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Frühdiagenese mariner organischer Substanzen in Sedimenten des EN

6. Diskussion

6.2 Frühdiagenese mariner organischer Substanzen in Sedimenten des EN

Hinweise auf eine frühdiagenetische Modifzierung des TOC-Signals in den oberflächennahen Sedimenten des EN leiten sich aus spezifischen Profilverläufen geochemischer und mikroskopischer Parameter, welche besonders deutlich in den Sedimenten der Norwegischen See ausgebildet sind, ab. Die ausgeprägte Saisonalität der Primärproduktion (von Bodungen 1989, Peinert 1986, siehe Abschnitt 3.6) ist bereits an der Sedimentoberfläche aufgrund von Transformationsprozessen innerhalb der Wassersäule und der spontan einsetzenden biologischen Aktivität in der bodennahen Nepheloid-Schicht und der benthischen Zone (Graf 1989, Thomsen 1992) nicht mehr überliefert. Rapide abnehmende TOC-Gehalte in den obersten Kernabschnitten spiegeln komplexe mikrobiologisch-geochemische Prozesse in der bioturbierten Zone wider, die zu einer selektiven Remineralisierung labiler organischer Substanzen führt (Köster 1992). Eine Quantifizierung diagenetischer Effekte anhand von Veränderungen geochemischer Parameter an oberflächennahen Turbiditsequenzen der Madeira Tiefsee-Ebene wurde von McArthur et al. (1992) durchgeführt. Insgesamt geben die Autoren eine oxidative Remineralisierung des ursprünglich abgelagerten OM um 60 %, bei gleichzeitiger Abnahme des HI um 50 % und einer Veränderung des 613Corg-Signals um 2,8

%oPDB zu leichteren Werten an.

Oberflächennabe diagenetische Prozesse resultieren in den Sedimenten des EN in einer Verschiebung des 613Corg-Signals um etwa 1 %oPDB, von -22,0 bis -22,9 %oPDB an der Sedimentoberfläche zu -23,0 bis -23,7 %oPDB in etwa 25 cm Teufe. Eine weitere Modifizierung des Isotopensignals um 0,8 %oPDB auf -23,8 %oPDB wurde in Kern 23071 bis zum Einsetzen der deglazialen Diamiktsedimentation gemessen. Vergleichbare Veränderungen des Isotopensignals werden von Hebbeln (1991) mit 0,5-2 %oPDB und Dean et al. (1986) mit 1-2 %oPDB angegeben.

Weitere Hinweise auf frühdiagenetische Veränderungen des OM liefert der mit zunehmender Kernteufe abnehmende HI von maximal 270 mgKW/gTOC an der Sedimentoberfläche auf unter 50 mgKW/gTOC im Übergang zum letzten Glazial. Die hierdurch angezeigte Änderung in der Zusammensetzung des OM von Kerogentyp II/III (marin/terrestrisch, nach Tissot &

Welte 1984) zu III/IV (terrestrisch/oxidiert, nach Peters 1986) kennzeichnet einerseits die relative Abnahme des autochthonen Signals mit zunehmender Kernteufe, andererseits kann dieser Prozeß jedoch durch einen zunehmenden Eintrag von allochthonem OM aufgrund geänderter klimatischer Bedingungen überlagert werden. Eine Trennung zwischen diesen unterschiedlichen Prozessen ist bedingt mit Hilfe mikroskopischer Untersuchungsmethoden möglich.

Als dritter Parameter liefert der mikroskopisch ermittelte autochthone Anteil am OM Aussagen über selektive Abbauprozesse. Dies wird bereits in der graphischen Darstellung gewichtsnormierter, autochthoner und allochthoner Anteile durch einen einseitigen Rückgang des marinen Mazeralanteils deutlich (Abb. 23, 25 bis 30). Welchen quantitativen Einfluß frühdiagenetische Prozesse auf das autochthone Signal mit zunehmender Kernteufe haben, läßt sich nach Normierung der marinen Anteile auf den Ausgangswert an der Sedimentoberfläche ermitteln (Abb. 38). Trotz deutlich unterschiedlicher Sedimentationsraten in den Oberflächensedimenten des EN, mit Maximalwerten von 9,8 cm/ky auf dem Vßring-Plateau und Minimalwerten von 0,8 cm/ky im Boreas-Becken, ist in den obersten 40 cm der Profile ein vergleichbar effektiver Abbau des marinen OM überliefert. Dominant gesteuert wird dieser Prozeß durch benthische Aktivität und Porenwasserfrühdiagenese, wodurch bis in 20-30 cm Teufe zwischen 35-50 % des ursprünglich sedimentierten autochthonen OM remineralisiert wird. Der kontinuierlich abfallende Verlauf aller Profile weist auf einen stark überprägend wirkenden Abbau durch Mikroorganismen hin, da konstante Mischwerte in bioturbierten Kernabschnitten, als Hinweis auf eine intensive Homogenisierung des Sediments, nicht auftreten.

