmehr angewandt
werden, weil sie einer Art desWohnens
ent-sprechen, die jetzt nichtmehr
möglich ist.Dagegen
läßt sich der geringe Gebrauch derjenigen der zweitenArt nicht so leicht rechtfertigen.Wenn
natürlich auch nicht alle die zahlreichen neuentstehenden Straßen einermodernen
Großstadt nach den oben bezeichnetenMerkmalen
be-nannt werden können, häufiger als dies jetzt geschieht, wäre es vielleichtdoch möglich,
und
fürmanche
Straße ließe sich wohl ein bezeichnen-dererName
finden als der einer Persönlichkeit, die vielleicht noch dazu in gar keiner näheren Beziehung zur Stadt steht.Gar
nichtskann man
sich in der Regel bei Straßenbezeichnungen denken, die nachVor-namen
gewählt sind.Im
Gegensatz dazu haben die alten, meist durch den täglichenGebrauch im Volksmunde
entstandenen Straßennamen viel^) V.
Below,
Das ältere deutsche Städtewesen und Bürgertum, S. 39.64 R- Reinhard,
Anziehendes
und
in ihrer Eigenschaft alsUrkunden
häufig auch einen größeren praktischen Wert.Den
mitEigennamen
gebildeten Straßennamenam
meistenver-wandt
sind diejenigen, die auf bestimmte Stände und Berufsklassen zurückzuführen sind.Wie
erwähnt,waren
die üransiedelungen Bremens,Hamburgs,
Stettins, Danzigs Fischerdörfer,und
auch da,wo
die ersteAnlage aus strategischen oder kommerziellen
Gründen
geschah, bildeten doch die Fischer naturgemäß vonAnfang
an einen wichtigenBestand-teil der Bevölkerung,
darum
finden wir in unseren Seestädten wenigstens eine von den in derNähe
des Wassers führenden Straßen als Fischer-straße, Fischergang, Fischergrube, Fischertwiete^) nach jener Zunft benannt.Die Bevölkerung der eigentlichen deutschen Stadt setzte sich hauptsächlich aus drei Elementen