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Abb. 38: Einfluß von Frühdiagenese auf autochthones organisches Material, dargestellt an fünf oberflächennahen Profilverläufen aus unterschiedlichen Bereichen der Norwegischen See und des Boreas Beckens. Trotz deutlich unterschiedlicher Sedimentationsraten ist ein vergleichbar effektiver Abbau des marinen organischen Materials um 35-50 % des ursprünglich abgelagerten Wertes in der bioturbaten Zone überliefert.

Friihdiagenetische Einflüsse auf tieferliegende Kernabschnitte werden exemplarisch am Kern 23071 diskutiert und mit den durchschnittlichen autochthonen Flußraten in der Wassersäule verknüpft (Abb. 39): Ausgehend von durchschnittlich 60-90 gC/m2*y primär produziertem OM (PP) in der photischen Zone (von Bodungen, mündl. Mitt.) erreichen nur 0,25 gCfm2*y (= 0,42-0,27 %PP) des urspriinglichen Signals die Sedimentoberfläche auf dem äußeren V~ring-Plateau. Der im vorigen Abschnitt diskutierte Abbau in der bioturbaten Zone (22 cm, nach Ruff 1988) reduziert das marine Signal der Sedimentoberfläche in 25 cm Teufe um 40

% (= 0,2-0,33 %PP). Eine weitere Modifizierung der geochemischen Parameter ist während des Isotopenstadiums 1 und 2 nicht dokumentiert. Es fällt jedoch ein Rückgang des autochthonen Signals bis zu 46 % (= 0,15-0,1 %PP) zwischen 90-100 cm Kemteufe auf, der mit dem Einsetzen der deglazialen Diamiktsedimentation einhergeht. Ein signifikant niedriger mariner Anteil von 25 % (= 0,016-0,01 %PP) bei geringen TOC-Gehalten um 0,2 Gew.% tritt 450 cm tiefer im Kernprofil (lsotopenstadium 5) auf. Dieser Befund weist auf eine längerfristig wirksame diagenetische Reduzierung organischer Substanzen bis zur fast vollständigen Oxidation des autochthonen Signals hin. Ein Anstieg der autochthonen Werte auf 80 % (= 0,13-0,08 %PP) des rezent abgelagerten autochthonen OM kennzeichnet in 600 cm Teufe das Klimaoptimum des letzten Interglazials (5.5.1). Der Übergang zum vor-letzten Glazial ist in einem deutlichen Rückgang mariner Anteile auf Werte zwischen 40-50

% (= 0,08-0,05 %PP) mit zunehmender Kernteufe überliefert.

Kern 23071

Autochthones organisches Material

Äußeres Vering-Plateau Fluß Primärproduktion gC/m2y o/o-Anteil

60-90 100 Primärproduktion 30 50-30 Exportproduktion

TOC marin 3 • 4

5-3 300 m über Meeresboden nonniert auf Oberflächenanteil (o/o)

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

0 0,25 0,42- 0,27

0,21 0,35- 0,23 Diagenese

0,09 0,15-0,10 0,12 0,20- 0,13 0, 13 0,22- 0,14

50 0, 10 0, 17 • 0,11

~ 0,09 0,15-0,10

~

5.. ~

0 Oiamikt

2. 0, 11 0,18-0,12

1 1

Diamikt 0,12 0,20- 0,13

0, 11 0,18-0,12

0,33 0,55- 0,37 0,01 0,02 • 0,01

0,05 0,08 • 0,05 0,08 0, 13 • 0,08

0,03 0,05-0,03 0,04 0,07- 0,04

0 0,02 0,03- 0,02

2.

0, 11 0,18- 0,12 0,14 0,23- 0,16 0,05 0,08- 0,05

Abb. 39: Einfluß der Frühdiagenese auf das autochthone organische Material in Sedimenten des äußeren V0ring-Plateaus, Kern 23071. Der Profilverlauf des normierten marinen TOC-Signals belegt einen Abbau von 40 % in den obersten 30 cm des Sediments, der in Diarnikthorizonten um weitere 15 % reduziert ist. Längerfristig wirksame Remineralisierung führt in 600-630 cm Teufe zu einem minimalen autochthonen Anteil von 25 %. Ein signifikanter Anstieg auf 80 % überliefert das Klimaoptimum des vorletzten Interglazials (5.5.1). Verknüpft sind die Daten mit dem durchschnittlichen marinen Fluß im rezenten Europäischen Nordmeer.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß frühdiagenetische, selektive Abbauprozesse einen erheblichen Einfluß auf die Menge und Zusammensetzung des sedimentären OM im EN haben. Berechnungen von Paläoproduktivitäten über Transfergleichungen, deren Datenbasis das fossile, diagenetisch überprägte TOC-Signal ist, sind daher zumindest für TOC-anne Sedimente kritisch zu betrachten und wurden aus diesem Grunde in dieser Arbeit nicht durchgeführt.

6.3 TOC-reiche Klasten in glazialen und deglazialen Sedimenten